T 0712/16 16-07-2019
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VORRICHTUNG ZUM PRÄZISEN BEARBEITEN VON MATERIAL
Einspruchsgründe - mangelhafte Offenbarung (nein)
Einspruchsgründe - Gegenstand geht über den Inhalt der früheren Anmeldung hinaus (nein)
Änderungen - offenbarter Disclaimer
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag (ja)
Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (ja)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Mit der am 15. Januar 2016 zur Post gegebenen Entscheidung wurde festgestellt, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen gemäß dem damals geltenden Hauptantrag das europäische Patent Nr. EP-B-1 628 606 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen.
II. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Einsprechende (Beschwerdeführerin) form- und fristgerecht Beschwerde eingereicht.
III. Am 16. Juli 2019 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Zudem beantragte sie Herrn Bischoff als Begleitperson der Beschwerdegegnerin nicht sprechen zu lassen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Hilfsweise beantragte sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage einer der Hilfsanträge I bis V, eingereicht mit Schreiben vom 9. Dezember 2016. Zudem beantragte sie die Dokumente D24 bis D27 und D29 nicht in das Verfahren zuzulassen und außerdem die Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung, sollte die Kammer auf der Basis mindestens einer dieser Druckschriften der Beschwerde stattgeben wollen. Weiterhin beantragte sie die Angriffe ausgehend von Dokument D2 mit allgemeinem Fachwissen oder Dokument D24, sowie den Angriff ausgehend von Dokument D16 mit den Dokumenten D24 bis D26 nicht zuzulassen. Zudem beantragte sie die neuen Angriffe der Beschwerdeführerin in dem Schreiben vom 14. Juni 2019 ebenfalls nicht zuzulassen.
IV. Folgende Entgegenhaltungen haben für die vorliegende Entscheidung eine Rolle gespielt:
D2: "Medical applications for ultrafast laser pulses", Holger Lubatschowski, Alexander Heisterkamp, Fabian Will, Ajoy I. Singh, Jesper Serbin, Andreas Ostendorf, Omid Kermani, Ralf Heermann, Herbert Welling, und Wolfgang Ertmer in RIKEN Review No. 50 (January 2003): Focused on Laser Precision Microfabrication (LPM 2002), Seiten 113-118;
D16: Alexander Heisterkamp, "Einsatz ultrakurzer Laserpulse in der refraktiven Laserchirurgie", Doktorarbeit, Universität Hannover (2002);
D19: A. Galvanauskas et al., "Generation of high-energy femtosecond pulses in multimode-core Yb-fiber chirped-pulse amplification systems" , Optics Letters, Vol. 26, No. 12, 2001, Seiten 935-937;
D24: H. Endert et. al. "Novel ultrashort pulse fiber lasers for micromachining applications", RIKEN Review no. 43, Seiten 23-27, January 2002;
D25: IMRA Press Release "Laser Industry 'Grand Slam' Winner: Newcomer IMRA America Received 2 Prestigious Awards for New Ultrafast Fiber Lasers", mit Datum February 21, 2001;
D26: Excerpt of www.laserfocusworld.com, "New Products", mit Datum 8/01/2001;
D27: US 6,555,781;
D28: M.H. Niemz, "Laser-Tissue Interactions", Springer Verlag, 1996, Kapitel 3.5: "Photodisruption";
D29: K. Leong, "technology report Femtosecond lasers for manufacturing", Industrial Laser Solutions, 2002, S. 11-15.
V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (entsprechend der von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Fassung) lautet wie folgt:
"Vorrichtung zum präzisen Bearbeiten von Material, nämlich der menschlichen Augenhornhaut, mit
- einem gepulsten Laser, wobei der Laser Laserstrahlpulse mit einer Pulslänge zwischen 50 fs und 1 ps und einer Pulsfrequenz von 100 kHz bis 1 MHz, nicht aber 100 kHz bereitstellt, wobei die Energie der einzelnen Laserstrahlpulse 100 nJ bis 5 myJ beträgt,
- Haltevorrichtungen zur Positionierung und/oder Fixierung des zu bearbeitenden Materials und
- einer Strahlfokussierungseinrichtung, welche die Laserstrahlpulse in das Innere des Materials fokussiert,
- wobei der gepulste Laser und die Strahlfokussierungseinrichtung so ausgebildet sind, daß die Laserstrahlpulse im innerhalb des Materials gelegenen Fokus eine Photodisruption bewirken,
- wobei der gepulste Laser eine Oszillator-Verstärker-Anordnung ist, deren Verstärker ein Faserlaserverstärker ist, und
- wobei die Vorrichtung ein optisches Modul umfasst, das eine spektrale Phasenfunktion der Laserpulse beeinflusst und einen linearen Pre-Chirp erzeugt, dessen Betrag dem linearen Chirp des optischen Systems angepasst ist."
Die Hilfsanträge spielen für die vorliegende Entscheidung keine Rolle.
VI. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Zulassung verspäteter Dokumente und Angriffslinien
Die angeblich verspätet vorgebrachten Dokumente und Angriffslinien stellten eine Reaktion auf die Einspruchsentscheidung und die Mitteilung der Kammer dar und seien daher zuzulassen.
Artikel 100 c) EPÜ - unzulässige Erweiterung
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gehe in mehrfacher Hinsicht über die ursprüngliche Offenbarung hinaus. Zum einen sei der Disclaimer "nicht aber 100 kHz" kein ursprünglich offenbarter Disclaimer im Sinne der Entscheidung G 2/10, sondern ein nicht ursprünglich offenbarter Disclaimer für den die Entscheidungen G 1/03 und G 2/03 einschlägig seien. Der Disclaimer nehme nämlich nicht nur den zugegebenermaßen offenbarten spezifischen unteren Grenzwert von 100kHz aus dem beanspruchten Gegenstand heraus, sondern diesen in Kombination mit den anderen Merkmalen des Anspruchs, wie einer Eignung zur Behandlung der menschlichen Augenhornhaut, einer bestimmten Pulslänge, einer bestimmten Pulsfrequenz, einer Strahlfokussierungseinrichtung usw. . Der herausgenommene Gegenstand sei aber so nicht offenbart, da er nur in Kombination mit weiteren Merkmalen, wie u.a. einem Fokusdurchmesser von 3 mym, offenbart gewesen sei. Nachdem es sich folglich um einen nicht offenbarten Disclaimer handle, die Kriterien für einen solchen jedoch nicht erfüllt seien, liege eine Verletzung der Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ vor. Selbst wenn man den Disclaimer als einen offenbarten Disclaimer im Sinne der Entscheidung G 2/10 ansähe, so sei der Gegenstand nicht gewährbar erweitert, da der im Anspruch verbliebene Gegenstand nicht ursprünglich offenbart gewesen sei. Der Disclaimer stelle nämlich genau wie der verbliebene Gegenstand einen Parameterbereich dar. Wie im Falle der T 985/06 oder der T 1093/99 entschieden, könne der bei Ersatz eines Grenzwerts durch eine offene Begrenzung entstehende Parameterbereich nicht als ursprünglich offenbart gelten. Diese Entscheidungen datierten zwar vor Veröffentlichung der G 2/10, sie würden aber auch danach noch weiter zitiert, z.B. in T 1371/12, und seien in ihrer Aussage daher weiterhin gültig. Damit sei der Disclaimer auch dann nicht gewährbar, wenn man ihn als ursprünglich offenbarten Disclaimer im Sinne der G 2/10 ansähe.
Weiterhin stelle nicht nur der Gegenstand des Disclaimers, sondern auch der Gegenstand des Anspruchs ohne Berücksichtigung des Disclaimers eine nicht gewährbare Zwischenverallgemeinerung dar. Aus den ursprünglich in Kombination mit der im Material eine Photodisruption bewirkenden Strahlfokussierungs-einrichtung offenbarten Merkmalen fehle der auf den Seiten 3, 5 und 6 offenbarte Fokusdurchmesser von 3 mym, die Energie des einzelnen Laserstrahlpulses von 1 myJ und die Strahlablenkungseinrichtung. Den Fokusdurchmesser könne der Fachmann auch aus dem in D28 offenbarten Fachwissen nicht bestimmen, da die in diesem Zusammenhang genannte Abbildung 3.53 den relevanten Femtosekundenbereich, 10**(-15) s, gar nicht erfasse.
Ebenso fehle bezüglich des optischen Moduls die dort in Kombination offenbarte Impulsdauer von 300fs. Nur für diese sei jedoch das optische Modul mit einem entsprechend angepassten Pre-Chirp offenbart.
Letztlich handle es sich bei dem beanspruchten Gegenstand um eine völlig neue Zusammenstellung von Merkmalen, die aus Aufzählungen der verschiedenen Laser-Verstärker, der verschiedenen Repetitionsraten, der verschiedenen Pulslängen und der Verwendung eines Pre-Chirp herausgepickt worden seien. Eine derartige völlig neue Zusammenstellung könne nicht als ursprünglich offenbart angesehen werden.
Klarheit
Beansprucht werde ein optisches Modul, welches einen linearen Pre-Chirp erzeuge, dessen Betrag dem linearen Chirp des optischen Systems angepasst sei. Es sei aber nicht klar, was zum optischen System dazugehöre. Je nachdem, ob weitere Komponenten wie z.B. das Kontaktglas der Haltevorrichtung oder auch die zu bearbeitende Cornea selbst als Teil des Systems angesehen würden oder nicht, ergäbe sich ein anderer Pre-Chirp. Dieser sei zudem von der Cornea des individuellen Patienten abhängig. Der Fachmann könne somit nicht beurteilen, ob ein bestimmtes Ausführungsbeispiel unter den Anspruch falle oder nicht. Der Anspruch sei daher nicht klar.
Neuheit
Dokument D16 offenbare eine Vorrichtung zur präzisen Bearbeitung der menschlichen Augenhornhaut gemäß Anspruch 1. Insbesondere werde an mehreren Stellen auf erhältliche Lasersysteme mit Repetitionsraten um 200 kHz verwiesen, siehe Seite 109, letzte Zeile, Seite 112, erster Absatz und Seite 114, vierter Absatz. Diese Offenbarungen seien völlig unabhängig von den zu verwendenden Scannersystemen, da der Anspruch ein Scannersystem gar nicht definiere. Ein Verstärker, der ein Faserlaser-Verstärker sei, werde auf Seite 115, zweiter Absatz ebenfalls offenbart. Der beanspruchte Gegenstand sei daher nicht neu.
Erfinderische Tätigkeit - D16 als nächstliegender Stand der Technik
Zumindest beruhe der beanspruchte Gegenstand ausgehend von der Lehre der D16 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Verwendung eines Laserverstärkers, der ein Faserlaserverstärker ist, sowie die beanspruchte Laser-Pulsfrequenz hätten nämlich keinen gemeinsamen technischen Effekt. Sie lösten somit unabhängige Teilprobleme. Dabei stelle die Verwendung eines Faserlaserverstärkers lediglich eine dem Fachmann bekannte Alternative dar. D16 erhalte diesbezüglich bereits den Hinweis, vgl. Seite 115, zweiter Absatz, dass durch derartige Faserlaser-Verstärker-Systeme eine Optimierung von Strahlqualität und Stabilität zu erwarten sei. Selbstverständlich würde der Fachmann den in D16 konsistent für derartig kurze Pulse als notwendig offenbarten Pre-Chirp entsprechend an ein so modifiziertes System anpassen. Dies sei problemlos möglich, da auch derartige Faserlaser-Verstärker "Kompressor-" und "Stretcher-" Einheiten wie in D16, Abbildung 4.10 enthielten, vgl. D19, Abbildung 1.
Eine höhere Repetitionsrate führe zu verkürzten Operationszeiten. Dies werde ebenfalls in D16 bereits erwähnt und sei dem Fachmann genau wie die Existenz derartiger Laser bekannt, so dass die Verwendung eines Lasers mit höheren Repetitionsraten ebenfalls naheliegend sei. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass akzeptable Operationszeiten laut Patentanmeldung bereits für einen Bereich von oberhalb 50 kHz aufträten. Ein besonderer Effekt des engeren, nun beanspruchten Bereichs von 100 kHz - 1Mhz, nicht aber 100 kHz sei dagegen nicht erwähnt. Der beanspruchte Gegenstand sei daher naheliegend.
Die Beschwerdeführerin machte in der mündlichen Verhandlung keine weiteren Einwände der fehlenden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D16 geltend.
Erfinderische Tätigkeit - D2 als nächstliegender Stand der Technik
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von der Offenbarung der D2 allenfalls dadurch, dass der gepulste Laser eine Oszillator-Verstärker-Anordnung ist, deren Verstärker ein Faserlaserverstärker ist, und dass die Vorrichtung ein optisches Modul umfasst, welches einen linearen Pre-chirp erzeugt, dessen Betrag dem linearen Chirp des optischen Systems angepasst ist.
Ausgehend von diesem Stand der Technik wäre der Fachmann zum einen vor die Aufgabe gestellt, aus den kommerziell erhältlichen Lasern einen für diese Vorrichtung geeigneten auszuwählen. Er kenne dabei im Rahmen des Fachwissens mehrere Systeme, wie sie z.B. in D29 aufgelistet seien, und würde somit das FCPA-2 System auswählen, welches den in D2 geforderten Parametern am besten entspreche. Dieses System beinhalte bereits eine Oszillator-Verstärker-Anordnung, die ein Faserlaserverstärker sei. Ein derartiger Faserlaser-Verstärker stelle zudem lediglich eine wohlbekannte Alternative dar, der das Patent selbst keinen eigenen technischen Effekt zuordne, und die dem Fachmann aus seinem Fachwissen heraus bekannt sei. Auch für den letzten verbliebenen Unterschied, nämlich das Vorsehen eines Pre-Chirp sei kein Effekt benannt. Dem Fachmann sei jedoch aus der D16 bekannt, dass bei kurzen Pulsen eine Kompensation der Dispersion über einen Pre-Chirp durchgeführt werden müsse. D16 offenbare auch, wie dieser Pre-Chirp in naheliegender Weise zu bestimmen sei. Aufgrund des Vorhandenseins von Stretcher- und Kompressor-Komponenten in Laserverstärkern, die ein Faserlaserverstärker sind, vgl. D19, stelle es für den Fachmann keine Schwierigkeit dar, einen Pre-Chirp in analoger Weise wie in D16 zu implementieren. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Beschwerdeführerin machte keine weiteren Einwände der fehlenden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D2 geltend.
Ausführbarkeit
Der beanspruchte Gegenstand sei zudem nicht ausführbar offenbart. Der Fachmann erhalte einerseits in Absatz [0013] der Patentschrift die Lehre, dass die Aufgabe gelöst werde durch eine Vorrichtung bei der im Material Kavitationsblasen von weniger als 10 mym entstünden, wofür ein Laserstrahl mit einer Pulsenergie von weniger als 5 myJ zu verwenden sei. Dagegen lehrten die Absätze [0007] und [0014], dass die Aufgabe bei einer Energie von 500 nJ bis 5 myJ gelöst werde. Diese Informationen seien in sich widersprüchlich. Offensichtlich seien zusätzliche, dem Fachmann nicht offenbarte Maßnahmen zu treffen, nachdem der genannte Energiebereich mal zur Lösung der Aufgabe geeignet sei und mal nicht. Ohne Kenntnis dieser Maßnahmen könne der Gegenstand jedoch nicht ausgeführt werden.
Auch enthalte die Patentschrift in Absatz [0019] keinerlei Informationen, wie der Faserlaserverstärker auszubilden sei, so dass alle beanspruchten Parameter erfüllt würden. Ebenso fehlten in Absatz [0027] und [0030] Informationen über die Ausgestaltung der Scanner.
Dabei sei in der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit und der Ausführbarkeit das gleiche Fachwissen des Fachmanns anzusetzen. Wenn der Fachmann also mit den Informationen der D16 nicht aufgrund seines Fachwissens die dort vorgeschlagenen Anpassungen von Laserverstärker und Laser-Pulsfrequenz mit entsprechend schnellen Strahlablenkeinrichtungen in naheliegender Weise umsetzten könne, so könne das gleiche Fachwissen auch nicht ausreichen, um die Erfindung mit den noch spärlicheren Informationen der Patentschrift auszuführen.
Anpassung der Beschreibung
Bezüglich der Anpassung der Beschreibung wurde vorgetragen, dass diverse Hinzufügungen / Streichungen / Änderungen nicht durch einen Einspruchsgrund verursacht und daher gemäß Regel 80 EPÜ nicht gewährbar seien. Auch verstoße die Änderung von "ein menschliches Auge" zu "die Hornhaut des menschlichen Auges" auf Seite 13, Absatz 3 der Beschreibung gegen die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
VII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Zulassung verspäteter Dokumente und Angriffslinien
Eine Änderung der Sachlage, welche ein verspätetes Vorbringen sowohl der Dokumente als auch der genannten verspätet vorgebrachten Angriffslinien rechtfertigen könne, sei nicht erkennbar. Außerdem seien die neu eingereichten Dokumente prima facie nicht relevant.
Artikel 100 c) EPÜ - unzulässige Erweiterung
Der aus dem Anspruchswortlaut ausgeschlossene Wert einer Pulsfrequenz des Lasers von 100 kHz sei in der Anmeldung explizit genannt. Es handle sich somit um das Ausschließen einer offenbarten Ausführungsform im Sinne der Entscheidung G 2/10 und die in den Entscheidungen G 1/03 und G 2/03 aufgestellten Kriterien seien somit nicht anwendbar. Wie in G 2/10, Punkt 4.5.5 der Entscheidungsgründe dargelegt, stehe es der Patentinhaberin frei, für eine Ausführungsform oder einen Teil der offenbarten Erfindung keinen Schutz zu beanspruchen. Im Übrigen sei der im Anspruchsgegenstand verbleibende Rest-Gegenstand ursprünglich offenbart. Insbesondere sei explizit z.B. eine Pulsfrequenz von 500 kHz Teil der Erfindung. Dagegen seien die von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidungen nicht einschlägig, da sie entweder vor der hier relevanten G 2/10 datierten, oder - wie in T 1371/12 - den Wechsel auf eine offene Intervallgrenze sogar zugelassen hätten. Der Disclaimer sei daher gewährbar.
Eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung liege ebenfalls nicht vor. Anspruch 1 basiere auf Anspruch 11 wie ursprünglich eingereicht. Aus der ebenfalls ursprünglich beanspruchten Energie der Laserpulse, vgl. Anspruch 12 wie eingereicht, ergebe sich aus der dem Fachmann, vgl. D28, Abb. 3.53, bis in den Femtosekundenbereich hinein bekannten Photodisruptions-Schwelle der erforderliche Fokusdurchmesser.
Eine Strahlfokussiereinrichtung sei zudem im ursprünglichen Anspruchssatz lediglich in einem abhängigen Anspruch definiert worden, ohne Abhängigkeit von einer Strahlablenkungseinrichtung. Auch aus Seite 6, fünfter Absatz und Seite 2, vierter Absatz der ursprünglich eingereichten Beschreibung sei zu entnehmen, dass die Fokussiereinrichtung alleine für das Auftreten der Photodisruption ursächlich sei. Darauf, wo der Strahl durch die Strahlablenkeinrichtung dann hingelenkt werde, komme es bezüglich des Auftretens von Photodisruption nicht an.
Genauso sei das beanspruchte optische Modul auf Seite 4, vierter Absatz offenbart. Die dort ebenfalls erwähnte Impulsdauer von 300 fs sei explizit nur als "bevorzugt" bezeichnet und daher für eine gewährbare Anspruchsdefinition nicht erforderlich.
Eine nicht gewährbare Auswahl aus mehreren Listen liege ebenfalls nicht vor. Die Rechtsprechung zur Gewährbarkeit einer Auswahl aus mehreren Listen stamme praktisch ausschließlich aus dem Gebiet der Chemie, wo bei langen Listen möglicher Substituenten nicht klar sei, ob eine aus mehreren derartigen Listen ausgewählte Substanz die geforderten Eigenschaften aufweise. Diese Rechtsprechung sei auf das vorliegende Feld mit einer überschaubaren Wechselwirkung der verschiedenen Komponenten untereinander nicht anwendbar. Zudem könne man allenfalls die Aufzählung der möglichen Laserverstärker als eine Liste ansehen. Diese habe jedoch nur drei Einträge. Die weiter im Anspruch definierten Parameterbereiche seien hingegen wie üblich als zunehmend geschachtelte bevorzugte Bereiche offenbart, und die Verwendung von faserbasierten Lasersystemen bereits in Anspruch 18 wie eingereicht in der nun vorliegenden Weise beansprucht.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gehe daher nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
Klarheit
Das optische System umfasse die optischen Komponenten bis zum Auftreffen des Strahls auf die Hornhaut, nicht aber die Hornhaut selbst. Es sei für den Fachmann somit klar zu beurteilen, ob das optische Modul und insbesondere der von ihm erzeugte lineare Chirp an das optische System angepasst seien oder nicht. Selbst wenn man die zu behandelnde Hornhaut als Teil des optischen Systems ansehen wollte, so wäre angesichts ihrer geringen Dicke von 0,5 mm ihr Einfluss und insbesondere der Einfluss etwaiger interindividueller Dickenvariation auf das optische System mit Glasdicken von mehreren Zentimetern zu vernachlässigen.
Neuheit
D16 offenbare weder eine Oszillator-Verstärker-Anordnung, deren Verstärker ein Faserlaserverstärker ist, noch eine Pulsfrequenz der Laserstrahlpulse von 100 KHz bis 1 MHz, nicht aber 100 kHz. Insbesondere verwende der in D16, Abbildung 4.10 offenbarte Verstärker als Verstärkungsmedium ein Kristall und keine Faser. Auf Seite 115 würden Faserlaser-Verstärker-Systeme zwar erwähnt, jedoch in spekulativer Weise, als etwas, das erst in naher Zukunft zur Anwendung gelangen könne. Dies könne nicht als klare und eindeutige Lehre des Dokuments D16 verstanden werden. Bezüglich der Repetitionsrate des in D16 verwendeten Lasers werde diese auf Seite 49, Zeilen 1 und 2 als zwischen 1 kHz und 10 kHz variabel veränderbar offenbart. Verweise auf höhere Repetitionsraten fänden sich zwar, jedoch ebenfalls nur in spekulativer Form. Explizit werde auf Seite 114, vorletzter Absatz darauf hingewiesen, dass diese Systeme mit hohen Repetitionsraten mit den in D16 verwendeten Scannersystemen inkompatibel seien. Diese könnten daher ebenfalls nicht als in D16 offenbart angesehen werden.
Erfinderische Tätigkeit
Ausgehend von D16 als nächstliegendem Stand der Technik erhalte der Fachmann mehrere Informationen, die ihn explizit davon abhielten, ein Lasersystem mit einer höheren Repetitionsrate oder einen Verstärker, der ein Faserlaserverstärker ist, zu verwenden.
So hätten zum einen die dort verwendeten Scannersysteme bei Repetitionsraten um 10 kHz ihre Leistungsgrenze. Zum anderen erwähne D16 auf Seite 115, zweiter Absatz, zwar eine mögliche Verwendung eines jüngst entwickelten Faserlaser-Verstärker-Systems, eigentliches Ziel sei aber eine weitere Reduzierung der Pulsenergien in den nJ Bereich hinein mit einem Verzicht auf die Chirped Pulse Amplification (CPA) Technik. Ohne CPA Technik könne aber der in D16 verwendete Pre-Chirp nicht in gleicher Weise eingebracht werden. Außerdem verwende das in D16 genannte, jüngst entwickelte Faserlaser-Verstärker-System keinen Pre-Chirp, so dass der Fachmann, selbst wenn er dieses System statt des in D16 offenbarten Kristall-Verstärkers etablieren wollte, vor weiteren, das Fachwissen übersteigenden Modifikationen stünde. Der Aufbau des genannten Faserlaser-Verstärker-Systems sei zudem nicht allgemeines Fachwissen. Der beanspruchte Gegenstand sei daher ausgehend von D16 als nächstliegendem Stand der Technik nicht naheliegend.
Die Situation sei auch ausgehend von D2 als nächstliegendem Stand der Technik nicht anders zu beurteilen. D2 offenbare allerdings als weiteres Unterscheidungsmerkmal zusätzlich nicht die Verwendung eines optischen Moduls mit Pre-Chirp, um die Dispersion des optischen Systems auszugleichen. Eine Repetitionsrate für das am Auge verwendete System sei in D2 nicht angegeben, das dort offenbarte zahnmedizinische System verwende eine Repetitionsrate von lediglich 3 kHz. Zwar werde in D2, Seite 117, linkes Spalte, vorletzter Absatz ein jüngst verfügbares System mit einer Repetitionsrate von 300 KHz erwähnt, allerdings wiederum nur in Zusammenhang mit der Aussage, dass ein dafür geeignetes Scannersystem noch Gegenstand laufender Entwicklungen sei. Damit sei in D2 kein Lasersystem mit einer Repetitionsrate im beanspruchten Bereich offenbart.
Selbst wenn man der Beschwerdeführerin dahingehend folgte, dass der Fachmann aus neu entwickelten, als gebrauchsfertiges Produkt ("turnkey system") erhältlichen Lasersystemen - vgl. D29 - unter Beibehaltung der anderen in D2 angegebenen Laserparameter eines mit einer höheren Repetitionsrate auswählen würde, so hätten diese Systeme immer noch kein einen linearen Pre-Chirp erzeugendes optisches Modul. Um ein solches zu erhalten müsste der Fachmann das "turnkey system" öffnen und in selektiver Weise modifizieren. Dies widerspreche gerade dem Argument der Beschwerdeführerin, dass der Fachmann ein derartiges Lasersystem als "turnkey solution" implementieren würde. Zudem offenbare D16 zwar das Einbringen eines Pre-Chirp, jedoch lediglich in Zusammenhang mit einem Kristall-Verstärker. Der Fachmann benötigte detailliertes Wissen über den Aufbau des "turnkey systems" um dort eventuell analoge Bauteile zu identifizieren, an welchen die einen Pre-Chirp bewirkenden Modifikationen anzubringen seien. Ein solches Vorgehen sei nur in Kenntnis der Erfindung möglich und daher nicht naheliegend.
Ausführbarkeit
Die Beschwerdeführerin habe keinerlei Belege für eine mangelnde Ausführbarkeit der Erfindung vorgelegt.
Eine Energie des einzelnen Laserstrahlpulses von 5 myJ sei in Paragraph [0014] der Patentschrift explizit als zur Lösung der Aufgabe der in Paragraph [0011] gestellten Aufgabe geeignet genannt. Gemäß Paragraph [0013] der Patentschrift seien lediglich insbesondere Kavitationsblasen mit einem Durchmesser von weniger als 10 mym geeignet, für deren Erzeugung Pulsenergie von weniger als 5 myJ Verwendung finden. Dies schließe eine Lösung der Aufgabe bei 5 myJ nicht aus, auch wenn Werte unter 5 myJ zu einem bezüglich der Rauheit noch befriedigenderen Ergebnis führen würden.
Auch ein Nachweis dafür, dass die in Paragraph [0025] und [0030] der Patentschrift genannten Scannersysteme für die beanspruchten Pulsfrequenzen nicht geeignet seien, fehle. Ein Verweis auf die entsprechende Aussage in D16 bezüglich der dort verwendeten Scannersysteme genüge diesbezüglich nicht als Nachweis des allgemeinen Fachwissens, zumal die Scannersysteme des Patents und der D16 unterschiedlich angesteuert würden.
Anpassung der Beschreibung
Die Änderungen in der angepassten Beschreibung seien im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung und entsprächen einer Anpassung an die im Einspruchsverfahren neu vorgelegten geänderten Ansprüche.
1. Zulassung verspäteter Dokumente und Angriffslinien
1.1 Die Kammer sieht die verspätet vorgebrachte Entgegenhaltung D29 als Reaktion auf ihre Mitteilung an und läßt sie deshalb in das Verfahren zu.
Dasselbe trifft für die im Schreiben vom 14. Juni 2019 verspätet vorgebrachten Argumente in Bezug auf Artikel 123(2) und 83 EPÜ zu.
1.2 D24-D27 wurden von der Kammer ebenfalls in das Verfahren zugelassen, aber der darauf gestützte Angriff wurde in der mündlichen Verhandlung nicht weiter verfolgt.
Dasselbe trifft für die Angriffslinie ausgehend von D2 allein mit dem allgemeinen Fachwissen zu.
Die Kammer hat weiter entschieden, dass es Herrn Bischoff erlaubt sei mündliche Ausührungen zu machen. Die Beschwerdegegnerin hat hiervon jedoch keinen Gebrauch gemacht.
2. Artikel 100 c) EPÜ - unzulässige Erweiterung
2.1 Der Einwand des Vorliegens einer nicht gewährbaren Zwischenverallgemeinerung
Anspruch 1 beruht zunächst in weiten Teilen auf einer Kombination der Merkmale der Ansprüche 11-13 und 15 der Anmeldung wie eingereicht. Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die Hinzufügung der Merkmale, wonach die Strahlfokussiereinrichtung und der gepulste Laser so ausgebildet sind, dass die Laserstrahlpulse im innerhalb des Materials gelegenen Fokus eine Photodisruption bewirken, und wonach die Vorrichtung ein optisches Modul umfasst, das eine spektrale Phasenfunktion der Laserpulse beeinflusst und einen linearen Pre-Chirp erzeugt, dessen Betrag dem linearen Chirp des optischen Systems angepasst ist, nur in unlösbarer Verbindung mit anderen Merkmalen offenbart seien. Da diese Merkmale nicht im Anspruch enthalten seien, liege eine nicht gewährbare Zwischenverallgemeinerung vor. Bezüglich der Fokussiereinrichtung und der durch die Fokussierung bewirkten Photodisruption sei diese nur für einen Fokusdurchmesser von 3 mym und eine Energie des Laserstrahls von 1 myJ offenbart (Anmeldung, Seite 2, vierter Absatz), dies zudem immer in Kombination mit einer Strahlablenkeinrichtung.
Seite 6, fünfter Absatz offenbart jedoch, dass der Laser für die Photodisruption mit der Strahlfokussierungseinrichtung bevorzugt auf einen Durchmesser im Mikrometerbereich fokussiert wird. Eine Einschränkung auf 3 mym (Seite 2, vierter Absatz; Seite 5, letzter Absatz), ist in Hinblick auf diesen nur als "bevorzugt" genannten Wert daher nicht notwendig. Vielmehr ist dem Fachmann bekannt (vgl. z.B. das allgemeine Fachbuch D28, Abbildung 3.53), dass Photodisruption oberhalb einer bestimmten Energiedichte auftritt. Aus der im Anspruch definierten Energie geht somit für den Fachmann auf Basis der bekannten Photodisruptions-Schwelle hervor, welcher Fokusdurchmesser mindestens vorgesehen werden muss (bei Heranziehung der in Abb. 3.53 eingezeichneten Schwelle liegt dieser für den beanspruchten Energiebereich in der Tat im Mikrometerbereich).
Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, dass die Abbildung 3.53 der D28 in diesem Zusammenhang irrelevant sei, da sie den Femtosekundenbereich (10**(-15)) gar nicht erfasse. Der Anspruch definiert jedoch einen Pulslängenbereich von 50 fs (10**(-14)) bis 1 ps (10**(-12)) der zu einem Großteil durchaus in der Abbildung dargestellt ist. Im Übrigen verläuft die Photodisruptions-Schwelle zumindest im beanspruchten Pulslängenbereich im Wesentlichen konstant, so dass zumindest aus der Abb. 3.53 nicht abzuleiten wäre, dass der Anspruch auf eine spezifische Fokuslänge von 1 mym oder 3 mym einzuschränken wäre.
Die weiter als notwendiger Weise in den Anspruch aufzunehmend angesehene Strahlablenkungseinrichtung ist nicht wesentlich, da Photodisruption auftritt, wenn bei einer bestimmten Pulsdauer eine bestimmte Energiedichte überschritten wird, d.h. wenn die Fokussiereinrichtung den Puls einer bestimmten Energie auf einen entsprechenden Fokus gebündelt hat, unabhängig davon, wo im Gewebe die Strahlablenkeinrichtung diesen Fokus positioniert (siehe auch Seite 6, fünfter Absatz, erster Satz). Dies stimmt überein mit der Offenbarung des ursprünglichen Anspruchs 13, in der Einrichtungen zur Strahlablenkung und/oder Strahlfokussierung gleichberechtigt nebeneinander und damit unabhängig voneinander definiert waren.
Auch die Offenbarung des Pre-Chirp auf Seite 4, vierter Absatz der Beschreibung rechtfertigt nach Ansicht der Kammer keine Einschränkung auf eine Pulslänge von 300 fs. Diese Pulsdauer ist explizit als bevorzugt bezeichnet. Sie ändert damit nichts an der technischen Lehre, dass, um am Werkstück, i.e. am Auge, eine bestimmte Pulslänge zu erreichen, der durch Dispersion im optischen System verursachte lineare Chirp, durch einen linearen Pre-Chirp kompensiert werden muss. Eine Einschränkung auf eine Pulslänge von 300 fs ist daher ebenfalls nicht erforderlich.
2.2 Der Einwand einer Auswahl aus mehreren Listen, bzw. eines "pick-and-mix approach"
Die Rechtsprechung zur Gewährbarkeit einer Auswahl aus mehreren Listen kommt, wie von der Beschwerdegegnerin zu Recht vorgetragen, im Wesentlich aus der Chemie. Dabei handelt es sich dort regelmäßig um längere Listen.
Die von der Beschwerdeführerin angeführte "Liste" der verschiedenen Bauformen des Verstärkers (letzter Satz auf Seite 3) hat 3 Einträge (Scheibenlaserverstärker, Faserlaserverstärker, aber auch Stablaserverstärker). Bei den Repetitionsraten und den Pulsdauern handelt es sich nicht um Listen mit alternativen Einträgen im eigentlichen Sinn, sondern um geschachtelte Parameterbereiche die sukzessive zunehmend bevorzugt sind. Die beanspruchte Beschränkung auf einen bestimmten Laser-Verstärker-Typ und bestimmte Parameterbereiche für Pulsdauer und Repetitionsraten stellt daher keine Auswahl aus mehreren (längeren) Listen oder einen nicht gewährbaren "pick and mix"- Ansatz dar, sondern ist für den Fachmann unmittelbar und unzweifelhaft offenbart.
2.3 Der Disclaimer "nicht aber 100 kHz"
Es besteht Einigkeit, dass es sich bei dem Merkmal "nicht aber 100 kHz" um einen sogenannten Disclaimer handelt.
Es besteht zudem Einigkeit, dass der durch den Disclaimer herausgenommene, spezifische untere Grenzwert der Pulsfrequenz an sich ursprünglich offenbart ist (Seite 3, erster Absatz). Damit ist - im Gegensatz zum Vorbringen der Beschwerdeführerin - auch der herausgenommene Gegenstand aus den in Punkt 2.1 und 2.2 dargelegten Gründen offenbart. Diese Pulsfrequenz ist also nicht lediglich mit einer bestimmten Merkmalskombination offenbart, sondern für die ganze Lehre der Anmeldung und damit auch für die im vorliegenden Anspruch 1 beanspruchten Merkmale, d.h. es handelt sich um einen ursprünglich offenbarten Disclaimer im Sinne der Entscheidung G 2/10. Ein solcher Disclaimer ist erlaubt, wenn der im Anspruch verbliebene Teil des Gegenstands für den Fachmann als zur Erfindung gehörig offenbart war und es sich nicht um ein "singling out", d.h. ein Herausmodellieren einer neuen Erfindung aus der bisher bekannten Erfindung handelt. Dies ist jedoch durch Ausklammern lediglich des unteren Grenzwerts nicht der Fall, da sich der beanspruchte Gegenstand dadurch nur marginal verändert.
Die von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidungen T 985/06 und T 1093/99 datieren vor Veröffentlichung der G 2/10 und sind schon aus diesem Grund für die zu beantwortende Fragestellung nicht relevant.
Die weiter zitierte Entscheidung T 1371/12 datiert zwar nach Veröffentlichung der G 2/10, ist hier jedoch ebenfalls nicht einschlägig, da sie sich weder mit der Gewährbarkeit eines Disclaimers noch mit der Auslegung der G 2/10 befasst. Die Änderung der Bereichsobergrenze von "100°C" in "unter 100°C" wurde in dieser Entscheidung im Übrigen, wenn auch aus anderen Gründen für gewährbar erachtet (T 1371/12, Punkt 2.1.3 der Entscheidungsgründe).
2.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 geht daher nicht über die ursprüngliche Offenbarung hinaus.
3. Klarheit
Die Vorrichtung umfasst einen Laser, dessen Licht durch verschiedene optische Elemente letztlich auf die zu bearbeitende Hornhaut trifft. Diese optischen Elemente beeinflussen die in einem Laserpuls derart kurzer Dauer aufgrund der Unschärferelation vorhandenen unterschiedlichen Wellenlängen unterschiedlich. Dies führt zu einer Dispersion, die durch den Pre-Chirp wieder ausgeglichen werden soll. Dabei gehören die Elemente der Vorrichtung, die die Dispersion beeinflussen, zum optischen System. Ist z.B. eine Haltevorrichtung mit Halteglas vorhanden, so gehört dieses zum optischen System. Der Fachmann kann also, wenn ihm eine bestimmte Vorrichtung vorliegt, feststellen, ob die durch die Teile des optischen Systems verursachte Dispersion durch einen angepassten Chirp beeinflusst wird oder nicht. Die zu bearbeitende menschliche Hornhaut gehört nicht zum optischen System, weil sie nicht Teil der Vorrichtung ist. Eine eventuelle interindividuelle Variation der Hornhautdicke kann somit den Anspruchsgegenstand nicht unklar machen. Ihr Einfluss wäre sowieso, aufgrund der um Größenordnungen geringeren Dicke der Hornhaut (etwa 0,5 mm) im Vergleich zu der Dicke der Elemente des optischen Systems (z.B. 7 cm Glasweg bei der Optik der D16, siehe Seite 77, vorletzter Satz) verschwindend gering.
4. Neuheit - Dokument D16
Dokument D16 ist eine Doktorarbeit deren öffentliche Zugänglichkeit im Beschwerdeverfahren nicht mehr streitig war.
D16 offenbart ein Lasersystem für die Hornhautchirurgie (Seite 79ff, Kapitel "Bearbeitung von Augenhornhaut"). Auch wenn im experimentellen Aufbau enukleierte Schweineaugen verwendet wurden, so ist dennoch von einer Eignung zur Bearbeitung der menschlichen Augenhornhaut aufgrund der Ähnlichkeit der Gewebe bei Mensch und Schwein auszugehen. Pulslänge und Energie gemäß Anspruch 1 sowie das Vorhandensein eines Pre-Chirps sind in D16 ebenfalls offenbart (Seite 111, zweiter Absatz und Seite 79, erster Absatz).
Streitig ist insbesondere, ob D16 einen gepulsten Laser, der Laserstrahlpulse mit einer Pulsfrequenz von 100 kHz bis 1 MHz, nicht aber 100 kHz aufweist, und eine Oszillator-Verstärker-Anordnung, deren Verstärker ein Faserlaserverstärker ist, in Kombination mit den restlichen Merkmalen des Anspruchs 1 offenbart.
Die in den Experimenten verwendete Laservorrichtung hat unstreitig eine geringere Pulsfrequenz. Es wird jedoch an mehreren Stellen erwähnt, dass Systeme mit Repetitionsraten um 200 KHz kürzlich realisiert worden sind (Seite 109, letzter Satz; Seite 114, vorletzter Absatz). Repetitionsraten im Bereich mehrerer 10 KHz bis 100 kHz werden zudem als für bestimmte angestrebte Operationen erforderlich bezeichnet (Seite 114, dritter Absatz, letzter Satz). Jedoch wird auf Seite 114, vorletzter Absatz, explizit ausgesagt, dass der Einsatz der Laser-Systeme mit 200 kHz im Rahmen der chirurgischen Eingriffe neue Entwicklungen im Bereich der Scannertechnologie voraussetzt, da Galvanometerspiegel, wie sie in dieser Arbeit (D16) verwendet werden mit etwa 10 kHz an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit stoßen. Dieser Information entnimmt der Fachmann, dass Laser mit 200 kHz Repetitionsrate zwar existieren und solche mit Repetitionsraten bis 100 kHz zur Behandlung großer Flächen mit akzeptablen Operationszeiten erforderlich sind, aber nicht als (funktioneller) Teil der in D16 offenbarten Vorrichtung verwendet werden konnten. D16 offenbart daher keine Vorrichtung mit einer Laser-Pulsfrequenz von 100 kHz bis 1 MHz in Kombination mit den beanspruchten Merkmalen.
Dabei ist zu beachten, dass bei der Beurteilung der Neuheit das Fachwissen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Dokuments D16 heranzuziehen ist. Erst danach veröffentlichte Dokumente oder auch die Streitpatentschrift selbst können daher schon aus diesem Grund nicht belegen, dass die laut dem Autor der D16 erforderlichen, aber noch nicht entwickelten schnellen Scannersysteme doch existieren würden, dem Fachmann bekannt wären und dieser die genannte Grenze der Leistungsfähigkeit der Scannersysteme daher als offensichtlich falschen und daher zu ignorierenden Teil der Offenbarung ansehen würde.
Es ist dabei unerheblich, dass der Anspruch das Vorhandensein eines Scanner-Systems gar nicht definiert. Die Lehre der D16 ist aus sich heraus zu interpretieren. Das System gemäß D16 enthält ein Scannersystem. Wenn - wie in D16 ausgesagt - die Scannertechnologie bei Repetitionsraten von 10 KHz an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit stößt, dann ist daraus zu entnehmen, dass die Vorrichtung zur Bearbeitung der menschlichen Hornhaut gemäß D16 nicht mit einem Lasersystem mit einer anspruchsgemäßen Repetitionsrate oberhalb der Leistungsgrenze von 10 kHz versehen war, unabhängig von den im Anspruch definierten Merkmalen.
Bezüglich der Oszillator-Verstärkeranordnung offenbart D16 als Oszillator (Seite 43, Kapitel 4.2.2. "Verwendete Oszillatoren") einen Ti-Saphir-Oszillator und einen Erbium-Faserlaser Oszillator. Die ultrakurzen Pulse beider Laser werden in einem einen Ti-Saphir Kristall enthaltenden Verstärker verstärkt. Der in D16 für die Experimentalvorrichtung offenbarte Verstärker ist also kein Faserlaserverstärker.
D16 enthält im Kapitel 8: Wertung und Ausblick, Seite 115, vorletzter Absatz einen Verweis auf jüngst entwickelte Faserlaser-Verstärker-Systeme, die "in naher Zukunft" die Erwartungen an eine Optimierung von Strahlqualität und Stabilität erfüllen "könnten". Die angegebene Literaturstelle verweist auf die Arbeit von Galvanauskas et al., die als D19 Teil des Beschwerdeverfahrens ist. Es ist unstreitig, dass in D19 ein Verstärker offenbart ist, der ein Faserlaserverstärkter ist. Die spekulative Formulierung in D16 macht jedoch klar, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung die Faserlaser-Verstärker-Systeme die Erwartungen noch nicht erfüllen und daher auch nicht als Teil der in D16 offenbarten Vorrichtung anzusehen sind.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu über die Offenbarung der D16.
5. Erfinderische Tätigkeit
5.1 D16 als nächstliegender Stand der Technik in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen
Wie in Punkt 4 ausgeführt unterscheidet sich der beanspruchte Gegenstand von der Offenbarung der D16 in der Repetitionsrate des Laserstrahlpulses und darin, dass der Verstärker der Oszillator-Verstärker-Anordnung ein Faserlaserverstärker ist.
Bezüglich einer Pulswiederholrate von mehr als 50 kHz offenbart die Patentschrift in Absatz [0013], dass diese eine sehr schnelle Bearbeitung gestattet, was insbesondere für die refraktive Hornhautchirurgie von großem Vorteil sei.
Die Aufgabe ausgehend von D16 (dessen Vorrichtung aufgrund der Einschränkungen durch die Scannertechnologie eine Repetitionsrate im Bereich von nicht mehr als 10 kHz haben) ist daher die Verkürzung der Operationszeiten für die refraktive Hornhautchirurgie. Es ist dabei unerheblich, dass das Patent für den beanspruchten engeren Pulsfrequenzbereich keine spezifischere Aufgabe formuliert, da der Effekt im Vergleich mit den in D16 verwendeten Pulsraten auch im beanspruchten engeren Bereich auftritt.
Der Fachmann erhält in D16 zur Lösung dieses Problems die Lehre, schnellere Lasersysteme mit Pulsraten bis 100 kHz bzw. sogar den Laser mit einer Repetitionsrate von 200 kHz zu verwenden. D16 offenbart aber nicht die weiteren Parameter des kürzlich erhältlichen 200 kHz Systems, wie z.B. die Pulslängen, oder die Energie der einzelnen Laserstrahlpulse. Es kann somit aus dem Fachwissen heraus nicht geschlossen werden, dass diese weiteren Parameter bei Verwendung des angeblich bekannten Lasers im beanspruchten Bereich liegen. In der Tat offenbart die in der D16 in Zusammenhang mit einem 200 KHz Laser genannte Literaturstelle (D19) eine Laserstrahlpulsenergie außerhalb des beanspruchten Bereichs.
Hinzu kommt, dass D16 eindeutig lehrt, dass bei Verwendung eines derartigen Lasers mit einer höheren Repetitionsrate Weiterentwicklungen am Scannersystem notwendig sind. In diesem Zusammenhang spielt es -wie schon bei der Neuheit - keine Rolle, dass der beanspruchte Gegenstand keine Strahlablenkungseinrichtung umfasst. Der Fachmann würde den nächstliegenden Stand der Technik nicht auf eine Weise verändern, die gemäß der expliziten Lehre des Dokuments inkompatibel mit der dort offenbarten Vorrichtung ist. Er müsste der Lehre der D16 folgend daher zusätzlich danach trachten, entsprechend leistungsfähige Scanner-Systeme einzusetzen. Es mag sein, dass solche schnelle Scannersystem bekannt sind, dies ist jedoch kein Nachweis eines diesbezüglich bestehenden allgemeinen Fachwissens.
Auch das Argument, dass der Fachmann ein entsprechendes Fachwissen haben müsse, um das Scannersystem für die Ausführung der Erfindung zu realisieren, kann nicht überzeugen. Die Patentschrift macht u.a. in Absatz [0025] und [0030] detaillierte Ausführungen zum Scannersystem und seiner Steuerung. Ein Hinweis, dass die genannten Systeme nicht geeignet seien findet sich hier nicht. Auch die Beschwerdeführerin hat diesbezüglich keine Nachweise gebracht. Vielmehr sei es auch ihr nicht klar, aus welchen Gründen der Autor der D16 zu seiner Äußerung gekommen sei, dass konventionelle Scannersysteme oberhalb etwa 10 kHz an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit stießen.
Aus D16 erhält der Fachmann unzweifelhaft die Lehre, dass das Scannersystem modifiziert werden muss, um einen Laser mit einer höheren Repetitionsrate verwenden zu können. Gegen die explizite Lehre der D16 dennoch einen Laser mit höherer Repetitionsrate zusammen mit einem konventionellen Scannersystem zu verwenden, kann daher nicht als naheliegend angesehen werden, abgesehen davon, dass auch unbekannt bleibt, ob die weiteren Parameter (Pulsenergie) des 200 KHz Lasers den beanspruchten Parametern entsprechen.
Das Fachwissen alleine kann daher ausgehend von D16 nicht zum beanspruchten Gegenstand führen.
5.2 D2 als nächstliegender Stand der Technik
D2 offenbart ebenfalls eine Vorrichtung zum präzisen Bearbeiten der menschlichen Augenhornhaut (s. Figur 2 und Seite 113, rechte Spalte "Ophthalmic applications"). Der genannte, als einsatzbereite Lösung ("turn key laser system") erhältliche Laser hat eine Pulsenergie von 1 myJ oder weniger und Pulslängen im Femtosekundenbereich (160 fs, 930 fs, siehe Seite 113, linke Spalte, letzter Absatz und Seite 114, rechte Spalte, hier allerdings mit einer Pulsenergie von 2 myJ). Eine Offenbarung der Repetitionsrate findet sich im Absatz über die Augenchirurgie nicht. Figur 7 aus dem Bereich der Zahnmedizin offenbart eine Repetitionsrate von 3 kHz. In ähnlicher Weise wie D16 verweist D2 im Kapitel "Conclusion" auf ein kürzlich erhältliches Lasersystem mit Repetitionsraten von 300 kHz (Seite 117, linke Spalte, vorletzter Absatz). Für ein solches Systeme ist aber ebenfalls offenbart, dass eine Weiterentwicklung der Scanner-Systeme notwendig wäre (ebenfalls Seite 117, a.a.O.).
D2 offenbart also nicht eine Pulsfrequenz des verwendeten gepulsten Lasers für die Augenchirurgie von 100 kHz bis 1 MHz, nicht aber 100 kHz.
D2 offenbart unstreitig auch nicht ein optisches Modul, das einen Pre-Chirp erzeugt, dessen Betrag dem linearen Chirp des optischen Systems angepasst ist.
Ebenfalls nicht offenbart ist, dass der zu verwendende Laser eine Oszillator-Verstärker Anordnung ist, deren Verstärker ein Faserlaserverstärker ist.
Folgt man der Beschwerdeführerin insoweit, dass der Fachmann zur Verkürzung der Operationszeit (diese Aufgabe ist, wie unter Punkt 5.1 diskutiert, aus der Patentschrift abzuleiten, sie findet sich auch in D2, Seite 117, linke Spalte, vorletzter Absatz) ein Lasersystem mit einer höheren Pulsfrequenz suchen würde und ihm dabei die in D29 genannten Systeme prinzipiell bekannt sind, so kommen bereits zwei dort genannte Systeme in Frage, die eine höhere Pulsfrequenz aufweisen (s. D29, Tabelle 2): Das Modell Vitesse Duo-RegA und der FCPA-2 Laser. Das System Vitesse Duo-RegA verwendet einen Ti-Saphir Kristall als Oszillator und als Verstärker (Seite 11, rechte Spalte, "Femtosecond lasers"), weist eine Frequenz gerade außerhalb des beanspruchten Bereichs auf und hat keine Offenbarung eines Pre-Chirps. Das Modell IMRA FCPA-2 verwendet dagegen einen Faseroszillator und einen Faserlaserverstärker und arbeitet bei einer im beanspruchten Bereich gelegenen Repetitionsrate. Sollte sich der Fachmann für das letztgenannte IMRA FCPA-2 System entscheiden, so würde er die in D2 genannte Frequenz von 300 kHz anstreben, für die jedoch gemäß D2 eine Weiterentwicklung des Scannersystems erforderlich ist. Die Situation ist somit analog zu der Argumentation ausgehend von D16 als nächstliegendem Stand der Technik.
Selbst wenn der Fachmann eine geringere mit dem IMRA FCPA-2 System realisierbare Repetitionsrate von 250 kHz wählen würde, und man zu Gunsten der Beschwerdeführerin davon ausginge, dass die in D2 als für 300 kHz notwendig erachteten Verbesserungen des Scannersystems für eine Repetitionsfrequenz von 250 KHz noch nicht erforderlich wären (eine solche findet sich ja nur in D16), so hätte das System immer noch keinen Pre-Chirp.
Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass das Vorsehen eines Pre-Chirps angesichts der Lehre der D16 als naheliegend anzusehen sei. D16 verwendet einen Pre-Chirp jedoch in Zusammenhang mit einem Verstärkerkristall. Wollte der Fachmann auch in dem IMRA-FCPA-2 System einen Pre-Chirp gemäß D16 realisieren, so müsste er detaillierte Kenntnisse vom Aufbau eines derartigen Lasers haben, um zu erkennen an welcher Stelle möglicherweise eine zum Verstärker der D16 analoge Kompressions- oder Stretcher-Einheit besteht, an der ein derartiger Pre-Chirp, der zudem für das entsprechende System erst aufwändig ermittelt werden müsste, einzubringen wäre. Dies ist mit dem Argument, der Fachmann würde den ihm bekannten IMRA FCPA-2 Laser als "Turnkey-Solution" verwenden nicht vereinbar. Die Verwendung des IMRA FCPA-2 Lasers als "Turnkey Solution" führt zu einem Laser mit einem Verstärker, der ein Faserlaserverstärker ist, sie führt aber auch dazu, dass in diesem Lasersystem eben kein Pre-Chirp wie beansprucht vorhanden ist.
Verlässt man den Ansatz einer "Turnkey-Solution", und geht davon aus, dass der Fachmann den Laser weiter modifizieren würde, so stellt sich zunächst die Frage, warum er dies auf Basis des IMRA-FCPA 2 Systems tun würde und nicht etwa auf Basis des Systems Vitess Duo-RegA (D29, Tabelle 2), das ebenfalls ähnliche Parameter wie in D2 gefordert aufweist. Dieses System verwendet überdies einen Ti-Saphir Verstärker, also einen Verstärker der dem in D16 (Seite 48, Punkt 4.3.2) verwendeten ähnelt, so dass ein Pre-Chirp wie in D16 offenbart mit geringeren Modifikationen zu verwirklichen wäre. Dies führte aber nicht zum Anspruchsgegenstand, da der Verstärker dann kein Faserlaserverstärker wäre.
Eine Modifikation des IMRA FCPA-2 Lasers setzt zudem detaillierte Kenntnisse über seinen Aufbau voraus. Die Beschwerdeführerin hat diesbezüglich illustrierend auf Dokument D19 verwiesen, das einen detaillierteren Aufbau derartiger Systeme zeige. D19 gehört jedoch als Forschungsveröffentlichung nicht zum allgemeinen Fachwissen. Bei Verwendung von Informationen aus D19 müsste der Fachmann das Lasersystem unter Heranziehung selektiver Information gezielt weiter modifizieren, z.B. um zu unter den Anspruch fallenden Pulsenergien zu gelangen (D19 offenbart Pulsenergien im Bereich von 50 -100 myJ nach Kompression, vgl. Seite 937, linke Spalte). Das von der Beschwerdeführerin postulierte Vorgehen des Fachmanns eröffnet sich allenfalls rückschauend und geht ohne Kenntnis der Erfindung im vorliegenden Fall über eine naheliegende Modifikation hinaus.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
6. Ausführbarkeit
Ein Laserpuls mit einer Pulsenergie von bis und somit von genau 5 myJ ist in Absatz [0014] explizit als zur Lösung der genannten Aufgabe geeignet offenbart. Nachweise, die Gegenteiliges beweisen würden, wurden nicht vorgelegt. Daran ändert auch die Offenbarung in Paragraph [0013] der Patentschrift nichts, wonach ein Laserstrahl mit einer Pulsenergie von weniger als 5 myJ verwendet wird, um Kavitationsblasen größer als 10 mym, die zu einer für die refraktive Chirurgie unbefriedigenden Mikrorauhigkeit führten, zu vermeiden (Paragraph [0007]). Ein einzelner, zudem die Intervallgrenze bildender Wert (5 myJ), bei dem ein nur als bevorzugt genannter Effekt möglicherweise nicht auftritt, kann die Ausführbarkeit insgesamt nicht in Frage stellen. Zudem handelt es sich bei den benannten Effekten um graduelle Übergänge. Dies ist dem Fachmann bekannt, und er kann daher einordnen, dass der beanspruchte Effekt im Randbereich der beanspruchten Parameter graduell ausläuft. Eine fehlende Ausführbarkeit der Offenbarung lässt sich daraus nicht ableiten.
Die in Absatz [0025], [0027], [0030] und Figur 4 aufgeführten Informationen ermöglichen es dem Fachmann ein entsprechendes Scanner-System zu realisieren und zu betreiben. Dass dies für die beanspruchten hohen Frequenzen nicht funktioniert, wurde nicht belegt. Zwar ist es richtig, dass D16 und auch D2 diesbezüglich auf Schwierigkeiten mit konventionellen Scannersystemen hinweisen. Dies stellt ausgehend von diesen Dokumenten ein "teaching away" dar, und ist zur Beurteilung des Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von diesen Dokumenten als nächstliegendem Stand der Technik natürlich zu berücksichtigen. Es kann aber nicht als Beweis angesehen werden, dass die im Patent genannten Ausführungsformen nicht funktionieren, zumal in diesen Ausführungsformen das Scannersystem anders als in D16 beschrieben angesteuert wird (vgl. Absatz [0030] der Patentschrift und D16, Figur 6.5 und 6.8).
Die Verwendung eines Faserlaserverstärkers liegt im Bereich des fachmännischen Wissens. Davon ist die Beschwerdeführerin bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit selbst ausgegangen. Daher ist auch in Bezug auf dieses Merkmal keine fehlende Ausführbarkeit zu erkennen.
Dass eine Ausführung der Erfindung in Hinblick auf den Stand der Technik nicht naheliegend ist, bedeutet nicht, dass diese Ausführungsform in Kenntnis der im Patent offenbarten, zu realisierenden Komponenten der Vorrichtung und der ebenfalls dort offenbarten zu erreichenden Parameter automatisch nicht ausführbar ist. Eine Inkonsistenz des bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit und der Ausführbarkeit angesetzten Fachwissens liegt somit nicht vor.
7. Anpassung der Beschreibung
Die schriftlich vorgebrachten Einwände unter Regel 80 und Artikel 123(2) EPÜ bezüglich der im Einspruchsverfahren vorgenommenen Anpassung der Beschreibung sind nicht überzeugend.
7.1 Änderung der Beschreibung - Regel 80 EPÜ
Die Beschwerdeführerin nennt in ihrem Schriftsatz vom 23. Mai 2016 diverse Seiten der im Einspruchsverfahren angepassten Beschreibung, auf denen Änderungen vorgenommen worden seien, die nicht durch einen Einspruchsgrund veranlasst und damit gemäß Regel 80 EPÜ nicht gewährbar seien. Um welche Änderungen es sich konkret handelt, und inwiefern diese die Erfordernisse der Regel 80 EPÜ im Einzelnen nicht erfüllen, wird nicht gesagt. Im Schreiben vom 10. März 2017, Punkt 8 wird zugestanden, dass Änderungen vorgenommen wurden, die durch einen Einspruchsgrund veranlasst erscheinen. Jedoch seien einige Änderungen nicht auf dieser Basis zu rechtfertigen. Welche Änderungen konkret nicht zu rechtfertigen sind, ist allerdings wiederum nicht angegeben.
Die im Einspruchsverfahren hinzugefügten Merkmale bzgl. einer Eignung der Vorrichtung zum präzisen Bearbeiten der menschlichen Hornhaut und einer Oszillator-Verstärker Anordnung, deren Verstärker ein Faserlaserverstärker ist, schränken den beanspruchten Gegenstand ein und sind daher zumindest durch den Einspruchsgrund einer fehlenden Neuheit veranlasst. Die damit zusammenhängenden Änderungen (Streichung von "insbesondere organisches Material", Streichung des Bezugs auf Bestandteile des Auges, die nicht die Hornhaut sind) erfüllen somit die Erfordernisse der Regel 80 EPÜ. Auch bezüglich der anderen genannten Stellen sieht die Kammer keinen Grund die entsprechende Änderung auf Basis der Regel 80 EPÜ nicht zu erlauben.
7.2 Änderung der Beschreibung - Artikel 123(2)
Die unter Artikel 123(2) EPÜ beanstandete Änderung auf Seite 13, Absatz 3 der Anmeldeunterlagen ist nicht aufzufinden.
Der erwähnte Begriff "Hornhaut des menschlichen Auges" findet sich auf Seite 12, 2. Absatz. Da der Folgesatz bereits auf das Einbringen präziser Schnitte in der Hornhaut des menschlichen Auges abstellt, ist für den Fachmann offenbart, dass als Material die Hornhaut des menschlichen Auges vorgesehen ist.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.