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T 0754/17 09-12-2021
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TRANSPORTBOX
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Hilfsanträge 1 bis 5 - zugelassen (nein)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (nein)
I. Die Einsprechende legte form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 558 378 zurückgewiesen worden war.
II. Der Einspruch richtete sich gegen das Streitpatent im gesamten Umfang und stützte sich auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ (Neuheit und erfinderische Tätigkeit) sowie nach Artikel 100 c) EPÜ (unzulässige Änderungen).
III. Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 27. Mai 2020 teilte die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, derzufolge die Beschwerde in der Sache erfolgreich sein dürfte.
IV. Die Patentinhaberin nahm mit Schriftsatz vom 9. Juli 2020 zur Mitteilung der Kammer inhaltlich Stellung und reichte neue Hilfsanträge 2 bis 5 ein.
V. Die Einsprechende reichte zur inhaltlichen Stellungnahme auf die Kammermitteilung und in Erwiderung auf die Stellungnahme der Patentinhaberin am 6. Oktober 2020 einen Schriftsatz ein.
VI. Am 9. Dezember 2021 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Wegen der Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen.
Die Entscheidung wurde am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet.
VII. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) beantragte
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents sowie
die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte
die Zurückweisung der Beschwerde als Hauptantrag,
hilfsweise, bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung,
die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Basis eines der Anspruchssätze, eingereicht als Hilfsantrag mit Schriftsatz vom 10. November 2016 (Hilfsantrag 1) und
als Hilfsanträge 2 bis 5 mit Schriftsatz vom 9. Juli 2020, sowie
die Zurückweisung des Antrags auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
VIII. Diese Entscheidung stützt sich auf folgendes Dokument:
D1: DE 299 01 869 U1.
IX. Der unabhängige Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung gemäß Hauptantrag lautet:
"Transportbox mit einem einen Boden (16) und sich vom Boden (16) aus erstreckende Wände (18) aufweisenden, einen Transportraum (20) begrenzenden einstückigen Behälter (12), welcher aus einem Partikelschaumstoff aus expandiertem Polypropylen (EPP) besteht, der eine Vielzahl von miteinander versinterten Schaumpartikeln aufweist, wobei die Schaumpartikel jeweils eine Außenwand und einen von der Außenwand umschlossenen, im wesentlichen hohlen Innenraum aufweisen und wobei der Behälter (12) eine Innenhaut (24) aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß die Außenwände der Schaumpartikel an den den Transportraum (20) begrenzenden Innenflächen (22) des Behälters (12) dicker sind als an den übrigen Stellen des Behälters (12) und die Innenhaut (24) am Behälter (12) bilden."
X. Im Hinblick auf die Entscheidung der Kammer, die Hilfsanträge 1 bis 5 aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen, ist eine Wiedergabe des Wortlauts von Ansprüchen der Hilfsanträge nicht erforderlich.
XI. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
1. Revidierte Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) - Übergangsbestimmungen
Dieses Verfahren unterliegt der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, die am 1. Januar 2020 in Kraft trat (Artikel 24 und 25 (1) VOBK 2020), mit Ausnahme von Artikel 12 (4) bis (6) VOBK 2020, anstelle dessen Artikel 12 (4) VOBK 2007 weiterhin anwendbar ist (Artikel 25 (2) VOBK 2020).
2. Hauptantrag - Neuheit - Artikel 100 a) und 54 EPÜ
2.1 Die Einsprechende wendete sich gegen die Feststellung der angefochtenen Entscheidung, dass Dokument D1 keinen Hinweis gebe, dass die Haut der einzelnen Partikel dicker werde, und somit der Gegenstand von Anspruch 1 in der erteilten Fassung neu gegenüber der Offenbarung von Dokument D1 sei.
2.2 Die Patentinhaberin argumentierte, dass gemäß dem Gegenstand von Anspruch 1 die Außenwände der Schaumpartikel an den dem Transportraum begrenzenden Innenflächen des Behälters dicker als an den übrigen Stellen des Behälters seien. Durch diese Maßnahme werde die Innenhaut gebildet. Somit werde die Innenhaut durch das Material der Schaumpartikel selbst gebildet. Im Gegensatz dazu lehre Dokument D1, einen Behälter mit einer Innenhaut zu versehen, indem zusätzliches Material eingesetzt werde. Dies komme in D1 auf Seite 2, zweiter Absatz, zum Ausdruck. Eine Verdickung der Außenwände der Schaumpartikel werde in D1 dagegen nicht erwähnt. Auch sei nicht ersichtlich, wie das Fachwissen des Fachmanns zu einer Gleichsetzung der Lehre, eine Schicht durch zusätzliches Material zu schaffen, mit der Lehre führen könne, Außenwände von Schaumpartikel zu verdicken, um dadurch eine Innenhaut auszubilden.
2.3 Die Kammer folgt der Argumentation der Patentinhaberin nicht, sondern schließt sich entgegen der angefochtenen Entscheidung der Auffassung der Einsprechenden an.
Nach ständiger Rechtsprechung nimmt ein Dokument des Standes der Technik einen beanspruchten Gegenstand neuheitsschädlich vorweg, wenn dieser sich unmittelbar und eindeutig aus dem Dokument ableiten lässt, einschließlich der Merkmale, die für den Fachmann vom Inhalt implizit miterfasst sind (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern (RdB), 9. Auflage 2019, I.C.4.3).
Dass die Außenwände der Schaumpartikel an den den Transportraum begrenzenden Innenflächen des Behälters dicker sind als an den übrigen Stellen des Behälters, ist in D1 zwar nicht ausdrücklich genannt. Allerdings ist dieses Merkmal für den Fachmann vom Inhalt des Dokuments D1 mit erfasst.
Denn unstreitig ist allgemeines Fachwissen, dass Schaumstoffpartikel aus EPP aus einer Außenwand und einem von dieser umschlossenen, im wesentlichen hohlen Innenraum bestehen und damit eine im wesentlichen sphärische Oberfläche aufweisen. Werden diese Schaumstoffpartikel im Bereich der Innenwandungen des Behälter nun so stark erhitzt, dass eine glattflächige Verschmelzung im Oberflächenschichtbereich entsteht, wie in der Figurenbeschreibung von D1 auf Seite 4, zweiter Absatz, offenbart ist, so lagern sich in diesem Bereich die Wände der Partikel zwangsläufig zu einer Außenwand zusammen, die dicker ist als an den übrigen, nicht miteinander verschmolzenen Stellen des Behälters. Durch das glättflächige Verschmelzen bzw. die Umwandlung von einer im wesentlichen sphärischen in eine glatte Oberfläche erfolgt pro Flächeneinheit zwangsläufig eine Verdickung der Partikelaußenwand in diesem Bereich durch Zusammenlagerung und Materialverdichtung. Dabei wird nach D1 zweifelsfrei im Bereich der Innenwandung in einer einstufigen Herstellung eine glattflächige, geschlossene Innenhaut geschaffen, die innig mit dem übrigen Wandungsbereich der Wandung des Behälterunterteiles vernetzt ist (vgl. D1, Seite 4, zweiter Absatz; Figur 3).
2.4 Die von der Patentinhaberin zitierte Textstelle auf Seite 2, zweiter Absatz, von D1 bezieht sich auf eine Ausgestaltung der Erfindung von D1, nach der durch stärkere Erhitzung sowie durch entsprechend erhöhten Materialeinsatz die schichtweise Verschmelzung der Oberfläche an den Innenwandungen des Aufnahmeteils erzielt wird. Dass der in dieser Ausführungsform von D1 beschriebene erhöhte Materialeinsatz, auf den sich die Patentinhaberin beruft, durch das Einsetzen von zusätzlichem Material erfolgte, ist dabei D1 allerdings nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen.
2.5 Die Patentinhaberin trug während der mündlichen Verhandlung vor, dass der in der Ausgestaltung auf Seite 2, zweiter Absatz, von D1 beschriebene erhöhte Materialeinsatz zusätzlich zu einer stärkeren Erhitzung vorhanden sein müsse, da dort beschrieben sei, dass die schichtweise Verschmelzung der Oberfläche an den Innenwandungen durch stärkere Erhitzung sowie durch erhöhten Materialeinsatz erzielt werde. Hingegen sei in der Figurenbeschreibung auf Seite 4 von D1 kein weiterer Materialeinsatz erwähnt. Gemäß der Entscheidung T 56/87 lese der Fachmann die technische Lehre von D1 in ihrer Gesamtheit, wobei die Figurenbeschreibung von D1 als solche keine vollständige Lehre enthalte. Die Gesamtlehre von D1 sei indessen nach der Ausgestaltung der Erfindung auf Seite 2, zweiter Absatz, herausgestellt.
Zudem weise die Lehre des Anspruchs 3 von D1 vom streitpatentgemäß beanspruchten Gegenstand weg, weil eine Schichtdicke von höchstens einem Viertel der gesamten Wandungsdicke nicht mit einer Verdickung der Außenwände der Schaumpartikel erzielbar sei.
2.6 Die Kammer teilt die Auffassung der Patentinhaberin zwar insofern, dass gemäß gefestigter Rechtsprechung, wie beispielsweise in T 56/87 dargelegt, die technische Offenbarung eines zum Stand der Technik gehörenden Dokuments als Ganzes betrachtet werden muss (siehe RdB, supra, I.C.4.1).
Die Patentinhaberin lässt in ihrer Argumentation jedoch außer Betracht, dass dabei gemäß gefestigter Rechtsprechung und im Einklang mit T 56/87 zur Ermittlung des Offenbarungsgehalts eines Dokuments dessen einzelne Abschnitte nicht losgelöst von den anderen Teilen, sondern in deren Gesamtzusammenhang zu betrachtet sind.
Bei der Betrachtung der technischen Offenbarung von D1 als Ganzes und im Gesamtzusammenhang der streitigen Abschnitte ist festzustellen, dass die Figurenbeschreibung von D1 nicht im Widerspruch zu der auf Seite 2, zweiter Absatz, beschriebenen Ausgestaltung der Erfindung nach D1 steht. Im Gegenteil ergibt sich aus der technischen Offenbarung auf Seite 2, zweiter Absatz, unmittelbar und eindeutig für den Fachmann, insbesondere vor dem Hintergrund der und gestützt durch die Figurenbeschreibung auf Seite 4, dass durch Erhitzung und durch entsprechenden erhöhten Materialeinsatz die schichtweise Verschmelzung der Oberfläche an den Innenwandungen erzielt wird, so dass zwangsläufig die Außenwände der Schaumpartikel an den den Transportraum begrenzenden Innenflächen des Behälters dicker sind als an den übrigen Stellen des Behälters und die Innenhaut am Behälter als glatt verschmolzene Oberflächenschicht bilden.
Dabei erkennt die Kammer entgegen der Meinung der Patentinhaberin nicht, inwiefern die Lehre des Anspruchs 3 von D1 die technische Gesamtlehre von D1 einer Verdickung der Außenwände der Schaumpartikel an den den Transportraum begrenzenden Innenflächen des Behälters nicht stützte oder dieser entgegenstünde.
2.7 Folglich sind entsprechend der Auffassung der Einsprechenden sowohl aus der Figurenbeschreibung als auch aus der Beschreibung der Ausführungsform auf Seite 2, zweiter Absatz, von D1 die kennzeichnenden Merkmale von Anspruch 1 bekannt.
Da D1 unstreitig sämtliche Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 beschreibt, nimmt die Offenbarung von D1 den Gegenstand des Anspruchs 1 neuheitsschädlich vorweg, so dass der Einspruchsgrund mangelnder Neuheit nach Artikel 100 a) und 54 EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung entgegensteht.
2.8 Die Einsprechende konnte somit in überzeugender Weise die Unrichtigkeit der Feststellungen und der diese tragenden Gründe der angefochtenen Entscheidung zur Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung darlegen.
3. Zulassung der Hilfsanträge 1 bis 5 ins Verfahren
3.1 Die Patentinhaberin brachte mit der Beschwerdeerwiderung keinerlei rechtfertigende Gründe hinsichtlich einer Zulassung des Hilfsantrags (Hilfsantrag 1) ins Verfahren vor und inwiefern die von der Einsprechenden zum Hauptantrag erhobenen Einwendungen hierdurch ausgeräumt werden könnten.
Die Kammer wies die Patentinhaberin in der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 27. Mai 2020 unter Punkt 9 vorsorglich darauf hin, dass aufgrund der fehlenden Substantiierung des Hilfsantrags 1 für die Kammer nicht ersichtlich sei, wie der Hilfsantrag 1 die von der Einsprechenden vorgebrachten Einwände, insbesondere zur mangelnden Neuheit des Gegenstand von Anspruch 1, ausräumen könnte, so dass dieser Hilfsantrag voraussichtlich nach Artikel 12 (3) VOBK 2020, der im Wesentlichen Artikel 12 (2) VOBK 2007 entspricht, im Verfahren nicht zu berücksichtigen sei.
3.2 Eine nach Ansicht der Patentinhaberin hinreichende Substantiierung des Hilfsantrags 1 sowie neue Hilfsanträge 2 bis 5 reichte die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 9. Juli 2020 erstmalig ein, d.h. nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2020 und nach der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 27. Mai 2020. Dies stellt jeweils eine Änderungen des Beschwerdevorbringens der Patentinhaberin gegenüber ihrer Beschwerdeerwiderung dar, deren Berücksichtigung im Verfahren den Erfordernissen gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 unterliegt.
Nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
Die Patentinhaberin machte geltend, dass sie die Zulassung und Berücksichtigung sämtlicher Hilfsanträge, also die Substantiierung des Hilfsantrags 1 wie die Hilfsanträge 2 bis 5 als solche, als Reaktion auf die Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 27. Mai 2020 für gerechtfertigt im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK 2020 betrachte, da sie erstmals mit dieser Mitteilung erfahren hätte, dass es dem Gegenstand von Anspruch 1 in der erteilten Fassung an Neuheit gegenüber der Offenbarung von D1 mangelte. Vor Erhalt der vorläufigen Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch die Kammer habe keine Notwendigkeit bestanden, diese Änderungen einzureichen, da die Einspruchsabteilung im Sinne der Patentinhaberin entschieden habe.
Die Kammer erkennt in der von der Patentinhaberin vorgebrachten Rechtfertigung keine stichhaltigen Gründe, die aufzeigten, dass außergewöhnliche Umstände vorlagen. Der Neuheitseinwand nach Artikel 100 a) EPÜ auf Basis von D1 wurde bereits zu Beginn des Einspruchsverfahrens mit der Einspruchsbegründung erhoben, war Gegenstand der angefochtenen Entscheidung und wurde in der Beschwerdebegründung wiederholt. Die Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 ist der Auffassung der Einsprechenden zur mangelnden Neuheit gegenüber D1 gefolgt und ging nicht über diesen Neuheitseinwand hinaus.
Die Kammer folgt der in der bisherigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern vertretenen Auffassung, dass es im Hinblick auf Artikel 13 (2) VOBK 2020 unerheblich ist, ob die in der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 geäußerte vorläufige Meinung der Kammer von der angefochtenen Entscheidung abweicht. Mit einer für die Beteiligten ungünstigen vorläufigen Meinung kann jederzeit in den Verfahren vor den Beschwerdekammern vor Verkündung der Entscheidung prinzipiell gerechnet werden (siehe hierzu u.a. T 764/16, Punkt 3.3.2 der Entscheidungsgründe, und T 2610/16, Punkt 3.3 der Entscheidungsgründe). Damit hält die Kammer auch weiter an der Praxis vor der Änderung der Verfahrensordnung zum 1. Januar 2020 fest (siehe hierzu auch T 1906/17, Punkt 3. der Entscheidungsgründe).
Soweit die Hilfsanträge 1 bis 5 durch die mit Schriftsatz vom 9. Juli 2020 nachgereichte Begründung überhaupt als substantiiert im Hinblick auf den hier relevanten Neuheitseinwand anzusehen wären, ist die Kammer im Ergebnis der Auffassung, dass die Patentinhaberin keinen stichhaltigen Grund für das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände aufzeigte, der nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 ein Abwarten zum Vorbringen einer Substantiierung des Hilfsantrags 1 sowie zur Vorlage der Hilfsanträge 2 bis 5 bis nach der Zustellung des Ladungsbescheids zur mündlichen Verhandlung und dadurch bedingte Änderungen des Beschwerdevorbringens in diesem späten Stadium des Verfahrens rechtfertigt.
Insofern die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 9. Juli 2020 zur Begründung des Hilfsantrags 1 auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren verwies (siehe Schriftsatz vom 9. Juli 2020, Seite 1, zweiter Absatz, und Seite 4, zweiter Absatz), stellt die Kammer fest, dass dieses Vorbringen nicht die Erfordernisse von Artikel 12 (3) VOBK 2020 erfüllt und gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 im Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt wird.
3.3 Die Hilfsanträge 1 bis 5 bleiben daher entsprechend dem Antrag der Einsprechenden nach Artikel 13 (2) VOBK im Beschwerdeverfahren unberücksichtigt.
4. Rückzahlung der Beschwerdegebühr
4.1 Nach Auffassung der Einsprechenden lägen der angefochtenen Entscheidung erhebliche rechtliche Fehlbeurteilungen zugrunde, die zu der angefochtenen Entscheidung geführt haben. Durch die Nichtzulassung im Einspruchsverfahren des nach Ablauf der Einspruchsfrist und somit verspätet vorgebrachten Einspruchsgrunds nach Artikel 100 b) EPÜ läge ein wesentlicher Verfahrensmangel vor. Daher sei die Forderung der Einsprechenden auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr berechtigt.
4.2 Nach Regel 103(1) a) EPÜ ist eine der Voraussetzungen für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels. Hierbei stellt nach ständiger Rechtsprechung eine abweichende Beurteilung einer Entgegenhaltung durch die Einspruchsabteilung, wie im vorliegenden Fall von D1, die zur angefochtenen Entscheidung geführt hat, keinen Verfahrensmangel und schon gar keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar (siehe RdB, supra, V.A.9.5.10b)).
Die Einsprechende macht ausschließlich angebliche inhaltliche Unrichtigkeiten der angefochtenen Entscheidung geltend, die jedoch als solche keinen Verfahrensmangel begründen.
4.3 Somit liegen die Voraussetzungen von Regel 103 (1) a) EPÜ offensichtlich nicht vor, so dass der Antrag auf Rückerstattung unbegründet und eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht gerechtfertigt ist.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.