T 0648/96 16-03-1998
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Verfahren zur Herstellung einer elektrischen Leitung
01) Felten & Guilleaume Energietechnik Aktiengesellschaft
02) Siemens AG
Keine Überprüfung der im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen der Ansprüche und Patentbeschreibung in vollem Umfang auf die Erfordernisse des EPÜ, insbesondere Artikel 84, 123(2) und (3) EPÜ
Zurückverweisung zur weiteren Entscheidung
Rückzahlung der Beschwerdegebühr an die Einsprechende 02
I. In einer mündlichen Verhandlung vom 4. Juni 1996 entschied die Einspruchsabteilung über zwei Einsprüche gegen das europäische Patent Nr. 0 414 005. Sie kam zu dem Ergebnis, daß unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das genannte Patent den Erfordernissen des Übereinkommens genüge.
II. Unter Hervorhebung der in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Einfügungen lautet der geltende Anspruch 1 wie folgt:
"1. Verfahren zur Herstellung einer elektrischen Leitung, mit welchem auf eine einen elektrischen Leiter enthaltende Seele eine Umhüllung aus einem vernetzbaren Isoliermaterial aufgebracht wird und mit welchem die Leitung anschließend zur Vernetzung des Isoliermaterials im kontinuierlichen Durchlauf durch eine Heizzone gezogen wird, dadurch gekennzeichnet,
- daß zunächst mindestens zwei derartige Leitungen (13, 14) mit ihren Umhüllungen (11, 12) in direkten Kontakt miteinander gebracht und dadurch entlang einer Mantellinie leicht lösbar kontinuierlich miteinander verbunden werden,
- daß die Leitungen (13, 14) dann gemeinsam durch die Heizzone (5) gezogen werden und
- daß die Leitungen (13, 14) vor ihrer Weiterverarbeitung voneinander getrennt werden."
Weitere Ansprüche 2 bis 5 sind vom Anspruch 1 abhängig.
Neben der Figur 2 wurden in der mündlichen Verhandlung Ausführungen in der Beschreibung gestrichen, die sich auf die Verbindung der Umhüllungen bereits beim Aufbringen derselben im Spritzkopf und auf die Anbringung eines sehr kurzen und materialarmen Steges zwischen den beiden Umhüllungen beziehen.
III. In der schriftlich abgefaßten Entscheidung vom 28. Juni 1996 wird in den Entscheidungsgründen in Übereinstimmung mit dem Protokoll über die mündliche Verhandlung festgestellt, daß beide Einsprechende, also auch die jetzige Beschwerdeführerin Siemens (Einsprechende 02) Bedenken bezüglich der Klarheit des geänderten Anspruchs 1 äußerten. Die jetzige Beschwerdeführerin hat im Zusammenhang mit dem neu in den Anspruch 1 eingeführten Wort "derartige" darauf hingewiesen, daß gemäß den Patentunterlagen schließlich nicht die bereits fertigen Leitungen nochmals zur Vernetzung in die Heizzone geführt würden.
IV. Zu diesen Einwänden hat die Einspruchsabteilung lediglich bemerkt, daß mangelnde Klarheit kein Einspruchsgrund sei. Gemäß der angegriffenen Entscheidung habe die Einsprechende 01 ihren Antrag auf Widerruf des Patents in geänderter Form wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit mit keinem Wort begründet, also stillschweigend Antrag auf Entscheidung nach Aktenlage gestellt. Die Einsprechende 02 habe trotz Bedenken hinsichtlich der ausreichenden erfinderischen Tätigkeit keinen Antrag formuliert, sondern auf ihre Schriftsätze verwiesen. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung hielt die Einsprechende 02 die Neuheit des Gegenstands des geänderten Anspruchs 1 zwar für gegeben, jedoch sei das nunmehr beanspruchte Verfahren naheliegend, da es eine jedem Fachmann bekannte Alternative zur stegartigen Verbindung der Leitungen darstelle. Die Nennung eines Dokuments im Hinblick auf das im neuen Anspruch 1 angegebene Verfahren sei der Einsprechenden jedoch nicht möglich.
V. Die Einsprechende 01 hat ihren am 23. Juni 1994 eingelegten Einspruch gegen das erteilte Patent in seinem gesamten Umfang gerichtet. Die Einsprechende 02 hat am 8. Juli 1994 gegen den Gegenstand des Patents im Umfange aller Patentansprüche 1 bis 5 eingesprochen. Zur Begründung wurde die Nichterfüllung der Bestimmungen nach Artikel 52 (1) in Verbindung mit den Artikeln 54 und 56 EPÜ unter Berücksichtigung des in den Einspruchsschriftsätzen genannten Stands der Technik und einer geltendgemachten offenkundigen Vorbenutzung angegeben. Die Einsprechende 02 hat in ihrer Einspruchsbegründung (siehe Seite 4, zweiter Abschnitt) insbesondere darauf hingewiesen, daß unter Berücksichtigung des fachmännischen Verständnisses der GB-B-1 012 562 (Figur d)) in Übereinstimmung mit den Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 des vorliegenden Patents ein Verfahren zur Herstellung einer elektrischen Leitung zu entnehmen sei, das einerseits die Merkmale des Oberbegriffs des erteilten Patentanspruchs 1 aufweise und bei dem darüber hinaus gemäß den kennzeichnenden Merkmalen mindestens zwei Leitungen mit ihren Umhüllungen entlang einer Mantellinie leicht lösbar kontinuierlich verbunden würden "(nämlich durch den Extrusionsprozeß)", bei dem die Leitungen dann gemeinsam durch die Heizzone gezogen würden und bei dem die Leitungen vor ihrer weiteren Verarbeitung voneinander getrennt würden.
VI. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Einsprechende 02 Beschwerde eingelegt. Sie macht hierzu insbesondere geltend, daß die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) innerhalb der von der Einspruchsabteilung gesetzten Frist keine neuen Unterlagen eingereicht habe. Erst nachdem die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung auf die Ausführungen in Spalte 3, Zeilen 10 bis 21 der Patentschrift - wie erteilt - zum Verständnis dessen hingewiesen habe, welcher technischer Sachverhalt unter den Wortlaut des erteilten Patentanspruchs 1 falle, sei die Relevanz der Druckschrift GB-B-1 012 562 erkannt worden. Daraufhin habe die Patentinhaberin einen neuen Patentanspruch 1 eingereicht, der sich vom erteilten Patentanspruch 1 u. a. dadurch unterscheide, daß ein neues Merkmal bezüglich der leicht lösbaren seitlichen Verbindung der Umhüllungen (vgl. Spalte 4, Zeile 19 der Patentschrift) in den Anspruch aufgenommen wurde. Dieses neue Merkmal sei in keinem der erteilten Patentansprüche 2 bis 5 enthalten, sondern der Beschreibung entnommen. Bei dieser Sachlage hätte die Einspruchsabteilung die Änderung des Patentanspruchs 1 wegen verspäteter Vorlage nicht zulassen müssen. Dennoch habe sie dies zugunsten der Patentinhaberin erlaubt, während sie eine verspätete Eingabe der Einsprechenden 01 nicht zuließ. In der Stellungnahme zum geänderten Patentanspruch 1 habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, daß - da die Patentinhaberin innerhalb der von der Einspruchsabteilung gesetzten Frist keinen Schriftsatz mit einem hilfsweise formulierten Patentanspruch 1 vorgelegt habe - nicht abzusehen gewesen sei, daß die Patentinhaberin den Patentanspruch 1 in der erfolgten Weise einschränken würde. Daher hätten sich die Einsprechenden auf einen derart geänderten Patentanspruch 1 auch nicht vorbereiten können. Es sei deshalb auch nicht möglich gewesen, in der mündlichen Verhandlung Druckschriften vorzulegen, welche die mit dem neuen Merkmal beschriebenen Maßnahmen als bekannt nachweisen würden; im übrigen gehöre diese Maßnahme zum allgemeinen Fachwissen. In dieser Phase der mündlichen Verhandlung hätte der Vorsitzende von sich aus die Verhandlung abbrechen oder schließen müssen, um den Einsprechenden Gelegenheit zu geben, die mit dem neuen Merkmal beschriebenen Maßnahmen als druckschriftlich bekannt zu belegen und darzulegen, daß die Anwendung dieser Maßnahmen im Zusammenhang mit den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs 1 für den Fachmann nahegelegen hätten. Der Vorsitzende habe dies nicht getan und damit dem Anspruch der Einsprechenden auf rechtliches Gehör nicht Genüge getan (Artikel 113 EPÜ). Im übrigen habe die Einspruchsabteilung bei der Änderung der Unterlagen die Vorschriften des Artikels 102 (3) EPÜ in Verbindung mit den Regeln 27 b), 29 (1) a) und b), 36 (1) und 61a EPÜ nicht berücksichtigt und sich in der Entscheidungsbegründung mit der vorgenannten britischen Patentschrift nicht kritisch auseinandergesetzt. Es sei deshalb erforderlich, die Angelegenheit zur weiteren Prüfung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen und dann angemessen, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
VII. Hilfsweise beantragt die Beschwerdeführerin, das Patent zu widerrufen, da die Einspruchsabteilung über die vorgenommenen Änderungen, insbesondere das Wort "derartige" im Patentanspruch 1 und die Änderungen in Spalte 3, Zeilen 15 bis 22, sowie die Streichung der Figur 2 in einer gegen die Vorschriften des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ verstoßenden Weise entschieden habe. Durch diese Änderungen bekomme das erste Merkmal des kennzeichnenden Teils des Patentanspruchs 1 eine völlig andere Bedeutung als bisher. Ein Patentanspruch 1 ohne die Einfügung "derartige" sei im übrigen im Hinblick auf zahlreiche weitere genannte Druckschriften mangels erfinderischer Tätigkeit seines Gegenstands nicht gewährbar. Die Beschwerdeführerin wies darauf hin, daß die Patentinhaberin gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung keine Beschwerde eingelegt habe und demzufolge nicht berechtigt sei, einen Antrag bezüglich der auf die Beschwerde zu treffenden Entscheidung zu stellen, da die Regel 64 EPÜ vorsehe, daß (allein) der Beschwerdeführer mit der Beschwerdeschrift einen Antrag stellen müsse und die Beteiligten gemäß Artikel 110 (2) EPÜ lediglich die Möglichkeit zur Einreichung einer Stellungnahme hätten. Die Beschwerdekammer entscheide gemäß Artikel 111 (1) EPÜ lediglich über die Beschwerde, nicht aber über Anträge von Beteiligten.
VIII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) brachte zum Ausdruck, daß die vorgenommenen Änderungen des Patentanspruchs 1 lediglich der Klarstellung des Patentbegehrens dienten, aber kein neues Patentbegehren schafften. Die Einsprechenden müßten auf den klargestellten Patentanspruch 1 vorbereitet gewesen sein. Der Antrag, die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, entbehre daher jeder Grundlage. Die von der Beschwerdeführerin erkannte andere Bedeutung des Patentanspruchs 1 sei technisch unsinnig, da sie gerade das einschließen würde, was durch die Erfindung vermieden werden solle. Im übrigen sei das beanspruchte Verfahren gegenüber dem Stand der Technik erfinderisch. Da die drei verspätet genannten Druckschriften bereits vom Titel her nicht relevant seien, sollten diese für das Verfahren nicht zugelassen werden.
IX. Die Beschwerdeführerin beantragt, die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und
1. die Angelegenheit zur weiteren Prüfung des Einspruchs an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen und die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen, oder hilfsweise
2. festzustellen, daß das Patent im Umfang der geltenden Patentsprüche 1 bis 5 nicht den Erfordernissen des Übereinkommens genügt, und demzufolge das Patent zu widerrufen.
X. Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung zurückzuweisen und das Patent mit den in der Zwischenentscheidung aufgeführten Unterlagen aufrechtzuerhalten.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Berücksichtigung der während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Änderungen der Unterlagen
2.1. In der erteilten Fassung sind der Patentschrift für die Durchführung des Anspruchsmerkmals "daß zunächst mindestens zwei Leitungen mit ihren Umhüllungen entlang einer Mantellinie leicht lösbar kontinuierlich miteinander verbunden werden" verschiedene Varianten zu entnehmen, nämlich:
a) Verbindung bereits beim Aufbringen der Umhüllungen bzw. im Spritzkopf (vgl. Spalte 2, Zeilen 12 bis 15 und Spalte 3, Zeilen 15 bis 18),
b) Verbindung sofort nach der Aufbringung der Umhüllungen (vgl. Spalte 2, Zeilen 12 bis 15), und
c) Verbindung kurz nach dem Spritzkopf (vgl. Spalte 3, Zeilen 15 bis 18).
Während sich die Einsprechende 02 bereits in ihrem Einspruchsschriftsatz (vgl. Seite 4, zweiter Abschnitt) auf die Lösungsvariante a) (Verbindung "durch den Extrusionsprozeß") bezog, verteidigte die Patentinhaberin ihr Patent in ihrer Einspruchserwiderung vom 13. Oktober 1994 (vgl. Seite 2, zweiter Abschnitt) mit der Lösungsvariante b). Anscheinend war sich die Patentinhaberin der durch die Beschreibung gegebenen Lösungsvariante a) zunächst nicht bewußt.
Erst nachdem in der mündlichen Verhandlung von den Einsprechenden bzw. der Einspruchsabteilung auf die die Lösungsvariante a) stützende Beschreibung Spalte 3, Zeilen 10 bis 22 hingewiesen wurde, versuchte die Patentinhaberin diese Variante durch eine Änderung des Patentanspruchs 1 und der Beschreibung vom Schutzbereich auszuschließen, also das Patent entgegen der Auffassung der Patentinhaberin (vgl. Abschnitt VIII, oben) in geändertem Umfang weiterzuverfolgen.
2.2. Aufgrund der jeweiligen Argumentationen im Einspruchsverfahren und des Inhalts der Patentbeschreibung hätten sich alle Beteiligten der oben genannten Lösungsvarianten bewußt sein müssen. Sie hatten mithin die Gelegenheit, sich rechtzeitig darauf vorzubereiten. Obwohl der Schutzbereich des europäischen Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt ist, sind gemäß Artikel 69 EPÜ die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen. Die während der mündlichen Verhandlung beantragten Änderungen trugen somit lediglich vorgebrachten Argumenten Rechnung. Im Rahmen des Ermessensspielraumes der entscheidenden Instanz können insbesondere während der mündlichen Verhandlung eingereichte Unterlagen, u. a. auch Patentansprüche, berücksichtigt werden, wenn damit Einwänden der entscheidenden Instanz bzw. der Einsprechenden Rechnung getragen wird, oder wenn die Unterlagen eindeutig gewährbar sind. Unerwünschte Verfahrensverzögerungen sollten dabei jedoch vermieden werden; vgl. "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes", 1996, Abschnitt 12.3.1, insbesondere auch die auf Seite 395 diskutierte, nicht veröffentlichte Entscheidung T 626/90. Diese für das Beschwerdeverfahren angewandten Grundsätze gelten ebenfalls für das Einspruchsverfahren. Gemäß dem Protokoll der mündlichen Verhandlung und der angefochtenen Entscheidung wurde während der mündlichen Verhandlung von den Einsprechenden auch kein Antrag auf Nichtzulassung der verspätet eingereichten Unterlagen unter Hinweis auf Mängel oder auf die Einräumung einer weiteren Recherchenmöglichkeit gestellt. Diesbezüglich ist daher keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör festzustellen.
2.3. Von beiden Einsprechenden wurde jedoch schon während der mündlichen Verhandlung die mangelnde Klarheit der Einfügung "derartige" in den Anspruch 1 beanstandet. Von der Einsprechenden 02 wurde im Hinblick auf diese Änderung darauf hingewiesen, daß schließlich nicht die bereits fertigen Leitungen nochmals zur Vernetzung in die Heizzone geführt würden. Es ist davon auszugehen, daß beide Einsprechenden ihre schriftlichen Anträge auf Widerruf des Patents wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit aufrechterhalten haben.
2.4. Zu dem Einwand "mangelnde Klarheit" hat die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung (vgl. Absatz 5 der Entscheidungsgründe) lediglich festgestellt, daß "Klarheit keinen Einspruchsgrund darstellt". Der angefochtenen Entscheidung sind darüber hinaus keinerlei Ausführungen darüber entnehmbar, ob nach Auffassung der Einspruchsabteilung die geänderten Unterlagen die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ oder diejenigen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ erfüllen. Jedoch sind Änderungen der Ansprüche oder anderer Teile eines Patents, die im Einspruchsverfahren vorgenommen werden, gemäß Artikel 102 (3) EPÜ in vollem Umfang auf die Erfüllung der Erfordernisse des EPÜ zu prüfen; vgl. Entscheidung G 9/91 (ABl. EPA 1993, 408), Ziff. 19, T 301/87 (ABl. EPA 1990, 335), insbesondere Ziffer 3.5, und Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt, Teil D-V, 6.2. Die fehlende sachliche Auseinandersetzung der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung mit den Einwänden der Einsprechenden bezüglich "mangelnde Klarheit" der geänderten Unterlagen stellt unter diesen Umständen einen Verstoß gegen den allgemeinen Verfahrensgrundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs dar (Art. 125 EPÜ). Selbst ohne diese Einwände der Einsprechenden hätte die Einspruchsabteilung nach Artikel 102 (3) EPÜ die Änderungen der Unterlagen von Amts wegen auf die Erfüllung der Erfordernisse des Artikels 84 sowie derjenigen gemäß Artikel 123 (2) und (3) EPÜ prüfen müssen. Die fehlende diesbezügliche Auseinandersetzung mit den Änderungen ist als wesentlicher Verfahrensmangel zu werten.
3. Dieser Verfahrensmangel erfordert die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung (Artikel 111 EPÜ und Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, Artikel 10).
4. Da der Beschwerde der Einsprechenden 02 wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels im Ergebnis stattgegeben wird und es nach Ansicht der Kammer unter den gegebenen Umständen der Billigkeit entspricht, wird gemäß Regel 67 EPÜ die Rückzahlung der Beschwerdegebühr an die Einsprechende 02 angeordnet.
5. Hinsichtlich der in der Eingabe der Beschwerdeführerin (Einsprechende 02) geäußerten Auffassung, daß die Patentinhaberin nicht berechtigt sei, einen Antrag bezüglich der auf die Beschwerde zu treffenden Entscheidung zu stellen, ist festzustellen, daß alle am Einspruchsverfahren Beteiligten gemäß Artikel 107 EPÜ Verfahrensbeteiligte im Beschwerdeverfahren sind und ihnen die entsprechenden Verfahrensrechte zustehen, wozu auch die Stellung von Anträgen gehört.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.
3. Die Rückzahlung der von der Einsprechenden 02 entrichteten Beschwerdegebühr wird angeordnet.