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T 0584/09 (Imidacloprid gegen Flöhe, Läuse, Fliegen/BAYER) 03-02-2011
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Nicht-systemische Bekämpfung von Parasiten
Verlegung des Termins der mündlichen Verhandlung (nein) - keine schwerwiegende Gründe
Zurückverweisung, Rückkehr in schriftliches Verfahren, Verschiebung der mündlichen Verhandlung (nein) - kein neuer Sachverhalt
Zulässigkeit verspätet eingereichter Hilfsanträge (ja)
Zulässigkeit neuer experimenteller Daten (nein)
Alle Hilfsanträge: Klarheit (ja)
Hauptantrag und Hilfsantrag 4: Neuheit (nein) - Verwendung von Imidacloprid-haltiger Materialien zur Bekämpfung von Flöhen, Läusen, Fliegen eindeutig offenbart
Hilfsanträge 1 und 10: Neuheit (ja) - dermale Verwendung von Imidacloprid und Formkörper nicht klar und eindeutig offenbart
Hilfsanträge 1-3, 5-7, 10-13: erfinderische Tätigkeit (nein) - dermale Verwendung von Imidacloprid, imidacloprid-haltige Formkörper sind offensichtliche Alternativen
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 29. Dezember 2008 über die Fassung, in der das Europäische Patent Nr. 682 869 in geändertem Umfang aufrechterhalten werden kann, Beschwerde eingelegt.
II. In der vorliegenden Entscheidung wird auf die folgenden Druckschriften Bezug genommen.
(3) WO 93/24002 A1
(4) US 4,874,753
(5) Koichi Moriya et al., Biosci. Biotech. Biochem. Vol. 56 No. 2, 1992, 364-365
(6) EP 249 409 A2
(8) US 4,742,060
(12) GB 2 271 110 A
(13) AU-B-51418/90
(15) Ming-Yie Liu, Pesticide Biochemistry and Physiology, 46, 1993, 200-206
(16) Expert Report of Dr. Stuart Taylor
(17) Donglin Bai et al., Pestic. Sci., 33, 1991, 197-204
(18) Ming.Yie Liu et al. Pesticide Biochemistry and Physiology, 46, 1993, 40-46
(19) R. F. Mizell et al., Florida Entomologist, 75(2), 1992, 277-280
(20) R. O. Drummond, Veterinary Parasitology, 18, 1985, 111-119
(21) Vergleichende Darstellung: Bekämpfung von Flöhen auf Hunden
(22) H. Mehlhorn et al., Parasitol Res, 85, 1999, 625-637
(23) T. Schnieder et al., Veterinary Therapeutics, Vol. 9, No. 3, Fall 2008
(24) Erklärung von Prof. Mehlhorn
(25) Testdaten: Comparison Data with regard to US 4,874,753 (D4)
(26) Liste alternativer Insektizide.
III. Mit dem Einspruch war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang wegen mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit sowie mangelnder Patentierbarkeit im Sinne des Artikels 52(4) EPÜ 1973 (Artikel 53(c) EPÜ 2000) angegriffen worden (Artikel 100(a) EPÜ).
IV. Der angefochtenen Entscheidung lag der mit Schreiben vom 7. Oktober 2008 eingereichte Anspruchssatz zugrunde dessen unabhängige Ansprüche 1, 5, 6 und 7 wie folgt lauten:
"1. Verwendung von Imidacloprid (= 1-[(6-Chlor-3-pyridinyl)methyl)-N-nitro-2-imidazolidinimin) zur Herstellung von Mitteln zur nicht-systemischen
Bekämpfung von parasitierenden Insekten aus der Gruppe der Flöhe, Läuse und Fliegen an Menschen und Tieren."
"5. Formkörper zur nicht-systemischen Bekämpfung von parasitierenden Insekten an Tieren, enthaltend Imidacloprid."
"6. Formkörper zur nicht-systemischen Bekämpfung von parasitierenden Insekten an Tieren, enthaltend Imidacloprid in Mischung mit Synergisten oder anderen
Wirkstoffen."
"7. Formkörper zur nicht-systemischen Bekämpfung von parasitierenden Insekten an Tieren, enthaltend Imidacloprid in Mischung mit Propoxur, Cyfluthrin,
Flumethrin, Pyriproxyfen, Methoprene, Diazinon, Amitraz, Fenthion oder Levamisol."
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des ihr vorliegenden einzigen Antrags im Hinblick auf die Offenbarung der Druckschriften (3), (5) und (13) neu sei. Hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit ging sie von den Druckschriften (4) und (8) als nächstem Stand der Technik aus. Ausgehend davon habe die technische Aufgabe in der Bereitstellung eines alternativen Insektizids zur nicht-systemischen Bekämpfung von parasitierenden Insekten an Menschen und Tieren bestanden. Die Lösung dieser Aufgabe werde weder durch die Druckschriften (4) und (8) allein, noch durch deren Kombination, noch durch die Kombination der Druckschriften (4) und (5) nahegelegt. Des Weiteren entschied die Einspruchsabteilung, von den verspätet eingereichten Druckschriften (8) -(11), (11a), (12) und (13), lediglich die Druckschriften (8) und (13) in das Verfahren zuzulassen.
V. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin die von der Einspruchsabteilung abgelehnten Druckschriften (9) und (12) sowie die neuen Druckschriften (15) bis (20) ein. Die Beschwerdeführerin griff die Neuheit der unabhängigen Ansprüche 1 und 5 nur noch im Hinblick auf die Offenbarung der Druckschriften (5) und (13) an und entwickelte jeweils ausgehend von den Druckschriften (3), (4), (5), (8), (12) oder (20) als nächstem Stand der Technik verschiedene Argumentationslinien bezüglich mangelnder erfinderischer Tätigkeit. Ihren Einwand mangelnder Neuheit bezüglich der Druckschrift (3) hielt sie nicht länger aufrecht. Die Beschwerdeführerin beantragte die Beschleunigung der Verfahrens gemäß der Mitteilung des Vizepräsidenten Generaldirektion 3 vom 17. März 2008, den sie lediglich mit der langen Prüfungsphase und der Hoffnung, eine Imidacloprid-haltige Zusammensetzung auf den Markt zu bringen, begründete.
VI. In ihrer Antwort auf die Beschwerdebegründung vom 30. November 2009 reichte die Beschwerdegegnerin die Druckschriften (21) -(23) ein. Gleichzeitig beantragte sie die von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung eingereichten Druckschriften nicht zu berücksichtigen.
VII. In Anbetracht der Tatsache, dass der Anmeldetag des Streitpatent bereits 15 Jahre zurücklag, hat die Kammer dem erneuten Antrag der Beschwerdeführerin vom 10. August 2010 auf Beschleunigung des Verfahrens stattgegeben und die Parteien zur mündlichen Verhandlung geladen.
VIII. In Reaktion auf die Ladung der Parteien zur mündlichen Verhandlung durch die Kammer, beantragte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. September 2010 die Verlegung der mündlichen Verhandlung. Diese wurde von der Kammer mit Bescheid vom 13. Oktober 2010 unter Hinweis auf die Mitteilung des Vizepräsidenten der Generaldirektion 3 vom 16. Juli 2007 abgelehnt.
IX. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2010 reichte die Beschwerdegegnerin die Hilfsanträge 1-6 ein, sowie die weiteren Druckschriften (24) bis (26).
X. Mit Bescheid vom 26. Januar 2011 verwies die Kammer auf die Druckschrift (8) als dem nächstliegenden Stand der Technik und auf ihre Schwierigkeiten, dass unterscheidende Merkmal zu identifizieren.
XI. Auf den Bescheid der Kammer vom 26. Januar 2011 beantragte die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 31. Januar 2011 die Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung, oder hilfsweise in das schriftliche Verfahren zurückzukehren. Weiterhin hilfsweise beantragte sie die Vertagung der mündlichen Verhandlung.
XII. Zu Beginn der mündlichen Verhandlung, die wie vorgesehen am 3. Februar 2011 stattfand, reichte die Beschwerdegegnerin neue Hilfsanträge 1-7 ein. Die mit Schreiben vom 3. Dezember 2010 eingereichten Hilfsanträge 1-6 reichte sie als Hilfsanträge 8-13 ein. Im Verlauf der Verhandlung zog sie die Hilfsanträge 8 und 9 zurück und reichte einen geänderten Hilfsantrag 11 ein. Die zu Beginn der mündlichen Verhandlung beantragte Nicht-Zulassung der Druckschrift (13) wurde von der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Sie stimmte ebenfalls der Aufnahme der von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung eingereichten Druckschrift (20) in das Verfahren zu.
Anspruch 1 des Hilfsantrag 1 laut wie folgt:
"1. Verwendung von Imidacloprid (= 1-[(6-Chlor-3-pyridinyl)methyl)-N-nitro-2-imidazolidinimin) zur Herstellung von Mitteln zur nicht-systemischen
Bekämpfung von parasitierenden Insekten aus der Gruppe der Flöhe, Läuse und Fliegen durch dermale Applikation an Menschen und Tieren."
Die Ansprüche 2-7 blieben gegenüber dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Antrag (im Folgenden als Hauptantrag bezeichnet) unverändert.
Der Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Hilfsantrag 1 dadurch, dass der Anspruch 1 weiter eingeschränkt wurde. Er lautet wie folgt:
"1. Verwendung von Imidacloprid (= 1-[(6-Chlor-3-pyridinyl)methyl)-N-nitro-2-imidazolidinimin) zur Herstellung von Mitteln in Form von Aufgießformulierungen zur nicht-systemischen
Bekämpfung von parasitierenden Insekten aus der Gruppe der Flöhe, Läuse und Fliegen an Menschen und Tieren durch dermale Applikation mittels Aufgießen oder Aufspritzen auf begrenzte Bereiche der Haut."
Der Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom Hauptantrag dadurch, dass im Anspruch 1 die Mittel zur nicht-systemischen Bekämpfung durch dass Merkmal "in Form einer Lösung zum Gebrauch auf der Haut" gekennzeichnet werden.
Der Hilfsantrag 4 unterscheidet sich vom Hauptantrag dadurch, dass der Anspruch 1 auf die Bekämpfung von parasitierenden Insekten aus der Gruppe der Flöhe eingeschränkt und der auf diese Gruppe gerichtete abhängige Anspruch 4 gestrichen wurde.
Der Hilfsantrag 5 ist eine Kombination des Hilfsantrags 1 und des Hilfsantrag 4. Der Anspruch 1 wurde auf die Bekämpfung von parasitierenden Insekten aus der Gruppe der Flöhe und die dermale Applikation eingeschränkt.
Der Hilfsantrag 6 beruht auf dem Hilfsantrag 2, der auf die Bekämpfung von parasitierenden Insekten aus der Gruppe der Flöhe eingeschränkt wurde. Der Hilfsantrag 7 beruht auf dem Hilfsantrag 3, ebenfalls eingeschränkt auf die Bekämpfung von parasitierenden Insekten aus der Gruppe der Flöhe.
Im Hilfsantrag 10 wurden die Produktansprüche 5-7 in Verwendungsansprüche umgewandelt, die wie folgt lauten:
"5. Verwendung von Imidacloprid zur Herstellung von Formkörpern zur nicht-systemischen Bekämpfung von parasitierenden Insekten aus der Gruppe der Flöhe, Läuse und Fliegen an Menschen und Tieren."
"6. Verwendung von Imidacloprid zur Herstellung von Formkörper, enthaltend Imidacloprid in Mischungen mit Synergisten oder anderen Wirkstoffen zur nicht-systemischen Bekämpfung von parasitierenden Insekten an Tieren."
"7. Verwendung von Imidacloprid zur Herstellung von Formkörper enthaltend Imidacloprid in Mischung mit Propoxur, Cyfluthrin, Flumethrin, Pyriproxyfen, Methoprene, Diazinon, Amitraz, Fenthion oder Levamisol, zur nicht-systemischen Bekämpfung von parasitierenden Insekten an Tieren."
In den Hilfsanträgen 11-13 wurden alle Ansprüche die sich auf Formkörper oder deren Herstellung beziehen gestrichen. Der einzige unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 ist identisch mit dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2. Der einzige unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags 12 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass die Mittel zur nicht-systemischen Bekämpfung durch das Merkmal "in Form einer Lösung zum Aufgießen auf die Haut" gekennzeichnet sind. Der Hilfsantrag 13 beruht auf dem Hilfsantrag 12, wobei der einzige unabhängige Anspruch 1 auf die Bekämpfung von Flöhen an Menschen und Tieren eingeschränkt wurde.
Die Beschwerdeführerin hielt in der mündlichen Verhandlung ihren Antrag auf Zulassung der Druckschriften (9) und (12) nicht länger aufrecht.
XIII. Die Argumente, die von der Beschwerdeführerin im schriftlichen Verfahren sowie während der mündlichen Verhandlung vorgebracht wurden, soweit sie für diese Entscheidung maßgeblich sind, lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
Im Rahmen der Diskussion zur Neuheit des Anspruch 1 des Hauptantrags, die von ihr nicht explizit bestritten wurde, verwies die Beschwerdeführerin auf die klare Lehre der Druckschrift (8), die die Eignung der dort offenbarten Verbindungen zur Bekämpfung jedes der dort genannten Schädlinge offenbare. Dies sei keine Frage der Wahl. Des Weiteren verwies sie auf die dort erwähnten üblichen Formulierungen, die eindeutig Mittel zur nicht-systemische Verwendung offenbarten. Was unter üblichen nicht-systemischen Formulierungen zum Zeitpunkt der Erfindung zu verstehen war, zeige sich in diesem Zusammenhang sowohl in der Druckschrift (6) als auch in der Druckschrift (4). Die Beschwerdeführerin verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Bedeutung des Begriffes nicht-systemisch, der unter Hinweis auf den Absatz [0003] des Streitpatents ihrer Ansicht nach auf eine, im Gegensatz zur systemischen Anwendung durch Injektion oder Tabletten, äußerliche Anwendung hinweise. Dies zeige sich auch im Absatz [0013] des Streitpatents, gemäss diesem nicht einmal die Behandlung am Tier erforderlich sei.
In Bezug auf die eingereichten Hilfsanträge erhob die Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung einen Einwand mangelnder Klarheit gegen den Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 im Hinblick auf das hinzugefügte Merkmal "durch dermale Applikation". Sie verwies in diesem Zusammenhang auf ihrer Ansicht nach widersprüchliche Definitionen in der Patentanmeldung. Ebenfalls unklar sei auch das im Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 hinzugefügte Merkmal "Aufsprühen auf begrenzte Bereiche der Haut", das keine klaren Grenzen für die Anwendung definiere. Darüber hinaus gebe der Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 auch Anlass zu Einwänden unter Artikel 123(2) EPÜ, da seine Merkmalskombination nicht durch die ursprüngliche Anmeldung gestützt werde. Diese Einwände gälten auch für alle Hilfsanträge, die identische Ansprüche enthielten.
Nach Ansicht der Beschwerdeführerin war der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 nicht neu im Bezug auf die Offenbarung der Druckschrift (5). Der dort offenbarte Toxizitätstest, bei dem Imidacloprid auf die Haut einer Ratte aufgebracht werde, habe aufgrund der insektiziden Eigenschaft von Imidacloprid und unter Berücksichtigung der aufgebrachten Menge unausweichlich die gemäss Absatz [0012] des Streitpatents eingeschlossen prophylaktische Bekämpfung von Flöhen, Läusen und Fliegen zur Folge. Des Weiteren war die Beschwerdeführerin der Ansicht, dass die Druckschrift (13), insbesondere die Beispiele 1 und 10, die mit Imidacloprid imprägnierte Wolle, Wollgarne und Wolltücher offenbarten, den Gegenstand des Anspruchs 5 vorwegnehmen. Diese Gegenstände fielen unter den Begriff "shaped article" und seien aufgrund der aufgebrachten Menge an Imidacloprid zur nicht-systemischen Bekämpfung der anspruchsgemäßen Parasiten geeignet, unabhängig davon, ob sie für diesen Zweck beabsichtigt gewesen seien. Der Anspruch 5 des Hilfsantrags 1 sei zudem nicht neu im Hinblick auf die Druckschrift (8), die den Einsatz von imprägnierten synthetischen und natürlichen Materialien offenbare, wie beispielsweise Rauchspiralen, die zur Bekämpfung von Moskitos oder Fliegen geeignet sind. Der Anspruch sei nicht darauf begrenzt, dass der Formkörper sich am Tier befinde. Bezüglich der Neuheit des Anspruchs 1 verwies die Beschwerdeführerin ebenfalls auf die Druckschrift (8), die die dermale Applikation einschließe.
Ausgehend von der Druckschrift (8) sah die Beschwerdegegnerin die zu lösende Aufgabe in der Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zur Bekämpfung der anspruchsgemäßen Ektoparasiten. In der Druckschrift (8) werde die Eignung der dort beschriebenen Verbindungen, Imidacloprid eingeschlossen, zur Bekämpfung von Läusen, Fliegen und Flöhen in üblichen Formulierungen offenbart. Diese Formulierung schlössen auch klar nicht-systemische Anwendungen ein. Übliche Formulierung zur Bekämpfung dieser Parasiten seien für den Fachmann zum Zeitpunkt der Patentanmeldung beispielsweise sogenannte pour-on-Formulierungen gewesen. Dies belegten sowohl die Druckschriften (4) oder (6), insbesondere aber auch die Druckschrift (20), die klar zeige, dass die nicht-systemische, äußerliche Anwendung von Insektiziden für viele Jahre eine der am weitesten verbreitete Methode zur Bekämpfung von Ektoparasiten darstellte. Der Fachmann hätte im Hinblick auf die Offenbarung der Druckschrift (8) jeden Grund gehabt zu erwarten, dass Imidacloprid in solchen bekannten Formulierungen erfolgreich einsetzbar sei. Ebenso sei im Hinblick auf die in der Druckschrift (8) offenbarten imprägnierten Materialien auch der Einsatz der imprägnierten Formkörper für den Fachmann naheliegend gewesen. Er wäre davon auch nicht durch angebliche vorhandene Vorurteile, die nicht belegt, beziehungsweise für den Fachmann leicht zu überwinden gewesen seien, abgehalten worden. Die erfinderische Tätigkeit werde auch nicht durch die Vergleichsversuche der Beschwerdegegnerin gestützt, da die nicht-systemische Bekämpfung von Parasiten wie Läuse und Flöhe eine übliche Vorgehensweise gewesen seien und nicht gezeigt wurde, dass mit dem Einsatz von Imidacloprid unerwartete Vorteile verbunden gewesen seien. Wenn überhaupt, könnten die Vergleichsversuche lediglich einen zusätzlichen Bonus-Effekt belegen. Die gleichen Argumente gelten im Wesentlichen auch für den Gegenstand der weiteren Hilfsanträge.
XIV. Die Argumente, die von der Beschwerdegegnerin im schriftlichen Verfahren sowie während der mündlichen Verhandlung vorgebracht wurden, soweit sie für diese Entscheidung maßgeblich sind, lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin werde durch die offensichtlich erheblich abweichende Meinung der Kammer zum Offenbarungsgehalt der Druckschrift (8), den diese offenbar als neuheitsschädlich erachte, eine neue Sachlage geschaffen, die die Zurückverweisung des Falles an die erste Instanz, zumindest aber die Rückkehr in das schriftliche Verfahren oder die Verlegung der mündlichen Verhandlung, rechtfertige. Die Beschwerdegegnerin müsse eine faire Chance erhalten sich mit dieser neuen Sachlage auseinanderzusetzen und sachgerechte Anträge zu formulieren, die dann für die Überprüfung durch zwei Instanzen offen sein sollten.
Anspruch 1 des Hauptantrags sei neu, da sein Gegenstand nicht unmittelbar und eindeutig aus der Druckschrift (8) hervorgehe. Der Fachmann müsse zunächst den Wirkstoff, dann den Anwendungsbereich und schließlich noch eine geeignete Formulierung auswählen, wobei die Druckschrift nicht einmal spezielle Formulierungen zur Anwendung am Tier offenbare. Im Übrigen sei aus der Druckschrift (8) auch nicht ersichtlich, wie sich Imidacloprid auf der Haut verhalte, d.h. ob es systemisch oder nicht systemisch wirke. In diesem Zusammenhang brachte die Beschwerdegegnerin auch vor, dass eine dermale Anwendung nicht mit einer nicht-systemischen Anwendung gleichgesetzt werden könne. Nicht-systemisch setze, im Gegensatz zur systemischen Aufnahme, voraus, dass der Wirkstoff nicht in den Blutkreislauf des Tieres gelange. Die nicht-systemische Wirkung sei ein neuer, technischer Effekt, der aus der Druckschrift (8) nicht ersichtlich sei und dem Anspruch 1 des Hauptantrags daher Neuheit verleihe.
Das gleiche gelte auch für den Anspruch 1 des Hilfsantrags 4, der zudem eine weitere Auswahl, nämlich die Beschränkung auf Flöhe, enthalte.
Die Beschwerdegegnerin widersprach den Einwänden bezüglich mangelnder Klarheit. Der Begriff "dermale Applikation" sei im Streitpatent eindeutig definiert und gebe keinen Anlass für eine widersprüchliche Interpretation. Das Merkmal des "Aufsprühens auf begrenzte Bereiche der Haut" schließe die Behandlung des ganzen Körpers aus und für sei für den Fachmann ebenfalls verständlich. Des Weiteren werde der Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 durch die ursprünglich Beschreibung Seite 11, Zeilen 3-4 gestützt.
Die Beschwerdegegnerin brachte weiterhin vor, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 neu ist gegenüber der Offenbarung der Druckschrift (5). Diese offenbare lediglich einen Toxizitätstest, dessen Zweck es gewesen sei die Verträglichkeit von Imidacloprid zu untersuchen. Die für das Streitpatent maßgebliche technische Wirkung der Schädlingsbekämpfung am Tier werde damit der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht, auch wenn diese technische Wirkung dabei möglicherweise inhärent aufgetreten sei. Auch die Druckschrift (8) könne nicht als neuheitsschädlich betrachtet werden, da sie eine Vielzahl möglicher Anwendungen offenbare und die dermale Anwendung nicht eindeutig daraus hervorgehe. Die Imidacloprid enthaltenden Formkörper des Hilfsantrags 1 werden durch die Druckschrift (13) nicht neuheitsschädlich vorweggenommen, da Wolle, Wollfäden oder Wolltücher nicht unter den Begriff "Formkörper" fielen.
Ausgehend von der Druckschrift (8) sah die Beschwerdegegnerin die zu lösende Aufgabe in der Bereitstellung einer Anwendungsform mit guter Wirksamkeit und sehr guter Langzeitwirkung. Diese Aufgabe werde durch die dermale nicht-systemische Anwendung von Imidacloprid gelöst, wie die eingereichten Vergleichsversuche eindeutig belegten. Der erfolgreiche Einsatz von Imidacloprid sei dabei für den Fachmann keineswegs sicher oder zu erwarten gewesen, da ihm zum Zeitpunkt der Patentanmeldung keine Information darüber zur Verfügung stand wie sich Imidacloprid, das als systemisches Insektizid im Pflanzenschutz eingesetzt werde, bei der Anwendung am Tier verhalte. Es stand zu befürchten, dass es als relativ wasserlösliche Verbindung ausgewaschen oder durch UV-Strahlung oder die Bakterienflora auf der Haut des Tieres zersetzt werde. Des Weiteren werde in der Druckschrift (3) explizit von der nicht-systemischen Anwendung abgeraten. Auch die gute Wirksamkeit und lange Wirkdauer von Imidacloprid in pour-on- oder spot-on-Formulierungen sei überraschend gewesen, insbesondere in Hinblick auf die Feststellung in der Druckschrift (3), dass diese Form der Anwendung keine gute Langzeitwirkung habe.
XV. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 682 869. Des Weiteren hat die Beschwerdeführerin die Zulassung der Druckschriften (15) bis (19) in das Verfahren beantragt.
XVI. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung, hilfsweise in das schriftliche Verfahren zurückzukehren oder weiter hilfsweise die Vertagung der mündlichen Verhandlung. Ferner hat die Beschwerdegegnerin beantragt die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent in dem Umfang aufrechtzuerhalten, in dem es von der Einspruchsabteilung aufrechterhalten wurde, oder hilfsweise auf Basis einer der während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 1-7 oder 10-13. Des Weiteren hat die Beschwerdegegnerin beantragt die Druckschriften (15) bis (19) nicht in das Verfahren zuzulassen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Verfahrensrechtliche Fragen
2.1 Verlegung der mündlichen Verhandlung
2.1.1 Dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Verlegung des Termins der mündlichen Verhandlung wurde unter Berücksichtigung der Mitteilung des Vizepräsidenten Generaldirektion 3 vom 16. Juli 2007 (Beilage zum Amtsblatt 1/2010, 67) nicht stattgegeben. Wie sich aus der Mitteilung ergibt, bedarf es für eine derartige Verlegung schwerwiegende sachliche Gründe; des Weiteren ist einem solchen Antrag eine hinreichend substantiierte Begründung beizufügen (Punkt 2 der Mitteilung). Als schwerwiegender Grund wird unter anderem die Ladung desselben Beteiligten zu einer mündlichen Verhandlung in einem anderen Verfahren vor dem EPA oder einem nationalen Gericht, die vor der Ladung in dem betreffenden Verfahren zugestellt wurde (Punkt 2.1 der Mitteilung). Gemäß Punkt 2.3 der Mitteilung muss der Verlegungsantrag jedoch eine Begründung enthalten, warum der verhinderte Vertreter nicht durch einen anderen Vertreter im Sinne der Artikel 133(3) bzw. 134 EPÜ ersetzt werden kann.
2.1.2 Im vorliegenden Fall wurde der Antrag der Beschwerdeführerin lediglich mit der Erklärung begründet, dass Herr Andrew Waugh QC, der mit Schreiben vom 26. August 2010 als zusätzlicher Vertreter der Beschwerdeführerin angekündigt wurde, an diesem Tag am Berufungsgericht des vereinigten Königreiches sei.
2.1.3 Die Kammer stellte jedoch fest, dass Herr Adrian Hayes der bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführerin ist und diese gemäß Schreiben vom 26. August 2010 in der mündlichen Verhandlung vertreten wird. Des Weiteren enthielt der Verlegungsantrag auch keinerlei Angabe von Gründen, warum Herr Waugh, der bis zu diesem Zeitpunkt nicht am Verfahren beteiligt war und für den auch noch keine Vollmacht vorlag, nicht durch einen anderen Vertreter ersetzt werden konnte. Die Tatsache, dass Herr Waugh am festgelegten Termin nicht verfügbar war, wurde von der Kammer daher nicht als schwerwiegender sachlicher Grund angesehen, der die Festlegung eines neuen Termins rechtfertigen konnte.
Die Kammer lehnte den Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung daher ab.
2.2 Zurückverweisung an die erste Instanz
2.2.1 Die Beschwerdegegnerin hat mit Schreiben vom 31. Januar 2011 und in der mündlichen Verhandlung die Zurückverweisung des Falls an die erste Instanz beantragt. Sie begründete dies mit der Schaffung eines vorgeblich neuen Sachverhalts, den die Kammer durch ihre von der Beschwerdeführerin und der Einspruchsabteilung deutlich unterschiedliche Beurteilung des Offenbarungsgehaltes der Druckschrift (8) geschaffen habe. Letztere hätten die Druckschrift (8) lediglich für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt, nicht jedoch unter dem Aspekt möglicher Neuheitsschädlichkeit, wie der Schriftsatz der Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren vom 22. Februar 2008, ihre Beschwerdebegründung vom 7. Mai 2009, die vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung und die angefochtene Entscheidung eindeutig belegten. Die Neuheit wurde lediglich mit den Druckschriften (3), (5) und (13) angegriffen. Die Beschwerdegegnerin brachte weiterhin vor, dass das Verfahren vor den Beschwerdekammern vor allem dazu diene, die angegriffene Entscheidung zu überprüfen und nicht dazu, über Sachverhalte, die zum ersten Mal im Beschwerdeverfahren aufgebracht werden zu entscheiden. In diesem Zusammenhang verwies die Beschwerdeführerin auf die Entscheidungen T 26/88 und T 229/90. Als weiteres Argument brachte die Beschwerdegegnerin vor, dass ihr, sollte die Druckschrift (8) tatsächlich als neuheitsschädlich angesehen werden, die Möglichkeit entzogen werde, diesen Einwand für den geltenden Hauptantrag durch zwei Instanzen prüfen zu lassen. Dies gelte ebenso für die Hilfsanträge. Die Überprüfung durch zwei Instanzen sei jedoch ein Gebot der Fairness, insbesondere wenn sich im Beschwerdeverfahren der Diskussionsschwerpunkt deutlich verschiebe. Hierzu verwies die Beschwerdegegnerin auf die Entscheidung T 611/90. Darüber hinaus müsse sie ausreichend Gelegenheit haben sich mit diesem Punkt auseinanderzusetzen und sachgerechte Anträge zu formulieren. Die mögliche Neuheitsschädlichkeit könne sich auch auf die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit auswirken.
2.2.2 Nach Artikel 111 (1) EPÜ kann die Beschwerdekammer bei der Prüfung der Beschwerde entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, tätig werden, oder die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organs zurückverweisen. Die Entscheidung über einen Antrag auf Zurückverweisung liegt daher im Ermessen der Kammer und ist dementsprechend von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Einen Rechtsanspruch auf zwei Instanzen gewährt der Artikel 111 EPÜ den Parteien nicht.
2.2.3 Im vorliegenden Fall hat die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung bezüglich der Neuheit des beanspruchten Gegenstandes gegenüber der Druckschrift (8) zwar keine formelle Entscheidung getroffen. Sie hat aber im Zusammenhang mit der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit, klar zum Ausdruck gebracht, worin sich ihrer Ansicht nach der beanspruchte Gegenstand von der Offenbarung der Druckschrift (8) unterscheidet, nämlich in der ihrer Ansicht nach vorliegenden Auswahl aus mehreren Listen (angefochtene Entscheidung Seite 10, vorletzter Absatz: "Um zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen, ist eine dreifach Auswahl nötig: 1) die Auswahl von Imidacloprid aus der Liste der Insektizide, 2) die Auswahl von zu bekämpfenden Parasiten und 3) die Auswahl der nicht-systemischen Anwendung"). Die Frage der Neuheit in Bezug auf die Druckschrift (8) stellt somit keinen neuen, von der ersten Instanz nicht bereits berücksichtigten Sachverhalt dar. Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit hat die Einspruchsabteilung unter Bezugnahme auf die Druckschrift (8) bereits entschieden. Der Antrag der Beschwerdegegnerin auf Zurückverweisung ohne eine sachliche Entscheidung der Kammer ist daher gleichbedeutend mit einem Antrag auf erneute Prüfung eines Sachverhalt durch die Einspruchsabteilung über den diese, basierend auf der gleichen Entgegenhaltung, bereits entschieden hat. Die Kammer sieht in diesem Fall eine Zurückverweisung nicht als geboten an. Des Weiteren kann, in Betracht der unveränderten Sachlage, die Einspruchsabteilung ihre frühere Entscheidung bezüglich der Druckschrift (8) nur bestätigen. Dies gilt auch für die Hilfsanträge, die gegenüber dem der Einspruchsabteilung vorliegenden und von ihr als neu angesehenen Anspruchssatz weitere Einschränkungen enthalten. Eine Zurückverweisung für den Fall, dass die Kammer zu dem Schluss kommt, dass die Druckschrift (8) den Streitgegenstand neuheitsschädlich vorwegnimmt, ist ebenfalls nicht geboten, da die Einspruchsabteilung gemäß Artikel 111(2) EPÜ an die diese Entscheidung der Kammer gebunden wäre und die Neuheit nicht erneut beurteilen kann.
2.2.4 In Hinblick auf die von der Beschwerdegegnerin zur Stützung ihrer Argumente angeführten Entscheidungen ist zu bemerken, dass sich deren Sachlage von der des vorliegenden Falls unterscheidet. In der Entscheidung T 26/88 verwies die Kammer den Fall an die Einspruchsabteilung zurück, damit diese entscheide, ob eine zwischenzeitlich in Kraft getretene Änderung einer Regel des EPÜ anzuwenden sei. Diese Frage war nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung, sondern wurde von der Beschwerdeführerin zum ersten Mal in der Beschwerdebegründung aufgebracht. In der Entscheidung T 229/90 hat die Einspruchsabteilung das Patent wegen mangelnder Neuheit gegenüber der Druckschrift (5) widerrufen. Der begründete Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit in Bezug auf zwei völlig andere Druckschriften war von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung jedoch noch nicht berücksichtigt worden. Die Kammer teilte die Auffassung der Einspruchsabteilung bezüglich der Druckschrift (5) nicht und verwies die Sache zur weiteren Prüfung an die Einspruchsabteilung zurück. In der Entscheidung T 611/90 wurde mit der Beschwerdebegründung zum ersten Mal öffentliche Vorbenutzung auf der Grundlage neuer Beweise geltend gemacht. Die Kammer sah dies als neuen Sachverhalt an, der eine Zurückverweisung rechtfertige.
Im vorliegenden Fall handelt es sich, wie bereits in Punkt 2.2.3 festgestellt, nicht um einen neuen Sachverhalt. Es liegen auch keine neuen oder von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung bislang nicht berücksichtigte Beweismittel vor. Die relevante Druckschrift (8) wurde von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bereits berücksichtigt. In diesem Zusammenhang hat sie sich auch darüber geäußert, was ihrer Ansicht nach den Streitgegenstand von der Druckschrift (8) unterscheidet.
2.2.5 Über die mit Schreiben vom 30. November 2009 von der Beschwerdegegnerin beantragte Zurückweisung für den Fall, dass die Kammer eine der Druckschriften (9), (12) oder (15) - (20) in das Verfahren zulassen sollte, war nicht zu entscheiden, da die Beschwerdeführerin den Antrag auf Zulassung der Druckschriften (9) und (12) nicht länger aufrecht erhielt, die Beschwerdegegnerin der Zulassung der Druckschrift (20) zustimmte und über die Zulassung der Druckschriften (15) bis (19) im Hinblick auf den negative Ausgangs der Entscheidung aufgrund der bereits im Verfahren befindlichen Druckschriften nicht entschieden werden musste (Punkt 2.4.4 dieser Entscheidung).
2.3 Rückkehr in das schriftliche Verfahren beziehungsweise Vertagung der mündlichen Verhandlung
2.3.1 Die Beschwerdegegnerin hat, sollte ihrem Anspruch auf Zurückverweisung nicht stattgegeben werden, hilfsweise die Rückkehr ins schriftliche Verfahren oder die Vertagung der mündlichen Verhandlung beantragt. Die Argumente der Beschwerdegegnerin hierzu waren im Wesentlichen identisch zu den Argumenten, die sie bezüglich der Zurückverweisung vorgebracht hat: die Schaffung eines neuen Sachverhalts durch die Kammer, mangelnde Gelegenheit sich mit etwaigen Argumenten der Neuheitsschädlichkeit auseinanderzusetzen und sachgerechte Anträge zu formulieren.
2.3.2 Wie bereits in Punkt 2.2.3 festgestellt wurde, teilt die Kammer die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass hier ein neuer Sachverhalt geschaffen wurde, nicht. Die Kammer stützt sich im vorliegenden Fall nicht auf neue Fakten oder Beweismittel, ja nicht einmal auf neue Passagen der Druckschrift (8), die zudem nach Auffassung der Beschwerdeführerin bereits alleine den Streitgegenstand nahelege. Da es im Rahmen der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zunächst erforderlich ist, das (die) Merkmal(e) zu identifizieren, das (die) den erfindungsgemäßen Gegenstand vom Stand der Technik unterscheidet(n), war es der Beschwerdeführerin durchaus zuzumuten und konnte von ihr auch erwartet werden, dass sie in der Lage ist, dieses (diese) Merkmal(e) im Hinblick auf einen bereits im Einspruchsverfahren ausführlich diskutierten (siehe Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung) und der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Standes der Technik, zu identifizieren, gegebenenfalls auch neue Anträge zu formulieren.
Aus den genannten Gründen entschied die Kammer, dem Antrag auf Rückkehr in das schriftliche Verfahren oder Vertagung der Verhandlung nicht stattzugeben.
2.4 Zulässigkeit verspätet eingereichter Anträge, Druckschriften und angebotener Vergleichsdaten
2.4.1 Gemäß Artikel 13(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) steht es im Ermessen der Kammer Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung der Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen. Wichtige Kriterien bei der Ausübung des Ermessens sind dabei vor allem die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie. Änderungen die eine Verlegung der mündlichen Verhandlung zur Folge hätten, sind gemäß Artikel 13(3) VOBK nicht zuzulassen.
2.4.2 Im vorliegenden Fall stellten die zu Beginn der Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 1-7 einen Versuch der Beschwerdegegnerin dar, den Einwänden der Kammer in Bezug auf die Offenbarung der Drucksschrift (8) zu begegnen. Bei den Änderungen handelt es sich um Einschränkungen des Anspruchs 1 auf bestimmte Anwendungsformen, wodurch keine wesentlich neue, für die Beschwerdeführerin überraschende Sachlage entstanden ist. Auf die Patentfähigkeit derartiger Anwendungsformen ist die Beschwerdeführerin bereits in ihren schriftlichen Eingaben eingegangen. Das Gleiche gilt auch für die Hilfsanträge 10, 12 und 13, die bereits 2 Monate vor der Verhandlung mit Schreiben vom 3. Dezember 2010 eingereicht wurden sowie den im Verlauf der Verhandlung geänderten Hilfsantrag 11, in dem lediglich die unabhängigen Ansprüche 5-7 als Reaktion auf die zuvor stattgefundene Diskussion gestrichen wurden. Die geänderten Anspruchsätze werfen auch keine neuen Fragen auf, deren Behandlung der Beschwerdeführerin oder der Kammer ohne Verschiebung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist. Unter diesen Umständen entschied die Kammer die Hilfsanträge in das Verfahren zuzulassen.
2.4.3 Im Gegensatz dazu waren die von der Beschwerdegegnerin angebotenen zusätzlichen Vergleichsdaten, die Vorteile der dermalen Anwendung in Form von Aufgießformulierungen gegenüber oralen Gabe belegen sollten, nicht in das Verfahren zuzulassen. Dazu ist zunächst festzustellen, dass diese Vergleichsdaten von der Beschwerdegegnerin zum ersten Mal in einem bereits sehr fortgeschrittenen Stadium der mündlichen Verhandlung angeboten wurden, nachdem die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags bereits ausführlich erörtert worden waren. Des Weiteren handelt es sich dabei um Vergleichsdaten, die bereits in der Erteilungsphase des angefochtenen Patents vorlagen und die die Beschwerdeführerin daher bereits früher zur Stützung ihres Vorbringens hätte einreichen können. Dies gilt umso mehr da seitens der Beschwerdeführerin zumindest die erfinderische Tätigkeit im Bezug auf die Druckschrift (8), die nach deren Auffassung bereits nicht-systemische Anwendungen nahelegten, angegriffen wurde. Schließlich hätte die Zulassung dieser sehr spät eingereichten neuen Beweismittel auch zur Folge gehabt, dass der Beschwerdeführerin nicht ausreichend Zeit zur Verfügung stand, auf diese, gegebenenfalls durch Einreichen eigener Beweismittel, angemessen zu reagieren. Die Kammer lehnte die Zulassung der Vergleichsdaten daher ab.
2.4.4 Eine Entscheidung der Kammer über die Zulassung der Druckschriften (15) bis (19) war angesichts des negativen Ausgangs der Entscheidung auf Basis der bereits im Verfahren befindlichen Druckschriften nicht erforderlich.
Hauptantrag
3. Neuheit
3.1 Anspruch 1 des Hauptantrags bezieht sich auf die Verwendung von Imidacloprid zur Herstellung von Mitteln zur nicht-systemischen Bekämpfung von Flöhen, Läusen und Fliegen an Menschen und Tieren.
Die Druckschrift (8) bezieht sich auf heterocyclische Verbindungen mit ausgeprägt wirksamen insektiziden Eigenschaften, die gegen eine große Bandbreite von Schädlingen eingesetzt werden können, beispielsweise gegen Pflanzenschädlinge, Schädlinge auf Körnern, oder Schädlinge, die ein Gesundheitsrisiko darstellen (Spalte 51, Zeilen 43-50). In Spalte 52, Zeilen 45-68 wird offenbart, dass sich die offenbarten Verbindungen auf dem Gebiet der Veterinärmedizin wirksam gegen verschiedene Tierparasiten einsetzen lassen. Eindeutig genannt sind Fliegen (Gastrophilus spp., Stomoxys spp.), Läuse (Trichodectes spp.) und Flöhe (Ctenocephalides canis). Die Wirkstoffe können in üblichen Formulierungen verabreicht werden. Unter diesen üblichen Formulierungen befinden sich mit dem Wirkstoff imprägnierte natürliche oder synthetische Materialien. Imidacloprid wird als geeignete Verbindung explizit erwähnt (Beispiel 11-ii und Anspruch 20).
3.2 Die Beschwerdegegnerin brachte vor, dass die beanspruchte nicht-systemische Verwendung nicht eindeutig und unmittelbar aus der Druckschrift (8) hervorgehe. Wie die Einspruchsabteilung war sie der Ansicht, dass hier aus mehreren Listen auszuwählen sei. Zum einen liege für den Fachmann kein Grund vor Imidacloprid aus der Reihe der offenbarten Verbindungen auszuwählen. Eine weitere Auswahl bestehe in der Wahl des Anwendungsbereichs. Die Druckschrift (8) offenbare hier die Gesundheitsvorsorge, den Pflanzenschutz und die Veterinärmedizin. Die letzte Wahl betreffe die Formulierung. Die genannten Formulierungen sind unspezifisch und nicht auf die Verwendung am Tier gerichtet. Vielmehr ziele dieser Absatz der Druckschrift (8) ganz offensichtlich auf den Pflanzen- und Materialschutz. In diesem Zusammenhang verwies die Beschwerdegegnerin auch auf die Spalte 54, Zeilen 18-21 der Druckschrift (8). Auch die nicht-systemische Anwendung am Tier sei nicht klar und eindeutig ersichtlich. So könnten beispielsweise die genannten Lösungen auch gespritzt oder oral verabreicht werden. Es sei aus dieser Druckschrift auch nicht erkennbar, wie sich Imidacloprid beim Aufbringen auf die Haut des Wirtstieres verhalten werde, ob es stabil bleibe und ausreichende wirksam sei. Bei der nicht-systemische Anwendung handle es sich daher um eine neue Konsequenz, die die Druckschrift (8) nicht offenbare. Zur Stützung ihrer Argumente verwies die Beschwerdegegnerin auf die Entscheidungen T 836/01 und T 1229/03.
3.3 Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdegegnerin sowie der Einspruchsabteilung nicht, dass es sich im vorliegenden Fall um eine Auswahl aus mehreren unabhängigen Listen handelt, vergleichbar mit der in der Chemie typischen Situation der Auswahl aus mehreren unabhängigen Listen für Substituenten einer Markushformel.
Die Druckschrift (8) offenbart klar und eindeutig, dass sich die offenbarten heterocyclischen Verbindungen, das heißt alle Verbindungen, einschließlich der Beispiele und damit des explizit genannten Imidacloprids, aufgrund ihrer ausgeprägten insektiziden Eigenschaft in der Veterinärmedizin zur Bekämpfung tierischer Endo- und Ektoparasiten, beispielsweise Flöhe, Fliege und Läuse, eignen (Spalte 52, Zeilen 45-56). Die Wirksamkeit gegen die genannten Parasiten ist durch die insektiziden Eigenschaften der Verbindungen bedingt. Eine Auswahl aus zwei unabhängigen Listen ist hier nicht zu treffen.
In Bezug auf die Formulierung weist die Druckschrift (8) daraufhin, dass die Verbindungen in den üblichen, d.h. dem Fachmann für den jeweiligen Schädling oder die jeweilige Schädlingsgruppe bekannten, Formulierungen, eingesetzt werden können. Dieser Absatz schließt sich unmittelbar an die Auflistung der zu bekämpfenden Schädlinge an, die neben Pflanzenschädlingen, auch die Bekämpfung von Moskitos, der Stubenfliege, Kakerlaken oder eben der genannten Ektoparasiten offenbart. Es gibt daher keinen Grund für die Annahme, dass sich die genannten Formulierungen auf den Pflanzen- oder Materialschutz beschränken. Auch die Angaben in der Spalte 54, Zeilen 18-21 sind kein Beweis für eine solche Annahme. An dieser Stelle wird lediglich auf die gute Langzeitwirkung und Stabilität der insektiziden Verbindungen auf Holz und Ton hingewiesen, wenn diese zur Bekämpfung von Hygieneschädlingen oder Schädlingen auf gelagerten Produkten eingesetzt werden. Eine Beschränkung der unter den üblichen Formulierungen in der Spalte 52 offenbarten imprägnierter Materialien auf diese Zwecke geht daraus nicht hervor.
Zum Zeitpunkt der Druckschrift (8) war es auf dem Gebiet der Veterinärmedizin üblich Ektoparasiten wie Flöhe, Läuse oder Fliegen an Tieren mittels imprägnierten Halsbändern, Ohrmarken, Gliederbändern etc. bekämpfen (Druckschrift (20), die einen Überblick über das allgemeines Fachwissen über Methoden zur Bekämpfung von Ektoparasiten gibt). Im Hinblick auf dieses Fachwissen und auf die in der Druckschrift (8) explizit genannten imprägnierten synthetischen und natürlichen Materialen offenbart die Druckschrift (8) dem Fachmann daher klar und eindeutig die offenbarten insektiziden Verbindungen in solchen, auf diesem Gebiet üblichen Formulierungen zur Bekämpfung gegen Schädlinge wie Läuse, Flöhe und Fliegen einzusetzen. Eine solche Anwendung ist nicht-systemisch im Sinne des Streitpatents (siehe Paragraph [0013]). Im Hinblick auf diese Offenbarung in der Druckschrift (8) ist lediglich Imidacloprid unter den offenbarten insektiziden Verbindung auszuwählen, dass wie die Druckschrift (8) in der Spalte 52, Zeilen 45-56 offenbart zur Bekämpfung von Flöhen, Läusen, und Fliegen geeignet ist.
3.4 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass die Druckschrift (8) dem Fachmann die nicht-systemische Verwendung von Imidacloprid in der Veterinärmedizin zur Bekämpfung von Flöhen, Läusen und Fliegen eindeutig und unmittelbar offenbart.
3.5 Die Argumente der Beschwerdegegnerin bezüglich der Möglichkeit Lösungen oral, d.h. systemisch anzuwenden, anwenden zu können oder die Frage wie sich Imidacloprid aufgebracht auf die Haut verhalten würde sind in diesem Zusammenhang von keiner Bedeutung, da auch der Anspruch 1 nicht auf eine dermale Anwendung beschränkt ist.
3.6 Zu den von der Beschwerdegegnerin angezogenen Entscheidungen ist folgendes zu bemerken:
In der Entscheidung T 836/01 kam die zuständige Kammer zu dem Schluss, dass der technische Effekt auf den sich die Erfindung bezog, nämlich der direkte Einfluss von Interferon-beta2 auf Wachstum und Differenzierung von Tumorzellen, nicht lediglich eine Erklärung darstellte, wie Interferon-beta2 Krebs heile, sondern dass hier eine neue klinische Situation identifiziert wurde, nämlich eine in der es vorteilhaft sein kann, die Krebszellen direkt und nicht über die Lymphzellen oder das Immunsystem anzugreifen um Krebs zu heilen. Dies bedeutete nach Ansicht der Kammer gleichzeitig die Behandlung einer neuen Untergruppe. In der Entscheidung T 1229/03 wurde das Merkmal "by protecting a population of nerve cells from death" als neues funktionelles Merkmal eines auf die Verwendung bestimmter Östrogenverbindungen zur Herstellung eines Medikaments zur Behandlung neurodegenerativer Störungen ausgerichteten Anspruchs angesehen. Dieses funktionelle Merkmal wurde im Stand der Technik, der von der Kammer als wissenschaftlich unbegründet, unglaubhaft und spekulativ angesehen wurde, nicht offenbart.
Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht, dass im vorliegenden Fall das Merkmal "nicht-systemisch" analog zu den beiden Entscheidungen als bislang unbekanntes funktionelles Merkmal angesehen werden kann. Wie in Punkt 3.3 und 3.4 festgestellt, ist die nicht-systemische Anwendung in der Druckschrift (8) dem Fachmann bereits eindeutig und unmittelbar offenbart und kann daher nicht als ein die Neuheit herstellendes Merkmal angesehen werden.
3.7 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Anspruch 1 des Hauptantrags die Voraussetzungen des Artikels 54 EPÜ nicht erfüllt.
4. Klarheit (alle Hilfsanträge)
4.1 Im Rahmen der Diskussion über die Zulässigkeit der Hilfsanträge brachte die Beschwerdeführerin vor, dass der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 sowie derjenigen Hilfsanträge, die einen identischen Anspruch enthielten, nicht die gemäß Artikel 84 EPÜ erforderliche Klarheit im Hinblick auf den hinzugefügten Begriff "durch dermale Applikation" aufweise. Insbesondere sah sie einen Widerspruch zwischen der Definition auf Seite 9, Zeilen 16-18 (ursprüngliche Anmeldung), die sich auf dermale Anwendungen z.B. in Form des Badens, Tauchens (Dipppen), Sprühens (Sprayen), Aufgießens (pour-on oder spot-on), Waschens, Schamponierens, Begießens, Einpuderns bezieht und derjenigen auf Seite 10, Zeilen 2-4 (ursprüngliche Anmeldung), die von Lösungen zum Gebrauch auf der Haut spricht.
4.2 Ebenfalls nicht klar war nach Ansicht der Beschwerdeführerin der Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 in Bezug auf den hinzugefügten Ausdruck "Aufspritzen auf begrenzte Bereiche der Haut". Dies gelte ebenso für alle Hilfsanträge, die einen identischen Anspruch enthielten. Dieser Ausdruck reflektiere nach Auffassung der Beschwerdegegnerin kein klares Konzept. Insbesondere gäbe es keine klaren Grenzen für einen solchen Bereich. So stelle sich die Frage wie beispielsweise die Pfoten oder die Nase des Tieres zu beurteilen sei.
4.3 Zwar kann Artikel 84 EPÜ nicht als Einspruchsgrund im Sinne des Artikels 100 EPÜ geltend gemacht werden, jedoch verlangt Artikel 102(3)a) EPÜ im Falle von Änderungen im Einspruchsverfahren, dass das Patent den Erfordernissen diese Übereinkommens genügt. Änderungen der Ansprüche eines Patents sind daher in vollem Umfang auf die Erfüllung der Erfordernisse des EPÜ zu prüfen sind. Dabei sind gemäß ständiger Rechtsprechung auch diejenigen auf Artikel 84 EPÜ gestützte Einwände zu berücksichtigen, die auf diese Änderungen zurückzuführen oder durch diese bedingt sind (T 301/87, ABl. 1990, 335, Punkte 3.6 bis 3.8 der Entscheidungsgründe). Dies trifft im vorliegenden Fall zu, da sich die Einwände mangelnder Klarheit der Beschwerdeführerin direkt gegen die hinzugefügten Merkmale der "dermale Applikation" und des "Aufspritzen auf begrenzte Bereiche der Haut" richten.
4.4 Das Merkmal "dermale Applikation" per se ist klar und impliziert für den Fachmann das Aufbringen einer Substanz auf die Haut. Dies steht im Einklang mit den auf Seite 9, Zeilen 16-18 beispielhaft genannten Anwendungen. Dieser Definition folgt die Definition geeigneter Zubereitungen, wie sie auf Seite 9, Zeilen 12-15 in Zusammenhang mit der dermalen Behandlung, der Behandlung der Umgebung und der Behandlung mit Hilfe wirkstoffhaltiger Formkörper erwähnt werden. Als geeignete Zubereitungen werden beispielsweise Lösungen zum Gebrauch auf der Haut, Aufgussformulierungen, Gele, aber auch Emulsionen, Suspensionen, Salben oder Puder beschrieben. Der Absatz auf Seite 10, Zeilen 2-4 beschreibt dann weiterhin wie Lösungen zum Gebrauch auf der Haut aufzubringen sind, nämlich durch aufträufeln, aufstreichen, einreiben, aufspritzen oder durch Tauchen, Baden oder Waschen. Der Absatz auf Seite 10, in seinem Kontext gelesen, beschreibt damit lediglich wie eine bestimmte geeignete Zubereitung, nämlich die Lösung zum Gebrauch auf der Haut, angewendet wird. Eine mit der Definition auf Seite 9, Zeilen 16-18 im Widerspruch stehende Definition ist für die Kammer daher nicht ersichtlich.
4.5 Nach Überzeugung der Kammer ist für den Fachmann, an den sich das Streitpatent richtet, auch das von der Beschwerdeführerin beanstandete Merkmal des "Aufspritzens auf begrenzte Bereiche der Haut" klar. Der Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags bezieht sich auf die Herstellung von Mitteln in Form von Aufgießformulierungen zum Aufgießen oder Aufspritzen auf begrenzte Bereiche der Haut. Aufgießformulierungen stellen konventionelle, dem Fachmann bekannte Formulierungen dar, sogenannte pour-on oder spot-on Formulierungen. Diese werden lediglich auf bestimmte Körperteile, in der Regel entlang der Rückenlinie des Tieres oder punktförmig auf den Rücken, aufgegeben (gegossen oder gesprüht), von wo aus sich der Wirkstoff über das Tier verbreitet. Auch wenn mit dem Begriff "auf begrenzte Bereiche der Haut" kein exakter Bereich definiert wird, so ist dieser Begriff in Verbindung mit den anspruchsgemäß genannten Aufgießformulierungen gleichwohl für den Fachmann verständlich und klar. Die Frage, ob Nase oder der Pfoten des Tieres unter diesen Bereich fallen oder nicht eingeschlossen sind, stellt sich ihm in diesem Zusammenhang nicht.
4.6 Da nach Überzeugung der Kammer auch durch keine der anderen vorgenommenen Änderungen Unklarheiten in den Ansprüchen hervorgerufen werden, kommt die Kammer zu dem Schluss, dass kein Verstoß gegen die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ vorliegt.
Hilfsanträge 1 und 10
5. Änderungen
Die Änderungen im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 werden durch die ursprünglich offenbarte Kombination der Ansprüche 6 und 9 und Seite 9, Zeilen 12-13 der ursprünglichen Beschreibung gestützt. Darüber hinaus wird die dermale Verwendung von Imidacloprid, das die einzige explizit offenbarte Verbindung in der ursprünglichen Anmeldung ist, auch durch alle Anwendungsbeispiele gestützt. Die Ansprüche 2-4 entsprechend den Ansprüchen 2-4 der Patentschrift und werden durch Seite 28, Zeilen 4-5, Seite 39, letzter Absatz beziehungsweise Seite 9, Zeilen 1-2 der ursprüngliche Anmeldung gestützt. Die Ansprüche 5-7 sind gegenüber dem Streitpatent ebenfalls unverändert und finden ihre Stütze im ursprünglichen Anspruch 8 und dessen Kombination mit Seite 28, Zeilen 4-5 beziehungsweise Seite 39, letzter Absatz der ursprüngliche Anmeldung. Die Änderungen im Anspruch 1 schränken den Anspruch 1 des Streitpatents ein. Die Erfordernisse der Artikel 123(2) und (3) EPÜ sind daher erfüllt.
6. Neuheit
6.1 Die Beschwerdeführerin hat die Neuheit des Anspruchs 1 im Hinblick auf die Offenbarung der Druckschrift (5) und des Anspruchs 5 im Hinblick auf die Offenbarung der Druckschrift (8) und der Druckschrift (13), insbesondere die Beispiele 1 und 10, bestritten.
6.2 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 bezieht sich auf die Verwendung von Imidacloprid zur Herstellung von Mitteln zur nicht-systemischen Bekämpfung von Flöhen, Läusen und Fliegen durch dermale Applikation an Menschen und Tieren.
Die Druckschrift (5) beschreibt einen Toxizitätstest für Imidacloprid, bei dem der akute dermale LD50-Wert an Ratten ermittelt wurde, was zwangsläufig das Aufbringen der Verbindung auf die Haut erfordert (Seite 365, letzter Absatz).
6.2.1 Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass dieser Test die beanspruchte Verwendung implizit vorwegnehme. Imidacloprid sei als Insektizid bekannt. Da es auf einen Rezeptor wirke, der allen Insekten gemeinsam ist, wirke es auch auf Flöhe. Gemäß Absatz [0012] des Streitpatents kann die beanspruchte Verwendung sowohl prophylaktisch als auch therapeutisch erfolgen. Die in dem Toxizitätstest verwendete Menge übertreffe die im Streitpatent vorgeschlagene Menge bei weitem und habe damit unweigerlich die prophylaktische Bekämpfung der anspruchgemäßen Parasiten zur Folge.
6.2.2 Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin nicht. Bei der Beurteilung der Neuheitsschädlichkeit einer Druckschrift kommt es allein darauf an, was diese Druckschrift dem Fachmann unmittelbar und eindeutig offenbart. Die Druckschrift (5) beschreibt Imidacloprid als hochwirksames systemisches Insektizid gegen bestimmte Reisschädlinge. In dem dort offenbarten Test, auf den sich die Beschwerdegegnerin bezieht, wurde lediglich die Toxizität von Imidacloprid an Ratten bei oraler oder dermaler Aufnahme ermittelt. Die Bekämpfung von Flöhen, Läusen und Fliegen auf der Ratte wird in der Druckschrift (5) nicht beschrieben, noch kann der fachmännische Leser ohne eine solche Offenbarung dieser Druckschrift entnehmen, dass Imidacloprid für deren prophylaktische Bekämpfung eingesetzt werden kann. Die Druckschrift (5) macht dem Fachmann die Eignung von Imidacloprid zur Bekämpfung oder vorbeugenden Behandlung von Flöhen daher nicht zugänglich. Der in der Druckschrift (5) offenbarte Toxizitätstest offenbart dem Fachmann nicht anderes als einen Hinweis auf die akute dermale Toxizität von Imidacloprid gegenüber "höheren Tieren ("higher animals") und kann nicht, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, als Verfahren zur prophylaktische Bekämpfung von Flöhen ausgelegt werden, nur weil eine theoretische Möglichkeit besteht, dass sich die in der Druckschrift (5) offenbarte insektizide Wirkung von Imidacloprid auf Reisschädlinge aufgrund der Anwesenheit des gleichen Rezeptors auf Flöhe erstrecken könnte. Solche hypothetischen Möglichkeiten und spekulativen Überlegungen sind bei der Beurteilung dessen was eine Druckschrift dem Fachmann klar und eindeutig offenbart, nicht zu berücksichtigen. Die Druckschrift (5) nimmt die beanspruchte Verwendung gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 daher nicht neuheitsschädlich vorweg.
6.2.3 Die Beschwerdeführerin brachte des Weiteren vor, dass der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 nicht neu sei, da die dermale Applikation in den allgemein in der Druckschrift (8) offenbarten üblichen Formulierungen eingeschlossen sei.
6.2.4 Die Kammer teilt diese Auffassung nicht. Die in der Druckschrift (8) offenbarten Formulierungen, wie z.B. Lösungen, Emulsionen, Suspensionen, Puder, Pasten, Granulate können sowohl auf die Haut aufgetragen als auch oral, in Form von Injektionen, Futtermittel- oder Trinkwasserzusätzen, verabreicht werden. Die dermale Applikation ist für den Fachmann damit zwar als theoretische Möglichkeit eingeschlossen, eine klare und eindeutige Offenbarung dieser Applikationsform ist der Druckschrift (8) jedoch nicht zu entnehmen.
6.3 Anspruch 5 des Hilfsantrags 1 bezieht sich auf einen Formkörper, der Imidacloprid enthält, zur nicht-systemischen Bekämpfung von Insekten an Tieren.
Die Druckschrift (13) offenbart in den Beispielen 1 und 10 Wolle, Wollgarn oder ein Tuch aus Wolle, die mit einer Imidacloprid enthaltenden Färbelösung behandelt wurden, wodurch das gefärbte Material gegen Motten- und Käferfraß geschützt wird.
6.3.1 Die Beschwerdeführerin bezog sich in ihrer Argumentation zur mangelnden Neuheit auf die englische Übersetzung des Anspruchs 5, in der der Begriff Formkörper mit dem Begriff "shaped article" übersetzt wurde. Ein Tuch aus Wolle, wie in der Druckschrift (13) beschrieben, sei ein "shaped article". Weiterhin sei dieses Tuch mit Imidacloprid sowie einem weiteren Insektizid getränkt, deren Mengen für die nicht-systemische Bekämpfung von Parasiten ausreichten. Es sei somit für die in Anspruch 5 angegebene Verwendung geeignet, unabhängig davon, ob eine derartige Verwendung offenbart worden sei.
6.3.2 Dazu ist zunächst festzustellen, dass gemäß Artikel 70(1) EPÜ für das Verfahren die deutsche Sprache, als Verfahrenssprache, maßgeblich ist. Bei der Beurteilung der Neuheit ist daher von der Bedeutung des deutschen Begriffs "Formkörper" auszugehen, nicht jedoch davon, was im englischen Sprachgebrauch unter den Begriff "shaped article" fallen könnte. Der technische Begriff des "Formkörpers" bezieht sich jedoch nicht einfach nur auf ein dreidimensionales Gebilde, d.h. einen Körper mit einer gewissen Form, sondern bezeichnet ein bestimmtes Gebilde, das auf bestimmte Weise hergestellt wird, nämlich aus sogenannten Formmassen. Das sind flüssig pastösen Massen, insbesondere Kunststoffe, die durch spanlose Formung (z.B. Spritzgießen, Extrusion, Pressen) zu Formkörpern geformt werden können. Wolle, Wollgarne oder Wolltücher wie sie in der Druckschrift (13) offenbart werden fallen nicht unter diesen Begriff. Schon allein aus diesem Grund, unabhängig davon, ob ein solches Wolltuch für den beanspruchten Zweck geeignet ist oder nicht, kann die Druckschrift (13) den Gegenstand des Anspruchs 5 nicht vorwegnehmen.
6.3.3 In der mündlichen Verhandlung brachte die Beschwerdeführerin weiterhin vor, dass auch die in der Druckschrift (8) genannten Räucherspiralen unter den Begriff "shaped Article" fielen. Des Weiteren werden dort auch imprägnierte natürliche und synthetische Materialien erwähnt. Unter diese Begriffe fielen beispielsweise die in Absätzen [0053] und [0079] des Streitpatent genannten Materialien Cellulose und Stärke.
6.3.4 Der Begriff "synthetische und natürliche Materialien" aus der Druckschrift (8) und der Begriff "Formkörper" sind jedoch keineswegs äquivalent. So fallen beispielsweise Materialien aus Wolle, Papier oder Leder wohl unter den Begriff natürliche und synthetische Materialien, nicht aber unter den technischen Begriff des Formkörpers (siehe Punkt 6.3.2). Auch die Tatsache, dass sich gemäß dem Streitpatent Cellulose oder Stärke, beides natürliche Materialien, als polymere Grundstoffe für die Herstellung von Formkörpern eigen, bedeutet nicht im Umkehrschluss, dass es sich bei den in der Druckschrift (8) genannten imprägnierten Materialien zwangsläufig um Formkörper handelt. Gleiches gilt auch für die in der Druckschrift (8) erwähnten Räucherspiralen. Es ist aus dieser Druckschrift weder ersichtlich aus welchem Material noch wie diese hergestellt wurden, noch wurden von der Beschwerdeführerin Beweise vorgelegt, dass es sich dabei zwangsläufig um Formkörper im obengenannten Sinne handelt oder handeln muss.
6.4 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die Ansprüche 1 und 5 des Hilfsantrags 1 neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ sind. Da der Anspruch 1 des Hilfsantrags 10 mit dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 identisch ist gilt die gleiche Schlussfolgerung auch für den Anspruch 1 des Hilfsantrags 10.
7. Erfinderische Tätigkeit
7.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 bezieht sich auf die Verwendung von Imidacloprid zur Herstellung von Mitteln zur nicht-systemischen Bekämpfung von Flöhen, Läusen und Fliegen durch dermale Applikation. Der Anspruch 5 bezieht sich auf Formkörper zur nicht-systemischen Bekämpfung von parasitierenden Insekten an Tieren, die Imidacloprid enthalten.
Die Verwendung von Imidacloprid für die Bekämpfung von Flöhen, Läusen und Fliegen ist aus der Druckschrift (8) bereits bekannt. Die nicht-systemische Anwendung durch imprägnierte Materialien wird in dieser Druckschrift ebenfalls bereits offenbart. Demzufolge betrachtet die Kammer in Übereinstimmung mit der Beschwerdeführerin diese Druckschrift als den nächstliegenden Stand der Technik und als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.
7.2 Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin war nicht die Druckschrift (8), sondern die Druckschrift (4), die nicht-systemische wirkende pour-on Formulierungen offenbart, als nächstliegender Stand der Technik anzusehen. Die Druckschrift (8) befasse sich dagegen im Wesentlichen mit dem Pflanzenschutz, wie die darin offenbarten Anwendungsbeispiele 54-56 belegten.
7.3 Die Kammer kann sich dieser Auffassung nicht anschließen. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist der nächstliegende Stand der Technik eine Druckschrift, die einen Gegenstand offenbart der zum gleichen Zweck oder mit demselben Ziel entwickelt wurde wie die beanspruchte Erfindung und die wichtigsten technischen Merkmale mit ihr gemein hat.
7.3.1 Die Druckschrift (4) offenbart ein Verfahren zur Bekämpfung von Flöhen oder Zecken auf Hunden durch lokale äußerliche Anwendung einer spezifischen pour-on Formulierung, die ein nicht-systemisches Insektizid, besonders bevorzugt sind hier Organophosphorverbindungen wie chlorpyrifos, und einen spezifischen Träger, nämlich C1-4-Alkohole, enthält, wobei die Formulierung keine Spreitöle enthalten darf (Druckschrift (4), Anspruch 5). Imidacloprid oder strukturell ähnliche Verbindungen werden in dieser Druckschrift nicht genannt. Die Druckschrift (4) unterscheidet sich damit vom Streitpatent sowohl im Wirkstoff als auch durch die spezifische Art und Weise der Formulierung, deren es war Ziel, die Anwesenheit bestimmter als nachteilig anerkannter Hilfsstoffe zu vermeiden.
7.3.2 Demgegenüber offenbart die Druckschrift (8) die Verwendung der gleichen Verbindung wie das Streitpatent, nämlich Imidacloprid, für den gleichen Verwendungszweck, nämlich die Bekämpfung von Flöhen, Läusen und Fliegen. Darüber hinaus offenbart die Druckschrift (8) auch bereits die nicht-systemisch Verwendung (Punkt 3.3 dieser Entscheidung). Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die explizit beschriebenen Anwendungsbeispiele in der Druckschrift (8) ausschließlich auf den Pflanzenschutz gerichtet sind. Der Offenbarungsgehalt einer Druckschrift ist gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern nicht auf die Ausführungsbeispiele beschränkt, sondern umfasst jede für den Fachmann ausführbare Information aus dem Anspruchs- und Beschreibungsteil (T 12/81, ABL. 1982, 296, Punkt 7 der Entscheidungsgründe; T 56/87, ABL. 1990, 193, Punkt 3.1 der Entscheidungsgründe). Die Verwendung der insektiziden heterocyclischen Verbindungen, einschließlich des Imidacloprids, zur nicht-systemischen Bekämpfung der anspruchsgemäßen Parasiten wird in der Druckschrift (8) klar und eindeutig offenbart.
7.4 Ausgehend von der Druckschrift (8) als nächstliegendem Stand der Technik formulierte die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung das zu lösende Problem als Bereitstellung einer Anwendungsform mit sehr guter Langzeitwirkung und guter Wirksamkeit. Dieses werde durch die dermale Anwendung von Imidacloprid gelöst. Bezüglich der Glaubhaftigkeit dieser vorteilhaften Eigenschaften stützte sich die Beschwerdegegnerin auf die von ihr während des Beschwerdeverfahrens eingereichten Vergleichsversuche (Druckschriften (21) und (25).
Die Beschwerdeführerin sah das zu lösende technische Problem im Hinblick auf die Druckschrift (8) in der Bereitstellung einer alternativen Anwendung.
7.5 Dazu ist festzustellen, dass in den Vergleichsversuchen der Beschwerdegegnerin Imidacloprid-Formulierungen mit Formulierungen, die aus der Druckschrift (4) bekannt sind und als aktiven Wirkstoff Chlorpyrifos enthalten, verglichen werden.Da die Druckschrift (4) jedoch nicht den nächstliegenden Stand der Technik darstellt, sind diese Versuche nicht geeignet, vorteilhafte Eigenschaften der beanspruchten dermalen Verwendungsweise gegenüber der in der Druckschrift (8) offenbarten Verwendung mittels imprägnierten synthetischen und natürlichen Materialien zu belegen. Da Vorteile, auf die sich die Beschwerdegegnerin gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik bezieht, die aber nicht hinreichend belegt sind, bei der Ermittlung der der Erfindung zugrundeliegenden Aufgabe und damit für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen werden können, ist es erforderlich die von der Beschwerdegegnerin genannte Aufgabe umzuformulieren. Ausgehend von der Druckschrift (8) als nächstliegendem Stand der Technik liegt dem Streitpatent lediglich die Aufgabe zugrunde, eine weitere Verwendung von Imidacloprid zur nicht-systemische Bekämpfung von Flöhen, Läusen und Fliegen an Menschen und Tieren bereitzustellen.
7.6 Zwischen den Parteien war streitig wie der Begriff "nicht-systemisch" des Streitpatents aufzufassen sei. Während die Beschwerdeführerin diesen Begriff mit dem Begriff "äußerlich Anwendung" gleichsetzte, war die Beschwerdeführerin der Auffassung, dass die nicht-systemische Anwendung gemäß dem Streitpatent auch gleichzeitig beinhalte, dass der Wirkstoff nicht in nennenswertem Maße über die Haut resorbiert und über das Kapillarsystem verteilt werde. Sie wies in diesem Zusammenhang auf die Druckschriften (3) und (20) hin, aus denen ebenfalls hervorgehe, dass eine Anwendung durchaus dermal, d.h. äußerlich, und systemisch erfolgen kann.
7.7 Es ist daher zunächst zu klären, was unter dem Begriff "nicht-systemisch" im Sinne des Streitpatents zu verstehen ist.
7.7.1 Absatz [0003] des Streitpatents verweist auf die PCT-Anmeldung WO 93/24 002 (Druckschrift (3)), aus der die systemische Anwendung von Verbindungen mit einer strukturellen Ähnlichkeit zu Imidacloprid bekannt ist. Weiterhin wird in diesem Absatz festgestellt:
"Bei dieser Art der Anwendung wird der Wirkstoff dem Haustier oral oder parenteral z.B. durch Injektion (Hervorhebung durch die Kammer) verabreicht und gelangt so in die Blutbahn des Haustieres. Die Flöhe nehmen den Wirkstoff dann beim Blutsaugen auf. Als ungeeignet zur Bekämpfung der Flöhe wird nach WO 93/24 002 die nicht-systemische Art der Anwendung dargestellt".
Die in der PCT-Anmeldung genannten und gemäß dem Streitpatent nicht geeigneten, nicht-systemischen Anwendungen waren beispielsweise Shampoos, Einölungen (dips), Spülungen (rinses), Puder, Flohhalsbänder oder spot-on Formulierungen (Druckschrift (3), Seiten 6-7), d.h. äußerliche Anwendungen.
7.7.2 Dem Absatz [0003] des Streitpatent folgt direkt die Feststellung in Absatz [0004]:
"Es wurde nun überraschenderweise gefunden, dass sich gerade Agonisten der nicotinergen Acetylchlolinrezeptoren (zu diesen gehört auch Imidacloprid, Anmerkung der Kammer) besonders zur nicht-systemischen Bekämpfung parasitierender Insekten wie Flöhen, Läusen oder Fliegen an Menschen und Tieren eignen.
7.7.3 Im Absatz [0013] des Streitpatents werden dann geeignete (d.h. nicht-systemische) Anwendungen beschrieben:
"Die Anwendungen des Wirkstoffes erfolgt direkt oder in Form von geeigneten Zubereitungen dermal (Hervorhebung durch die Kammer), durch Behandlung der Umgebung oder mit Hilfe wirkstoffhaltiger Formkörper wie z.B. Streifen, Platten, Bänder, Halsbänder, Ohrmarken, Gliedmassenbänder, Markierungsvorrichtungen".
Die dermale Anwendung wird hier in den Kontext der äußerlichen Anwendung gestellt.
7.7.4 Die dermalen Anwendungen werden in Absatz [0014] des Streitpatents definiert:
"Die dermale Anwendung geschieht z.B. in Form des Badens, Tauchens (Dippen), Sprühen (Sprayen), Aufgießens (pour-on oder spot-on), Waschens, Schamponierens, Begießens, Einpuderns", und umfasst damit genau solche Formulierungen, die im Absatz [0003] als nicht geeignete nicht-systemische Formulierungen bezeichnet werden.
7.7.5 Aus diesen Absätzen geht nach Überzeugung der Kammer für den Fachmann eindeutig hervor, dass unter einer nicht-systemischen Bekämpfung der anspruchsgemäßen Ektoparasiten im Sinne des Streitpatents, im Gegensatz zur oralen Anwendung oder zur Injektion, eine Bekämpfung durch äußerliche Anwendungen zu verstehen ist. Die dermale Anwendung, d.h. das äußerliche Aufbringen des Wirkstoffs auf die Haut, ist daher eine nicht-systemische Anwendung im Sinne des Streitpatents. Eine darüber hinausgehende Interpretation, nämlich dass, wie von der Beschwerdegegnerin vorgebracht, bei dieser Anwendung auch keine Aufnahme des Wirkstoffs durch die Haut erfolgen darf, ist für den Fachmann aus dem Streitpatent nicht ersichtlich. Damit im Einklang stehen auch die Beispiele des Streitpatents, insbesondere die Anwendungsbeispiele, die dem fachmännischen Leser lediglich die äußerliche Anwendung des Wirkstoffes vermitteln. Angaben über dessen Wirkungsweise, d.h. ob eine Aufnahme über die Haut stattfindet oder nicht, gibt es im Streitpatent nicht. Damit in Einklang steht auch, dass es keinen Hinweis auf spezifische Formulierungen oder Formulierungshilfsstoffe gibt, obwohl diese die Resorption beziehungsweise die Nicht-Resorption eines Wirkstoffes durch die Haut ganz entscheidend beeinflussen können. In diesem Zusammenhang ist auch zu bemerken, dass Resorptionsfördernde Hilfsstoffe im Streitpatent explizit genannt werden (Seite 4, Zeile 40). Auch die Tatsache, dass nach eigenen Angaben der Beschwerdegegnerin, die Details zur Wirkung erst lange nach dem Anmeldetag des Streitpatents gefunden wurden, spricht gegen die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass der nicht-systemischen Anwendung gemäß dem Streitpatent eine spezifischere Bedeutung als lediglich die äußerliche Anwendung zukommt. Erkenntnisse, die erst nach dem Anmeldetag erhalten wurden (siehe die Druckschrift (22)) können nicht dazu benutzt werden, dem Begriff "nicht-systemisch" nachträglich eine aus der ursprünglichen Anmeldung nicht ersichtliche Bedeutung zu verleihen.
7.8 Im Hinblick auf die Anwendungsbeispiele ist es glaubhaft, dass die oben genannte Aufgabe durch dermale Applikation gelöst wird. Diesbezüglich wurden auch von der Beschwerdeführerin keine Einwände geltend gemacht.
7.9 Es bleibt nun zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen lieferte, die genannte Aufgabe durch die dermale Anwendung von Imidacloprid zu lösen.
7.9.1 Die dermale Anwendung insektizider Verbindungen ist eine am Anmeldetag des Streitpatents dem Fachmann geläufige und durchaus übliche Methode zur Bekämpfung von Ektoparasiten, wie Fliegen, Flöhe und Läuse. Dies wird durch die Druckschrift (20) belegt. Die Druckschrift (20) ist ein Übersichtsartikel aus dem Jahr 1985, der eine Zusammenfassung über die Entwicklung von Methoden zur Bekämpfung von Ektoparasiten auf Tieren gibt und damit den Kenntnisstand des Fachmanns reflektiert. So werden beispielsweise Läuse und Fliegen durch Anwendungen von Pudern, Fetten, Flüssigkeiten, durch Sprühen oder Dippen, pour-on- oder spot-on-Formulierungen bekämpft (siehe beispielsweise Seite 112, zweiter Absatz, Seite 112, letzter Absatz - Seite 113, Zeile 5, Seite 113, Zeilen 18-21, Seite 115, Zeilen 1-6). Der Fachmann, dem es lediglich darum geht, eine weitere nicht-systemische, d.h. im Sinne des Streitpatents äußerliche, Anwendungsform von Imidacloprid zur Bekämpfung der anspruchsgemäßen Ektoparasiten bereitzustellen, würde daher derartige, ihm bekannte Anwendungsformen auch für die aus der Druckschrift (8) bekannte Insektizide, einschließlich des Imidacloprids, in Betracht ziehen und auf diese Weise ohne erfinderisch tätig werden zu müssen zu der in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 beanspruchten Verwendung gelangen.
7.9.2 Die Beschwerdegegnerin hat zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit vorgebracht, dass eine Reihe von Unsicherheiten und Unwägbarkeiten sowie gewisse ungünstige Eigenschaften den Fachmann davon abgehalten hätte, Imidacloprid für die nicht-systemische Bekämpfung von Ektoparasiten in Betracht zu ziehen. Eine erfolgreiche Anwendung sei durchaus nicht sicher gewesen. Dafür sei es wichtig, dass die Wirkung rasch einsetze und lang anhalte. Des Weiteren sei die Sicherheit und Verträglichkeit für das Wirtstier sowie den Anwender von entscheidender Bedeutung. Vor der Erfindung gab es für den Fachmann jedoch keine Information darüber, wie sich Imidacloprid auf der Haut verhalte, ob es abgewaschen oder resorbiert werde, ob es die Haut reize oder schädige, ob es rasch und lang anhaltend wirksam sei. Im Gegenteil Imidacloprid sei vergleichsweise gut wasserlöslich und relativ schlecht fettlöslich, was die schnelle Auswaschung des Wirkstoffes vermuten lasse und eine effektive Verteilung von Imidacloprid in der Fettschicht auf Haut und Haaren des Wirtstieres nicht erwarten ließe. Letztere sei aber von Bedeutung, da vorzugsweise nicht das ganze Tier, sondern lediglich ein kleiner Bereich behandelt werde. In diesem Zusammenhang verwies die Beschwerdegegnerin auch auf die Druckschrift (6), deren nicht-systemische dermale Anwendungen sie anerkannte, der jedoch ihrer Ansicht nach zu entnehmen ist, dass dazu wasserunlösliche Verbindungen nötig seien. Außerdem sei es fraglich gewesen, ob Imidacloprid ausreichend stabil sein würde. Es stand zu befürchten, dass es zu einer Zersetzung durch Lichteinwirkung oder die Bakterienflora auf der Haut des Tieres kommen würde. In diesem Sinne sei die rasche und lang anhaltende Wirkung daher überraschend gewesen.
7.10 Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht, dass aufgrund vorgeblicher Ungewissheiten der Fachmann die dermale Anwendung von Imidacloprid nicht in Betracht gezogen hätte. Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist es nicht notwendig, dass der Erfolg der angestrebten Lösung mit Sicherheit vorhersehbar war, sondern es genügt, dass der Fachmann eine angemessene Erfolgsausicht hat. Wie bereits in Punkt 3 festgestellt, lehrt die Druckschrift (8) den Fachmann, eindeutig, die dort offenbarten Verbindungen, in der Bekämpfung von Läusen, Flöhen und Fliegen einzusetzen und zwar in Form üblicher Formulierungen. Weiterhin lehrt die Druckschrift (8), dass die Verbindungen ausgeprägt gute insektizide Eigenschaften besitzen. Für den Fachmann bestand daher, trotz gewisser Unsicherheiten, kein Anlass eine skeptische Haltung einzunehmen, sondern er würde zumindest eine gewisse Erfolgserwartung hegen. Es war daher lediglich notwendig eine der auf dem Gebiet üblichen Anwendungen auszuwählen und diese auf ihre Eignung zur Bekämpfung der anspruchsgemäßen Parasiten zu überprüfen, ohne dass er dazu erfinderische Anstrengungen unternehmen müsste.
Die Argumente der Beschwerdegegnerin bezüglich der vorgeblichen nachteiligen Eigenschaften des Imidacloprids, die den Fachmann von der Verwendung des Imidacloprids abgehalten hätten, können als Behauptung eines Vorurteils verstanden werden, dessen Überwindung dem beanspruchten Gegenstand eine erfinderische Qualität verleihe. In einem solchen Fall liegt die Beweislast jedoch bei der Beschwerdegegnerin, die, beispielsweise durch geeignete Fachliteratur, belegen muss, dass die geltend gemachten Vorurteile tatsächlich bestanden. Für die vorgeblich ungünstigen Eigenschaften, wie beispielsweise die vermeintlich schlechte Fettlöslichkeit oder eine zu erwartende mangelnde Stabilität gegen UV-Licht oder die Bakterienflora des Tieres, die den Fachmann möglicherweise von der Anwendung Imidacloprids auf die Haut abgehalten hätte, liegen der Kammer jedoch keine Beweise vor. Auch die von der Beschwerdegegnerin angezogene Druckschrift (6) kann diesbezüglich nicht als Beweis bestehender Vorurteile gegen die Verwendung von Imidacloprid durch dermale Anwendung angesehen werden. Die Druckschrift (6) offenbart, dass wasserunlösliche, gegen Ektoparasiten wirksame Substanzen gemäß der dortigen Erfindung, die sich auf eine bestimmte öl- und silikonhaltige Formulierung bezieht, besonders bevorzugt sind. Diese im Kontext der der Druckschrift (6) zugrundeliegenden Erfindung getroffene Feststellung kann nicht dahin verallgemeinert werden, dass sich wasserlöslich oder relative schlecht fettlösliche für die dermale Anwendung generell nicht eignen. Selbst wenn man zugunsten der Beschwerdegegnerin annimmt, dass der Fachmann gewisse Bedenken bezüglich der mangelnden Fettlöslichkeit oder UV-Stabilität gehabt hätte, so ist die Kammer gleichwohl davon überzeugt, dass dies für dem Fachmann kein Grund gewesen wäre, der ihn von der dermalen Anwendung des Imidacloprids abgehalten hätte, da ihm gleichzeitig Mittel zur Verfügung standen diese Schwierigkeiten auszuräumen, z.B. durch Zusatz von UV-Stabilisatoren oder geeignete Konzipierung der Formulierung.
7.11 Die Beschwerdegegnerin brachte weiterhin vor, dass der Fachmann im Hinblick auf Bekämpfung von vor allem blutsaugenden Parasiten wie Flöhen eine systemische Anwendung bevorzugt hätte, da hier die Aufnahme des Insektizids leicht nachzuvollziehen sei. Der Parasit nehme den Wirkstoff über das Blut auf und entfalte so seine Wirkung. Im Falle der nicht-systemischen Aufnahme sei aber zunächst unklar, wie und ob der Wirkstoff aufgenommen werde. Nicht-systemische Methoden seien zudem vor der vorliegenden Erfindung weniger verbreitet und akzeptiert gewesen. Dies werde auch durch die Druckschrift (3) belegt, die darüber hinaus dem Fachmann von der nicht-systemischen Anwendung abrate. Selbst die Druckschrift (20) verweise auf systemische Anwendungen zur Bekämpfung von Ektoparasiten und zwar als moderne Methode, die immer breitere Anwendung findet.
7.12 Dazu ist festzustellen, dass nicht-systemische, d.h. im Sinne des Streitpatents äußerliche, Anwendungen zum Zeitpunkt der Erfindung für die Bekämpfung von Ektoparasiten, wie Läuse, Fliegen oder Flöhe durchaus übliche und verbreitete Anwendungsformen waren. Dies wird durch die Druckschrift (20) eindeutig belegt, geht aber auch aus anderen Druckschriften des Standes der Technik hervor, wie zum Beispiel den Druckschriften (4), (6) und ebenso aus der im Streitpatent genannten Druckschrift (3). Es gab daher für den Fachmann keinen Grund zur Annahme, dass äußerliche Anwendungen zur Bekämpfung von Ektoparasiten ungeeignet sein sollten. Auch der Hinweis in der Druckschrift (20) auf moderne, systemischen Methoden kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Fachmann nicht-systemische Methoden nicht ebenso in Betracht ziehen würde. In der Druckschrift (20) wird die systemische Bekämpfung lediglich als einer von mehreren Trends beschrieben. Ein anderer ist die graduelle Verringerung der aufzubringenden Menge in dermalen Anwendungen von Sprays oder Dips zu pour-on, spot-on oder imprägnierten Ohrmarken (Druckschrift (20), Seite 116, "Final remarks", die ersten drei Zeilen des zweiten Absatzes). Bezüglich der von der Beschwerdegegnerin angeführten Druckschrift (3), die den Fachmann vorgeblich von der nicht-systemischen, äußerlichen Anwendung abrät, ist festzustellen, dass gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern die Angaben in einer einzelnen Druckschrift kein Beleg für das Vorliegen eines Vorurteils sind, da der in einer solchen einzelnen Druckschrift enthaltenen technischen Information möglicherweise besondere Voraussetzungen oder die persönliche Ansicht des Verfassers zugrundeliegen. Dies gilt umso mehr, wenn diese Information offensichtlich im Widerspruch zu den Fakten steht.
7.13 Weiterhin wurde von der Beschwerdegegnerin auch vorgebracht, dass Imidacloprid ein bekanntes und zwar systemisch wirkendes Insektizid auf dem Gebiet des Pflanzenschutzes sei. Eine Eignung für die nicht-systemische Bekämpfung von Ektoparasiten am Tier könne daraus nicht abgeleitet werden. Zur Stützung ihrer Argumente verwies die Beschwerdegegnerin in diesem Zusammenhang auf die Erklärung von Professor Mehlhorn (Druckschrift (24)), in der sich dieser zu der Übertragbarkeit der Kenntnisse der Wirksamkeit von Imidacloprid aus dem Pflanzenschutz auf die Bekämpfung von Ektoparasiten am Tier äußert.
7.14 Das Argument der Beschwerdegegnerin lässt dabei jedoch die Offenbarung der Druckschrift (8) außer acht, die klar und eindeutig die Eignung der dort offenbarten Verbindungen, einschließlich des Imidacloprids, zur Bekämpfung von Ektoparasiten am Tier lehrt. In diesem Sinne geht auch die Erklärung von Professor Mehlhorn an der Sache vorbei. Die ihm vorgelegten Fragen, gehen im Wesentlichen davon aus, dass Imidacloprid lediglich als systemisches Insektizid im Pflanzenschutz bekannt ist. Auf die Offenbarung der Druckschrift (8) geht Professor Mehlhorn nicht ein. Im Übrigen geht auch er davon aus, dass der Begriff "nicht-systemisch" auf Anwendungen gerichtet ist, bei denen der Wirkstoff nicht resorbiert wird. Wie in Punkt 7.7 erläutert geht diese Bedeutung aus der Patentschrift jedoch nicht hervor.
7.15 Die Beschwerdegegnerin führte auch den wirtschaftlichen Erfolg des Produktes an. So sei es heute für die meisten Tierhalter und Tierärzte die gängigste Methode, Ektoparasiten durch nicht-systemische Anwendung eines Insektiziden zu bekämpfen, was vor der vorliegenden Erfindung nicht der Fall gewesen sei.
7.16 Die nicht-systemische, äußerliche Anwendung von Insektiziden war jedoch bereits vor der vorliegenden Erfindung eine verbreitete und akzeptierte Maßnahme, wie die Druckschrift (20) eindeutig belegt. Im Übrigen ist allein der wirtschaftliche Erfolg kein Anzeichen für eine erfinderische Tätigkeit, wie auch von der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt wurde. Solche sekundären Beweisanzeichen stellen Hilfserwägungen für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dar, können aber die objektive Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit unter Anwendung des "Problem-Lösungs-Ansatz" nicht ersetzen. Sie sind gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern nur in Zweifelsfällen von Bedeutung, nämlich dann wenn die objektive Beurteilung des Standes der Technik noch kein klares Bild ergibt (T 645/94, Punkt 4.7 der Entscheidungsgründe, T 351/93, Punkt 5.6 der Entscheidungsgründe, T 877/99, Punkt 3.6.4 der Entscheidungsgründe). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, da die objektive Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu dem Ergebnis führt, dass eine erfinderische Tätigkeit nicht vorliegt.
7.17 Aus den genannten Gründen kommt die Kammer daher zu dem Schluss, dass der Ansprüche 1 des Hilfsantrags 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht. Da der Anspruch 1 des Hilfsantrags 10 mit demjenigen des Hilfsantrags 1 identisch ist, gilt diese Schlussfolgerung gleichermaßen für den Hilfsantrag 10.
7.18 Die gleiche Schlussfolgerung gilt nach Überzeugung der Kammer auch hinsichtlich der beanspruchten Imidacloprid-haltigen Formkörpern des Anspruch 5 des Hilfsantrag 1 sowie der Verwendung von Imidacloprid zur Herstellung von Formkörpern gemäß Anspruch 5 des Hilfsantrags 10. Die Verwendung von imprägnierten Ohrmarken, Gliederbändern, Halsbändern etc. ist eine dem Fachmann zur Bekämpfung von Ektoparasiten an Tieren bekannte und durchaus übliche Methode. Des Weiteren wird dem fachmännischen Leser diese Verwendung von Imidacloprid in der Druckschrift (8) bereits offenbart. Die Wahl eines geeigneten Materials, im vorliegenden Fall eines geeigneten Kunststoffs, der auf bekannte Weise verarbeitet wird (Streitpatent Seite 5, Absatz [0059]), stellt ohne unerwartete oder überraschende Wirkung lediglich eine willkürliche Wahl aus den dem Fachmann zur Verfügung stehenden Materialien dar, die nicht über die Routinetätigkeit des Fachmanns hinausgeht und zu der es keiner erfinderischen Tätigkeit bedarf.
Hilfsantrage 2 und 11
8. Änderungen
8.1 Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass die Merkmalskombination in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 nicht durch die ursprüngliche Anmeldung gestützt werde. Dies gelte ebenso für alle Anträge, die diesen Anspruch enthielten.
8.2 Die Kammer teilt diese Auffassung nicht. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 bezieht sich die Verwendung von Imidacloprid zur Herstellung von Mitteln in Form von Aufgussformulierungen zur nicht-systemischen Bekämpfung der anspruchsgemäßen Parasiten an Menschen und Tieren durch dermale Applikation mittels Aufgießens oder Aufspritzens auf begrenzte Bereiche der Haut. Dieser Anspruch wird durch den ursprünglichen Anspruch 6, der sich auf Verwendung von Imidacloprid zur nicht-systemischen Bekämpfung der anspruchsgemäßen Parasiten an Menschen und Tieren bezieht, und die ursprüngliche Beschreibung Seite 11, Zeilen 3-4, die Aufgießformulierungen zum Aufgießen und Aufspritzen auf begrenzte Bereiche der Haut, d.h. eine dermale Applikation, beschreibt, gestützt. Des Weiteren wird die Erfindung in der ursprünglichen Anmeldung in allen ihren Ausführungsformen ausschließlich anhand von Imidacloprid beschrieben. Illustriert wird die Verwendung von Aufgießformulierungen von Imidacloprid zusätzlich durch das ursprüngliche Beispiel A und das Anwendungsbeispiel B.
Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Fachmann den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 der ursprünglichen Anmeldung klar und eindeutig entnehmen kann. Die Ansprüche 2-4 sind gegenüber den Ansprüchen 2-4 des Streitpatents unverändert und werden durch Seite 28, Zeilen 4-5, Seite 39, letzter Absatz beziehungsweise Seite 9, Zeilen 1-2 der ursprünglichen Beschreibung gestützt. Die Ansprüche 5-7 sind gegenüber dem Streitpatent ebenfalls unverändert und finden ihre Stütze im ursprünglichen Anspruch 8 und dessen Kombination mit Seite 28, Zeilen 4-5 beziehungsweise Seite 39, letzter Absatz der ursprünglichen Beschreibung.
Die Änderungen schränken den Anspruch 1 des Streitpatents ein. Die Erfordernisse des Artikels 123(2) und (3) EPÜ sind daher erfüllt.
9. Neuheit
9.1 Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 wird die "dermale Applikation" weiter eingeschränkt. Da bereits für den Anspruch 1 des Hilfsantrag 1 die Neuheit anerkannt wurde, kann diese auch für den weiter eingeschränkten Gegenstand des Hilfsantrags 2 anerkannt werden. Das gleiche gilt für den Anspruch 1 des Hilfsantrags 11, der mit dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 identisch ist.
10. Erfinderische Tätigkeit
10.1 Gegenüber dem Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 ist der Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 auf die die Verwendung von Imidacloprid zur Herstellung von Mitteln in Form von Aufgießformulierungen zur nicht-systemischen Bekämpfung der anspruchsgemäßen Ektoparasiten durch dermale Applikation mittels Aufgießen oder Aufspritzen auf begrenzte Bereiche der Haut beschränkt.
10.2 Als nächster Stand der Technik wird auch hier die Druckschrift (8) angesehen. Da mit der Auswahl dieser spezifischen dermalen Anwendungsform kein besonderer technischer Effekt gegenüber anderen dermalen Anwendungsformen (beispielsweise Puder, Shampoos, Salben etc.) belegt wurde, gilt auch hier die für den Hilfsantrag 1 festgestellte objektive Aufgabe, nämlich weitere nicht-systemische Anwendungen von Imidacloprid zur Bekämpfung der anspruchsgemäßen Ektoparasiten an Menschen und Tieren bereitzustellen (Punkt 7.5 dieser Entscheidung).
10.3 Aufgießformulierungen, wie beispielsweise pour-on oder spot-on Formulierungen sind jedoch, wie bereits im Rahmen der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Hilfsantrags 1 festgestellt (siehe Punkt 7.12, Druckschrift (20), Seite 116, "Final remarks, die ersten drei Zeilen des zweiten Absatzes") und durch den Stand der Technik belegt, auf dem Gebiet der Bekämpfung von Ektoparasiten bekannte äußerlich anzuwendende Formulierungen. Der Fachmann, der lediglich vor der Aufgabe stand eine weitere nicht-systemische, d.h. im Sinne des Streitpatents äußerlich, Anwendungsform bereitzustellen, würde derartige ihm bekannte Anwendungsformen daher auch für die in der Druckschrift (8) offenbarten Verbindungen in Betracht ziehen, ohne dass es dazu einer erfinderischen Tätigkeit bedarf. Für den Hilfsantrag 2 gelten daher die gleichen Überlegungen und Schlussfolgerungen wie für den Hilfsantrag 1. Dies hat zur Folge, dass auch der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im beruht. Die gleiche Schlussfolgerung gilt für den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 11, der mit dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 identisch ist.
10.4 Die Beschwerdegegnerin verwies zusätzlich zu den bereits im Rahmen der erfinderischen Tätigkeit des Hilfsantrags 1 vorgebrachten Argumenten in diesem Zusammenhang nochmals auf die Druckschrift (3), in der festgestellt werde, dass beispielsweise spot-on Formulierungen keine gute Langzeitwirkung haben. Für den Fachmann bestanden daher keine vernünftigen Erfolgsaussichten, dies durch den Einsatz von Imidacloprid in derartigen Formulierungen zu erreichen. Die Druckschrift (20) helfe in diesem Fall auch nicht, da diese lediglich allgemeine Aussagen bezüglich der Formulierungen treffe. Des Weiteren sei völlig offen, ob es zu einer systemischen oder nicht-systemischen Aufnahme komme.
10.5 Dazu ist zu festzustellen, dass die zugrundeliegende technische Aufgabe, lediglich in der Bereitstellung einer Alternative lag. Gemäß der Druckschrift (8) besitzen die dort offenbarten Verbindungen ausgeprägte insektizide Eigenschaften, aufgrund derer sie für die Bekämpfung von Läusen, Flöhen und Fliegen geeignet sind, und zwar in üblichen Formulierungen. Der Fachmann wäre daher vernünftigerweise davon ausgegangen, dass Imidacloprid in Form von spot-on und pour-on Formulierungen, die zu den üblichen Anwendungsmethoden zählen, zur Bekämpfung der genannten Ektoparasiten geeignet ist. Darüber hinaus kann, wie bereits in Punkt 7.12 festgestellt, aus der isolierten technischen Information einer einzelnen Patentschrift kein Vorurteil abgeleitet werden, dass den Fachmann davon abgehalten hätte, Imidacloprid auch in Form von üblichen pour-on und spot-on Formulierungen zu benutzen. Bezüglich der vorgeblich nicht vorhersehbaren systemischen beziehungsweise nicht-systemischen Wirkungsweise hat die Kammer bereits in Punkt 7.7 festgestellt, dass sie die Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht teilt, die unter dem Begriff nicht-systemisch mehr als lediglich die äußerliche Anwendung des Wirkstoffs verstanden wissen möchte.
10.6 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht. Die gleiche Schlussfolgerung gilt für den Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 der mit dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 identisch ist.
Hilfsanträge 3 und 12
11. Änderungen
Im Hinblick auf den negativen Ausgang der Entscheidung in Bezug auf die erfinderische Tätigkeit kann sich die Kammer auf diesen Einwand beschränken.
12. Erfinderische Tätigkeit
12.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 und Anspruch 1 des Hilfsantrags 12 beziehen sich auf die Verwendung von Imidacloprid zur Herstellung von Mitteln in Form einer Lösung zum Gebrauch auf der Haut beziehungsweise zum Aufgießen auf die Haut. Sie umfassen somit den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2, nämlich die "Verwendung von Imidacloprid zur Herstellung von Mitteln in Form von Aufgießformulierungen ... durch dermale Applikation mittels Aufgießen oder Aufspritzen auf begrenzte Bereiche der Haut". Damit gelten für diese Ansprüche die gleichen Überlegungen und Schlussfolgerungen wie für den Hilfsantrag 2, mit der Konsequenz, dass auch für den Gegenstand dieser Ansprüche die Voraussetzungen des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt sind.
Hilfsantrag 4
13. Änderungen
In Hinblick auf den negativen Ausgang der Entscheidung im Hinblick auf die Neuheit des Anspruchs 1 kann sich die Kammer auf diesen Einwand beschränken.
14. Neuheit
14.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass er auf die Bekämpfung von Flöhen beschränkt ist.
Die Beschwerdegegnerin sah darin eine weitere Auswahl aus der Liste der in der Druckschrift (8) offenbarten zu bekämpfenden Parasiten.
14.2 Wie bereits in Punkt 3.3 festgestellt, kann sich die Kammer der Auffassung nicht anschließen, dass es sich im vorliegenden Fall um eine unabhängig zu treffende Auswahl aus mehreren Listen handelt. Die Drucksschrift (8) offenbart dem Fachmann bereits explizit die Eignung der dort offenbarten Verbindungen, einschließlich Imidacloprid, zur Bekämpfung von Flöhen. Ebenso wird bereits die nicht-systemische Anwendung in Form von imprägnierten synthetischen und natürlichen Materialien offenbart. Aus den gleichen Gründen wie unter Punkt 3.3 für den Hauptantrag erläutert, kann daher auch dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 4 keine Neuheit zuerkannt werden.
14.3 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 die Voraussetzungen des Artikels 54 EPÜ nicht erfüllt.
Hilfsanträge 5-7 und 13
14.4 Änderungen
Im Hinblick auf den negativen Ausgang der Entscheidung in Bezug auf die erfinderische Tätigkeit kann sich die Kammer auf diesen Einwand beschränken.
15. Erfinderische Tätigkeit
15.1 Die Hilfsanträge 5-7 enthalten neben dem Verwendungsanspruch 1 einen Produktanspruch 4, der mit dem Gegenstand des Anspruchs 5 des Hilfsantrags 1 ist. Der Gegenstand dieses Produktanspruchs beruht jedoch wie bereits in Punkt 7.18 festgestellt nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
15.2 Anspruch 1 des Hilfsantrags 13 ist auf die Verwendung von Imidacloprid zur Herstellung von Mitteln zum Aufgießen auf die Haut zur nicht-systemischen Bekämpfung von parasitierenden Insekten aus der Gruppe der Flöhe gerichtet.
Auch hier wird die Druckschrift (8), die bereits lehrt Imidacloprid zur Bekämpfung von Ektoparasiten, darunter Flöhe, als nächster Stand der Technik angesehen. Da mit der Auswahl des Mittels in Form einer Lösung zum Aufgießen auf die Haut kein besonderer technischer Effekt belegt wurde, gilt auch hier die für den Hilfsantrag 1 festgestellte objektive Aufgabe, nämlich weitere nicht-systemische Anwendungen von Imidacloprid zur Bekämpfung von Flöhen an Menschen und Tieren bereitzustellen (Punkt 7.5 dieser Entscheidung).
Übliche Formulierungen zur Bekämpfung von Ektoparasiten sind wie bereits mehrfach festgestellt, Flüssigkeiten, Sprays oder pour-on- und spot-on-Formulierungen, die auf die Haut aufgebracht werden. Derartige Anwendungen waren auch für die Behandlung von Flöhen bekannt war, wie die Druckschrift (3) bestätigt, die als herkömmliche, aber vorgeblich ungeeignete Bekämpfungsmethoden Shampoos, Einölungen, Spülungen oder spot-on-Formulierungen nennt. Für den Fachmann, vor die Aufgabe gestellt weitere äußerliche Anwendungen für die Bekämpfung von Flöhen zur Verfügung zustellen, war der Einsatz dieser ihm bereits für diesen Zweck bekannten Anwendungen naheliegend, ohne dass es dazu einer erfinderisch Tätigkeit bedurft hätte. Die gleichen Überlegungen und Schlussfolgerungen wie für den Hilfsantrag 1 gelten daher auch für den Hilfsantrag 13.
15.3 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass auch der Gegenstand der Hilfsanträge 5-7 und 13 die Voraussetzungen des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt. Folglich sind auch diese Anträge zurückzuweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.