T 1513/12 21-09-2017
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ERZEUGEN UND VERFOLGEN GEDRUCKTER DOKUMENTE MIT EINER EINDEUTIGEN KENNUNG
Übergang der Einsprechendenstellung (nicht nachgewiesen)
Zulässigkeit des Einspruchs - Substantiierung des Einspruchs (ja)
Spät eingereichtes Dokument - zugelassen (ja)
Einspruchsgründe - neuer Einspruchsgrund (ja)
Zurückverweisung an die erste Instanz - (ja)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 483 735 zurückzuweisen, d.h. das europäische Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.
II. Der Einspruch richtete sich gegen das erteilte Patent im gesamten Umfang. Er war auf die Gründe gemäß Art. 100 a) EPÜ in Verbindung mit Art. 52(1) und 56 EPÜ, sowie Art. 100 c) EPÜ (vgl. Art. 123(2) EPÜ) gestützt.
III. In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung die Auffassung, dass der Patentanspruch 1 keine unzulässige Erweiterung im Sinne des Art. 123(2) EPÜ darstelle. Die beanspruchte Erfindung sei auch erfinderisch im Sinne des Art. 56 EPÜ.
IV. Mit ihrer Beschwerde beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Mit der Beschwerdebegründung wiederholte die Beschwerdeführerin ihre bereits erstinstanzlich vorgebrachte Auffassung, wonach der Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung entgegen Art. 123(2) EPÜ erweitert sei.
Darüber hinaus seien alle Schritte des Verfahrens gemäß Anspruch 1 des strittigen Patents in D13 (RFID Handbuch; Klaus Finkenzeller, Carl Hanser Verlag 2000; 2. aktualisierte und erweiterte Auflage, Seiten VIII, XIV, 21, 363-370) offenbart bzw. aus D13 nahegelegt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei dementsprechend nicht neu bzw. nicht erfinderisch im Hinblick auf D13. In diesem Zusammenhang wurde ebenfalls auf die Lehre der D17 (WO-A-00/26855) hingewiesen. Auch gegenüber Dokument D18 (EP-B1-1 012 792) sei das Verfahren gemäß Anspruch 1 des strittigen Patents nicht erfinderisch. Darüber hinaus nahm die Beschwerdeführerin zum ersten Mal mit der Beschwerdebegründung auf Dokument D19 (US-B1-6 222 452) Bezug. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin offenbare D19 alle Merkmale des Anspruchs 1 oder lege sie zwingend nah.
V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Form (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage eines Satzes von Ansprüchen gemäß einem ersten, zweiten, dritten oder vierten Hilfsantrag, eingereicht mit Schreiben vom 21. Dezember 2012.
In ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung wiederholte die Beschwerdegegnerin ihre vor der ersten Instanz vorgebrachten Argumentation, was die unzureichende Substantiierung des Einspruchs der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) anging. Dabei wurde insbesondere auf die Unvollständigkeit der eingereichten Druckschrift D13 und auf teilweise nicht korrekte bzw. fehlende Verweise auf Dokumente D13, bzw. D16 ("Luchs 5000", Prospekt Art. Nr. 288 1635, Giesecke & Devrient, 1997) in der Einspruchsschrift hingewiesen. Alles in allem sei es sowohl für die Patentinhaberin als auch für das Europäische Patentamt nicht ausreichend klar erkennbar, in welcher Weise und mit welchen Beweismitteln das Patent tatsächlich angegriffen wurde. In diesem Zusammenhang wurde auf die in der Entscheidung T 222/85 für eine angemessene Substantiierung aufgestellten Kriterien hingewiesen. Im vorliegenden Fall seien diese Kriterien nicht erfüllt.
Zum Einwand der unzulässigen Erweiterung, wies die Beschwerdegegnerin auf Seite 7. Zeilen 7-12 hin. In dieser Hinsicht stelle der Hinweis auf "anderweitig zugeordnete Daten des Dokuments" eine ausreichende Stützung für den im Anspruch 1 vorhandenen Begriff der "Daten des gedruckten Dokuments".
Im Hinblick auf Dokument D13 wies die Beschwerdegegnerin darauf hin, dass der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit mit dem Einspruch nicht geltend gemacht würde. Die Einführung dieses weiteren Einspruchsgrundes sei jedoch im Beschwerdeverfahren unmöglich.
Darüber hinaus weise das Verfahren des erteilten Hauptanspruchs Unterschiede zu dem aus D13 bekannten Verfahren auf. Das beanspruchte Verfahren ergebe sich auch nicht in naheliegender Weise aus D13.
Das verspätete Vorbringen der Druckschrift D19 sei nicht entschuldbar. Außerdem sei das Dokument auch nicht hochrelevant.
VI. Am 7. Juli 2007 wurden die Parteien zur mündlichen Verhandlung geladen.
VII. In einer Mitteilung der Kammer gemäß Art. 15(1) VOBK vom 24. Juli 2007 wurden die Parteien über die vorläufige unverbindliche Auffassung der Kammer unterrichtet.
Bezüglich des Einwands der ungenügenden Substantiierung des Einspruchs stellte die Kammer fest, dass im Laufe des Einspruchsverfahrens sowohl die Einspruchsabteilung als auch die Patentinhaberin trotz fehlerhaften Hinweisen im Stand der Technik durchaus erkennen konnten, in welcher Weise und mit welchen Beweismitteln das Patent angegriffen wurde.
Im Hinblick auf die Frage der Zulässigkeit des spät eingereichten Dokuments D19 wies die Kammer auf dessen Relevanz hin.
VIII. Mit Schreiben vom 25. Februar 2014 stellte die Beschwerdegegnerin den Antrag, die Druckschrift D19 in dem Beschwerdeverfahren nicht zuzulassen, da sie verspätet im Einspruchsverfahren eingeführt wurde. Außerdem war das Dokument bereits im Prüfungsverfahren der parallelen US-Patentanmeldung des Streitpatents angeführt worden. Bei einer sorgfältigen Durchsicht des Prüfungsverfahrens im Zusammenhang mit der zum Streitpatent parallelen Patentanmeldungen wäre die Einsprechende somit ohne weiteres bereits schon vor Ablauf der Einspruchsfrist auf D19 gestoßen. Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin habe die Einsprechende die Entgegenhaltung D19 aus taktischen Gründen verzögert.
IX. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 21. September 2017 in Anwesenheit beider Parteien statt.
X. Sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Beschwerdegegnerin bestätigten ihre jeweiligen im schriftlichen Verfahren gestellten Anträge.
Zusätzlich beantragte die Beschwerdeführerin, die Parteistellung als Einsprechende und Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren von der Firma "Giesecke & Devrient GmbH" auf die Firma "Giesecke+Devrient Mobile Security GmbH" zu übertragen.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz zur weiteren Prüfung, sollte die Kammer die Druckschrift D19 in das Verfahren einführen. Die Beschwerdeführerin erklärte, dass sie keinen Einwand gegen diese Vorgehensweise erheben würde.
XI. Bezüglich der Patentansprüche gemäß Hauptantrag der Beschwerdegegnerin, d.h. des Patents in der erteilten Fassung, lautet der Patentanspruch 1 wie folgt:
"1. Verfahren zur Produktion eines gedruckten Dokuments (37) mit einer eindeutigen Kennung,
wobei ein Aufzeichnungs-träger (5, 27) mit einem elektronischen Datenträger (44) in Form eines Transponders mit einem individuellen Erkennungsmerkmal verwendet wird, der berührungslos elektronisch lesbar ist,
wobei der Aufzeichnungsträger (5, 27) mit Informationen bedruckt wird, dadurch gekennzeichnet,
- dass der Transponder (44) in einem elektronischen Speicherbereich eine nicht veränderbare Kennung aufweist,
- dass im Zuge des Dokumentenproduktionsvorgangs in einer Lesestation (88, 131) die Kennung des Datenträgers (44) berührungslos gelesen wird,
- dass im Zuge des Dokumentenproduktionsvorgangs Daten des gedruckten Dokuments und der Kennung des Datenträgers (44) in einer Datei verknüpft werden, und
- dass das Lesen der Kennung und die Verknüpfung der Daten in unmittelbarem zeitlichen, räumlichen und/oder funktionellen Zusammenhang des Druckvorgangs erfolgen."
Die Ansprüche 2 bis 33 des erteilten Patents hängen vom Anspruch 1 ab.
Der unabhängige Anspruch 34 lautet:
"34. Gerätesystem zur Produktion eines gedruckten Dokuments (37) mit einer eindeutigen Kennung, umfassend:
- einen Aufzeichnungsträger (5, 27),
- einen elektronischen Datenträger (44) in Form eines Transponders mit einem individuellen Erkennungsmerkmal, der berührungslos elektronisch lesbar ist,
- ein Druckgerät (4, 89, 117), mit dem der Aufzeichnungsträger (5, 27) mit Informationen bedruckt wird,
dadurch gekennzeichnet,
- dass der Transponder (44) in einem elektronischen Speicherbereich eine nicht veränderbare Kennung aufweist,
- dass das Gerätesystem eine Lesestation (88, 131) aufweist und so eingerichtet ist, dass die Lesestation (88, 131) im Zuge des Dokumentenproduktionsvorgangs die Kennung des Datenträgers (44) berührungslos liest,
- dass das Gerätesystem einen Steuerungscomputer (3a) aufweist, der im Zuge des Dokumentenproduktionsvorgangs Daten des gedruckten Dokuments und der Kennung des Datenträgers (44) in einer Datei verknüpft,
wobei das Lesen der Kennung und die Verknüpfung der Daten in unmittelbarem zeitlichen, räumlichen und/oder funktionellen Zusammenhang des Druckvorgangs erfolgen."
Anspruch 35 des erteilten Patents hängt vom Anspruch 34 ab.
Der unabhängige Anspruch 36 des erteilten Patents lautet:
"36. Computerprogramm, das beim Laden und Ablaufen auf einem Computer einen Verfahrensablauf nach einem der Ansprüche 1 bis 33 bewirkt."
XII. Im Laufe der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, die von beiden Parteien vorgenommene Auslegung des Anspruchs 1 des Hauptantrags der Beschwerdegegnerin in das Protokoll der mündlichen Verhandlung aufzunehmen (s. Anlage zum Protokoll).
Dem Antrag wurde stattgegeben. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer enthält nun folgende Feststellung:
"In das Protokoll möge folgende Auslegung beider Parteien aufgenommen werden:
Das dritte kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 ist so zu verstehen, daß immer eine Verknüpfung der "Kennung des Datenträgers" mit "Daten des gedruckten Elements" erfolgt, die verschieden sind von der "Kennung des Datenträgers", d.h. daß die "Kennung des Datenträgers" niemals dasselbe sein kann wie "Daten des gedruckten Elements".
XIII. Der Inhalt der Hilfsanträge 1 bis 4 der Beschwerdegegnerin ist für diese Entscheidung ohne Relevanz. Diese Hilfsanträge werden dementsprechend nicht näher beschrieben.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde der Einsprechenden genügt den Erfordernissen der Art. 106 bis 108 EPÜ, sowie der R. 99 EPÜ. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Antrag auf Übertragung der Parteistellung als Einsprechende und Beschwerdeführerin
2.1 Im Laufe des Beschwerdeverfahrens stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Übertragung der Parteistellung als Einsprechende und Beschwerdeführerin. Die Kammer wies den Antrag als ungültig zurück. Die ursprüngliche Beschwerdeführerin wird somit als die rechtmäßige Beschwerdeführerin angesehen.
Insbesondere ergibt sich aus den am 4. September 2017 eingereichten Unterlagen der Beschwerdeführerin nicht eindeutig, ob die Einsprechendenstellung von "Giesecke & Devrient GmbH" an die "Giesecke+Devrient Mobile Security GmbH" tatsächlich übertragen wurde. Die zwei Auszüge aus dem Handelsregister bezüglich "Giesecke & Devrient GmbH" und "Giesecke+Devrient Mobile Security GmbH" belegen zwar, dass eine Ausgliederung gemäß Ausgliederungsvertrag vom 7. Juni 2017 stattgefunden hat, liefern jedoch keine Hinweise, was die Übertragung der Einsprechendenstellung im Hinblick auf den Gegenstand des Streitpatents im vorliegenden Fall betrifft. Auszüge des Ausgliederungsvertrags oder der in diesem Rahmen verhandelten Verträge, die eine solche Übertragung eindeutiger hätten beweisen können, wurden nicht eingereicht.
Die Beschwerdeführerin gab zu, dass sie über keine weiteren Dokumente verfüge, wies jedoch darauf hin, dass der Geschäftsbereich "Mobile Security", auf den sich der Einspruch bezog, an die "Giesecke+Devrient Mobile Security GmbH" übertragen wurde, wie aus den eingereichten Auszügen aus dem Handelsregister ersichtlich sei.
Aus den eingereichten Auszügen ergibt sich zwar, dass Teile des Vermögens der "Giesecke & Devrient GmbH" an die "Giesecke+Devrient Mobile Security GmbH" übertragen wurden. Jedoch wurden auch weitere Teile des Vermögens an die "Giesecke+Devrient Currency Technology" übertragen.
Das angegriffene Patent betrifft ganz allgemein fälschungssichere Dokumente und lässt sich keiner der erwähnten Firmen eindeutig zuordnen. Der Gegenstand der Erfindung könnte nämlich sowohl zum Bereich der "Mobile Security" oder der "Currency Technology" gehören. Dementsprechend sind die Auszüge aus dem Handelsregister ohne Vorlage eines ergänzenden Nachweises, der eine Rechtsnachfolge begründen könnte, nicht ausreichend, um den behaupteten Übergang der Einsprechendenstellung und der Stellung als Partei im Beschwerdeverfahren zu rechtfertigen (vgl. T 670/95, Punkt 2).
Der Antrag auf Übertragung der Einsprechendenstellung wurde somit abgelehnt. Das Verfahren wurde mit der ursprünglichen Einsprechenden, d.h. der "Giesecke & Devrient GmbH", weiter geführt (vgl. T 870/92, Punkt 3.1).
Angesichts dieser prozessualen Entscheidung der Kammer während der mündlichen Verhandlung reichte der Vertreter der Beschwerdeführerin umgehend eine entsprechende Vollmacht der "Giesecke & Devrient GmbH" ein.
3. Zulässigkeit des Einspruchs
Die Beschwerdegegnerin macht eine unzureichende Substantiierung des Einspruchs der Beschwerdeführerin geltend. Es wird insbesondere auf die Unvollständigkeit der eingereichten Druckschrift D13 und auf teilweise nicht korrekte bzw. fehlende Verweise der Einsprechenden auf Dokumente D13 bzw. D16 hingewiesen.
Mit dem dritten Erfordernis c) der R. 76(2) EPÜ (in Verbindung mit den ersten zwei Erfordernissen a) und b)) wird sichergestellt, dass der Standpunkt des Einsprechenden in der Einspruchsschrift so deutlich dargelegt wird, dass sowohl der Patentinhaber, als auch die Einspruchsabteilung wissen, worum es bei dem Einspruch geht (vgl. T 222/85, Abl. 1988, 128). Es steht außer Zweifel, dass eventuelle Fehler in der Einspruchsschrift zu Verwirrungen führen können, die im Extremfall das Vorbringen des Einsprechenden unverständlich machen könnten.
Unter den jetzigen Umständen ist somit zu bestimmen, ob so ein Extremfall, objektiv gesehen, eingetreten ist.
Dabei ist jedoch eindeutig festzustellen, dass im Laufe des Einspruchsverfahrens sowohl die Einspruchsabteilung als auch die Patentinhaberin durchaus in der Lage waren, zu erkennen, in welcher Weise und mit welchen Beweismitteln das Patent angegriffen wurde. Die Patentinhaberin hat zwar in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Einspruchsschrift auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die sie zu bewältigen hatte. Dennoch konnte sie insbesondere zu den unterschiedlichen Einwänden der fehlenden erfinderischen Tätigkeit Stellung nehmen. Selbst wenn D13 nicht explizit als nächstliegender Stand der Technik definiert wurde, ist die darauf bauende Argumentation trotz teilweise fehlerhaften Hinweisen zum Stand der Technik als verständlich zu erachten. Es folgt, dass zumindest ein Angriff der fehlenden erfinderischen Tätigkeit der beanspruchten Erfindung verständlich dargelegt wurde. Somit gilt der Einwand der fehlenden erfinderischen Tätigkeit als ausreichend substantiiert.
Deswegen erfüllt der Einspruch die Erfordernisse der Art. 99(1) und 100 a),c) EPÜ, sowie der R. 76 EPÜ und ist dementsprechend zulässig.
4. Hauptantrag der Beschwerdegegnerin
4.1 Art. 100c) EPÜ (Art. 123(2) EPÜ)
Anspruch 1 des erteilten Patents enthält im kennzeichnenden Teil das Merkmal, wonach im Zuge des Dokumentenproduktionsvorgangs Daten des gedruckten Dokuments und der Kennung des Datenträgers in einer Datei verknüpft werden.
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei dieses Merkmal der ursprünglichen Offenbarung nicht zu entnehmen. Insbesondere würde der Absatz auf Seite 7, Zeilen 7-12 der ursprünglichen Offenlegungsschrift WO-A-03/077196 dieses Merkmal nicht offenbaren. Die in diesem Absatz erwähnte "Verknüpfung des individuellen Erkennungsmerkmale des Datenträgers mit gedruckten oder anderweitig zugeordneten Daten des Dokuments in einer Datei..." würde sich auf gedruckte Daten beziehen oder auf Daten, die einen anderen Gegenstand als das Dokument selbst beschreiben und dem Dokument in Folge einer menschlicher Entscheidung zugeordnet werden. Somit wären Daten, die für ein Dokument eigentümlich sind, etwa technische Daten wie Größe, Dicke oder Farbe, im erwähnten Absatz nicht gemeint.
Aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 des erteilten Streitpatents folgt, dass sich die eindeutige Kennung des gedruckten Dokuments und das individuelle Erkennungsmerkmal des Transponders auf die gleichen Daten beziehen (vgl. Oberbegriff des Anspruchs und erster Schritt).
Die Zuordnung von Daten verlangt jedoch keinesfalls, dass die Daten, die miteinander verknüpft werden, als Ergebnis menschlicher Entscheidung zustande kommen. Mit ihrer Auslegung des Begriffs der "Zuordnung" führt die Beschwerdeführerin ein Kriterium ein, das nicht Teil der eigentlichen Definition ist. Die Zuordnung von Daten kann sich dementsprechend auf allerlei Parameter beziehen. Im vorliegenden Fall bezieht sich der Ausdruck "oder anderweitig zugeordneten Daten" auf Seite 7 der PCT-Schrift auf Daten, die im Allgemeinen irgendwelche Relevanz für das Dokument haben könnten. Somit wären auch Parameter wie Gewicht, Farbe des Papiers usw. Daten des gedruckten Dokumentes im Sinne der Patentschrift. Dementsprechend liefert die zitierte Passage eine ausreichende Stützung für das im Anspruch 1 hinzugefügte Merkmal.
Somit sind die Voraussetzungen des Art. 100c) EPÜ erfüllt.
4.2 Art. 100a) EPÜ (Neuheit und erfinderische Tätigkeit)
4.2.1 Im Laufe des Beschwerdeverfahrens wurde auf die Dokumente D1 bis D19 Bezug genommen. Zusätzlich zu den oben bereits erwähnten Dokumenten D13, D16, D17, D18 und D19 wird auf folgende weitere Dokumente hingewiesen:
D8: EP-A-595 549;
D11: US-A-6 027 027;
D12: RFID Handbuch; Klaus Finkenzeller, Carl Hanser Verlag 1998; Seiten V, VI-XVII, , 1, 9, 10, 14-17, 155-182, 248-250; XP 002987474;
D14: US-A-6 100 804.
4.2.2 In der Beschwerdebegründung weist die Beschwerdeführerin insbesondere auf die als fehlerhaft angesehene Würdigung des Dokuments D13 in der angefochtenen Entscheidung der Einspruchsabteilung hin. Es wird u.a. behauptet, dass D13 alle Schritte des Verfahrens gemäß Anspruch 1 offenbare (siehe Seite 5, drittletzter Absatz). Dieser Einwand sei de facto mit einem Einwand der fehlenden Neuheit gleichzusetzen.
Bezüglich der Einführung neuer Einspruchsgründe im Beschwerdeverfahren wird auf die Entscheidung der großen Beschwerdekammer G 9/91 hingewiesen (ABl. EPA 1993, 408). Im Laufe der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer hat sich die Beschwerdegegnerin gegen die Einführung des neuen Einspruchsgrundes der fehlenden Neuheit erklärt.
Was der neue Grund der fehlenden Neuheit gegenüber einem Dokument, das im Einspruchsschrift als nächstliegender Stand der Technik bezeichnet wurde, betrifft, hat die Grosse Beschwerdekammer in der späteren Entscheidung G 7/95 bestimmt: "Ist gegen ein Patent gemäß Artikel 100 a) EPÜ mit der Begründung Einspruch eingelegt worden, daß die Patentansprüche gegenüber den in der Einspruchsschrift angeführten Entgegenhaltungen keine erfinderische Tätigkeit aufweisen, so gilt ein auf die Artikel 52 (1) und 54 EPÜ gestützter Einwand wegen mangelnder Neuheit als neuer Einspruchsgrund und darf daher nicht ohne das Einverständnis des Patentinhabers in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden. Die Behauptung, daß die nächstliegende Entgegenhaltung für die Patentansprüche neuheitsschädlich ist, kann jedoch bei der Entscheidung über den Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit geprüft werden" (vgl. G 7/95, Abl. EPA 1996, 626; Leitsatz).
Somit ist im vorliegenden Fall festzustellen, ob und ggf. wie sich der beanspruchte Gegenstand vom als nächstliegenden Stand der Technik anzusehenden Dokument D13 unterscheidet. Dabei sollte insbesondere ermittelt werden, ob die Merkmale, die von der Beschwerdeführerin als implizit offenbart angesehen wurden, tatsächlich aus D13 bekannt sind.
Die Auslegung des dritten kennzeichnenden Merkmals des Anspruchs 1, worüber die Parteien sich geeinigt hatten, (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer) schließt eine wortwörtliche Auslegung dieses Schrittes aus. Somit ist nämlich die Verknüpfung der Kennung des Datenträgers mit sich selbst, was wiederum die Bedeutungslosigkeit des Schrittes impliziert hätte, ausgeschlossen.
Eine zwischen den Verfahrensbeteiligten einvernehmliche Auslegung eines Patentanspruchs ist jedoch für die Beschwerdekammer nicht als verbindlich anzusehen. Die Dispositionsmaxime ist nämlich nicht so zu verstehen, dass sich die Verfahrensbeteiligten eine Auslegung des Patents aussuchen könnten, die zwar für sie selbst zufriedenstellend, jedoch für an dem Verfahren Nichtbeteiligte von Bedeutung sein könnte. Mit solchen Auslegungen könnte nämlich der Gegenstand des Patents entgegen Art. 123(2) EPÜ mittelbar über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen eingereichten Fassung hinaus geändert werden oder der Schutzumfang entgegen Art. 123(3) EPÜ erweitert werden. Ob und inwiefern solche Auslegungen für spätere Verfahren z.B. vor nationalen Instanzen relevant sein können, kann unter den jetzigen Umständen dahin gestellt bleiben.
Nichtsdestotrotz ist zu bemerken, dass im vorliegenden Fall der Fachmann keine andere Auslegung des Anspruchs gemacht hätte als diejenige worüber sich die Parteien geeinigt haben. Es ist nämlich ein Grundsatz der Rechtsprechung der Beschwerdekammern, dass der Anspruch so auszulegen ist, dass er Sinn macht. Die von den Parteien ausgeschlossene Auslegung wäre unter den Umständen in der Tat unsinnig, da eine Verknüpfung die Existenz von zwei verschiedenen Objekten (Gegenstände, Daten...) voraussetzt.
Aus Dokument D13 ist ein Gepäckanhänger mit aufgedruckten Daten und einem Transponder bekannt (vgl. Absatz 2.2.8, Bild 2.14). Die mit Transponder ausgerüsteten Gepäckanhänger werden zunächst in Form von Selbstklebeetiketten auf einer Endlosrolle bereitgestellt und nachträglich mit einem Barcode bedruckt. Die in den Transpondern gespeicherten Daten werden mit dem aufgedruckten Barcode verknüpft.
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin werden die verknüpften Daten in einer Datenbank hinterlegt, denn nur so kann gezielt nach einem Gepäckstück gesucht werden. D13 enthält jedoch keine Angaben wofür die Verknüpfung geeignet ist. Auch wenn die von der Beschwerdeführerin angesprochene Verwendung der Etiketten aus D13 durchaus denkbar ist, ist sie der D13 weder explizit noch implizit zu entnehmen. Aus D13 heraus wäre es ebenfalls denkbar, dass die Verknüpfung darin besteht, dass der erzeugte Barcode einer Funktion der Kennung entspricht, was wiederum das Speichern in einer Datei überflüssig machen würde. Denkbar wäre auch, dass der erzeugte Barcode in dem jeweiligen Transponder gespeichert wird. Das Ablesen der Kennungen würde z.B. nur dazu dienen, das Sortieren des Gepäcks entsprechend dem gespeicherten Barcode zu bestimmen.
Darüber hinaus enthält D13 keine Angaben, was das Lesen der Kennung und die Verknüpfung der Daten betrifft. Somit ist auch der letzte Schritt des beanspruchten Verfahrens der D13 auch nicht zu entnehmen. Ein solches Merkmal ist auch weder der D17 noch der D18 zu entnehmen.
Die Beschwerdeführerin behauptet, der offensichtlich beste und zudem praktisch einzig in Frage kommende Zeitpunkt, zu dem die Verknüpfung erfolgen kann, wäre der, der Ausgabe des Gepäckanhängers. Jedoch stellen das Drucken von Barcodes oder anderer Daten und das Lesen und Verknüpfen der Kennung mit Daten des gedruckten Dokuments völlig unterschiedliche Verfahren dar, die von separaten Geräten durchgeführt werden. Aus diesem Grund ist es nicht zwingend, dass die Verknüpfung in unmittelbarem zeitlichen, räumlichen und/oder funktionellen Zusammenhang des Druckvorgangs erfolgt, wie von der Beschwerdeführerin behauptet.
D17 beschreibt ein Identifikationslabel, das wahlweise über ein optisches Lesegerät oder über die Erkennung der Transponderdaten mittels eines elektronischen Lesegerätes ausgelesen wird (vgl. S. 7, Z. 6-18). Laut Beschwerdeführerin hätte der Fachmann aus Dokument D17 ohne weiteres die Vorteile einer Verknüpfung in einer gemeinsamen Datei erkannt. Somit lasse sich die Verfolgung von Gepäckstücken einfacher gestalten.
Aus D17 geht jedoch nicht hervor, dass das Lesen der Kennung und die Verknüpfung der Daten in unmittelbarem zeitlichen, räumlichen und/oder funktionellen Zusammenhang des Druckvorgangs erfolgen.
Im Gegensatz zur Behauptung der Beschwerdeführerin ist dieser Schritt gar nicht zwingend oder sogar naheliegend. Die Auffassung der Einspruchsabteilung überzeugt, wonach naheliegend nur sei "wahlweise die Kennung des Transponders oder die Daten des gedruckten Dokuments ... mit den Daten des Gepäckstücks in einem unmittelbarem zeitlichen, räumlichen und/oder funktionellen Zusammenhang des Druckvorgangs zu stellen". Dementsprechend erscheint die beanspruchte Lösung nicht naheliegend ausgehend von D13 im Hinblick auf D17.
4.2.3 Auch ausgehend von D18 ist der Gegenstand des Anspruchs 1 als erfinderisch im Sinne des Art. 56 EPÜ anzusehen.
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Beschwerdeführerin auf ihre Ausführungen im Einspruchsverfahren hingewiesen und nichts weiteres hinzugefügt.
In der Druckschrift D18 werden zwei Dokumente (Karten) verwendet. Die Analyse der Beschwerdeführerin basiert auf der Annahme, dass der Wortlaut des Anspruchs 1 die Verwendung von zwei Karten nicht ausschließt. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Wie schon von der Einspruchsabteilung unterstrichen wurde, stellt der Oberbegriff des Anspruchs 1 klar, dass der Aufzeichnungsträger einen elektronischen Speicher besitzt und mit Informationen bedruckt wird. Keine der zwei aus D18 bekannten Karten besitzt diese Eigenschaften. Die Trennung der einzelnen Verfahrensschritte durch die Verwendung von zwei Karten stellt einen wesentlichen Aspekt des in D18 offenbarten Verfahrens dar. Nur so wird ein optimales Niveau an Datensicherheit erreicht. Aus dem Grund würde der Fachmann, ausgehend von D18 auf die Verwendung dieser zwei Karten nicht verzichten, im Gegensatz zur Behauptung der Beschwerdeführerin.
4.2.4 Die Argumente der Beschwerdeführerin sind nicht überzeugend. Das Verfahren des Anspruchs 1 des erteilten Patents ist dementsprechend nicht naheliegend im Hinblick auf Dokumente D1 bis D18.
Das gleiche gilt für das Gerätesystem des Anspruchs 34 und das Computerprogramm des Anspruchs 36.
4.2.5 Zulässigkeit des spät eingereichten Dokuments D19
Dokument D19 wurde mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Somit sei es gemäß Art. 12(1)a) VOBK zu berücksichtigen.
Es steht jedoch nach Art. 12(4) VOBK im Ermessen der Kammer, "Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können oder dort nicht zugelassen worden sind...".
Tatsächlich rügte die Beschwerdegegnerin die Einführung des Dokuments D19 in das Beschwerdeverfahren, weil dieses bereits im Prüfungsverfahren der parallelen US-Patentanmeldung des Streitpatents angeführt worden sei.
Die Beschwerdegegnerin brachte bezüglich der Relevanz von D19 vor, dass weder der US-Prüfer noch der EPA-Prüfer im Hinblick auf den aus D19 bekannten Stand der Technik die Patenterteilung in Frage stellten.
Darüber hinaus hätte die Einsprechende schon im Laufe des Einspruchsverfahrens das Dokument D19 einreichen können. Das habe sie jedoch versäumt. Stattdessen habe sie weitere Dokumente D17 und D18 eingereicht. Bei gebotener Sorgfalt und zur Gewährleistung der Verfahrensökonomie hätte die Einsprechende rechtzeitig D19 ermitteln können und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einreichen müssen, wenn dieses Dokument nach ihrer Ansicht dem Gegenstand des Anspruchs 1 näherkomme als die anderen bereits im Verfahren befindlichen Dokumente. Dieses Verhalten wäre nach Ansicht der Beschwerdegegnerin das Ergebnis taktischer Erwägungen.
Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, dass die Beschwerdeführerin D19 zu einem früheren Zeitpunkt hätte einreichen können, ist nachvollziehbar.
Andererseits ist D19, was die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Verfahrens betrifft, prima facie relevant. Die Abbildung auf dem Deckblatt zeigt nämlich eine Etikette mit einem Barcode und einer spiralförmigen Linie, die ohne weiteres vom Fachmann als die Antenne eines RFID Transducers erkannt wird. Die kurze Zusammenfassung auf dem Deckblatt bestätigt die Relevanz der D19, indem explizit auf einen vorprogrammierten Transponder hingewiesen wird, der ein Signal erzeugt mit einer eindeutigen Kennung, die mit Vermerken auf dem Etikett korreliert ist ("The transponder being pre-programmed to generate a signal having a unique code correlated with indicia on the tag"). Die Relevanz der D19 wird von der Beschreibung weiter bestätigt. Insbesondere der Absatz in Spalte 8, Zeilen 13-40 könnte von Bedeutung bezüglich des letzten beanspruchten Merkmals des Anspruchs 1 des erteilten Streitpatents sein (vgl. auch Sp. 9, Z. 33-45), was jedoch von der Beschwerdegegnerin bestritten wurde.
Die genaue Beurteilung der Offenbarung von D19 und die Prüfung der Möglichkeit einer Kombination mit einem anderen aktenkundigen Dokument würden jedoch den Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit eines späteingereichten Dokuments sprengen.
Angesichts aller Umstände hält es die Kammer für nicht angebracht, das Dokument D19 unter Anwendung von Art.12(4) VOBK nicht zuzulassen. Es ist zwar richtig, dass die Beschwerdeführerin D19 zu einem früheren Zeitpunkt hätte einreichen können. Jedoch gebietet die Rechtssicherheit die Gültigkeit der vom EPA erteilten Schutzrechte, was wiederum impliziert, dass relevante Dokumente des Standes der Technik, deren Relevanz ohne weiteres erkennbar ist, nicht außer Acht gelassen werden dürfen.
4.2.6 Die Beschwerdegegnerin hat den Antrag auf Zurückverweisung an die erste Instanz gestellt. Die Beschwerdeführerin erklärte, dass sie keinen Einwand gegen die Zurückverweisung habe.
Damit die Angelegenheit von zwei Instanzen geprüft wird, wird dem Antrag der Beschwerdegegnerin stattgegeben.
5. Hilfsanträge der Beschwerdegegnerin
Angesichts der Zurückweisung an die erste Instanz erübrigt sich die Prüfung der Hilfsanträge der Beschwerdegegnerin.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen.