T 0919/15 08-07-2019
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HERBIZIDE MITTEL FÜR TOLERANTE ODER RESISTENTE SOJAKULTUREN
Dow Agrosciences LLC
BASF SE
Syngenta Crop Protection AG
I. Die vorliegende Entscheidung betrifft die Beschwerden der Einsprechenden 1 und 3 sowie der Patentinhaberin gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, nach der das europäische Patent Nr. 1 107 667 in geänderter Fassung den Erfordernissen des EPÜ genügt.
II. Die Einsprechenden 1 bis 3 hatten den Widerruf des Streitpatents im gesamten Umfang auf der Grundlage der Einspruchsgründe des Artikels 100 a) (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) und 100 c) EPÜ beantragt. Die Einsprechenden 1 und 3 machten zusätzlich noch den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ geltend.
III. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem eingereicht:
D5 "Weed Control in Glyphosate-Ready Soybean with Glyphosate in Combination with Clomazone and Chlorimuron:Metribuzin", R. E. Moreno et al., NCWSS Proceedings, 1996, 51, page 122,
D14 "Wedd control systems in glyphosate and glufosinate resistant soybeans", M. L. Buesinger et al., NCWSS Research Report, 1997, 54, Seiten 218-219,
D24 WO 97/31535 A1,
D34 Brief der Environmental Protection Agency an Herrn V. A. Dorr, datiert auf den 9. Juni 1998,
D43 "Evaluation of common waterhemp control with commercial and experimental herbicides in soybeans", R. F. Krausz et al., 1996,
D46 "Soybean no-till early preplant weed control with authority combinations", G. Kapusta et al., 1996,
D58 EP 0 431 545 A2,
D68 Erklärung von Prof. Schier,
D72 Erklärung von Dr. Hacker (1/2),
D74 "Unkraut - Ökologie und Bekämpfung", P. Zwerger und H. U. Ammon (Herausgeber), 2002, Seite 146,
D76 Versuchsbericht eingereicht am 5. Juli 2013 (erstmalig vorgelegt am 4. März 2011 im Prüfungsverfahren),
D77 Versuchsbericht eingereicht am 5. Juli 2013 (erstmalig vorgelegt am 22. Dezember 2009 im Prüfungsverfahren),
D78 Erklärung von Dr. Hacker (2/2), und
D88 WO 98/09525 A1.
IV. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung basierte auf den Ansprüchen des Hauptantrags, eingereicht mit Schreiben vom 24. November 2014, und dem während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hilfsantrag 1. Letzterer genügte den Erfordernissen des EPÜ.
V. Gegen diese Entscheidung legten sowohl die Einsprechenden 1 und 3 als auch die Patentinhaberin Beschwerde ein. Da diese Parteien sowohl Beschwerdeführerinnen als auch Beschwerdegegnerinnen sind, werden sie in der Folge weiterhin als Einsprechende bzw. Patentinhaberin bezeichnet werden.
VI. Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Einsprechende 1 das folgende Dokument ein:
D89 "Comparison of selective agents for use with the selectable marker gene bar in maize transformation", Plant Cell, Tissue and Organ Culture, 1994, 36, Seiten 1 bis 7.
VII. Mit ihrer Beschwerdebegründung vom 9. Juli 2015 reichte die Patentinhaberin Anspruchssätze eines Hauptantrags und weiterer Hilfsanträge ein.
VIII. Mit ihrem Schreiben vom 17. November 2015 reichte die Patentinhaberin unter anderem das folgende Dokument ein:
D90 "The Pesticide Manual", Eleventh Edition, Seiten 659 bis 663.
IX. Mit ihrem Schreiben vom 16. November 2015 reichte die Einsprechende 3 das folgende Dokument ein (von ihr als D89 bezeichnet und von der Kammer umnummeriert):
D91 "Code of federal regulations", Parts 150 to 189, Seiten 50 bis 53.
X. Am 12. April 2019 erließ die Kammer eine Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK. Darin vertrat sie unter anderem die vorläufige Auffassung, dass von den von der Patentinhaberin mit ihrer Beschwerdebegründung eingereichten Anträgen der Hauptantrag nicht zum Verfahren zuzulassen sei, der Hilfsantrag 4 hingegen schon.
XI. Mit ihren Schreiben vom 13. Mai 2019, 16. Mai 2019 und 2. Juli 2019 sagten die Einsprechenden 1, 2 bzw. 3 ihre Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ab.
XII. Mit ihrem Schreiben vom 2. Juli 2019 nahm die Patentinhaberin ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück und sagte ihre Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ab. Sie reichte Anspruchssätze der neuen Hilfsanträge 1 bis 3 sowie die folgenden Dokumente ein:
D92 Auszug aus dem "Code of federal regulations", "SUBCHAPTER E - PESTICIDE PROGRAMS", Seiten 5, 6, 14, 15, 17 und 18, und
D93 "Pesticide Law: A Summary of the Statutes", L.-J. Schierow, R. Esworthy, 2012.
XIII. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 8. Juli 2019 in Abwesenheit aller Parteien statt.
XIV. Die Einsprechende 1 beantragte
- die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent 1 107 667 in vollem Umfang zu widerrufen,
- die Beschwerde der Patentinhaberin zurückzuweisen.
XV. Die Einsprechende 3 beantragte
- die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent 1 107 667 in vollem Umfang zu widerrufen,
- den Hauptantrag nicht zum Verfahren zuzulassen.
XVI. Die Patentinhaberin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf Basis eines der folgenden Anspruchssätze aufrechtzuerhalten:
- Hauptantrag, eingereicht mit Schreiben vom 9. Juli 2015,
- Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht mit Schreiben vom 2. Juli 2019.
Ferner beantragte die Patentinhaberin die Nichtzulassung von D89 und D91 zum Verfahren.
XVII. Die Einsprechende 2 hat sich im Beschwerdeverfahren in der Sache nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.
XVIII. Aufgrund der Nichtzulassung des Hauptantrags zum Verfahren (siehe unten) kann an dieser Stelle auf die Wiedergabe des Wortlauts eines seiner Ansprüche verzichtet werden.
Die Ansprüche des Hilfsantrags 1 umfassen zwei unabhängige Ansprüche, den Verwendungsanspruch 1 und den Verfahrensanspruch 5.
Der Verwendungsanspruch 1 lautet wie folgt:
"Verwendung von Herbizid-Kombinationen zur Bekämpfung von Schadpflanzen in Sojakulturen, dadurch gekennzeichnet, dass die jeweilige Herbizid-Kombination einen wirksamen Gehalt an
(A) einem breitwirksamen Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen, welche aus
(A1) Verbindungen der Formel (A1),
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
worin Z einen Rest der Formel -OH oder einen Peptidrest der Formel -NHCH(CH3)CONHCH(CH3)COOH bedeutet, und deren Salzen
besteht,
und
(B) einem Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen, welche aus
(B1) selektiv in Soja gegen monokotyle und überwiegend dikotyle Schadpflanzen wirksamen Herbiziden mit Blattwirkung und/oder Bodenwirkung aus der Gruppe Flumetsulam, und Fluthiamide und/oder
(B2) selektiv in Soja gegen dikotyle Schadpflanzen wirksamen Herbiziden aus der Gruppe Thifensulfuron-methyl und und Acifluorfen und/oder
(B3) selektiv in Soja gegen monokotyle Schadpflanzen wirksamen Herbiziden mit Blatt- und Bodenwirkung aus der Gruppe Clethodim und/oder
(B4) selektiv in Soja gegen monokotyle Schadpflanzen wirksamen Herbiziden mit Blattwirkung aus der Gruppe Quizalofop-P-ethyl, Fenoxaprop-P-ethyl, Fluazifop-P-butyl und Haloxyfop-P-methyl
besteht,
aufweist und die Sojakulturen gegenüber den in der Kombination enthaltenen Herbiziden (A) und (B), gegebenenfalls in Gegenwart von Safenern, tolerant sind."
Der Verfahrensanspruch 5 hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur Bekämpfung von Schadpflanzen in toleranten Sojakulturen, dadurch gekennzeichnet, dass man die Herbizide der Herbizid-Kombination, definiert gemäß einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4, gemeinsam oder getrennt im Vorauflauf, Nachauflauf oder im Vor- und Nachauflauf auf die Pflanzen, Pflanzenteile, Pflanzensamen oder die Anbaufläche appliziert."
XIX. Nach Ergehen der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK nahm keine der Einsprechenden mehr Stellung zu der in dieser Mitteilung vertretenen vorläufigen Auffassung der Kammer bezüglich der Zulassung der Anträge der Patentinhaberin.
Die Argumente der Einsprechenden können, soweit für die vorliegende Entscheidung relevant, wie folgt zusammengefasst werden:
Der Hauptantrag genüge aufgrund der Verdopplung der Zahl der unabhängigen Ansprüche im Vergleich zum Streitpatent in seiner erteilten Fassung nicht den Erfordernissen von Regel 80 EPÜ. Auch einige der Änderungen in Anspruch 3 des Hauptantrags (Wiedereinführung von "Lactofen"; Korrektur von "Haloxyfop-P-ethyl" zu "Haloxyfop-P-methyl") seien damit nicht in Einklang zu bringen.
Die im Vergleich zu den ursprünglichen Ansprüchen vorgenommenen Beschränkungen bei den Herbiziden (A) und (B) würden zu einer nicht gewährbaren Zwischenverallgemeinerung führen. Dies treffe insbesondere auf die unter (B4) genannten spezifischen Herbizide zu. Diese seien letzten Endes das Resultat einer mehrfachen Auswahl aus vier unabhängigen Listen. Auch seien diese in der ursprünglichen Anmeldung immer nur mit bestimmten Aufwandmengen offenbart, welche jedoch in den Ansprüchen nicht genannt seien. Anspruch 2 im von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Hilfsantrag 1 betreffe lediglich ein Herbizid (A), nämlich Glufosinate-ammonium. Die Kombination der Ansprüche 1 und 2 in diesem Antrag betreffe daher spezifische Kombinationen von Herbiziden (A) und (B) - dies komme einem "singling-out" gleich. Der Anspruchswortlaut entspreche dem, der der Entscheidung T 371/10 zu Grunde lag. Die Entscheidung T 888/08 sei nicht einschlägig.
Für den Fachmann sei nicht klar, wie das Merkmal "tolerant" in den Ansprüchen zu verstehen sei, d.h. bis zu welchem Schädigungsgrad noch von einer Toleranz gesprochen werden könne. Dieses Merkmal sei so ungenau bestimmt, dass der Fachmann die Erfindung nicht ausführen könne.
Einige der anspruchsgemäßen Herbizid-Kombinationen seien aus D34 bekannt. D34 sei durch Veröffentlichung der Environmental Protection Agency der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, wie aus D91 ersichtlich.
D88, D43, D46, D14 oder D24 seien als nächstliegender Stand der Technik geeignet. Der von der Patentinhaberin zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit herangezogene Synergismus zwischen zwei Herbiziden sei per se unvorhersehbar. Nur für einige der anspruchsgemäßen Herbizid-Kombinationen habe die Patentinhaberin einen Synergismus in der ursprünglichen Anmeldung belegt. Für die übrigen Kombinationen sei ein Synergismus nicht plausibel und in Analogie zu T 1329/04 seien nachgereichte experimentelle Daten bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen. Die objektive technische Aufgabe müsse anspruchsloser formuliert werden, nämlich als die Bereitstellung lediglich weiterer (d.h. nicht synergistisch wirkender) Herbizid-Kombinationen. Auch sei die Formulierung der Ansprüche dergestalt, dass ein Synergismus zwischen den Herbiziden (A) und (B) nicht über die gesamte Anspruchsbreite auftreten könne. Insofern sich die Ansprüche auf die Herbzid-Kombination Glufosinat+Quizalofop-P-ethyl bezögen, würden diese gegenüber einer Kombination von D88 und D46 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.
XX. Nach Ergehen der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK nahm die Patentinhaberin in ihrem einzigen danach eingereichten Schriftsatz vom 2. Juli 2019 keine Stellung zu der in dieser Mitteilung vertretenen vorläufigen Auffassung der Kammer bezüglich der Zulassung der Anträge der Patentinhaberin.
Die Argumente der Patentinhaberin können, soweit für die vorliegende Entscheidung relevant, wie folgt zusammengefasst werden:
Die Einreichung von D89 und D91 erst im Beschwerdeverfahren sei zu spät. Diese Dokumente seien daher nicht zum Verfahren zuzulassen. Ohne D91 sei der unter anderem darauf basierende Neuheitseinwand unbegründet.
Im Vergleich zu den ursprünglichen Ansprüchen seien zwar Beschränkungen bei den Herbiziden (A) und (B) vorgenommen worden, jedoch seien beide Herbizide nach wie vor generisch definiert. Dies treffe insbesondere auf die Herbizide (B) zu, da die diese betreffende Liste mehr als einen Vertreter umfasse. Dadurch habe eben kein "singling-out" stattgefunden. Bei den bei den Herbiziden (B) genannten Aufwandmengen handele es sich gemäß der ursprünglichen Anmeldung lediglich um bevorzugte Aufwandmengen. Anspruch 2 im von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Hilfsantrag 1 betreffe lediglich ein Herbizid (A), nämlich Glufosinate-ammonium. Dieses sei aber in der ursprünglichen Anmeldung schon als bevorzugt beschrieben. Der Anspruchswortlaut entspreche dem, der der Entscheidung T 888/08 zu Grunde lag. Die Entscheidung T 371/10 werde von den Einsprechenden falsch verwendet.
Eine Pflanze sei dann als tolerant anzusehen, wenn sie eine Herbizidbehandlung "verträgt". Für das Ausmaß der Schädigung der Pflanze, bis zu der noch von Toleranz gesprochen werden könne, könne es keinen allgemein verbindlichen Grenzwert für alle Kulturen und alle Anwendungsmöglichkeiten geben.
D88 sei nächstliegender Stand der Technik. Da Glufosinat einen anderen Wirkmechanismus aufweise als Glyphosat, könne ein Dokument, das ausschließlich Glyphosat als Breitbandherbizid aufweisende Herbizid-Kombinationen betreffe, nicht als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden. Die Patentinhaberin habe, wie aus dem Streitpatent, D76 und D77 deutlich werde, für alle anspruchsgemäßen Herbizid-Kombinationen einen Synergismus belegt. Dieser trete auch über die gesamte Anspruchsbreite auf, da die Ansprüche "einen wirksamen Gehalt an (A) [...] und (B)" forderten und aus D72 deutlich werde, dass der Wirkmechanismus von Glufosinat, Bialaphos und deren Salzen gleich sei. Die objektive technische Aufgabe müsse somit in der Bereitstellung weiterer synergistisch wirkender Herbizid-Kombinationen gesehen werden. Die Lösung dieser Aufgabe sei nicht naheliegend, da Synergismus per se nicht vorhersehbar sei.
Hauptantrag und Hilfsantrag 1 - Zulassung
In ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK hatte die Kammer die vorläufige Auffassung vertreten (siehe Punkt 4. darin), dass von den von der Patentinhaberin mit ihrer Beschwerdebegründung eingereichten Anträgen der Hauptantrag nicht zum Verfahren zuzulassen sei, der Hilfsantrag 4 hingegen schon. Nach Ergehen dieser Mitteilung hatte keine der Parteien mehr Stellung bezogen zur Frage der Zulassung dieser Anträge.
Der anhängige Hauptantrag ist identisch zu dem Hauptantrag, auf dem die Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK basierte. Die Kammer entschied daher in der mündlichen Verhandlung, diesen nicht zum Verfahren zuzulassen (Artikel 12 (4) VOBK).
Der mit Schreiben vom 2. Juli 2019 von der Patentinhaberin eingereichte Hilfsantrag 1 ist identisch zum obengenannten Hilfsantrag 4, auf dem die Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK basierte. Den Hilfsantrag 1 ließ die Kammer daher in der mündlichen Verhandlung zum Verfahren zu (Artikel 12 (4) VOBK).
Hilfsantrag 1
1. Änderungen (Regel 80 EPÜ)
1.1 Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 5 ist im Vergleich zu dem der korrespondierenden Ansprüche 1 und 7 des Streitpatents in seiner erteilten Fassung beschränkt, da
- einige der Vertreter der Herbizide (B1) und (B3) aus dem erteilten Anspruch 1 gestrichen wurden und
- die allgemeine Definition der Herbizide (B2) (soweit sie "Thifensulfuron und dessen Ester" betrifft) und (B4) im erteilten Anspruch 1 durch spezifische unter diese Definition fallende Vertreter ersetzt wurde.
Diese Beschränkungen können als durch einen Einspruchsgrund veranlasst angesehen werden. Dies reicht für die Zulassung von Änderungen im Hinblick auf Regel 80 EPÜ aus.
1.2 Die Einsprechenden 1 und 3 erhoben mehrere Einwände unter Regel 80 EPÜ gegen
- Änderungen in Anspruch 3 des Hauptantrags sowie
- die Verdopplung der Zahl der unabhängigen Ansprüche im Hauptantrag im Vergleich zum Streitpatent in seiner erteilten Fassung.
Anspruch 3 des Hauptantrages ist in Hilfsantrag 1 nicht mehr enthalten. Die diesbezüglichen Einwände sind daher nicht einschlägig.
Das Streitpatent in seiner erteilten Fassung weist insgesamt fünf unabhängige Ansprüche auf, die Verwendungsansprüche 1 und 2, den Verfahrensanspruch 7 sowie die Produktansprüche 8 und 10. Demgegenüber umfasst Hilfsantrag 1 zwei unabhängige Ansprüche, den Verwendungsanspruch 1 und den Verfahrensanspruch 5. Weder in Bezug auf die Gesamtzahl der unabhängigen Ansprüche noch in Bezug auf die Anzahl unabhängiger Ansprüche in einer Anspruchskategorie kann daher von einer Verdoppelung der unabhängigen Ansprüche im Vergleich zum Streitpatent in seiner erteilten Fassung gesprochen werden. Auch dieser Einwand ist daher nicht einschlägig.
1.3 Zusammengefasst genügen die Ansprüche des Hilfsantrags 1 also den Erfordernissen von Regel 80 EPÜ.
2. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
2.1 Anspruch 1 unterscheidet sich vom ursprünglichen Anspruch 1 dadurch,
- dass der Umfang der Listen für die Herbizide (A) und (B) beschränkt wurde, und
- dass die Herbizid-Kombinationen nun nur noch lediglich ein Herbizid (B) aufweisen, wohingegen sich der ursprüngliche Anspruch 1 noch auf "(B) einem oder mehreren Herbiziden aus der Gruppe der Verbindungen" (Hervorhebung hinzugefügt) bezieht.
2.2 Im Falle des Herbizids (A) wurden neben den im ursprünglichen Anspruch 1 aufgezählten Alternativen (A2) bis (A4) auch drei ursprünglich vorhandene Möglichkeiten für die Alternative (A1) gestrichen (Z = ?NHCH(CH3)CONHCH[CH2CH(CH3)2]COOH sowie die Möglichkeit, dass es sich bei (A1) um Ester oder andere Phosphinothricin-Derivate handeln kann). Im Falle des Herbizids (B) wurden die im ursprünglichen Anspruch 1 aufgezählten Alternativen (B0) und (B5) gestrichen und die verbleibenden Alternativen (B1) bis (B4) auf konkrete Verbindungen eingeschränkt (vgl. die ursprüngliche Anmeldung auf Seite 10, Zeile 20 - Seite 13, Zeile 27).
Ein Herausgreifen ("singling out") spezifischer Kombinationen hat durch die oben beschriebenen Beschränkungen jedoch nicht stattgefunden, da beide Listen A und B jeweils noch einen gewissen Umfang haben (analog auch T 888/08, Nr. 3.2 der Entscheidungsgründe und T 371/10, Nr. 3.2 der Entscheidungsgründe). Dass jetzt lediglich ein einziges Herbizid B anwesend sein muss (Änderung von "(B) einem oder mehreren Herbiziden" zu "(B) einem Herbizid"), stellt nur einen Verzicht auf einen Teil des Anspruchsgegenstandes dar, generiert aber keine neue, ursprünglich nicht beschriebene Untergruppe (vgl. analog auch T 371/10, Nr. 3.2 der Entscheidungsgründe).
Die beispielsweise auf Seite 13 in Klammern aufgeführten Aufwandmengen für die unter (B4) in Anspruch 1 genannten Esterverbindungen werden in der ursprünglichen Anmeldung als bevorzugt beschrieben (Seite 10, Zeilen 21-22: "im folgenden mit den in Klammer angegebenen bevorzugten Aufwandmengen angegeben"). Der diesbezügliche Einwand der Einsprechenden einer Zwischenverallgemeinerung geht daher ins Leere.
2.3 Glufosinat-ammonium wird im ursprünglichen Anspruch 2 als einziges Herbizid (A) genannt und kann damit in der ursprünglichen Anmeldung als bevorzugt beschrieben angesehen werden. Ausgehend vom ursprünglichen Anspruch 2 müssen daher lediglich die spezifischen Herbizide (B) aus der Liste in der ursprünglichen Anmeldung (Seite 10, Zeile 20 - Seite 13, Zeile 27) ausgewählt werden, um zum Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 2 zu gelangen.
2.4 Die Ansprüche 3 bis 5 finden eine Entsprechung in den ursprünglichen Ansprüchen 5 bis 7.
2.5 Mithin erfüllt der beanspruchte Gegenstand des Hilfsantrags 1 also die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ.
3. Offenbarung der Erfindung (Artikel 83 EPÜ)
3.1 Lediglich die Einsprechende 1 brachte Einwände unter Artikel 83 EPÜ vor. Für den Fachmann sei nicht klar, wie der Ausdruck "tolerant" zu verstehen sei, d.h. bis zu welchem Schädigungsgrad noch von einer Toleranz gesprochen werden könne. Dieser Ausdruck könne auch als unklarer Parameter verstanden werden, der aber so ungenau bestimmt sei, dass der Fachmann die Erfindung nicht ausführen könne.
3.2 Die Kammer hält dies nicht für überzeugend. Aus D74, einem Standardlehrbuch auf dem Gebiet der Unkrautbekämpfung, geht hervor, dass der Begriff der "Toleranz" für den Fachmann klar ist (D74: Seite 146, der von der linken auf die rechte Spalte übergehende Satz). Als tolerant wird demnach eine Pflanze dann angesehen, wenn sie eine Herbizidbehandlung "verträgt".
Zwar wird das Ausmaß der Schädigung der Pflanze, bis zu der noch von Toleranz gesprochen werden kann, von unterschiedlichen Quellen anders beziffert, vgl.
- D58: tolerierbare Phytotoxizität nicht höher als 10% bzw. 15-20% Schaden nach üblichen Boniturstandards, vgl. Seite 2, Zeilen 17-20 und Seite 5, Zeilen 53-55,
- D68: temporäre Schäden von etwa 10 bis 15%, vgl. Seite 3, Absatz 4,
- eine akzeptable Schädigungsobergrenze von 5%, wie vom Einsprechenden 1 im Hinblick auf D5 ausgeführt.
Dies stellt für die Kammer jedoch allenfalls ein Klarheitsproblem dar, welches im Einspruchs-Beschwerdeverfahren nicht mehr angegriffen werden kann, da das Merkmal "tolerant" schon in den erteilten Ansprüchen vorhanden ist (G 3/14).
3.3 Mithin sieht die Kammer die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ als erfüllt an.
4. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
4.1 Die Einsprechende 1 hatte die Neuheit des zum Zeitpunkt des Erlasses der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK anhängigen Hilfsantrags 4, d.h. des nun anhängigen Hilfsantrags 1, explizit anerkannt (vgl. Punkt 8.1 in dieser Mitteilung sowie Punkt VI. in ihrem Schreiben vom 24. November 2015). Danach hatte Sie sich in der Sache nicht mehr geäußert.
4.2 Die Einsprechende 3 brachte einen Neuheitseinwand basierend auf D34 vor, da dieses die Kombination von Glufosinat, einem Herbizid (A) gemäß Anspruch 1, mit den folgenden Herbiziden (B) offenbare: Fluazifop-P-butyl, Clethodim bzw. Acifluorfen.
Laut der Einsprechenden 3 handele es sich bei D34 um einen Auszug einer Korrespondenz zwischen der Environmental Protection Agency und dem Antragsteller AgrEvo, einer Vorläuferfirma der Patentinhaberin (Schreiben vom 16. November 2015, Punkt 3.2). Diese Korrespondenz sei durch Veröffentlichung durch die Environmental Protection Agency der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, wie aus D91 ersichtlich.
D91 - Zulassung
Die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung erging am 17. Juli 2014. Schon im Anhang zur Ladung (vorletzter Absatz auf Seite 5) hatte die Einspruchsabteilung darauf hingewiesen, dass Belege über das Veröffentlichungsdatum von D34 fehlen würden.
In ihrem Schreiben vom 24. November 2014 deutete die Einsprechende 3 an, an der Beschaffung eines Dokumentes zu arbeiten, welches die öffentliche Zugänglichkeit von D34 belege. Sie tat dies jedoch ohne auf Schwierigkeiten bei deren Beschaffung hinzuweisen und diese zu belegen.
Die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung fand am 22. Januar 2015 statt. Die zwischen der Ladung und der mündlichen Verhandlung liegende Zeitspanne von etwas mehr als sechs Monaten wäre nach Auffassung der Kammer ausreichend gewesen zur Beschaffung und Einreichung von D91 noch im Einspruchsverfahren, einem Dokument, welches ohnehin schon innerhalb der neunmonatigen Einspruchsschrift gemäß Artikel 99 (1) in Verbindung mit Regel 76 (2) c) EPÜ hätte eingereicht werden sollen. Gründe für die Einreichung von D91 erst im Beschwerdeverfahren blieb die Einsprechende 3 ebenfalls schuldig.
Die Kammer entschied daher in der mündlichen Verhandlung, D91 nicht zum Verfahren zuzulassen (Artikel 12 (4) VOBK).
4.3 Ohne D91 ist D34 nicht dem Stand der Technik zuzurechnen und damit der Neuheitseinwand der Einsprechenden 3 unbegründet.
4.4 Der beanspruchte Gegenstand des Hilfsantrags 1 ist demnach neu.
5. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
5.1 Nächstliegender Stand der Technik
5.1.1 Die Einsprechende 3 und die Patentinhaberin sahen D88 als den nächstliegenden Stand der Technik an. Die Einsprechende 1 trug zusätzlich zu D88 noch Einwände ausgehend von D43, D46, D14 und D24 als nächstliegendem Stand der Technik vor.
5.1.2 Anspruch 1 ist gerichtet auf Herbizid-Kombinationen, die ein breitwirksames Herbizid (A) sowie ein weiteres Herbizid (B) aufweisen. Bei dem breitwirksamen Herbizid (A) handelt es sich um Glufosinat (Formel (A1): Z = OH), Bialaphos (Formel (A1): Z = NHCH(CH3)CONHCH(CH3)COOH) oder eines ihrer Salze. Ihnen gemeinsam ist die in Anspruch 1 gezeigte Phosphinotricin-Struktur. Das Herbizid (B) wird ausgewählt aus einer Liste von Herbiziden, die insgesamt neun Vertreter umfasst. Die Herbizide (A) und (B) der in Anspruch 1 genannten Herbizid-Kombinationen sollen dabei synergistisch zusammenwirken (siehe die Absätze [0007], [0008], [0010] bis [0012] und [0050] sowie die Beispiele im Streitpatent).
5.1.3 Die Kammer sieht D88 als den nächstliegenden Stand der Technik an, da es Glufosinat-aufweisende Herbizid-Kombinationen zur Bekämpfung von Schadpflanzen in Sojakulturen offenbart, wobei die Herbizide der Kombination zusammen synergistisch wirken (D88: Ansprüche 1 und 5).
Zur Diskussion der erfinderischen Tätigkeit würde ein Fachmann nicht von Dokumenten ausgehen, die ausschließlich auf dem Breitband-Herbizid Glyphosat basierende Herbizid-Kombinationen betreffen, denn Glyphosat weist einen gänzlich anderen Wirkmechanismus auf als die Breitbandherbizide Glufosinat und Bialaphos bzw. deren Salze (zum Wirkmechanismus (Hemmung eines anderen Enzyms) siehe D78: Seite 1, letzter Absatz bzw. D72: Seite 2, erster Absatz). Da die Dokumente D43, D46 (vgl. jeweils die Zusammenstellung der eingesetzten Herbizide auf Seite 1) und D24 (vgl. Anspruch 1) ausschließlich Glyphosat-aufweisende Herbizid-Kombinationen betreffen, kommen diese dem beanspruchten Gegenstand nicht nur weniger nahe als D88, sondern eignen sich aus dem oben dargelegten Grund auch weit weniger als Ausgangspunkt zur Diskussion der erfinderischen Tätigkeit.
D14 (vgl. die untere Hälfte der Tabelle auf Seite 5) offenbart zwar Herbizid-Kombinationen, die Glufosinat aufweisen, offenbart jedoch nicht, dass es sich dabei um synergistische Herbizid-Kombinationen handelt. Auch D14 kommt dem beanspruchten Gegenstand daher nicht so nahe wie D88.
5.2 Schon in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK hatte die Kammer bezüglich des zu diesem Zeitpunkt anhängigen Hilfsantrags 4, d.h. dem nun anhängigen Hilfsantrag 1, ausgeführt, dass jede der Parteien den Unterschied zwischen dem Gegenstand von Anspruch 1 und D88 darin zu sehen schien, dass die in Anspruch 1 genannten Herbizide (B) nicht in D88 genannt sind (vgl. die Punkte 9.2 und 9.3 in dieser Mitteilung). Dies wurde in der Folge von keiner der Parteien bestritten.
5.3 Gemäß der dem Streitpatent zu Grunde liegenden ursprünglichen Anmeldung (Seite 2, Absatz 2 bis Seite 5, Absatz 1) besteht die zu lösende Aufgabe darin, synergistisch wirkende Herbizid-Kombinationen zur Bekämpfung von Schadpflanzen in Sojakulturen aufzufinden.
5.4 Für jedes der in Anspruch 1 genannten Herbizide (B) jeweils in Kombination mit Glufosinate-ammonium, d.h. einem Herbizid (A) gemäß Anspruch 1, hat die Patentinhaberin eine synergistische Wirkung nachgewiesen, bezüglich
a) Flumetsulam, Thifensulfuron-methyl, Acifluorfen, Fenoxaprop-P-ethyl und Haloxyfop-P-methyl, vgl. jeweils die Tabellen 7, 3/4, 3, 5 bzw. 5 im Streitpatent,
b) Fluthiamide und Quizalofop-P-ethyl, vgl. die Tabellen 1.1 und 1.2 in D76,
c) Clethodim und Fluazifop-P-butyl, vgl. die Tabellen 7 bzw. 4 in D77.
5.5 Bei D76 und D77 handelt es sich um nach dem Anmeldetag des Streitpatents eingereichte Versuchsergebnisse der Patentinhaberin. Der Beleg eines Synergismus für die oben unter b) und c) genannten Herbizide (B), d.h. Fluthiamide, Quizalofop-P-ethyl, Clethodim und Fluazifop-P-butyl, erfolgte somit erst nach dem Anmeldetag.
In diesem Zusammenhang argumentierte die Einsprechende 3, dass Synergismus per se nicht vorhersagbar sei. Selbst wenn also für die oben unter a) genannten Herbizide (B) ein Synergismus in der ursprünglichen Anmeldung belegt worden sei, sei dieser nicht auf die oben unter b) und c) genannten Herbizide (B) übertragbar. Für letztere sei der Synergismus daher nicht aus der ursprünglichen Anmeldung ableitbar und nicht plausibel. Diese Situation sei analog zu der aus T 1329/04 und die nachgereichten experimentellen Daten dürften daher nicht bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt werden. Die objektive technische Aufgabe müsse somit anspruchsloser formuliert werden und könne nur in der Bereitstellung weiterer Herbizid-Kombinationen gesehen werden.
5.6 Die Kammer kann sich dieser Argumentation aus den folgenden Gründen nicht anschließen:
Der Synergismus zwischen den beiden Herbiziden (A) und (B) wird in der ursprünglichen Anmeldung explizit angesprochen (Seite 2, Absätze 2 und 4; Seite 4, Absätze 3 bis 5; Seite 20, Absatz 2). Sowohl bei den in Anspruch 1 unter (A) als auch bei den unter (B) genannten Verbindungen handelt es sich unstrittig um allgemein anerkannte Herbizide. Ein Synergismus wird für einige Kombinationen in der ursprünglichen Anmeldung sogar belegt. Der Kammer ist daher nicht ersichtlich, weshalb es dem Fachmann nach dem Studium der ursprünglichen Anmeldung nicht plausibel sein sollte, dass zwischen den in Anspruch 1 genannten Herbiziden (A) und (B) ein Synergismus auftreten kann. Argumente in dieser Hinsicht hat die Einsprechende 3 auch nicht vorgebracht. Ihr Vorbringen erschöpft sich im Wesentlichen in dem Argument, dass Synergismus per se nicht vorhersagbar sei. Dem steht jedoch entgegen, dass die bereits in der ursprünglichen Anmeldung getesteten fünf Herbizidkombinationen bei gleichem Herbizid (A) fünf strukturell unterschiedliche Herbizide (B1), (B2) und (B4) enthielten und alle Kombinationen einen Synergismus aufwiesen. Somit kann ohne gegenteilige Anhaltspunkte im allgemeinen Fachwissen für das Herbizid (A) enthaltende Herbizidkombinationen gerade nicht davon ausgegangen werden, dass ein Synergismus zwischen den in der ursprünglichen Anmeldung nicht getesteten Kombinationen per se unplausibel wäre.
Diese Schlussfolgerung steht im Einklang mit der Entscheidung T 863/12. So wurde auch in dieser Entscheidung bei der Bejahung der Plausbilität eines Effektes unter anderem darauf abgestellt, dass das allgemeine Fachwissen keine Anhaltspunkte enthielt, die diese Plausibilität in Frage stellten (Punkt 7.3.3 der Entscheidungsbegründung).
Ferner steht diese Schlussfolgerung nicht im Widerspruch zu der von der Einsprechenden 3 herangezogenen Entscheidung T 1329/04, die eine gänzlich andere Fallgestaltung betraf. So fehlte im Gegensatz zum vorliegenden Fall in dem der T 1329/04 zugrundeliegenden Fall in der ursprünglichen Anmeldung jeglicher Nachweis des in Frage stehenden Effektes (siehe insbesondere Punkt 9 der Entscheidungsbegründung). Ferner enthielt im Gegensatz zum vorliegenden Fall das allgemeine Fachwissen Anhaltspunkte, dass der zu erzielende Effekt nicht plausibel war. So fehlten Strukturmerkmale, die gemäß allgemeinem Fachwissen für das Erreichen des in Frage stehenden Effektes notwendig waren (siehe insbesondere Punkt 7 der Entscheidungsbegründung).
Aus den oben genannten Gründen erkennt die Kammer im vorliegenden Fall an, dass ein Synergismus plausibel erscheint. Daher werden die nachveröffentlichten Dokumente D76 und D77 von der Kammer bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt.
5.7 Basierend auf den Daten im Streitpatent, D76 und D77, deren Glaubhaftigkeit von den Einsprechenden nicht bestritten wurde, muss daher die objektive technische Aufgabe in der Bereitstellung weiterer synergistisch wirkender Herbizid-Kombinationen gesehen werden.
5.7.1 Die nachfolgend abgehandelten Argumente der Einsprechenden betreffen die Frage, ob ein Synergismus über den gesamten beanspruchten Bereich erzielt wird. Sie beziehen sich somit auf die Frage nach der Glaubhaftmachung (und nicht der Plausibilität).
5.7.2 Die Einsprechende 3 argumentierte, dass die Ansprüche Ausführungsformen umfassen würden, bei denen ganz unterschiedliche Verhältnisse oder Aufwandmengen von (A) und (B) eingesetzt oder bei denen alle nur denkbaren Unkräuter bekämpft würden.
Auch seien im Streitpatent nur ausgewählte Datenpunkte hinsichtlich eines synergistischen Effekts untersucht worden. Obwohl in den Tabellen 4 bis 7, 9 und 10 im Streitpatent jeweils zwei Aufwandmengen bei der Applikation von Glufosinate-ammonium alleine angegeben seien, würde von diesen nur eine herangezogen bei der Untersuchung eines Synergismus zusammen mit der Herbizid-Komponente (B). Um den Synergismus über die gesamte Anspruchsbreite glaubhaft zu belegen, habe die Patentinhaberin mehr Beispiele liefern müssen.
Mithin könne das Merkmal "einen wirksamen Gehalt an (A) [...] und (B)" nicht notwendigerweise implizieren, dass zwischen (A) und (B) ein Synergismus auftreten müsse. Insbesondere sei die Unkrautvernichtung mit hohen Mengen an Glufosinat schon so hoch, dass bei Zusatz eines weiteren Herbizids überhaupt kein Synergismus mehr beobachtet werden könne.
Die Kammer hält dies nicht für überzeugend. Der unabhängige Anspruch 1 bezieht sich auf die Verwendung von Herbizid-Kombinationen, die "einen wirksamen Gehalt" der Herbizide (A) und (B) aufweisen. Herbizid-Kombinationen mit nicht wirksamen Mengen der Herbizide (A) und (B) sind mithin nicht Gegenstand der Ansprüche. Bei Nachweis eines Synergismus für eine Herbizid-Kombination, die zwei Herbizide (A) und (B) in jeweils wirksamer Menge aufweist, hält es die Kammer ohne triftige Anhaltspunkte zur Annahme des Gegenteils zumindest für glaubhaft, dass dieser Synergismus auch für andere Mengen/Mengenverhältnisse der beiden Herbizide zu beobachten ist, zumindest solange sich diese innerhalb der durch das Merkmal "einen wirksamen Gehalt" bedingten und vernünftigerweise anzunehmenden Grenzen bewegen. Ohne triftige Anhaltspunkte zur Annahme des Gegenteils kann auch die Beobachtung einer bereits fast vollständigen Unkrautvernichtung bei Einzelanwendung eines Herbizids kein Grund dafür sein anzunehmen, dass in Kombination mit einem weiteren Herbizid kein Synergismus mehr zu beobachten sei. Somit umfasst Anspruch 1 nur Kombinationen, die tatsächlich synergistisch wirken (können). Mutatis mutandis gilt dies auch für Anspruch 5, der sich in Bezug auf die Herbizid-Kombinationen auf Anspruch 1 zurückbezieht.
5.7.3 Die Einsprechende 1 trug auch vor, dass ein Synergismus auch nicht für alle möglichen Arten an Herbiziden (A) nachgewiesen worden sei, sondern nur für Glufosinate-ammonium. Auch aus diesem Grund könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Synergismus über die gesamte Anspruchsbreite auftrete.
Dies ist nicht überzeugend. Die Definition der Herbizide (A) in Anspruch 1 umfasst Glufosinat, Bialaphos und deren Salze. Wie oben dargelegt hält die Kammer den Synergismus zumindest für solche Herbizid-Kombinationen für ausreichend belegt, die als Herbizid (A) Glufosinate-ammonium aufweisen. D72 ist eine Erklärung einer der Erfinder des Streitpatents, deren Glaubhaftigkeit von keiner der Einsprechenden bestritten wurde. Aus D72 geht hervor, "dass Bialaphos (ein Tripeptid von L-Glufosinate) nicht selbst herbizid wirksam ist, sondern schnell zu L-Glufosinate abgebaut wird, das wiederum nach Phosphatierung den irreversiblen Komplex mit der Glutaminsynthase bildet. [...] Die Wirkungsweise hängt wegen der Phosphatbildung im Prinzip nicht von der speziellen Form des Salzes oder Glufosinatderivats ab. Insbesondere ist aufgrund dieses Wirkmechanismus kein besonderer Einfluss auf die herbizide Wirkung bei Austausch des Ammoniumsalzes durch ein anderes Salz, wie z. B. ein Alkalimetallsalz zu erwarten." Daraus ist zu schließen, dass es sowohl für die herbizide als auch für die synergistische Wirkung letztlich egal ist, welches der beiden Herbizide (A) eingesetzt wird, da der Wirkmechanismus bei allen dafür möglichen Verbindungen über die gleiche Zwischenstufen, nämlich Glufosinat und dessen Phosphat, verläuft.
Die Einsprechende 1 argumentierte weiter, dass der Verweis der Patentinhaberin auf D72 in diesem Zusammenhang durch D89 in Frage gestellt werde.
D89 - Zulassung
Die Einsprechende 1 (Nr. 37 in ihrem Schreiben vom 8. Juli 2015) begründete die Einreichung von D89 damit, dass dies eine Reaktion auf D72 und dem damit verbundenen Argument der Patentinhaberin darstelle, dass die herbizide Wirkung von Glufosinate-ammonium auch für andere Glufosinat-Salze und Bialaphos gelten müsse.
Die Patentinhaberin reichte D72 im Einspruchsverfahren zum frühestmöglichen Zeitpunkt ein, nämlich mit ihrer Einspruchserwiderung vom 1. Juli 2013. Das Argument der Patentinhaberin, auf das sich die Einsprechende 1 bezieht, findet sich in diesem Schreiben auf Seite 14, letzter Absatz.
Die Verhandlung vor der Einspruchsabteilung fand am 22. Januar 2015 statt, also gut 1,5 Jahre nach der Einspruchserwiderung der Patentinhaberin. Einen solchen Zeitraum hält die Kammer für ausreichend zur Beschaffung und Einreichung von D89 schon im Einspruchsverfahren. Gründe für die Einreichung von D89 erst im Beschwerdeverfahren blieb die Einsprechende 1 ebenfalls schuldig.
Die Kammer entschied daher in der mündlichen Verhandlung, D89 nicht zum Verfahren zuzulassen (Artikel 12 (4) VOBK). Ohne D89 ist offenbar das darauf basierende Argument der Einsprechenden 1 unbegründet.
5.8 Im zitierten Stand der Technik fehlt ein Hinweis darauf, dass durch eine Kombination der anspruchsgemäßen Verbindungen (A) und (B) weitere synergistisch wirkende Herbizidkombinationen aufgefunden werden können. Daher hält die Kammer ausgehend von D88 als dem nächstliegendem Stand der Technik die Lösung der objektiven technischen Aufgabe in Form der in den unabhängigen Ansprüchen erwähnten Herbizid-Kombinationen für nicht naheliegend.
Die Einsprechende 1 argumentierte in diesem Zusammenhang, dass zumindest die anspruchsgemäße Herbizid-Kombination Glufosinat + Quizalofop-P-ethyl nicht erfinderisch sein könne (Schreiben vom 8. Juli 2015, Punkte 60-64): Zum einen zeige D46, dass in Kombination mit Glyphosat wesentlich weniger von Quizalofop-P-ethyl eingesetzt werden müsse als von Metalochlor (vgl. Einträge 3/4 vs. 5/6). Des Weiteren offenbare D88 nicht nur die synergistische Herbizid-Kombination von Glyphosat + Metalochlor sondern auch die ebenfalls synergistische Herbizid-Kombination von Glufosinat + Metalochlor. Ein Fachmann würde somit bei Zusammenschau von D88 und D46 davon ausgehen, dass auch in Kombination mit Glufosinat weniger an Quizalofop-P-ethyl eingesetzt werden müsse als an Metalochlor.
Die Kammer hält dieses Argument nicht für überzeugend. Der von der Einsprechenden 1 herangezogene und auf D46 basierende Vergleich der Herbizid-Kombinationen Glyphosat + Quizalofop-P-ethyl und Glyphosat + Metalochlor kann höchstens belegen, dass Quizalofop-P-ethyl in Verbindung mit Glyphosat ein stärkeres Herbizid ist als Metalochlor. Glyphosat weist jedoch einen gänzlich anderen Wirkmechanismus auf als die anspruchsgemäßen Breitbandherbizide Glufosinat und Bialaphos bzw. deren Salze (zum Wirkmechanismus (Hemmung eines anderen Enzyms) siehe D78: Seite 1, letzter Absatz bzw. D72: Seite 2, erster Absatz). Daher würde der Fachmann nicht davon ausgehen können, dass die in D46 in Verbindung mit Glyphosat erhaltenen Ergebnisse auch auf Glufosinat und Bialaphos bzw. deren Salze anwendbar sind.
5.9 Obige Argumentation gilt mutatis mutandis auch für den Gegenstand des anderen unabhängigen Anspruchs 5, da sich dieser bezüglich der Herbizide auf Anspruch 1 zurückbezieht.
Mithin beruht also der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 5, und somit auch der Gegenstand der abhängigen Ansprüche 2-4, auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Hilfsantrag 1 ist somit gewährbar.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgenden Ansprüchen und einer noch daran anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche 1 bis 5 des Hilfsantrags 1, eingereicht mit Schreiben vom 2. Juli 2019.