T 2097/15 29-09-2020
Download und weitere Informationen:
HERBIZIDE MITTEL FÜR TOLERANTE ODER RESISTENTE MAISKULTUREN
Änderungen
Neuheit
Erfinderische Tätigkeit
Ausreichende Offenbarung
Spät eingereichter Antrag
I. Die vorliegende Entscheidung betrifft die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung (angefochtene Entscheidung), dass das europäische Patent Nr. 1 104 243 (Streitpatent) in geänderter Fassung den Erfordernissen des EPÜ genügt.
Da beide Parteien zugleich Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin sind, werden sie der Einfachheit halber in der Folge weiterhin als Patentinhaberin bzw. Einsprechende bezeichnet.
II. In ihrer Einspruchsschrift hatte die Einsprechende den Widerruf des Streitpatents im gesamten Umfang basierend auf den Einspruchsgründen gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit), Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 100 c) EPÜ beantragt.
III. Die folgenden Dokumente aus dem Verfahren vor der Einspruchsabteilung sind für die vorliegende Entscheidung relevant.
D1 WO 98/20144 A2
D6 Schreiben der Environmental Protection Agency an
die AgrEvo USA Company vom 9. Juni 1998
D7 C. D. S. Tomlin (Hrsg.), The Pesticide Manual,
11. Auflage, 1997, Seiten 10 bis 12, 23, 24, 120,
121, 149, 150, 323 bis 325, 643 bis 645, 657,
658, 833, 834, 877, 878, 997, 998, 1095, 1096
und 1188 bis 1190
D9 A. C. York, H. D. Coble, Weed management in
Liberty Link corn and soybeans, Proceedings of
the Southern Weed Science Society, 1997
D11 CA 1 188 533 A
D19 Experimental Report
D20 Ergänzender Versuchsbericht zu Mais
D24 Code of federal regulations, Title 40 -
Protection of Environment, Parts 150 to 189,
Seiten 50 bis 53
IV. Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Patentinhaberin das folgende Dokument ein.
D26 Auszug aus einer Trefferliste, erhalten mit der
Suchfunktion auf der Webseite des Federal
Register
V. Antragsgemäß wurden beide Parteien zu einer mündlichen Verhandlung geladen. Zu deren Vorbereitung erließ die Kammer eine Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020.
VI. Mit Schreiben vom 28. August 2020 nahm die Patentinhaberin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und kündigte an, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde.
VII. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 29. September 2020 in Abwesenheit der Patentinhaberin statt. Am Ende der Verhandlung verkündete der Vorsitzende den Tenor der vorliegenden Entscheidung.
VIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Anträge lauteten wie folgt.
Die Patentinhaberin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Streitpatents in geänderter Fassung auf Basis der folgenden Anspruchssätze:
- Hauptantrag, eingereicht mit Schreiben vom 11. Juni 2015,
- Hilfsanträge 1 bis 5, eingereicht mit ihrer Beschwerdebegründung.
Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents im gesamten Umfang. Ferner beantragte sie die Nichtzulassung von Hilfsantrag 5 zum Verfahren.
IX. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Einsprechenden können wie folgt zusammengefasst werden.
Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 4
In Anspruch 1 des Hauptantrags seien, im Vergleich zum ursprünglichen Anspruch 1, die Listen der beiden Herbizide (A) und (B) stark eingeschränkt worden. Auch weise die in Anspruch 1 genannte Herbizid-Kombination nun nur noch ein Herbizid (B) auf, wohingegen der ursprüngliche Anspruch 1 auf "(B) einem oder mehreren Herbiziden aus der Gruppe der Verbindungen, welche aus [...] besteht" gerichtet gewesen sei. Die nun beanspruchte Kombination von Merkmalen sei so nicht ursprünglich offenbart.
Das Streitpatent ermögliche es nicht, Herbizid-Kombinationen bereitzustellen, die immer synergistisch wirken würden. Die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ seien demnach nicht erfüllt.
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich vom nächstliegenden Stand der Technik D9 nur hinsichtlich der genannten (B) Herbizide. Der von der Patentinhaberin geltend gemachte synergistische Effekt trete nicht über die gesamte Breite der Ansprüche auf bzw. sei nicht über die gesamte Breite der Ansprüche zu akzeptieren. Die objektive technische Aufgabe könne daher nur in der Bereitstellung einer Alternative gesehen werden. Selbst wenn die Aufgabe anspruchsvoller formuliert werde, sei sie im Hinblick auf D11 naheliegend, da D11 die synergistisch wirkende Herbizid-Kombination von Glufosinate-ammonium und MCPA offenbare. Anspruch 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 4 beruhe demnach nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Hilfsantrag 5
Die Patentinhaberin habe schon vor der Einspruchsabteilung eine Vielzahl von Anträgen eingereicht. Dass sie mit ihrer Beschwerdebegründung wieder neue Hilfsanträge eingereicht habe, komme einem Verfahrensmissbrauch gleich. Schon vor der Einspruchsabteilung habe die Patentinhaberin mit Hilfsantrag 20 einen Antrag eingereicht, der ähnlich sei zu Hilfsantrag 5. Es sei daher nicht nachzuvollziehen, weshalb Hilfsantrag 5 erst im Beschwerdeverfahren eingereicht worden sei. Auch liege für den Hilfsantrag 5 keine angepasste Beschreibung vor. Sollte dieser gewährbar sein und die Angelegenheit zur Beschreibungsanpassung and die Einspruchsabteilung zurückverwiesen werden, würde sich das Verfahren unnötig verzögern. Hilfsantrag 5 sei daher nicht zum Verfahren zuzulassen.
Im Vergleich zu den erteilten Ansprüchen sei in den Ansprüchen 1 und 2 des Hilfsantrags 5 unter anderem ein Komma gestrichen worden. Diese Änderungen könnten nicht durch einen Einspruchsgrund veranlasst gewesen sein und würden daher nicht das Erfordernis von Regel 80 EPÜ erfüllen.
Bezüglich der Erfordernisse der Artikel 123 (2) und 83 EPÜ verwies die Einsprechende auf ihre Einwände bezüglich des Hauptantrags.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 sei nicht neu gegenüber D1 und D6. Dass D6 vor dem Prioritätstag des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich gewesen sei, werde durch D24 belegt.
D9 oder D1 könnten als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden. Selbst wenn die objektive technische Aufgabe darin gesehen werde, synergistische Herbizid-Kombinationen bereitzustellen, sei die Lösung in Form von Anspruch 1 nicht erfinderisch. So offenbare D9 die Verbesserung der Wirkung von Glufosinate-ammonium durch Nicosulfuron. Der Fachmann wisse beispielsweise aus D11, dass Kombinationen von Glufosinate-ammonium mit einem weiteren Herbizid synergistisch wirken könnten. Er hätte Glufosinate-ammonium auch mit anderen Herbiziden des Sulfuron-Typs kombiniert, wie beispielsweise den aus D7 bekannten und in Anspruch 1 genannten Herbiziden Rimsulfuron bzw. Thifensulfuron-methyl. In analoger Weise hätte der Fachmann ausgehend von D1 in naheliegender Weise das darin offenbarte Glufosinate-ammonium mit den ebenfalls in D1 offenbarten Triketonen Mesotrione bzw. Sulcotrione kombiniert. In beiden Fällen wäre er damit in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangt. Anspruch 1 beruhe damit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
X. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Patentinhaberin können wie folgt zusammengefasst werden.
Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 4
Die Einspruchsabteilung habe die Erfordernisse von Artikel 123 (2) und 83 EPÜ als erfüllt angesehen. Dem sei zuzustimmen. Insbesondere seien die Behauptungen der Einsprechenden zur mangelnden Ausführbarkeit nicht belegt worden.
D24 könne nicht belegen, dass D6 vor dem Prioritätstag des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich war. D6 sei somit kein Stand der Technik und nicht neuheitsschädlich.
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich vom nächstliegenden Stand der Technik D9 nur hinsichtlich der genannten (B) Herbizide. In der ursprünglichen Anmeldung, D19 und D20 habe die Patentinhaberin den Beweis erbracht, dass jede der in Anspruch 1 genannten Herbizid-Kombinationen synergistisch wirke. Die Behauptungen der Einsprechenden, dieser Effekt trete nicht über die gesamte Breite von Anspruch 1 auf, seien nicht belegt. Der synergistische Effekt sei auch plausibel. Der Einspruchsabteilung sei daher hinsichtlich der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe zuzustimmen ("verbesserte Kombination von Herbiziden auf Basis von Glufosinate zur Bekämpfung von Schadpflanzen in Maiskulturen"). Weder die synergistische Wirkung zweier Herbizide noch ihre Wirkung auf die Kulturpflanze seien vorhersehbar. Es sei daher für den Fachmann nicht naheliegend gewesen, dass die synergistische Herbizid-Kombination der D11 (Glufosinate-ammonium und MCPA) in Maiskulturen eingesetzt werden könnte.
Hilfsantrag 5
In Anspruch 1 sei das (B) Herbizid MCPA gestrichen. D11 sei damit nicht mehr relevant für die erfinderische Tätigkeit.
Hauptantrag
1. Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:
"Verwendung von Herbizid-Kombinationen zur Bekämpfung von Schadpflanzen in Maiskulturen, dadurch gekennzeichnet, daß die jeweilige Herbizid-Kombination einen wirksamen Gehalt an
(A) einem breitwirksamen Herbizid aus der Gruppe der
Verbindungen, welche aus Verbindungen der
Formeln (A1),
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
worin Z einen Rest der Formel -OH oder einen Peptidrest der Formel
-NHCH(CH3)CONHCH(CH3)COOH bedeutet, und deren Salzen
besteht,
und
(B) einem Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen,
welche aus
(B1) Herbiziden der Gruppe Alachlor,
Rimsulfuron, Fluthiamide, Sulcotrione,
Mesotrione und Pethoxamid,
(B2) Herbiziden der Gruppe Metosulam,
Metribuzin, Cloransulam-methyl,
Florasulam und
(B3) Herbiziden der Gruppe Bromoxynil,
Thifensulfuron-methyl, Carfentrazone
-ethyl, MCPA, Diflufenzopyr und
Sulfosulfuron
besteht,
aufweist und die Maiskulturen gegenüber den in der Kombination enthaltenen Herbiziden (A) und (B), gegebenenfalls in Gegenwart von Safenern, tolerant sind."
2. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
2.1 Wie von der Kammer in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 festgestellt bestand Einigkeit zwischen beiden Parteien darüber,
i) dass D9 den nächstliegenden Stand der Technik für den Gegenstand von Anspruch 1 darstellt, und
ii) dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 von D9 lediglich hinsichtlich der Herbizide (B) unterscheidet.
Dies wurde von keiner der Parteien im weiteren Verlauf des Verfahrens bestritten. Die Kammer sah in der mündlichen Verhandlung keine Veranlassung, von dieser einhelligen Meinung beider Parteien abzuweichen.
2.2 In der ursprünglichen Anmeldung und in den Versuchsberichten D19 und D20 hat die Patentinhaberin gezeigt, dass die Kombination von Glufosinate-ammonium, d. h. einem Herbizid (A) gemäß Anspruch 1, mit jedem der in Anspruch 1 genannten Herbizide (B) unter definierten Bedingungen synergistisch wirkt. Diese Daten wurden von der Einsprechenden nicht in Zweifel gezogen. Die Einsprechende wandte jedoch ein, dass dieser synergistische Effekt nicht über die gesamte Breite von Anspruch 1 auftreten könne bzw. nicht akzeptiert werden dürfe.
2.2.1 So zeige das Streitpatent nur anhand weniger ausgewählter Beispiele, wie und wann Synergismus auftreten könne. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb ein Synergismus auch bei anderen Aufwandmengen oder bei anderen Unkräutern auftreten solle. Ferner sollten die einzelnen Herbizide (A) und (B) bei höheren Aufwandmengen schon eine vollständige Unkrautvernichtung zur Folge haben. Dies habe zur Folge, dass dann ein Synergismus überhaupt nicht mehr beobachtbar sein könne. Auch seien biologische Tests inhärent variabel.
Schon in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 hatte die Kammer die vorläufige Ansicht vertreten, dass es sich bei diesen Argumenten lediglich um Behauptungen handele, die einen Synergismus über die gesamte Breite von Anspruch 1 nicht in Frage stellen könnten. Zu diesem Punkt äußerte sich die Einsprechende im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens nicht mehr. Für die Kammer bestand daher in der mündlichen Verhandlung keine Veranlassung, ihrer vorläufige Meinung zu ändern.
2.2.2 Ferner wendete die Einsprechende ein, dass der Nachweis eines Synergismus nicht für alle unter die Ansprüche fallenden Kombinationen in der ursprünglichen Anmeldung erbracht worden sei. Da Synergismus per se nicht vorhersagbar sei, sei am Anmeldetag des Streitpatents ein Synergismus für diejenigen Herbizid-Kombinationen nicht plausibel gewesen, für die der Nachweis erst nach dem Anmeldetag erbracht worden sei. Die erst später erbrachten Nachweise D19 und D20 seien daher nicht zu berücksichtigen.
Schon in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 hatte die Kammer darauf hingewiesen, dass der vorliegende Fall analog dem der Entscheidung T 919/15 zugrunde liegenden Fall sei und auf die Punkte 5.4 bis 5.6 dieser Entscheidung hingewiesen. In Analogie zu diesem Fall gilt auch für den Vorliegenden,
- dass in der ursprünglichen Anmeldung explizit der Synergismus zwischen den beiden Herbiziden (A) und (B) angesprochen wird (Seite 2, Absätze 1 und 3; Seite 4, Absatz 4 bis Seite 5, Absatz 1; Seite 23, Absatz 2)
- dass sechs der anspruchsgemäßen Herbizidkombi-nationen bereits in der ursprünglichen Anmeldung getestet wurden und diese bei gleichem Herbizid (A) (Glufosinate-ammonium) sechs strukturell unterschiedliche Herbizide (B1) und (B3) (Alachlor, Fluthiamide, Sulcotrione, Mesotrione, Bromoxynil, Thifensulfuron-methyl) enthalten und alle Kombinationen einen Synergismus aufweisen.
In Analogie zu T 919/15 kann daher ohne gegenteilige Anhaltspunkte im allgemeinen Fachwissen für das Herbizid (A) enthaltende Herbizidkombinationen nicht davon ausgegangen werden, dass ein Synergismus zwischen den in der ursprünglichen Anmeldung nicht getesteten Kombinationen per se unplausibel wäre. Aus den oben genannten Gründen erscheint ein Synergismus plausibel. Die nachveröffentlichten Dokumente D19 und D20 werden daher bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt. Zur von der Kammer in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vertretenen Ansicht hatte sich die Einsprechende im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens nicht mehr geäußert. Für die Kammer bestand daher in der mündlichen Verhandlung keine Veranlassung dazu, ihre vorläufige Meinung zu ändern.
2.3 Aus dem Obigen folgt, dass die objektive technische Aufgabe in der Bereitstellung synergistisch wirkender Herbizid-Kombinationen zu sehen ist.
2.4 Die Lösung dieser objektiven technischen Aufgabe ist naheliegend im Hinblick auf eine Kombination von D9 mit D11.
D11 (Seite 2, Zeile 1 bis Seite 3, Zeile 3; Seite 3, Zeilen 22 bis 23) betrifft synergistische Kombinationen der drei Herbizide (I), (II) und (III)/Diuron oder (IV)/Simazin. Als Herbizid (I) ist Glufosinate-ammonium besonders bevorzugt (D11: Seite 3, Zeilen 6 bis 8), entsprechend dem in D9 offenbarten und in Anspruch 1 genannten Herbizid (A). Als Vertreter für die Herbizide (II) ist MCPA, entsprechend dem in Anspruch 1 genannten Herbizid (B3), explizit genannt (D11: Seite 3, Zeilen 14 bis 16). Somit offenbart also D11 die synergistische Herbizid-Kombination aus Glufosinate-ammonium und MCPA. Diese synergistische Herbizid-Kombination zur Bekämpfung von Schadpflanzen in einer speziellen Kultur, wie der in Anspruch 1 geforderten Maiskultur, gemäß D9 einzusetzen, bedarf keiner erfinderischen Tätigkeit. Dass dabei "die Maiskulturen gegenüber den in der Kombination enthaltenen Herbiziden (A) und (B) [...] tolerant sind", wie von Anspruch 1 gefordert, kann eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Wie schon von der Einspruchsabteilung festgestellt (angefochtene Entscheidung, Seite 20, Absatz 2), wird durch dieses Merkmal lediglich zum Ausdruck gebracht, dass für die Verwendung einer speziellen Herbizid-Kombination gemäß Anspruch 1 nur solche Maiskulturen auszuwählen sind, die gegenüber der Kombination resistent sind. Dieses Vorgehen ist für den Fachmann ebenfalls naheliegend.
Der Fachmann würde also zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen. Anspruch 1 des Hauptantrags beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und der Hauptantrag ist nicht gewährbar.
Hilfsanträge 1 bis 4
3. Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 4 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das Herbizid (A) auf Glufosinate-ammonium beschränkt ist. Bei den Hilfsanträgen 2 bis 4 sind in Anspruch 1 jeweils zusätzlich Vertreter aus der Liste der Herbizide (B) gestrichen, nämlich
- bei Hilfsantrag 2: Bromoxynil
- bei Hilfsantrag 3: Sulcotrione und Mesotrione
- bei Hilfsantrag 4: Bromoxynil, Sulcotrione und Mesotrione.
Der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 4 umfasst somit nach wie vor die Verwendung einer Herbizid-Kombination, die Glufosinate-ammonium und MCPA aufweist. Die obige bzgl. Anspruch 1 des Hauptantrags dargelegte Argumentation findet somit ebenfalls Anwendung auf Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 4. Die Hilfsanträge 1 bis 4 sind demnach nicht gewährbar.
Hilfsantrag 5
4. Zulassung (Artikel 12 (4) VOBK 2007)
Hilfsantrag 5 wurde von der Patentinhaberin mit ihrer Beschwerdebegründung eingereicht. In der mündlichen Verhandlung beantragte die Einsprechende die Nichtzulassung dieses Antrags zum Verfahren basierend auf Artikel 12 (4) VOBK 2007.
Die Einsprechende argumentierte, dass die Patentinhaberin schon vor der Einspruchsabteilung wiederholt eine Vielzahl von Anträgen eingereicht habe. Dass sie mit ihrer Beschwerdebegründung nun wieder neue Hilfsanträge eingereicht habe, komme einem Verfahrensmissbrauch gleich. Schon vor der Einspruchsabteilung habe die Patentinhaberin beispielsweise mit dem am 11. Juni 2015 eingereichten Hilfsantrag 20 einen Antrag eingereicht, der sehr ähnlich sei zum vorliegenden Hilfsantrag 5. Daraus werde deutlich, dass die Patentinhaberin Hilfsantrag 5 schon im Verfahren vor der Einspruchsabteilung hätte einreichen können. Auch habe die Patentinhaberin keine an den Hilfsantrag 5 angepasste Beschreibung eingereicht. Sollte dieser Antrag für gewährbar gehalten und die Sache zur Anpassung der Beschreibung zurückverwiesen werden, würde das Verfahren unnötig in die Länge gezogen werden. Im Hinblick darauf, dass die Laufzeit des Streitpatents schon abgelaufen sei, sei das Verhalten der Patentinhaberin aus verfahrensökonomischer Sicht nicht zu rechtfertigen.
Hilfsantrag 5 wurde von der Patentinhaberin mit ihrer Beschwerdebegründung und damit in einem sehr frühen Stadium des Beschwerdeverfahrens eingereicht. Die von der Patentinhaberin mit ihrer Beschwerdebegründung eingereichten Anspruchssätze des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 5 haben eine konvergente Struktur und stellen eine "kondensierte" Fassung der Hilfsanträge dar, die vor der Einspruchsabteilung eingereicht worden sind. So wurde in Hilfsantrag 1 lediglich die Komponente (A) eingeschränkt. In den Hilfsanträgen 2 bis 5 wurden jeweils bestimmte Alternativen aus der Liste der Herbizide (B) gestrichen (Hilfsantrag 2: Bromoxynil; Hilfsantrag 3: Sulcotrione und Mesotrione; Hilfsantrag 4: Bromoxynil, Sulcotrione und Mesotrione; Hilfsantrag 5: MCPA). Die Kammer erkennt zwar an, dass diese Änderungen in unterschiedliche Richtungen gehen, was vordergründig für eine Divergenz sprechen könnte. Tatsächlich sind die einzelnen Änderungen jedoch im wesentlichen darauf gerichtet, verschiedene Einwände der Einsprechenden auszuräumen. Beispielsweise zielt die Streichung der Alternative Bromoxynil sowie der Alternativen Sulcotrione und Mesotrione aus der Liste der Herbizide (B) auf die Herstellung der Neuheit gegenüber D6 und D1 ab. Die Streichung der Alternative MCPA ist auf die Herstellung der erfinderischen Tätigkeit gegenüber einer Kombination aus D9 mit D11 gerichtet (siehe unten). Somit liegt tatsächlich keine Divergenz der Hilfsanträge vor (siehe Entscheidung T 2191/13, Punkt 11.3). Ferner wird durch den Hilfsantrag 5 auch kein neuer Sachverhalt aufgeworfen, der vom erstinstanzlichen Vorbringen abweicht, und somit im Lichte des Artikels 12(2) VOBK 2020 nicht zuzulassen wäre. Vielmehr ist der vorliegende Hilfsantrag 5 mit dem Hilfsantrag 20 vom 11. Juni 2015 weitgehend identisch und unterscheidet sich von diesem lediglich dadurch, dass er zwei zusätzliche Ansprüche enthält. Diese sind auf eine eine Herbizid-Kombination enthaltende herbizide Zusammensetzung gerichtet. Die Definition der Herbizid-Kombination der Zusammensetzung ist dabei jedoch enger gefasst als die Definition der Herbizid-Kombination, die gemäß Anspruch 1 verwendet wird. Aus diesen Gründen war der Kammer nicht ersichtlich, und von der Einsprechenden wurde in diesem Zusammenhang auch nichts vorgetragen, weshalb der Einsprechenden die Auseinandersetzung mit Hilfsantrag 5 nicht zumutbar gewesen sein sollte.
Auch das Argument einer nach einer möglichen Zurückverweisung auf der Grundlage des Hilfsantrags 5 noch anzupassenden Beschreibung verfängt nicht. So ist es eine gängige Praxis der Beschwerdekammern, eine Sache zur Beschreibungsanpassung an das Organ zurückzuverweisen, welches die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Auch eine abwesende Patentinhaberin kann daher in aller Regel davon ausgehen, dass ihr Patent nicht unter Artikel 84 EPÜ widerrufen wird, nur weil keine für einen prinzipiell gewährbaren Satz von Patentansprüchen angepasste Beschreibung vorliegt. Dass bei einem solchen Vorgehen das Verfahren unter Umständen unnötig verlängert wird, wiegt dabei weniger schwer als der andernfalls zu erfolgende Widerruf des Streitpatents. Aus diesen Gründen entschied die Kammer in der mündlichen Verhandlung, den Antrag der Einsprechenden auf Nichtzulassung abzulehnen. Hilfsantrag 5 blieb daher im Verfahren.
5. Die unabhängigen Ansprüche haben den folgenden Wortlaut.
Anspruch 1
"Verwendung von Herbizid-Kombinationen zur Bekämpfung von Schadpflanzen in Maiskulturen, dadurch gekennzeichnet, daß die jeweilige Herbizid-Kombination einen wirksamen Gehalt an
(A) dem breitwirksamen Herbizid Glufosinate-ammonium
und
(B) einem Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen,
welche aus
(B1) Herbiziden der Gruppe Alachlor,
Rimsulfuron, Fluthiamide, Sulcotrione,
Mesotrione und Pethoxamid,
(B2) Herbiziden der Gruppe Metosulam,
Metribuzin, Cloransulam-methyl,
Florasulam und
(B3) Herbiziden der Gruppe Bromoxynil,
Thifensulfuron-methyl, Carfentrazone
-ethyl, Diflufenzopyr und
Sulfosulfuron
besteht,
aufweist und die Maiskulturen gegenüber den in der Kombination enthaltenen Herbiziden (A) und (B), gegebenenfalls in Gegenwart von Safenern, tolerant sind."
Anspruch 6
"Verfahren zur Bekämpfung von Schadpflanzen in toleranten Maiskulturen, dadurch gekennzeichnet, daß man die Herbizide der Herbizid-Kombination, definiert nach einem der Ansprüche 1 bis 5, gemeinsam oder getrennt im Vorauflauf, Nachauflauf oder im Vor- und Nachauflauf auf die Pflanzen, Pflanzenteile, Pflanzensamen oder die Anbaufläche appliziert."
Anspruch 7
"Herbizide Zusammensetzung, dadurch gekennzeichnet, daß sie eine Kombination aus dem Herbizid (A1), definiert nach Anspruch 1, und einem Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen enthält, die aus
(B1) Herbiziden der Gruppe Fluthiamide und
Pethoxamid,
(B2) Herbiziden der Gruppe Metosulam,
Cloransulam-methyl und Florasulam
(B3) Herbiziden der Gruppe Carfentrazone-ethyl und
Diflufenzopyr
besteht."
6. Änderungen (Regel 80 EPÜ)
Im Vergleich zu den erteilten Ansprüchen 1 und 2 wurde in den Ansprüchen 1 und 2 des Hilfsantrags 5 bei den Herbiziden (B2) hinter dem Wort "Gruppe" ein Komma gestrichen. In der mündlichen Verhandlung argumentierte die Einsprechende nun zum ersten Mal, dass diese Änderungen nicht durch einen Einspruchsgrund veranlasst gewesen sein könnten und dass daher die Erfordernisse von Regel 80 EPÜ nicht erfüllt seien.
Dieser Einwand wirft eine neue Frage auf, nämlich die Gewährbarkeit einer Änderung unter gleichzeitiger Berücksichtigung von Regel 139 EPÜ und Regel 80 EPÜ und wurde in einem sehr fortgeschrittenen Verfahrensstadium vorgebracht. Aus diesen Gründen entschied die Kammer, diesen Einwand nicht ins Verfahren zuzulassen (Artikel 13 (1) und 13 (3) VOBK 2007).
7. Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
7.1 Anspruch 1 unterscheidet sich von der Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 dadurch,
a) dass bei dem Herbizid (B) die im ursprünglichen Anspruch 1 genannte Alternative (B0) gestrichen und die verbleibenden Alternativen (B1) bis (B3) auf konkrete Verbindungen beschränkt wurden, und
b) dass die Herbizid-Kombinationen nun nur noch ein Herbizid (B) aufweisen, wohingegen sich der ursprüngliche Anspruch 1 noch auf "(B) einem oder mehreren Herbiziden aus der Gruppe der Verbindungen" (Hervorhebung hinzugefügt) bezieht.
Die nun in Anspruch 1 bei den Herbiziden (B1) bis (B3) genannten konkreten Verbindungen sind in der ursprünglichen Anmeldung in der Liste der Beispielverbindungen für das Herbizid (B) offenbart (Seite 12, Zeile 2 bis Seite 16, Zeile 5). Obige Änderung a) resultiert daher aus einer einmaligen Auswahl von Verbindungen aus einer Liste in der ursprünglichen Anmeldung. Eine solche einmalige Auswahl generiert keinen ursprünglich nicht offenbarten Gegenstand. Dass die Herbizid-Kombination jetzt nur noch ein Herbizid (B) aufweist (obige Änderung b)), stellt lediglich einen Verzicht auf einen Teil des ursprünglichen Anspruchsgegenstands dar, generiert aber keinen neuen, im Sinne eines "singling out" individualisierten, ursprünglich nicht offenbarten Gegenstand (analog T 371/10, Nr. 3.2 der Entscheidungsgründe). Insbesondere kann das eine Herbizid (B) nach wie vor aus drei jeweils aus mehreren Mitgliedern bestehenden Listen (B1) bis (B3) ausgewählt werden.
Anspruch 2 basiert auf der oben schon genannten Liste der Beispielverbindungen für das Herbizid (B) in der ursprünglichen Anmeldung. Anspruch 3 basiert auf Seite 17, Absatz 2 bis Seite 18, Zeile 3 der ursprünglichen Anmeldung. Die Ansprüche 4 bis 6 basieren auf den ursprünglichen Ansprüchen 5 bis 7. Anspruch 7 basiert auf einer Kombination der ursprünglichen Ansprüche 8, 1 und 2. Dabei gelten die oben gemachten Ausführungen bezüglich der Änderungen gegenüber der Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 mutatis mutandis.
7.2 Zusammengefasst erfüllt somit der beanspruchte Gegenstand von Hilfsantrag 5 die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ.
8. Ausreichende Offenbarung (Artikel 83 EPÜ)
Im Hinblick auf Artikel 83 EPÜ verwies die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung auf ihr schriftliches Vorbringen zum Hauptantrag. Dieses Vorbringen fasste sie in ihrer Beschwerdebegründung (Punkt 4.2, letzter Satz) folgendermaßen zusammen:
"Accordingly, the patent does not generally enable the provision [sic] synergistic mixtures, and
accordingly the requirements of A83 EPC are not fulfilled."
In ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 hatte die Kammer ausgeführt, dass dies insofern nicht überzeugend sei, als ein Synergismus kein Merkmal der Ansprüche des Hauptantrags sei. Die Frage, ob die anspruchsgemäßen Herbizid-Kombinationen synergistisch seien oder nicht, könne daher allenfalls für die erfinderische Tätigkeit, nicht aber für eine ausreichenden Offenbarung von Bedeutung sein (G 1/03, Nr. 2.5.2 der Entscheidungsgründe).
Auch die Ansprüche von Hilfsantrag 5 erfordern keinen Synergismus zwischen beispielsweise den Herbiziden (A) und (B). Das Obige gilt daher entsprechend auch für Hilfsantrag 5. Artikel 83 EPÜ steht damit der Aufrechterhaltung des Streitpatents in geänderter Fassung auf Basis der Ansprüche des Hilfsantrags 5 nicht entgegen.
9. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
Die Neuheitseinwände der Einsprechenden basierten auf D1 und D6.
9.1 Neuheitseinwand basierend auf D1
D1 (Ansprüche 16 und 18) offenbart ein Verfahren zur selektiven Kontrolle von Unkräutern in Feldfruchtkulturen, bei dem ein Triketon-Herbizid und Glufosinat eingesetzt werden. Das Verfahren wird letzten Endes durch den Einbau von Genen in die Feldfrucht ermöglicht, die ihr Resistenz gegenüber Triketonen bzw. Glufosinat verleiht. Ferner offenbart D1 (Seite 3, Zeilen 3 bis 6; Seite 6, Zeile 27 bis Seite 7, Zeile 2) eine Liste möglicher Triketone, darunter unter anderem die anspruchsgemäßen (B1) Herbizide Sulcotrione und Mesotrione, und eine Liste möglicher Feldfrüchte, darunter unter anderem Mais.
Geht man zugunsten der Einsprechenden davon aus, dass das in D1 allgemein mit "Glufosinat" bezeichnete Herbizid gleichzusetzen ist mit dem anspruchsgemäßen (A) Herbizid Glufosinate-ammonium, müsste immer noch eine doppelte Auswahl aus zwei unabhängigen Listen der D1 vorgenommen werden, um zu einer Ausführungsform zu gelangen, die in den Gegenstand von Anspruch 1 fällt, nämlich zum einen die Auswahl von Sulcotrione oder Mesotrione aus der Liste von Triketonen und zum anderen die Auswahl von Mais aus der Liste möglicher Feldfrüchte. Eine solche doppelte Auswahl ist nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern neuheitsbegründend.
Die Einsprechende argumentierte in diesem Zusammenhang, dass in D1 die Feldfrucht Mais klar bevorzugt sei. Zur Stütze ihrer Argumentation verwies sie auf die folgenden Textstellen, die den Beispielen 3, 7 und 8 wie folgt zugeordnet werden können:
- Beispiel 3: Seite 22, Zeilen 17 bis 22
- Beispiel 7: Seite 32, Zeilen 1 ff.; der Verweis auf die in Beispiel 7 eingehend diskutierte Figur 11 auf Seite 12, Zeile 10
- Beispiel 8: Seite 35, Zeilen 18 ff.; Seite 42, Zeile 14; Seite 43, Zeile 13
Somit müsse die Feldfrucht Mais nicht aus der Offenbarung der D1 ausgewählt werden. Letzten Endes müsse also nur einmal ausgewählt werden, nämlich Sulcotrione oder Mesotrione aus der Liste von Triketonen. Eine solche einmalige Auswahl sei aber nicht neuheitsbegründend.
Dies ist nicht überzeugend. Wie oben schon angedeutet, lassen sich die von der Einsprechenden angeführten Textstellen den Beispielen 3, 7 und 8 zuordnen, d. h. spezifischen Ausführungsformen der Erfindung von D1. Das Beispiel 3 betrifft Tabakpflanzen. Diese werden genetisch so verändert, dass sie gegen Anilid- und Diphenylether-Herbizide resistent sind. Zur Bestimmung des Erfolgs der genetischen Transformation wird letzten Endes ein Vergleich mit einem aus Mais isolierten Protein herangezogen. Mais wird in diesem Beispiel weder genetisch verändert noch irgendwelchen Herbiziden ausgesetzt. In den Beispielen 7 und 8 wird Mais so genetisch modifiziert, dass er resistent ist gegen Kombinationen von Herbiziden und zwar gegen die Kombination von Glufosinat und Anilid-Herbiziden (Beispiel 7) bzw. gegen die Kombination von Glufosinat und Glyphosat (Beispiel 8). In diesen beiden Beispielen wird keine Resistenz gegen Triketon-Herbizide erzeugt und der genetisch veränderte Mais auch diesen Herbiziden nicht ausgesetzt. Keines dieser Beispiele 3, 7 und 8 ist mithin neuheitsschädlich für den Gegenstand von Hilfsantrag 5. Darüber hinaus lässt sich aus D1 auch keine Bevorzugung von Mais gegenüber anderen Feldfrüchten ableiten. Nur die Beispiele 7 und 8 betreffen die genetische Veränderung von Mais. In den übrigen Beispielen 1 bis 6 und 9 hingegen, werden Tabak und/oder Tomate genetisch verändert. Allenfalls ließe sich aus den Beispielen der D1 also eine Bevorzugung von drei Feldfrüchten, nämlich Tabak, Tomate und Mais, ableiten. Eine Auswahl von Mais aus diesen drei Feldfrüchten wäre dann aber nach wie vor noch nötig.
Schriftlich argumentierte die Einsprechende, dass der Gegenstand von Anspruch 1, soweit er sich auf die Bekämpfung von Schadpflanzen in Maiskulturen unter Verwendung unter anderem der Herbizide Sulcotrione oder Mesotrione beziehe, gedanklich nicht nur durch eine Auswahl von Mais bzw. Sulcotrione/Mesotrione aus den entsprechenden Listen in D1 erhalten werde. Gedanklich sei es ebenso möglich, dass Vertreter aus den Listen der D1 soweit gestrichen würden bis nur noch Mais bzw. Sulcotrione/Mesotrione übrig blieben. Ein solches Streichen von Vertretern aus mehreren Listen habe die Kammer für gewährbar befunden. Da bezüglich Artikel 123 (2) EPÜ und Artikel 54 EPÜ die gleichen Maßstäbe zu gelten hätten, entstünde ein Widerspruch, wenn D1 nicht als neuheitsschädlich angesehen würde. Dieser Einwand ist jedoch nicht überzeugend. Zwar trifft es zu, dass bei der Beurteilung der Erfordernisse unter anderem von Artikel 123 (2) EPÜ und Artikel 54 EPÜ die gleichen Maßstäbe gelten und angewendet werden müssen (G 1/15, Nr. 6.2 der Entscheidungsgründe). Dies führt jedoch im vorliegenden Fall nicht zu einem Widerspruch, wie von der Einsprechenden vorgetragen. Die Kammer hat die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ unter anderem deshalb für erfüllt angesehen, weil die vorgenommenen Änderungen bzw. Streichungen kein "singling out" von (anderweitig nicht offenbarten) spezifischen Kombinationen zur Folge hatten (siehe Punkt 7.1 oben). Um jedoch ausgehend von D1 zu einem Gegenstand zu gelangen, der als neuheitsschädlich für den beanspruchten Gegenstand des Hilfsantrags 5 angesehen werden könnte, müsste die Streichung von Alternativen innerhalb der Liste der in D1 genannten Feldfrüchte soweit getrieben werden, dass schließlich nur noch eine Feldfrucht (nämlich Mais) übrig bliebe. Diesbezüglich wäre also ein "singling out" notwendig, ohne dass es, wie oben dargelegt, hierzu einen "Pointer" im Sinne einer Bevorzugung in D1 gibt.
9.2 Neuheitseinwand basierend auf D6
Bei der D6 handelt es sich um ein Schreiben der Environmental Protection Agency. Es betrifft den Antrag der AgrEvo USA Company auf Änderung des Produktdatenblatts ihres Herbizids "Liberty**(®)". Das Produktdatenblatt ist diesem Schreiben angehängt. Aus dem Produktdatenblatt geht hervor, dass das Herbizid "Liberty**(®)" Glufosinate-ammonium, also das anspruchsgemäße Herbizid (A), enthält und es in Kombination mit dem Herbizid "Buctril**(®)" zur Bekämpfung von Unkräutern in gegen Glufosinat resistenten Maiskulturen eingesetzt werden kann (D6: Seite 2, Absatz "ACTIVE INGREDIENT"; Seite 6, Absatz 2; Seite 15, Abschnitt "Corn Tank Mix Herbicide Partners for Liberty Herbicide"). Das Herbizid "Buctril**(®)" enthält das anspruchsgemäße (B3) Herbizid Bromoxynil (D7: Seite 150, Absatz "APPLICATIONS - Selected Tradenames"). Somit entspricht die in D6 offenbarte Herbizidkombination der anspruchsgemäßen Herbizidkombination. Während dies von der Patentinhaberin nicht bestritten wurde, war zwischen den Parteien strittig, ob es sich bei D6 um Stand der Technik gemäß Artikel 54(2) EPÜ handelt.
D6 trägt einen Datumsstempel vom 9. Juni 1998. Dies liegt knapp vor dem frühesten Prioritätsdatum des Streitpatents (13. August 1998).
Laut der Einsprechenden gehe nun aus D24 hervor, dass D6 vor dem frühesten Prioritätstag des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich gewesen sei. D6 sei daher neuheitsschädlich für Anspruch 1.
Bei D24 handelt es sich um einen Auszug aus dem "Code of federal regulations". Dieser Text enthält Vorschriften darüber, wie beispielsweise die Environmental Protection Agency mit Unterlagen umzugehen hat, die sie mit Antragstellern austauscht. Laut Einsprechender gehe aus D24 hervor, dass Antragsunterlagen über ein "Public Docket" (siehe insbesondere D24: Seite 52, linke Spalte, vorletzter Absatz) der Öffentlichkeit zugänglich zu machen sind. Somit sei D6 im Rahmen der in D24 enthaltenen Vorschriften vor dem frühesten Prioritätsdatum des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich gewesen.
Wie in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 von der Kammer festgestellt, ist dies schon deshalb nicht überzeugend, weil die Vorschriften der D24 erst ab dem 1. Juli 1998 Anwendung fanden (D24: Seite 1, "AS OF JULY 1, 1998"). D6 hingegen trägt einen Datumsstempel vom 9. Juni 1998. D6 wurde also vor dem Inkrafttreten der Vorschriften der D24 an die Antragstellerin AgrEvo USA Company versandt. Aus der D24 geht aber nicht hervor, ob ihre Vorschriften auch auf vor dem 1. Juli 1998 versandte Schriftstücke Anwendung finden sollten oder nicht. Die Einsprechende argumentierte in diesem Zusammenhang, dass es sich bei D24 lediglich um eine aktualisierte Version handele und deswegen klar sei, dass die den Austausch zwischen der Environmental Protection Agency und eventuellen Antragstellern betreffenden Vorschriften auch schon vorher gegolten haben müssten. Die Kammer kann sich dem aber nicht anschließen, da aus D24 nicht hervorgeht, welche Vorschriften genau geändert worden sind.
Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung auch die Aussagekraft der von der Patentinhaberin in Bezug auf obigen Neuheitseinwand eingereichten D26 in Zweifel zog. Im Wesentlichen trug sie vor, die in D26 geschilderte Recherche wiederholt zu haben und zu einem gänzlich anderen Ergebnis als die Patentinhaberin gekommen zu sein. D26 ist aber für obige Überlegung überhaupt nicht von Relevanz. Somit kann dahingestellt bleiben, welche Schlussfolgerung aus D26 zu ziehen ist. Auch wurde die Behauptung der Einsprechenden in keinster Weise belegt. Sie ist daher nicht überzeugend.
9.3 Anspruch 1 ist somit neu. Die obige Argumentation gilt mutatis mutandis auch für den unabhängigen Verfahrensanspruch 6, da sich dieser bezüglich der eingesetzten Herbizid-Kombinationen auf diejenigen von Anspruch 1 bezieht. Die Neuheitseinwände der Einsprechenden können gegen den unabhängigen Produktanspruch 7 nicht einschlägig sein, da von diesem die von der Einsprechenden angegriffenen Kombinationen von Glufosinate-ammonium mit Mesotrione oder Sulcotrione (Einwand basierend auf D1) bzw. mit Bromoxynil (Einwand basierend auf D6) nicht mitumfasst sind.
Zusammengefasst ist somit der beanspruchte Gegenstand von Hilfsantrag 5 neu.
10. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Bei ihren Einwänden zur erfinderischen Tätigkeit ging die Einsprechende von D9 bzw. D1 als nächstliegendem Stand der Technik aus.
10.1 Einwand ausgehend von D9
Anspruch 1 von Hilfsantrag 5 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das Herbizid (A) auf einen einzigen Vertreter, das Glufosinate-ammonium, beschränkt ist und dass in der Liste der Herbizide (B) das (B3) Herbizid MCPA gestrichen ist. Mithin ist Anspruch 1 von Hilfsantrag 5 enger gefasst als Anspruch 1 des Hauptantrags. Basierend auf den obigen Überlegungen zum Hauptantrag kann also die objektive technische Aufgabe wieder darin gesehen werden, synergistisch wirkende Herbizid-Kombinationen bereitzustellen. Die oben für den Hauptantrag getroffene Schlussfolgerung des Naheliegens der Herbizidkombination Glufosinate-ammonium und MCPA greift damit für Hilfsantrag 5 nicht mehr, da MCPA aus der Liste der (B3) Herbizide gestrichen wurde.
Die Einsprechende argumentierte nun, dass D9 (Seite 2, Absatz 2) die Verbesserung der Wirkung von Glufosinate-ammonium durch Nicosulfuron offenbare. Ferner sei dem Fachmann prinzipiell beispielsweise aus D11 bekannt, dass Kombinationen von Glufosinat mit einem weiteren Herbizid synergistisch wirken könnten. Er hätte daher Glufosinate-ammonium auch mit anderen Herbiziden des Sulfuron-Typs kombiniert, wie beispielsweise den aus D7 (Seiten 1095 f. und 1188 f.) allgemein bekannten und in Anspruch 1 genannten (B1) bzw. (B3) Herbiziden Rimsulfuron bzw. Thifensulfuron-methyl. Mithin beruhe Anspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Dies überzeugt insofern nicht, als ein Synergismus zwischen zwei Herbiziden per se nicht vorhersagbar ist (T 1814/11, Entscheidungsgründe Nr. 3.3). So hätte ein Fachmann das in D9 offenbarte Nicoslufuron in seiner Kombination mit Glufosinate-ammonium zwar gegen die anspruchsgemäßen Herbizide Rimsulfuron oder Thifensulfuron-methyl austauschen können. Er hätte diesen Austausch jedoch nicht vorgenommen in der klaren Erwartung, dadurch eine synergistische Kombination von Herbiziden zu erhalten.
10.2 Einwand ausgehend von D1
Zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer brachte die Einsprechende einen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik vor. Die Kammer entschied, diesen Einwand zum Verfahren zuzulassen. Da der Einwand nicht durchgreift, braucht seine Zulassung nicht näher begründet zu werden.
Der Gegenstand von Anspruch 1 ist wie oben dargestellt neu gegenüber D1, weil aus der Offenbarung der D1 zweimal eine Auswahl getroffen werden muss, um zu einer Ausführungsform zu gelangen, die in den Gegenstand von Anspruch 1 fällt. Zum einen müssen Mesotrione oder Sulcotrione aus der Liste der Triketone, zum anderen muss Mais aus der Liste der Feldfrüchte ausgewählt werden. Der mit diesem Unterscheidungsmerkmal verbundene technische Effekt ist wiederum die synergistische Wirkung der anspruchsgemäßen Herbizid-Kombinationen. Aus den oben schon für den Hauptantrag bezüglich D9 als dem nächstliegenden Stand der Technik dargelegten Gründen ist auch ausgehend von D1 davon auszugehen, dass dieser Effekt über die gesamte Breite der Ansprüche erzielt wird und plausibel ist. Mithin kann die objektive technische Aufgabe wiederum darin gesehen werden, synergistisch wirkende Herbizid-Kombinationen bereitzustellen.
In Analogie zu ihrer Argumentation ausgehend von D9 argumentierte die Einsprechende, dass dem Fachmann prinzipiell beispielsweise aus D11 bekannt sei, dass Kombinationen von Glufosinat mit einem weiteren Herbizid synergistisch wirken könnten. Er hätte daher in einfacher Weise das in D1 offenbarte Glufosinate-ammonium mit den ebenfalls in D1 offenbarten Triketonen Mesotrione bzw. Sulcotrione getestet. Er wäre somit unweigerlich zu einer Ausführungsform gelangt, die in den Gegenstand von Anspruch 1 fällt. Anspruch 1 beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Dieser Einwand lässt wiederum unberücksichtigt, dass ein Synergismus zwischen zwei Herbiziden per se nicht vorhersagbar ist. So hätte ein Fachmann zwar, wie von der Einsprechenden vorgetragen, die Herbzid-Kombinationen Glufosinate-ammonium und Mesotrione bzw. Glufosinate-ammonium und Sulcotrione durchaus testen können. Er hätte dies jedoch nicht in der klaren Erwartung getan, dadurch eine synergistisch wirkende Herbizid-Kombination zu erhalten.
10.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht demnach auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die obige Argumentation gilt mutatis mutandis auch für den unabhängigen Verfahrensanspruch 6, da sich dieser bezüglich der eingesetzten Herbizid-Kombinationen auf diejenigen von Anspruch 1 bezieht. Die Einwände der Einsprechenden zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit können gegen den unabhängigen Produktanspruch 7 nicht einschlägig sein, da von diesem die von der Einsprechenden angegriffenen Kombinationen von Glufosinate-ammonium mit Mesotrione oder Sulcotrione (Einwand ausgehend von D1) bzw. mit Rimsulfuron oder Thifensulfuron-methyl (Einwand ausgehend von D9) nicht mitumfasst sind.
Zusammengefasst beruht somit der beanspruchte Gegenstand von Hilfsantrag 5 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgenden Ansprüchen und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche 1 bis 8 des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags 5