T 0106/84 (Verpackungsmaschine) 25-02-1985
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1. Der auf den ersten Blick naheliegende Einbau einer bekannten Vorrichtung in eine bekannte Maschine kann auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen, wenn dadurch nachweislich eine Konstruktionsvereinfachung, verbunden mit einer Leistungsverbesserung in der praktischen Anwendung, erzielt und eine seit langem bestehende Aufgabe gelöst wird.
2. Die Schwierigkeit, eine einfache Lösung ohne Qualitätseinbusse zu entwickeln, wird leicht verkannt, wenn die erfinderische Tätigkeit im nachhinein beurteilt wird. Eine Anmeldung sollte nicht wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen werden, wenn einschlägige Fachleute es erstaunlich fänden, dass noch niemand auf diese einfache Lösung gekommen ist.
Erfinderische Tätigkeit
Verwendung eines bekannten Teils für einen neuen Zweck
Vereinfachung als Hinweis auf erfinderische Tätigkeit
Unerwarteter Vorteil
Kommerzieller Erfolg
I. Die am 15. April 1981 als internationale Anmeldung (PCT/DK 81/00040) unter Beanspruchung der Priorität einer dänischen nationalen Anmeldung vom 16. April 1980 eingereichte und unter der internationalen Veröffentlichungsnummer WO 81/03005 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 81 901 154.5 wurde mit Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 2. November 1983 zurückgewiesen. Der Entscheidung lagen die am 29. Juli 1983 eingegangenen Patentansprüche 1 bis 3 zugrunde, die mit den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 1 bis 3 identisch sind.
Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf die Vorveröffentlichungen DE-A-1 778394 und GB-A-1 562 610 eine erfinderische Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ nicht aufweise und daher nach Artikel 52 (1) EPÜ nicht gewährbar sei.
II. Am 30. Dezember 1983 legte der Beschwerdeführer gegen diese Entscheidung fernschriftlich Beschwerde ein und entrichtete die Beschwerdegebühr. Er bestätigte das Fernschreiben später mit einem am 2. Januar 1984 eingegangenen Schreiben und reichte die Beschwerdebegründung am 1. März 1984 nach.
Der Beschwerdeführer behauptete, die verbesserte Maschine nach Anspruch 1 zum Verpacken von Waren in Kunststoffolie, die von einer Folienrolle abgenommen werde, habe nicht vom Stand der Technik abgeleitet werden können, weil dort das Problem nicht behandelt werde, wie eine Kunststoffolie völlig sauber abgeschnitten werden könne, ohne daß schädliche Abfallprodukte entstünden.
III. Aufgrund der Einwände, die die Beschwerdekammer in einem Bescheid an den Beschwerdeführer erhoben hatte, reichte dieser am 2. November 1984 einen neuen Anspruchssatz 1 bis 3 sowie einen überarbeiteten einführenden Teil zur Beschreibung ein und beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines europäischen Patents auf der Grundlage dieser geänderten Unterlagen.
Anspruch 1 lautet wie folgt: Verpackungsmaschine, zum Beispiel Packtisch, zum Verpacken von Waren in von einer Rolle abgewickelte Kunststoffolie, die eine heizbare Abreißkante in Form eines Heizstabes mit einem Heizkörper und einem Mittel zur Temperaturregelung aufweist, mit der ein zum Verpacken dienendes Folienstück durch Wärmeeinwirkung auf die Folie von der Rolle abgetrennt werden kann, dadurch gekennzeichnet, daß das Mittel zur Temperaturregelung von dem Heizkörper selbst bereitgestellt wird, der aus PTC-Elementen besteht oder in den solche Elemente eingeführt werden.
IV. Der Beschwerdeführer beantragte außerdem die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ.
V. Hinsichtlich der ursprünglichen Patentansprüche, Beschreibung und Zeichnungen wird auf die Veröffentlichung Nr. WO 81/03005 verwiesen.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 und 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig.
2. Nach Ansicht der Kammer ist der Oberbegriff des Anspruchs 1 nicht zu beanstanden, der eine Verpackungsmaschine, zum Beispiel einen Packtisch, zum Verpacken von Waren in von einer Rolle abgewickelte Kunststoffolie, als zum Stand der Technik gehörig beschreibt; die bekannte Vorrichtung weist eine heizbare Abreißkante in Form eines Heizstabes mit einem Heizkörper und einem Mittel zur Temperaturregelung auf, mit der ein zum Verpacken dienendes Folienstück durch Wärmeeinwirkung auf die Folie von der Rolle abgetrennt wird.
Diese Merkmale gehören in Verbindung miteinander zum nächstliegenden Stand der Technik; Regel 29(1) a) EPÜ ist somit erfüllt.
Die Merkmale, die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 genannt sind, unterscheiden sich vom obengenannten Stand der Technik durch die hervorstechenden Merkmale, die der Beschwerdeführer schützen lassen möchte; Regel 29 (1) b) EPÜ ist also erfüllt. Gegenüber dem Anspruch 1, der der Entscheidung zugrunde lag, weist der nunmehr gültige Anspruch 1 lediglich das zusätzliche Merkmal des Mittels zur Temperaturregelung auf, das durch den Heizkörper selbst bereitgestellt wird. Dieses Merkmal ist der Beschreibung, Seite 4, letzter Absatz, zu entnehmen, wonach die PTC-Elemente, die die Temperaturregelung ermöglichen, den Heizstab bilden oder in diesen eingeführt werden. Somit geht der Gegenstand des Anspruchs 1 entsprechend dem Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
Der einführende Teil der Beschreibung enthält eine ordnungsgemäße Darstellung des einschlägigen Stands der Technik und gibt die vorteilhaften Wirkungen der Erfindung gegenüber dem Stand der Technik an; er entspricht somit Regel 27 (1) d) EPÜ.
Dementsprechend erfüllt die Anmeldung auch formal die Anforderungen des Übereinkommens.
3. Die Prüfung, ob in den im Recherchenbericht genannten Dokumenten eine Vorrichtung nach Anspruch 1 offenbart ist, ergibt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik neu ist, weil in den Vorveröffentlichungen kein Heizkörper mit PTC-Elementen beschrieben ist, der als Abreißkante für Kunststoffolie dient.
4. In der aus der Druckschrift DE-A-1 778 394 bekannten Vorrichtung derselben Art wird eine heizbare Abreißkante bereitgestellt, mit der ein Stück Kunststoffolie zur Einzelverpackung von Lebensmitteln abgetrennt wird. Die Kante besteht aus einem Heizdraht mit einem Widerstand; der kritische Punkt dabei ist, daß die gewünschte Temperatur des Heizdrahtes konstant gehalten werden muß, was dem Beschwerdeführer zufolge auch mit hochentwickelten, empfindlichen Regelkreisen mit schnell reagierenden Temperaturfühlern nur sehr schwer zu bewerkstelligen ist. Das liegt daran, daß sich der Heizdraht häufig in unregelmäßigen Abständen abkühlt und wiedererwärmt, nämlich dann, wenn das Abschneiden der Kunststoffolie bei zu niedrigen oder zu hohen Temperaturen, verglichen mit der einzuhaltenden Temperatur erfolgt. Dies führt dann entweder zu einer unsauberen Schnittstelle oder zur Zersetzung des Kunststoffmaterials durch Verbrennung; in diesem Falle entstehen für den Bediener gesundheitsschädliche Dämpfe und Ascherückstände, die die zu verpackenden Lebensmittel verunreinigen können. Der Beschwerdeführer hält dies für nachteilig.
5. Die der vorliegenden Anmeldung zugrunde liegende technische Aufgabe besteht also darin, einen einfachen, robusten Packtisch bereitzustellen, der stark beansprucht werden kann, die Bildung schädlicher Gase oder Dämpfe wirksam verhindert, wenn die Kunststoffolienbahnen durch Wärmeeinwirkung abgeschnitten oder abgerissen werden, saubere Schnittstellen liefert und gleichzeitig eine Verunreinigung der zu verpackenden Lebensmittel verhindert.
6. Die Lösung dieser Aufgabe beruht darauf, daß man sich die bekannte selbstregelnde Wirkungsweise von PTC-Widerständen zunutze macht, um eine vorbestimmte kritische Temperatur zum Schneiden der Kunststoffolie an der Abreißkante präzise einzuhalten und so eine nachteilige thermische Wirkung bei der Abtrennung der Folienbahnen zu vermeiden.
Der Anmeldung zufolge wird dies dadurch erreicht, daß man die Abreißkante, wie im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 angegeben, mit einem oder mehreren PTC-Widerstandselementen versieht.
7. Nun muß noch geprüft werden, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 erfinderische Tätigkeit aufweist; dabei stellt sich die Frage, ob die genannten Veröffentlichungen dem Fachmann einen Hinweis darauf geben würden, wie das Heizelement der bekannten Verpackungsmaschine, das mit Temperaturregelkreisen versehen ist, geändert worden könnte, um die obengenannten Nachteile auszuschalten.
8. Aufgrund der nachteiligen Wirkungen, die sich bei der durch die festgestellten Temperaturabweichungen bedingten Wärmeeinwirkung auf die Folie ergaben, war die aus der Druckschrift DE-A-1 778 394 bekannte Maschine, wie in der Anmeldung angegeben, bereits durch Regelkreise verbessert worden, die dazu dienen sollten, die kritische Temperatur des Heizdrahtes genau einzuhalten. Es ist bekannt, daß solche Regelkreise kompliziert und teuer sind und regelmäßig gewartet werden müssen; außerdem sind sie störungsanfällig und damit unzuverlässig.
8.1. Die Prüfungsabteilung behauptete, daß bei der in der Druckschrift GB-A-1 562 610 offenbarten Vorrichtung ebenfalls eine bestimmte Temperatur erforderlich sei und daher die Aufgabe, die durch die Verwendung von PTC-Elementen gelöst worden sei, hier ähnlich gelagert sei wie die anmeldungsgemäße Aufgabe. Diese Behauptung ist jedoch dem Beschwerdeführer zufolge unhaltbar, weil sich die Entgegenhaltung mit der Aufgabe befasse, die Wärmeableitung in einem Heizelement zu verbessern, das in einem Gehäuse untergebracht bracht und von einer isolierenden Flüssigkeit umgeben sei. Außerdem lehre sie insbesondere die Verwendung von PTC-Heizelementen in kosmetischen Geräten, zum Beispiel Lockenstäben, oder in Haushaltsgeräten wie zum Beispiel Kaffeemaschinen, Heiz- und Wärmeplatten, Bügeleisen, Tauchsiedern usw.
Bei all diesen Anwendungen stelle sich das Problem einer strikten Temperaturregelung nicht, weil die von diesen PTC-Elementen erzeugten Temperaturen keineswegs kritisch seien und nicht innerhalb eines sehr engen Bereichs konstant gehalten werden müßten; dies sei jedoch bei der erfindungsgemäßen Vorrichtung unbedingt erforderlich, um das Kunststoffolienmaterial dämpfe- und aschefrei abschneiden zu können. Dieser nichtanaloge Stand der Technik verfolge somit einen völlig anderen Zweck als die vorliegende Erfindung; es sollte daher anerkannt werden, daß mangels einer Schneidekante auch die Lösungen unterschiedlich seien.
8.2. Es ist darauf hinzuweisen, daß sich die Kammer im vorliegenden Fall mit der Frage befassen muß, ob ein bekanntes Heizelement, das für einen neuen Zweck verwendet wird, schutzwürdig ist. An die erfinderische Tätigkeit solcher Verwendungen muß daher ein Maßstab angelegt werden, der sich nicht auf eine reine Beurteilung der neuen Verwendung beschränkt. Die Kammer hat deshalb den Beschwerdeführer aufgefordert nachzuweisen, warum ein Fachmann für elektrische Heizgeräte, der sich vor die anmeldungsgemäße Aufgabe gestellt sieht, nicht auf den Gedanken käme, anstelle der konventionellen Heizelemente PTC-Elemente zu verwenden, um die bekannten Nachteile zu vermeiden, obwohl ihm die selbstregelnden Eigenschaften und die sich daraus ergebenden, zu erwartenden Vorteile bekannt sind und auch keine unüberwindlichen Schwierigkeiten dagegen sprechen, diese Elemente in Heizvorrichtungen für Schneidekanten von Verpackungsmaschinen zu verwenden. Die Tatsache, daß dem Fachmann all dies bekannt ist, würde an sich darauf hindeuten, daß die erfindungsgemäße Lösung auf der Hand lag und als naheliegend beurteilt werden muß, was die Prüfungsabteilung ja auch getan hat. In einem solchen Fall ist es sachdienlich, nach brauchbaren Nebenaspekten zu fragen, die den ersten Eindruck der mangelnden erfinderischen Tätigkeit zerstreuen könnten. Sind solche Aspekte nicht gegeben, so muß die Patentanmeldung zurückgewiesen werden. Andernfalls bestünde die Gefahr, daß die alltägliche routinemäßige Weiterentwicklung der Technik gehemmt würde, bei der bekannte Bestandteile zusammengesetzt werden, um das vom Konstrukteur angestrebte Ergebnis zu erzielen. Die routinemäßige Weiterentwicklung darf aber durch den Patentschutz nicht gehindert werden. Der Beschwerdeführer berief sich dementsprechend im wesentlichen auf solche Nebenaspekte und legte mehrere dieser Aspekte dar.
8.3. Der Beschwerdeführer wies darauf hin, daß sich andere vor der Anmeldung jahrelang intensiv bemüht hätten, diese Aufgabe zu lösen, und führte zur Erhärtung seiner Behauptung die Druckschriften US-A-3 754 489 (Carver, 1971 eingereicht), US-A-3 947 656 (Lodi, 1974 eingereicht) und US-A-4 014 229 (Lynch, 1975 eingereicht) an. Carver habe das Schneideelement mit erheblicher Masse ausgestattet, um eine Wärmeabführung zu erreichen und dann zu versuchen, die wesentlich niedrigere Temperatur während des Trennvorgangs konstant zu halten. Lynch habe versucht, die Leistung durch Thermostatregelung zu verbessern, um bei einer noch niedrigeren Temperatur von 240-260°F ein sauberes Abtrennen der Kunststoffolie zu erreichen. Lodi wiederum habe als Sensor einen Heißleiter mit einem besonderen Stromkreis zur Temperaturregelung verwendet. Diese Versuche zeigten deutlich, daß sich der Fachmann auf dem Gebiet der Schneidevorrichtungen für Kunststoffolien dafür entschieden habe, die Temperaturregelung durch Verfeinerung und Komplizierung der entsprechenden Mittel zu verbessern, so daß die Verpackungsmaschinen, wie der Beschwerdeführer überzeugend darlegte, mit der Zeit immer komplizierter und teurer geworden seien. Sie hätten aber optimal gelöst.
Aus den Entgegenhaltungen gehe hervor, daß die PTC-Elemente und ihre Eigenschaften zwar allgemein bekannt und auf anderen Gebieten verwendet worden seien, daß die Verpackungsmaschinenindustrie aber dennoch an zusätzlichen, von dem eigentlichen Heizmittel getrennten Regelungsmitteln festgehalten habe und um deren Verbesserung bemüht gewesen sei. Dementsprechend habe die Entwicklung von der Verwendung von PTC-Elementen zum Erwärmen einer Schneidekante weggeführt. Es habe eines deutlichen Richtungswechsels in der Technik bedurft, den die vorliegende Erfindung dadurch bewirkt habe, daß sie auf die Verwendbarkeit von PTC-Elementen für den neuen Schneidezweck aufmerksam gemacht habe.
8.4. Der Beschwerdeführer wies ferner nach, daß die von der Firma des Beschwerdeführers nach der Erfindung gebaute und einem Kunden gelieferte Maschine wenigstens einen wichtigen, überraschenden Vorteil aufweist. In einem Schreiben an die Firma des Beschwerdeführers bestätigte der Kunde, die Safeway Supermarket GmbH, daß sich an den konventionellen Heizelementen bei längerer Benutzung zunehmend Rückstände abgelagert hätten; dieser Nachteil trete jedoch bei den erfindungsgemäßen Heizvorrichtungen mit PTC-Elementen wider Erwarten nicht auf. Die Kammer hat also keinen Grund, die Behauptung des Beschwerdeführers anzuzweifeln, kein Fachmann habe diesen erheblichen Vorteil voraussehen können; das Vorliegen eines unerwarteten Vorteils ist somit erwiesen.
8.5. Aus dem Schreiben der Firma Safeway geht ferner eindeutig hervor, daß sich die Maschine von allen während eines längeren Zeitraums getesteten als die beste erwiesen hat und daß der Kunde mit dem von der Firma des Beschwerdeführers erworbenen Erzeugnis voll und ganz zufrieden ist. Was die Behauptung des Beschwerdeführers anbelangt, der kommerzielle Erfolg seines Gerätes beruhe ausschließlich auf der durch die beanspruchten Merkmale bedingten besseren Leistung und nicht auf aufwendigen Verkaufsförderungsmaßnahmen, so sei dazu bemerkt, daß die Firma des Beschwerdeführers ziemlich klein ist, und es somit denkbar erscheint, daß sie sich keine großen Werbekampagnen und ausgefeilten Marketing-Techniken leisten kann. Die Kammer ist daher im vorliegenden Fall bereit, davon auszugehen, daß der kommerzielle Erfolg tatsächlich von den technischen Vorteilen herrührt, die sich aus den beanspruchten Merkmalen ergeben.
8.6. Der Beschwerdeführer hat ferner behauptet, daß mit der erfindungsgemäßen Verpackungsmaschine ein großes Bedürfnis befriedigt worden sei. Dieses Bedürfnis habe schon lange vor dem Anmeldetag bestanden; aus einem Artikel über "Meat-wrappers Asthma: A case Study", der im Journal of Occupational Medicine, Bd. 18, Nr. 2, Februar 1976, erschienen sei, gehe eindeutig hervor, daß die Erkrankung der Atemwege, die bei Arbeitern an einer Verpackungsstraße auftrete, mit Dämpfen in Verbindung gebracht werde, die in der ersten Hälfte des Jahres 1972 erstmals aufgetreten seien. Diese Behauptung wurde durch einen Hinweis auf die unter 8.3 genannten Druckschriften erhärtet. Es kann daher als erwiesen gelten, daß seit diesem Zeitpunkt in Verpackungsanlagen ein erhebliches arbeitsbedingtes Gesundheitsproblem besteht. Da man bemüht ist, Probleme, die im Zusammenhang mit der Gesundheit stehen, immer möglichst rasch zu lösen, ist der Zeitraum von 7 Jahren, der bis zur Erfindung des Beschwerdeführers verstrichen ist, nach Ansicht der Kammer ausreichend, um das Problem als ein seit langem bestehendes einzustufen.
8.7. Zweifellos ist es dem Beschwerdeführer gelungen, mit der von ihm vorgeschlagenen selbstregelnden heizbaren Kante eine ganz einfache Lösung anzubieten, indem er auf die herkömmliche ohmsche Widerstandsheizung in Verbindung mit komplizierten Regelkreisen verzichtet hat, die beim Folienschneiden bisher als wesentlich angesehen wurde. Obwohl man in der Technik laufend intensiv um Vereinfachung bemüht ist, zeugt die Erzielung einer einfachen Lösung ohne Qualitätseinbuße eher von einer großen als von einer kleinen erfinderischen Leistung. Die technische Erfahrung zeigt nämlich, daß es weitaus schwieriger ist, statt einer komplizierten Lösung eine einfache zu entwickeln, mit der das gleiche Ergebnis erzielt wird. Dies trifft um so mehr zu, wenn damit ein besseres Ergebnis erzielt wird. Leider besteht die Gefahr, daß diese Überlegung bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit einfacher Lösungen nicht angestellt wird; die im nachhinein getroffene Feststellung, die Lösung sei so einfach, daß jeder, der sich vor dieses Problem gestellt sieht, ohne weiteres darauf kommen könne, liegt denn auch vielen Entscheidungen zugrunde, mit denen Anmeldungen oder Patente wegen mangelnder "erfinderischer Tätigkeit" zunichte gemacht werden, obwohl sich Fachleute mit einschlägiger praktischer Erfahrung darüber erstaunt zeigen, daß bisher niemand auf diese einfache Lösung gekommen ist.
Im vorliegenden Fall geht die Vereinfachung zudem mit einer Verbesserung der Leistung des Heizstabes einher, der sich sofort von selbst wieder an die vom Folienhersteller sehr genau vorgegebene Temperatur anpaßt, wenn er sich beim Schneidevorgang abgekühlt hat oder wenn seine Temperatur in einer Arbeitspause angestiegen ist. Die Bereitstellung einer einfachen Lösung in Verbindung mit einer Leistungsverbesserung muß somit als Anzeichen einer erfinderischen Tätigkeit gewertet werden.
8.8. Die Prüfungsabteilung behauptete, der Hinweis des Beschwerdeführers, die Temperaturgenauigkeit der erfindungsgemäßen Vorrichtung übersteige die anderer bekannter Vorrichtungen bei weitem, sei nicht ganz überzeugend, da der Inhalt der Anmeldung keine zuverlässige Grundlage dafür biete, was unter dem "sehr engen Temperaturbereich" zu verstehen sei, den die PTC-Elemente einhalten könnten. Nach Ansicht der Kammer ist diese Behauptung nicht richtig. Zwar sind in der Offenbarung des Beschwerdeführers keine genauen Grenzen für den einzuhaltenden Temperaturbereich angegeben, doch wird in der Beschreibung auf Seite 5 gesagt, daß die Temperatur so gewählt werden sollte, daß das Kunststoffmaterial nicht verbrennt, sondern sich zersetzt. Da diese Temperatur durch die thermischen Eigenschaften der Kunststoffolie genau bestimmt ist, ist für den Fachmann ohne weiteres erkennbar, daß sie möglichst genau eingehalten werden muß. Somit ist nur eine ganz geringe Abweichung erlaubt.
9. Die Kammer ist daher der Ansicht, daß sich der Gegenstand des Anspruchs 1 aus den in der Entscheidung der Prüfungsabteilung angezogenen Entgegenhaltungen weder einzeln noch in Verbindung miteinander als naheliegend ergibt. Die erforderliche erfinderische Tätigkeit ist daher gegeben und Artikel 56 EPÜ somit erfüllt. Anspruch 1 ist daher im Hinblick auf Artikel 52 (1) EPÜ gewährbar.
10. Die abhängigen Ansprüche 2 und 3, die besondere Ausführungsarten der Erfindung nach dem unabhängigen Anspruch 1 zum Gegenstand haben, sind ebenfalls gewährbar, da ihre Gewährbarkeit von der des Anspruchs 1 abhängt, die bejaht werden muß.
11. Der Beschwerdeführer hat keinen Grund für die beantragte Rückzahlung der Beschwerdegebühr angegeben, Die Kammer kann auch keinen wesentlichen Verfahrensmangel feststellen, der eine solche Rückzahlung rechtfertigen würde.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:
1. Die Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts vom 2. November 1983 wird aufgehoben.
2. Die Anmeldung wird an die Vorinstanz mit der Auflage zurückverwiesen, auf der Grundlage der folgenden Unterlagen ein europäisches Patent zu erteilen: - Ansprüche 1 bis 3 sowie - Beschreibung, Seiten 1, 2 und 2a in der am 2. November 1984 eingegangenen Fassung - Seiten 3 bis 6 und Zeichnungsblatt 1/1 in der ursprünglich eingereichten Fassung
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.