T 0212/88 (Theta-1) 08-05-1990
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1. Eine Entscheidung kann von der Stelle, die sie erlassen hat, nicht aufgehoben, sondern nur nach Regel 89 EPÜ berichtigt werden.
2. Die Berichtigung eines Fehlers in einer Entscheidung nach Regel 89 EPÜ ist rückwirkend.
3. Alle Anträge von Beteiligten, einschließlich eines etwaigen Antrags auf Kostenverteilung, sind vor der Verkündung der Entscheidung am Ende der mündlichen Verhandlung zu stellen.
Ausreichende Offenbarung (bejaht)
Handelsübliche Ausgangsstoffe
Ergänzung der spezifischen Offenbarung durch allgemeines Wissen
Priorität (gewährt)
Keine andere Erfindung bei Ergänzung gemessener Parameter durch Fehlergrenzen
Kostenverteilung (verneint)
Niederschrift über die mündliche Verhandlung
Berichtigung eines Fehlers
I. Die Beschwerde richtet sich gegen eine Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 57 049 widerrufen wurde. Die in dem erteilten Patent beanspruchte Erfindung betrifft bestimmte kristalline Aluminosilicate oder Zeolithe (Ansprüche 1 bis 6), ein Verfahren zu ihrer Herstellung (Ansprüche 7 bis 13) sowie ihre Verwendung als Katalysator in einem Kohlenwasserstoffumwandlungsverfahren (Anspruch 14).
Der Einspruch wurde darauf gestützt, daß sämtliche Ansprüche nicht neu seien (Art. 100 a) EPÜ) und das Patent zudem nicht ausreichend offenbare, wie die Erfindung auszuführen sei (Art. 100 b) EPÜ).
Was die mangelnde Neuheit anbelangt, so wurde behauptet, das europäische Patent könne die Priorität seiner Prioritätsanmeldung, der britischen Patentanmeldung Nr. 8 100 532, nicht beanspruchen, so daß ihm nur sein europäischer Anmeldetag, der 6. Januar 1982, zustehe; das europäische Patent Nr. 65 400 (Druckschrift 1, auf den Namen der Einsprechenden lautend) könne trotz der späteren Veröffentlichung einen früheren Prioritätstag, nämlich den 20. Mai 1981, beanspruchen, und seine Offenbarung gehöre deshalb nach Artikel 54 (3) EPÜ zum Stand der Technik; diese Offenbarung sei für alle Ansprüche neuheitsschädlich. Mangelnde Neuheit wurde auch im Hinblick auf das europäische Patent Nr. 2900 (Druckschrift 2, auf den Namen der Patentinhaberin lautend) geltend gemacht.
Hinsichtlich der unzureichenden Offenbarung wurde vorgebracht, in der Beschreibung werde nicht ausreichend offenbart, wie ein Verfahren auszuführen sei, durch das ein Fachmann mit seinem üblichen Können und Wissen die beanspruchten kristallinen Aluminosilicate erhalten könne.
II. Das beanspruchte kristalline Aluminosilicat wird definiert durch seine Zusammensetzung, ausgedrückt als Mol-Verhältnisse seiner Oxide, und durch sein Röntgenbeugungsdiagramm; es wird als Zeolith Theta-1 bezeichnet.
Die Druckschrift 1 offenbart ein Verfahren zur Herstellung eines als Nu-10 bezeichneten Zeolithen, der ebenfalls durch seine Zusammensetzung und sein Röntgenbeugungsdiagramm definiert wird. Die Einsprechende behauptete, Nu-10 und Theta-1 seien weitgehend identisch.
In der Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde die Auffassung vertreten, daß bestimmte für die Ausführung eines Verfahrens zur Herstellung von Theta-1 wesentliche Parameter in dem angefochtenen Patent nicht offenbart seien und nicht zum allgemeinen Fachwissen des Fachmanns gehörten; mangels ausreichender Offenbarung müsse das Patent daher widerrufen werden. Außerdem hieß es, daß Nu-10 mit Theta-1 nicht identisch sei, daß die beanspruchte Erfindung deshalb sowohl gegenüber der Druckschrift 1 als auch gegenüber der Druckschrift 2 neu sei und daß über die Frage der Priorität nicht entschieden zu werden brauche.
III. Am 12. Februar 1988 wurde den Beteiligten eine nicht ordnungsgemäß unterzeichnete Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung zusammen mit einer ebenfalls nicht ordnungsgemäß unterzeichneten schriftlichen Entscheidung übermittelt. Auf ein Schreiben der Beschwerdegegnerin hin, in dem sie auf diese Mängel hinwies, wurden die Niederschrift und die Entscheidung mit Schreiben des Formalsachbearbeiters der Einspruchsabteilung vom 25. März 1988 aufgehoben; nunmehr ordnungsgemäß unterzeichnete weitere Ausfertigungen der Niederschrift und der Entscheidung wurden den Beteiligten am 4. Mai 1988 übersandt.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragte in ihrer Beschwerdebegründung, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten; die Verfahrensansprüche 7 bis 13 des erteilten Patents sollten gestrichen werden, und der Anspruch 14 sollte an diese Streichung entsprechend angepaßt und zu Anspruch 7 umnumeriert werden.
Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
Kristalline Aluminosilicate mit der folgenden Zusammensetzung, ausgedrückt als Mol-Verhältnisse der Oxide
0,9 + 0,2 M2/n0 : Al203 : x Si02 : yH20
worin M mindestens ein Kation mit einer Wertigkeit n ist, x mindestens 10 ist und y/x zwischen 0 und 25 beträgt und wobei die Aluminosilicate in der calcinierten Wasserstofform ein Röntgenbeugungsdiagramm haben, das praktisch dem gemäß Tabelle A der Beschreibung entspricht."
Der abhängige Anspruch 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 nur dadurch, daß nicht auf die Tabelle A, sondern auf eine Tabelle B verwiesen wird.
Anspruch 7 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Kohlenwasserstoffumwandlungsverfahren, wobei als Katalysator eine Zusammensetzung verwendet wird, die ein kristallines Aluminosilicat gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche 1 bis 6 ist."
Am 8. Mai 1990 fand eine mündliche Verhandlung statt.
Die Beschwerdeführerin brachte schriftlich und mündlich im wesentlichen folgendes vor:
Das Streitpatent enthalte ausreichende Angaben zur Ausführung der Erfindung. Dies werde nicht nur durch drei von ihr vorgelegte Sachverständigengutachten, sondern auch durch das zum Gegenbeweis von der Beschwerdegegnerin vorgelegte Beweismaterial bestätigt. Darüber hinaus gehe aus den von ihr selbst vorgelegten, aber von zwei für die Beschwerdegegnerin tätigen Sachverständigen unterzeichneten Schreiben, nämlich dem Prof. van Bekkums und Dr. Kouwenhovens vom 10. Juni 1986 und dem Dr. Kouwenhovens vom 26. Juni 1986 (nachstehend "Schreiben I" bzw. "Schreiben II" genannt), klar hervor, daß ein Durchschnittsfachmann Theta-1 herstellen könne, wenn er dem Beispiel 2 der Prioritätsanmeldung, der britischen Patentanmeldung Nr. 8 100 532, folge, das dem Beispiel 2 des Streitpatents entspreche. Dies zeige auch, daß die Priorität dieser Voranmeldung gültig in Anspruch genommen worden sei und daß die Druckschrift 1 nicht zum Stand der Technik gehöre.
Die Beschwerdeführerin machte ferner geltend, daß es sich bei Theta-1 und Nu-10, dem Erzeugnis gemäß der Druckschrift 1, um genau die gleichen Zeolithen handle, was durch einen Vergleich der jeweiligen Röntgenbeugungsdiagramme bewiesen werde.
In der mündlichen Verhandlung stellte die Beschwerdeführerin auch einen Hilfsantrag.
V. Die Beschwerdegegnerin brachte schriftlich und mündlich im wesentlichen folgende Gegenargumente vor:
Weder die Sachverständigen der Beschwerdeführerin noch die ihrigen hätten Theta-1 durch genaue Befolgung der Offenbarung des Streitpatents herstellen können. Dies sei ihnen nur gelungen, wenn sie auf zusätzliche, nicht routinemäßige und nicht in Beispiel 2 oder anderswo offenbarte Merkmale zurückgegriffen hätten. Die Schreiben I und II spiegelten nur Zufallsergebnisse wider und könnten nicht als Beweis dafür dienen, daß die Sachverständigen durch Befolgung der Anweisungen in der prioritätsbegründenden britischen Patentanmeldung Nr. 8 100 532 vorwiegend Theta-1 erhalten hätten.
Die Beschwerdegegnerin führte ferner aus, daß der Prioritätsanspruch der Beschwerdeführerin ungültig sei, weil die Prioritätsanmeldung keine Definition von Theta-1 enthalte und die Tabellen A und B des Streitpatents in der prioritätsbegründenden Anmeldung keine Grundlage hätten. Gehe man davon aus, daß Theta-1 und Nu-10 identisch seien, so würde das Streitpatent durch die Druckschrift 1 vorweggenommen.
In der mündlichen Verhandlung bestätigte die Beschwerdegegnerin schließlich (auf die Behauptung der Beschwerdeführerin hin), daß die Zeolithe Theta-1 und Nu-10 als identisch gälten; sie unterstrich allerdings, daß der Anspruch 1 als auf reines Theta-1 gerichtet ausgelegt werden müsse und daß es keinem der Sachverständigen gelungen sei, reines Theta-1 gemäß der Offenbarung in der Druckschrift EP-A-57 049 oder der ihr zugrunde liegenden prioritätsbegründenden Anmeldung GB-8 100 532 herzustellen.
Auf dieser Grundlage behauptete die Beschwerdegegnerin, daß die Beschreibung unzureichend sei, daß kein gültiger Prioritätsanspruch vorliege und daß die Patentansprüche mithin nicht neu seien. Ferner stellte sie das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit in Frage, weil sich die Eigenschaften des beanspruchten Erzeugnisses aus den Verunreinigungen anstatt aus Theta-1 selbst ergeben könnten.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
VI. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer, das Patent auf der Grundlage des Hauptantrags der Beschwerdeführerin aufrechtzuerhalten. Der von der Beschwerdeführerin im Anschluß daran gestellte Antrag auf Kostenverteilung wurde von der Kammer abgelehnt.
1. Verfahrensfragen
Die Kammer stellt fest, daß im Anschluß an die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 1. Dezember 1987, bei der die Widerrufsentscheidung verkündet wurde, die Niederschrift über diese Verhandlung zusammen mit einer schriftlichen Entscheidung am 12. Februar 1988 den Beteiligten übersandt wurde. Wie die Beschwerdegegnerin in ihrem Schreiben vom 18. Februar 1988 dargelegt hat, hatte weder der Vorsitzende noch der Protokollführer die Niederschrift unterzeichnet; sie war vielmehr von einer anderen Person im Namen des Protokollführers unterzeichnet worden. Eine solche Niederschrift steht im Widerspruch zu Regel 76 (3) EPÜ. Ferner wurde in der Entscheidung eine Person als zweiter Prüfer genannt, die nicht der Einspruchsabteilung angehörte und an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hatte.
Im Anschluß daran sandte der Formalsachbearbeiter der Einspruchsabteilung den Beteiligten am 25. März 1988 ein Schreiben, mit dem die obige Niederschrift und die obige Entscheidung aufgehoben werden sollten. Am 4. Mai 1988 wurden den Beteiligten erneut identische Ausfertigungen der Niederschrift und der Entscheidung übersandt; dieses Mal waren sie von den Mitgliedern der Einspruchsabteilung ordnungsgemäß unterzeichnet.
Der Erlaß der Entscheidung am 12. Februar 1988 hatte die Beschwerdeführerin veranlaßt, am 18. März 1988 Beschwerde einzulegen. Weil die Entscheidung aufgehoben und am 4. Mai 1988 erneut erlassen wurde, legte sie am 25. Mai 1988 eine weitere Beschwerde gegen die Entscheidung vom 4. Mai 1988 ein; eine Beschwerdebegründung reichte sie am 5. September 1988 (d. h. innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung vom 4. Mai 1988) ein.
Nach Auffassung der Kammer waren die bei der Unterzeichnung der Niederschrift und der schriftlichen Entscheidung vom 12. Februar 1988 unterlaufenen Fehler eindeutig offensichtlich (im Sinne der Regel 89 EPÜ, was die Entscheidung betrifft), und die anschließende Übersendung ordnungsgemäß unterzeichneter Unterlagen am 4. Mai 1988 hätte als Berichtigung solch offensichtlicher Fehler (nach Regel 89 EPÜ, was die Entscheidung betrifft) betrachtet werden können. Die Berichtigung eines Fehlers in einer Entscheidung nach Regel 89 EPÜ ist rückwirkend (vgl. Entscheidungen J 4/85 (ABl. EPA 1986, 205), T 219/86 (ABl. EPA 1988, 254) und T 200/89 (ABl. EPA 1992, 46) in Verbindung mit der analog zu Regel 89 angewandten Regel 88 EPÜ).
Infolgedessen war es im vorliegenden Fall weder erforderlich noch zweckmäßig, daß der Formalsachbearbeiter der Einspruchsabteilung versucht hat, ihre erste Entscheidung aufzuheben und eine neue zu erlassen. Etwaige Berichtigungen einer Entscheidung der Einspruchsabteilung können ohnehin nur von der Einspruchsabteilung selbst veranlaßt werden (in der Regel durch eine weitere Entscheidung, in der die Berichtigung begründet wird). Die am 4. Mai 1988 übersandten Unterlagen hätten als berichtigte Fassungen der am 12. Februar 1988 versandten betrachtet werden können; eine solche Vorgehensweise hätte verhindert, daß die Beschwerdeführerin eine weitere Beschwerde einlegte und die Beschwerdebegründung erst sehr spät einreichte.
Bei der durch die Aufhebung der Entscheidung vom 12. Februar 1988 entstandenen besonderen Sachlage ist die Kammer der Auffassung, daß die angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung am 4. Mai 1988 erlassen und die Beschwerde nach Artikel 108 EPÜ somit rechtzeitig eingelegt und begründet worden ist. Sie ist daher zulässig.
2. Änderung
Gegen den Anspruchssatz gemäß dem Hauptantrag bestehen keine formalen Bedenken. Er unterscheidet sich von dem erteilten Anspruchssatz lediglich dadurch, daß die Verfahrensansprüche 7 bis 13 gestrichen wurden und der Anspruch 14 (jetzt Anspruch 7) an diese Streichung angepaßt wurde.
Die Beschwerdegegnerin hat dafür plädiert, die Änderung durch Streichung der Ansprüche 7 bis 13 nicht zuzulassen, es sei denn, die Beschwerdeführerin räume gleichzeitig ein, daß solche Ansprüche ungültig seien. Nach Auffassung der Kammer ist die Änderung jedoch eindeutig durch die Einspruchsgründe, denen zufolge die Ansprüche 7 bis 13 nicht neu sein sollen, bedingt. Bei dieser Sachlage kann die Änderung als sachdienlich und notwendig im Sinne der Regel 58 (2) EPÜ und damit als zulässig erachtet werden. In der Entscheidung T 295/87 vom 6. Dezember 1988 (ABl. EPA 1990, 470) hieß es hierzu wie folgt: "Änderungen, die im Einspruchsverfahren an einem erteilten Patent vorgenommen werden, sind nur dann als "sachdienlich" und "notwendig" ... und damit als zulässig zu erachten, wenn vernünftigerweise behauptet werden kann, daß sie durch die Einspruchsgründe bedingt sind."
Greift ein Einsprechender bestimmte Ansprüche an und macht er dabei Einspruchsgründe nach Artikel 100 EPÜ geltend, so sollte der Patentinhaber nach Auffassung der Kammer normalerweise das Patent durch Streichung der angegriffenen Ansprüche ändern können, um dem Einspruch Rechnung zu tragen. Die Annullierung der Ansprüche, ob durch Widerruf oder durch freiwillige Änderung durch den Patentinhaber, ist schließlich das mutmaßliche Ziel des vom Einsprechenden gegen sie geführten Angriffs.
3. Ausreichende Offenbarung Die Beschwerdegegnerin behauptet, die Offenbarung des Streitpatents sei aus den folgenden Gründen mangelhaft:
- Es fehlten nähere Angaben zu dem Natriumaluminat, das als Ausgangsstoff in den Beispielen, insbesondere in Beispiel 2, zu verwenden sei.
- In bezug auf das Beispiel 2 sei nicht klar, durch welche Röntgenbeugungsdaten das betreffende Erzeugnis definiert werde.
- Wenn es den entweder für die Beschwerdeführerin oder die Beschwerdegegnerin handelnden Sachverständigen gelungen sei, Theta-1 gemäß dem Beispiel 2 zu erhalten, so hätten sie jeweils etwas unternehmen müssen, was über den Wortlaut dieses Beispiels hinausgehe; insbesondere hätten sie ein mit Teflon ausgekleidetes Druckgefäß verwenden und/oder die Reaktion überwachen müssen.
- Es sei nicht möglich, reines Theta-1 zu erhalten, wenn man sich genau an die Anweisungen der Beispiele halte.
Zur Stützung dieser Vorbringen wurden mehrere Erklärungen eingereicht.
3.1. Ob die fehlende Spezifizierung des Natriumaluminats eine unzureichende Offenbarung im Sinne des Artikels 83 EPÜ darstellt, hängt davon ab, ob der Fachmann die fehlenden Angaben seinem allgemeinen Fachwissen entnehmen konnte; s. hierzu beispielsweise die Entscheidung T 171/84 (ABl. EPA 1986, 95, 102), in der es wie folgt heißt: "Ein Fehler in der Beschreibung ... beeinträchtigt die Deutlichkeit und Vollständigkeit der Offenbarung nicht, wenn der Fachmann ihn aufgrund seines allgemeinen Fachwissens ... berichtigen kann." Dieser Grundsatz wurde in der Sache T 206/83 (ABl. EPA 1987, 5) bestätigt, in der eine nach Artikel 54 (3) EPÜ entgegengehaltene Druckschrift keine Angaben darüber enthielt, wie die für die Herstellung einer bestimmten chemischen Verbindung erforderlichen Ausgangsstoffe erhalten werden können.
Beispiel 2 des Streitpatents beschreibt einen der erforderlichen Ausgangsstoffe durch seine chemische Bezeichnung, nämlich Natriumaluminat. Genauere Angaben zu dieser Verbindung fehlen, insbesondere eine Analyse mit der Angabe des tatsächlichen Aluminiumgehalts. Es stellt sich die Frage, ob diese Angabe ausreichend im Sinne des Artikels 83 EPÜ ist.
In diesem Zusammenhang sind die Schreiben I und II (s. Nr. IV) von besonderer Bedeutung. In beiden Schreiben, die der Einspruchsabteilung nicht vorlagen, wird über Dr. Le Febres Versuche berichtet. In Schreiben I heißt es auf Seite 1:
"In getrennten Versuchen wurden zwei Proben handelsüblichen Natriumaluminats verwendet; Lieferanten waren die Firmen BDH Chemicals bzw. Riedel-de Haen." Die Tabelle auf Seite 2 dieses Schreibens I zeigt, daß Theta-1 ("vorwiegend Theta-1") enthaltende Erzeugnisse aus dem Natriumaluminat beider Lieferanten gemäß dem Beispiel 2 der prioritätsbegründenden britischen Anmeldung Nr. 8 100 532 erzielt werden konnten.
Diese Aussage wird von Absatz 3 des Schreibens II bestätigt.
Keines der beiden Schreiben enthält auch nur den entferntesten Hinweis darauf, daß es problematisch war, geeignetes Natriumaluminat zu erhalten, oder daß in dieser Hinsicht eine bestimmte Auswahl getroffen werden mußte, um die angegebenen Ergebnisse zu erzielen. Die beiden Schreiben beweisen im Gegenteil, daß Theta-1 mit handelsüblichen Ausgangsstoffen von einem Fachmann nach den Anweisungen der prioritätsbegründenden britischen Anmeldung hergestellt (und anschließend als solches identifiziert) werden konnte.
Beispiel 2 des Streitpatents ist identisch mit Beispiel 2 der prioritätsbegründenden Anmeldung, abgesehen von dem zusätzlichen Satz "Das Röntgenbeugungsdiagramm entsprach einem Aluminosilicat gemäß der vorliegenden Erfindung", der für die Verfahrensmerkmale von keinerlei Belang ist. Daher fehlen nach Auffassung der Kammer in der Beschreibung des Streitpatents keine wesentlichen Angaben in bezug auf den Ausgangsstoff Natriumaluminat.
3.2. Aus Seite 2, Zeilen 30 bis 42 des Patents folgt eindeutig, das Theta-1 in der calcinierten Wasserstofform ein Röntgenbeugungsdiagramm hat, "das praktisch dem gemäß Tabelle A" und "vorzugsweise dem gemäß Tabelle B ... entspricht". Die beiden Tabellen, die für die 2-Theta-Werte und die d-Abstände dieselben Zahlen ausweisen, unterscheiden sich insofern voneinander, als die Bereiche für die relative Intensität unterschiedlich breit sind; die Bereiche in Tabelle B sind enger als in Tabelle A.
Die einschlägige Stelle in Beispiel 2 lautet:
"Das Erzeugnis wurde wie in Beispiel 1 beschrieben gewaschen, getrocknet und calciniert. Durch Röntgenbeugung wurde festgestellt, daß es sich im wesentlichen um Theta-1 mit etwas Cristobalit handelt. Das Röntgenbeugungsdiagramm entsprach einem Aluminosilicat gemäß der vorliegenden Erfindung."
Somit sagt dieses Beispiel als solches nichts über die Umwandlung des erhaltenen Produkts in die Wasserstofform.
In Anbetracht der sowohl aus Beispiel 2 als auch aus dem vorstehend genannten einführenden Teil der Beschreibung ersichtlichen Angaben kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, daß es sich bei dem Erzeugnis des Beispiels 2 "im wesentlichen um Theta-1" handelt, wie es durch die Röntgenbeugungsdiagramme gemäß Tabelle A bzw. Tabelle B für die Wasserstofform definiert ist. Der Kammer liegt kein Beweismaterial dafür vor, daß das Produkt des Beispiels 2 in seiner Wasserstofform kein Aluminosilicat mit der angegebenen Definition von Theta-1 enthält.
Ob das Erzeugnis des Beispiels 2, wenn es sich nicht in der Wasserstofform befindet, ebenfalls ein Röntgenbeugungsdiagramm der Tabelle A oder B aufweist, ist somit ohne Belang.
Die beiden bereits erwähnten Schreiben sind auch in diesem Zusammenhang wieder von Bedeutung. Professor van Bekkum und Dr. Kouwenhoven hatten offensichtlich keine Schwierigkeiten, das aus Dr. Le Febres Arbeiten gemäß Beispiel 2 resultierende Produkt als Theta-1 zu erkennen und es von anderen Aluminosilicaten zu unterscheiden. Selbst wenn man der Argumentation der Beschwerdegegnerin folgt, daß die im Schreiben 1 erwähnte Identifizierung von Theta-1 durch IR-Spektren nicht schlüssig sei, da in dem Streitpatent keine IR-Daten angegeben seien, so geht doch aus Schreiben II eindeutig hervor, daß Theta-1 anhand von Röntgenbeugungsdiagrammen identifizierbar war; der Zweck dieses Schreibens II bestand gerade darin, die Beschwerdegegnerin über die Röntgenbeugungsdaten des von Dr. Le Febre hergestellten Theta-1 zu unterrichten.
Nach Auffassung der Kammer läßt sich daher das Erzeugnis des Beispiels 2 durch Vergleich seines Röntgenbeugungsdiagramms - der calcinierten Wasserstofform - mit Tabelle A oder B als Theta-1 identifizieren.
3.3. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist den Erfordernissen der Artikel 83 und 100 b) EPÜ Genüge getan, wenn in einem europäischen Patent mindestens ein Weg, der dem Fachmann die Ausführung der Erfindung ermöglicht, klar angegeben ist. In der Entscheidung T 281/86 heißt es hierzu, daß "Artikel 83 EPÜ nicht verlangt, daß ein konkret beschriebenes Verfahrensbeispiel genau wiederholbar sein muß. Abweichungen in der Beschaffenheit eines in einem Verfahren verwendeten Mittels sind für die ausreichende Offenbarung unerheblich, sofern das beanspruchte Verfahren zuverlässig zum gewünschten Erzeugnis führt." Der Entscheidung T 281/86 zufolge ist die Beschreibung eines Verfahrens nicht mangelhaft, wenn das beanspruchte Verfahren vom Fachmann auch anhand seines allgemeinen Fachwissens ohne unzumutbaren Aufwand ausgeführt werden kann (T 281/86, Nr. 6 der Entscheidungsgründe, ABl. EPA 1989, 202, 207). Bestätigt wurde dieser Grundsatz beispielsweise in den Entscheidungen T 292/85, Nr. 3.3.2, ABl. EPA 1989, 275, 287 und T 182/89, Nr. 2, ABl. EPA 1991, 391.
Die Beschwerdegegnerin betonte, daß der bei Dr. Le Febres erfolgreichen Versuchen verwendete Rollautoklav mit einer "Teflon-Innenauskleidung" versehen gewesen sei (s. Schreiben I, Anmerkungen zur Tabelle auf S. 2), ein Merkmal, das im Streitpatent nicht offenbart sei. Sie schließt daraus, daß dieses Merkmal, d. h. die Teflon-Auskleidung des Rollautoklaven, für die Herstellung von Theta-1 wesentlich sei. Es liegen jedoch keine Beweise vor, die die Gegenargumente der Beschwerdeführerin widerlegen könnten; diese hatte erklärt, der Fachmann treffe immer Vorsichtsmaßnahmen, damit das Reaktionsgemisch kein Wandmaterial aufnehme, und die Verwendung einer Teflon- Auskleidung sei nur eine von mehreren möglichen Alternativen. Da das gleiche Ergebnis auch mit einem Rollautoklav aus hochwertigem rostfreiem Stahl erzielt werden könne, sei die Verwendung eines mit einer "Teflon-Innenauskleidung" versehenen Druckgefäßes weniger von technischer Bedeutung als vielmehr eine Frage der Verfügbarkeit.
In der Entscheidung T 226/85 hieß es, daß "auf einem noch unerforschten Gebiet, oder wenn ... große technische Schwierigkeiten vorliegen, die Beschreibung oder das allgemeine Fachwissen eine brauchbare Anleitung liefern [muß], die den Fachmann nach Auswertung anfänglicher Fehlschläge ... zwangsläufig und ohne Umwege zum Erfolg führt" (vgl. T 226/85, Nr. 8 der Entscheidungsgründe, ABl. EPA 1988, 336, 340). In jener Sache wurde die Offenbarung für mangelhaft befunden, weil diese Vorbedingung nicht erfüllt war.
In Anbetracht der Tatsache,
- daß im Schreiben I die Teflon-Auskleidung lediglich erwähnt wurde, aber ein Hinweis darauf, daß eine solche Auskleidung etwas Besonderes sei, fehlt,
- daß die Beschwerdeführerin Beweismaterial dafür vorgelegt hat, daß Theta-1 ohne den Einsatz einer solchen Teflon-Auskleidung hergestellt werden konnte (s. Herrn Gordons Erklärung vom 18. Juli 1988 und Frau Belchers Erklärung vom 28. Juli 1988, deren Richtigkeit von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten wurde),
- daß auch aus Herrn Wittams Erklärung vom 3. Dezember 1985 hervorgeht, daß gemäß dem Beispiel 6 des Streitpatents ein Erzeugnis erzielt wurde, das "zum Großteil aus dem Zeolith Nu-10 bestand", ohne daß die Verwendung einer Teflon-Auskleidung erwähnt worden wäre,
vertritt die Kammer in der vorliegenden Sache jedoch die Auffassung, daß die Verwendung einer solchen Teflon-Auskleidung für die Herstellung von Theta-1 nicht ausschlaggebend ist. Wie beispielsweise aus Advances in Chemistry Series 101 (1971), 79, letzter Absatz, hervorgeht, gehört die Verwendung teflonausgekleideter Druckgefäße in jedem Fall bereits seit 1971 zum bekannten Stand der Technik. Wie schließlich auch von der Beschwerdegegnerin eingeräumt wurde und wie sich ohnehin aus einem Vergleich der Röntgenbeugungsspektren klar ergibt, sind Nu-10 und Theta-1 verschiedene Bezeichnungen für dieselbe Zeolithart. Damit gilt jede Feststellung bezüglich der Herstellung oder der Eigenschaften von Theta-1 auch für Nu-10, und umgekehrt.
3.4. Zu dem Merkmal "Überwachung der Reaktion" ist folgendes festzustellen:
Den für beide Beteiligte handelnden Sachverständigen ist es gelungen, Theta-1 enthaltende Erzeugnisse ohne Überwachung der Reaktion herzustellen (s. beispielsweise Herrn Wittams Erklärung für die Beschwerdegegnerin und Herrn Gordons Erklärung, die beide unter Nr. 3.3 erwähnt worden sind). Die Schreiben I und II sind auch in diesem Zusammenhang wieder von Bedeutung, denn in ihnen ist von einer Überwachung der Reaktion nicht die Rede.
Die Kammer kommt somit zu dem Schluß, daß die Überwachung der Herstellung von Theta-1 keine wesentliche Voraussetzung für die Erzielung des gewünschten Ergebnisses ist; ist jedoch eine Überwachung erwünscht, um den optimalen Kristallisationszeitraum für einen erfolgreichen Produktionsansatz festzulegen, der sich nicht genau definieren läßt, sondern von verschiedenen Parametern abhängen kann (s. S. 3, Zeilen 30 bis 31 der Patentbeschreibung), so ist dies, wie Frau Belchers Erklärung vom 28. Juli 1988 zeigt, eindeutig ohne unzumutbaren Aufwand für den Fachmann möglich.
3.5. Die Beschwerdegegnerin hat (insbesondere in der mündlichen Verhandlung) betont, daß selbst wenn dem Beweismaterial zufolge unreines Theta-1 von einem Fachmann erzielt werden könne, kein reines Theta-1 nach der Lehre des Streitpatents hergestellt werden könne. Anspruch 1 des Streitpatents sei auf reines Theta-1 gerichtet. Daher sei nicht ausreichend offenbart, wie das beanspruchte Theta-1 hergestellt werden könne. Unreines Theta-1 sei für katalytische Zwecke in gebräuchlichen kommerziellen Kohlenwasserstoffumwandlungsverfahren nutzlos.
Nach Artikel 84 EPÜ muß der Gegenstand, für den Schutz begehrt wird, in den Patentansprüchen angegeben werden, damit der Schutzbereich des europäischen Patents unter gebührender Berücksichtigung der Beschreibung und der Zeichnungen bestimmt werden kann (Art. 69 (1) EPÜ). Bei der Abfassung eines Patentanspruchs muß die Vorschrift der Regel 29 (1) EPÜ erfüllt werden, daß der Gegenstand des Schutzbegehrens "durch Angabe der technischen Merkmale der Erfindung" anzugeben ist; s. Entscheidung G 2/88, Nr. 2.5 der Entscheidungsgründe, ABl. EPA 1990, 93, 99. Gemäß Artikel 69 EPÜ und dem dazu ergangenen Protokoll sind die Ansprüche eines europäischen Patents unter Berücksichtigung der Beschreibung und etwaiger Zeichnungen auszulegen.
Gegenstand des Schutzbegehrens nach Anspruch 1 des Streitpatents sind kristalline Aluminosilicate, die durch zwei Parametergruppen definiert werden; die eine bezieht sich auf die chemische Zusammensetzung, die andere auf ein Röntgenbeugungsdiagramm. Ein bestimmter Reinheitsgrad wird in Anspruch 1 nicht erwähnt.
In der Praxis wird die Reinheit eines Erzeugnisses von den Einzelheiten seines Herstellungsverfahrens abhängen, und die Art und Menge der zulässigen Verunreinigungen werden je nach dem für das Erzeugnis vorgesehenen Verwendungsbereich unterschiedlich sein.
Im vorliegenden Fall geht aus Seite 3, Zeilen 19 bis 25 der Beschreibung eindeutig hervor, daß es bei der Erfindung nicht nur um die Herstellung von "reinem" Theta-1, sondern auch von "Theta- 1, dem beispielsweise ZSM-5 beigemischt ist", im Wege des beschriebenen Verfahrens geht.
Ferner wird auf Seite 3, Zeilen 50 bis 57 auf die mögliche Verwendung der Aluminosilicate der vorliegenden Erfindung als Katalysatoren bei einer Vielzahl unterschiedlicher Reaktionen verwiesen. Die Beschreibung enthält weder eine Andeutung noch eine Zusage dahingehend, daß nur die Aluminosilicate unter die beanspruchte Erfindung fallen sollen, die in ganz bestimmten Reaktionen kommerziell nützlich sind. Es wird ganz im Gegenteil zu erkennen gegeben, daß Theta-1 (ohne eine bestimmte Bezugnahme auf den Reinheitsgrad) als Katalysator in vielen Reaktionen nützlich ist, und dies ist von der Beschwerdegegnerin auch nicht bestritten worden.
Daher müssen die Ansprüche nach Auffassung der Kammer im Gesamtzusammenhang der Beschreibung so ausgelegt werden, daß sie Theta-1 nicht nur ohne jegliche Verunreinigungen, sondern auch zusammen mit bei seiner Herstellung gegebenenfalls entstehenden Verunreinigungen umfassen.
3.6. Was die ausreichende Offenbarung betrifft, so verlangt Artikel 83 EPÜ, daß ein unter die Patentansprüche fallendes Erzeugnis von einem Fachmann unter Einsatz seines allgemeinen Fachwissens bereitgestellt werden kann, wenn er nach der Anweisung in dem Patent vorgeht. Nach Auffassung der Kammer ist dies hier aus den genannten Gründen der Fall.
Aus diesen Gründen ist die Kammer der Meinung, daß das Streitpatent die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ erfüllt.
4. Priorität
4.1. Die Druckschrift 1 würde nach Artikel 54 (3) EPÜ zum Stand der Technik gehören, wenn die Priorität aus der britischen Voranmeldung Nr. 8 100 532 nicht zu Recht bestünde. Mithin ist zu ermitteln, ob diese Prioritätsanmeldung und das spätere europäische Patent, wie von Artikel 87 (1) EPÜ gefordert, dieselbe Erfindung zum Gegenstand haben.
4.2. Wie bereits unter Nr. 3.1 erläutert, entspricht das Beispiel 2 der Prioritätsanmeldung dem Beispiel 2 des Streitpatents, und ein Fachmann war unter Befolgung seiner Anweisungen in der Lage, Theta-1 herzustellen (s. Nrn. 3.1 bis 3.5).
4.3. Die Beschwerdegegnerin hat behauptet, daß durch die Prioritätsanmeldung Theta-1 nicht identifizierbar offenbart werde, weil die Tabelle 1, die das Röntgenbeugungsdiagramm dieses Aluminosilicats wiedergebe, auf ein Erzeugnis nach Beispiel 1 zurückgehe, welches wiederum vom Fachmann nicht ausgeführt werden könne, weil es unzureichende Angaben über die Kieselsäurequelle enthalte.
Selbst wenn man davon ausgeht, daß das Beispiel 1 nicht ausgeführt werden kann, so haben doch die Theta-1-Aluminosilicate nach dem letzten Absatz auf Seite 2 der Prioritätsanmeldung das in Tabelle 1 dargestellte Röntgenbeugungsdiagramm, und dies ist nach Auffassung der Kammer eine klare Offenbarung in bezug auf die Identifizierung von Theta-1. Auf Seite 3, Absatz 1 der Prioritätsanmeldung heißt es, daß diese Röntgenbeugungsdaten mit einer Probe des Beispiels 1 in der calcinierten Wasserstofform erhalten worden seien. In bezug auf das Erzeugnis des Beispiels 2 wird jedoch auf Seite 6, Zeilen 10 bis 12 angegeben: "Das Erzeugnis wurde wie in Beispiel 1 beschrieben gewaschen, getrocknet und calciniert. Durch Röntgenbeugung wurde festgestellt, daß es sich im wesentlichen um Theta-1 mit etwas Cristobalit handelt."
Diese Erklärung kann in ihrem Gesamtzusammenhang nur so ausgelegt werden, daß das Erzeugnis in der calcinierten Wasserstofform das Röntgenbeugungsdiagramm der Tabelle 1 aufweist. Auch wenn der Fachmann bemerken sollte, daß in Beispiel 1 die Bildung der Wasserstofform und ihre Calcinierung vor der Messung des Röntgenbeugungsdiagramms nicht erwähnt wurde, so würde er doch dem ersten Absatz auf Seite 3 entnehmen, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit Theta-1 einwandfrei identifiziert werden kann. In diesem Zusammenhang ist erneut an die Schreiben I und II zu erinnern, die - wie bereits gesagt - zeigen, daß es einem Fachmann keine Schwierigkeiten bereitet, Theta-1 auf der Grundlage der in der Prioritätsanmeldung angegebenen Daten zu identifizieren.
4.4. Im Anspruch 1 des Streitpatents wird die Tabelle A, die Röntgenbeugungsdaten enthält, zur Definition der umfaßten Erzeugnisse verwendet. Diese Tabelle A ist in der Prioritätsanmeldung nicht enthalten; diese enthält nur eine Tabelle 1, die mit der Tabelle 1 im europäischen Patent identisch ist. Auch die Tabelle B des Anspruchs 2 des europäischen Patents findet in der Prioritätsanmeldung keine Entsprechung. Somit ist zu prüfen, ob die im Anspruch 1 (bzw. im Anspruch 2) angegebene Erfindung mit der in der Voranmeldung offenbarten trotz der Tatsache identisch ist, daß bestimmte Merkmale, durch die sie definiert wird, nicht wörtlich übereinstimmen.
4.5. Die Tabelle A des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Tabelle 1 der Prioritätsanmeldung dadurch, daß die Meßwerte für 2-Theta und damit auch die berechneten d-Abstände durch Fehlergrenzen ergänzt und daß für die relative Intensität anstelle einzelner Zahlen Bereiche angegeben werden, was ebenfalls auf eine Ergänzung durch Fehlergrenzen hinausläuft. Daher kann nicht gesagt werden, die Tabelle A habe in der Prioritätsunterlage keine Grundlage, denn sie leitet sich von Tabelle 1 ab. Es stellt sich lediglich die Frage, ob die Aufnahme von Fehlergrenzen bedeutet, daß der Anspruch 1 des europäischen Patents nicht - oder nicht nur - dieselbe Erfindung wie in der britischen Anmeldung Nr. 8 100 532 beinhaltet.
Nach Auffassung der Kammer verändert die Aufnahme solcher Fehlergrenzen in diesem Zusammenhang den Charakter oder die Art der angegebenen Erfindung nicht, denn der Kammer liegen keine Beweise dafür vor, daß sich ein unter die Definition des Anspruchs 1 fallendes Aluminosilicat wesentlich von dem in der Prioritätsanmeldung definierten Theta-1 unterscheiden könnte.
4.6. Wie bereits erwähnt, werden die Aluminosilicate im Anspruch 2 des Streitpatents unter Hinweis auf das Röntgenbeugungsdiagramm der Tabelle B gekennzeichnet. Diese Tabelle B unterscheidet sich von der Tabelle 1 genauso wie die Tabelle A, aber die für die relative Intensität angegebenen Bereiche sind enger. Daher gelten die für die Tabelle A angestellten Überlegungen auch für die Tabelle B.
Aus den vorstehend genannten Gründen betreffen die Ansprüche des europäischen Patents nach Auffassung der Kammer dieselbe Erfindung, die auch in der Prioritätsanmeldung offenbart ist. Sie genießen daher das Prioritätsrecht nach Artikel 89 EPÜ.
5. Neuheit
Da den Ansprüchen des Streitpatents nach Artikel 89 EPÜ der 8. Januar 1981 als Anmeldetag zusteht, gehört die Druckschrift 1 nicht zum Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ, und ihr Inhalt ist für die Frage der Neuheit ohne Belang.
Die Druckschrift 2 offenbart weder ein Aluminosilicat, wie es in den Ansprüchen 1 bis 6 definiert ist, noch seine Verwendung in einem Kohlenwasserstoffumwandlungsverfahren, wie es in Anspruch 7 definiert ist.
Alle Ansprüche des Hauptantrags sind somit neu.
6. Erfinderische Tätigkeit
Die Frage der erfinderischen Tätigkeit wurde erstmals in der mündlichen Verhandlung aufgeworfen; ein solcher Einspruchsgrund war in der Einspruchsschrift weder geltend gemacht noch begründet worden. Der Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit fällt jedoch unter Artikel 100 a) EPÜ.
Gemäß dem Streitpatent kann Theta-1 als solches oder in Beimengung mit anderen Zeolithen als Katalysator für ein breites Spektrum von Reaktionen verwendet werden (s. Seite 3, Zeilen 50 bis 57), die größtenteils bei der Kohlenwasserstoffumwandlung von Bedeutung sind (vgl. Anspruch 7 des Hauptantrags).
Anhand von Versuchen, bei denen mit der Wasserstofform von Nu-10 Methanol zu Kohlenwasserstoff umgesetzt wurde, hat die Beschwerdegegnerin nachgewiesen, daß sich selbst geringe Mengen von beigemengtem ZSM-5 auf den Reaktionsverlauf und die Produktverteilung auswirken; s. Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 12. März 1987, Seiten 3 und 4.
Die Beschwerdegegnerin hat daraus geschlossen, daß in Wirklichkeit ZSM-5, das in dem gemäß den Anweisungen des Beispiels 2 hergestellten Theta-1 als Verunreinigung vorhanden sei, als aktiver Katalysator wirke und die Eigenschaften von Theta-1 verdecke. Sie kam zu dem Ergebnis, das Patent biete keine Grundlage für die Ermittlung einer erfinderischen Tätigkeit.
Diese Schlußfolgerungen sind von der Beschwerdeführerin bestritten worden; sie brachte vor, daß die Methanolumwandlung nicht mit der Kohlenwasserstoffumwandlung des Anspruchs 7 verglichen werden könne und daß sich die bei einer solchen Kohlenwasserstoffumwandlung mit ZSM-5 erreichbare Produktverteilung von der mit Theta-1 als Katalysator erzielbaren unterscheide, was von der Beschwerdegegnerin nicht widerlegt worden sei.
Da das Vorbringen der Beschwerdegegnerin verspätet ist und zweifellos nicht klar dargelegt wurde, wird es von der Kammer unter diesen Umständen als unzulässig nicht berücksichtigt.
7. Verspätet eingereichte Druckschriften
Die Beschwerdegegnerin legte die Druckschriften EP-A-55 045 und EP-A-77 624 erst am 15. März 1990 vor, ohne diese verspätete Einreichung zu begründen. Nach Prüfung dieser Druckschriften gemäß Artikel 114 (1) EPÜ ist die Kammer zu dem Schluß gelangt, daß sie auch dann zu keiner anderen Entscheidung gelangen würde, wenn sie sie berücksichtigen würde. Diese Druckschriften werden somit nach Artikel 114 (2) EPÜ nicht berücksichtigt.
8. Kosten
a) Wie unter Nummer VI ausgeführt, beantragte die Beschwerdeführerin eine Kostenverteilung, nachdem die Sachentscheidung im Beschwerdeverfahren verkündet worden war.
Die Übung der Beschwerdekammern geht dahin, daß alle Anträge der Beteiligten, einschließlich etwaiger Anträge zu den Kosten, vor der Verkündung der Entscheidung in der mündlichen Verhandlung zu stellen sind. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß eine Kostenverteilung nach Artikel 104 EPÜ nicht von dem in der Entscheidung verkündeten Ausgang eines Rechtsstreits, sondern von der "Billigkeit" abhängt. Dies steht beispielsweise im Gegensatz zu Verfahren im Vereinigten Königreich, wo sich die Kostenverteilung im allgemeinen nach dem Ergebnis der Entscheidung richtet.
Allerdings ist die vorstehend genannte Übung, soweit die Kammer weiß, nie veröffentlicht worden; daher konnten die Beteiligten oder ihre Vertreter sie auch nicht kennen. Unter diesen Umständen hat die Kammer den Antrag der Beschwerdeführerin in dieser Sache ausnahmsweise berücksichtigt, obwohl die Sachentscheidung bereits verkündet worden war.
b) Die Beschwerdeführerin hat eine Kostenverteilung in erster Linie mit der Begründung beantragt, daß die unter Nummer IV genannten Schreiben I und II, in denen es um die von Dr. Kouwenhoven geleiteten Arbeiten geht, der Einspruchsabteilung zu Unrecht nicht zugänglich gemacht worden seien.
Dr. Kouwenhoven hat in seiner Erklärung vom 5. März 1987, die der Einspruchsabteilung am 10. März 1987 zugegangen ist, festgestellt: "Ich habe insgesamt fünf Versuche zur Herstellung der in den Beispielen 1 und 2 der britischen Patentanmeldung Nr. 8 100 532 beschriebenen Präparate durchgeführt, aber hierbei festgestellt, daß ich Zeolith Theta-1 nicht herstellen konnte."
Die Schreiben I und II zeigen, daß Dr. Kouwenhovens Angaben insoweit nicht die ganze Wahrheit enthalten, als die Versuche, bei denen Theta-1 erfolgreich hergestellt wurde, nicht erwähnt werden. Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, daß die beiden Schreiben, wären sie der Einspruchsabteilung zugänglich gemacht worden, die Sache zu ihren Gunsten entschieden hätten und daß das Beschwerdeverfahren vermieden worden wäre.
Nach Auffassung der Kammer ist die vorstehend genannte Angabe in der Erklärung vom 5. März 1987 durch die Erwähnung von "insgesamt" 5 (erfolglosen) Versuchen sicherlich dem ersten Anschein nach irreführend in bezug auf eine zentrale Frage in dieser Sache, nämlich ob Theta-1 nach dem Beispiel 2 hergestellt werden kann. Die Kammer selbst hat sich auf den Inhalt der Schreiben I und II gestützt, als sie ihre Entscheidung traf, die in diesem Punkt im Widerspruch zu der der Einspruchsabteilung steht. Dennoch ist folgendes zu berücksichtigen:
i) Ohne zusätzliche Informationen und eine weitere Beweisaufnahme wäre es nicht gerechtfertigt, wenn sich die Kammer zu der Sache weiter äußern würde; betont werden soll lediglich, wie wichtig es offensichtlich ist, daß Beweismittel, die im Auftrag von Verfahrensbeteiligten vorgebracht werden, vollständig sind und die ganze Wahrheit wiedergeben.
ii) Jedenfalls ist die Beschwerdekammer nicht davon überzeugt, daß Kosten für das Einspruchs- und das Beschwerdeverfahren zusammengenommen zwangsläufig vermieden oder eingespart worden wären, wenn alle ihr zugänglich gemachten Informationen auch der Einspruchsabteilung vorgelegen hätten.
Aus diesen Gründen lehnt die Kammer eine Kostenverteilung ab.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent gemäß dem Hauptantrag aufrechtzuerhalten.
3. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Kostenverteilung wird abgelehnt.