T 0118/89 19-09-1990
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Bauelement für Baumodelle, insbesondere Bauspielzeuge
Unadmissible amendment by generalisation or deletion
of feature yes
Referral to Enlarged Board of Appeal no
Unzulässige Erweiterung durch Merkmalsverallgemeiner.
bzw. Weglassung ja
Vorlage an die Grosse Beschwerdekammer nein
I. Der am 7. Januar 1987 für ein Bauelement für Baumodelle, insbesondere Bauspielzeuge angemeldeten und am 9. September 1987 veröffentlichten europäischen Patentanmeldung Nr. 87 810 007.2 lag folgender Anspruch zugrunde:
"1. Bauelement für Baumodelle, insbesondere Bauspielzeuge, mit zwei parallelen Reihen (5, 6) von auf der einen Seite einer Wand (2) des Bauelementes (1) angeordneten Kupplungszapfen (7, 8) und mit auf der Gegenseite angeordneten Gegenkupplungsorganen (25), wobei die Kupplungszapfen (7, 8) mit leitenden Oberflächen versehen sind, welche mit auf der Gegenseite angeordneten Kontaktelementen (19) in elektrischer Verbindung stehen, und wobei die leitenden Oberflächen der Kupplungszapfen (7, 8) und die Kontaktelemente (19) derart miteinander verbunden sind, daß sie zwei elektrisch getrennte Stromleiter längs der Reihen (5, 6) bilden, dadurch gekennzeichnet, daß alle Kupplungszapfen (7, 8) leitende Oberflächen haben, daß ferner an der Stelle jedes Kupplungszapfens (7, 8) ein mit der leitenden Oberfläche dieses Kupplungszapfens (7, 8) verbundenes Kontaktelement (19) angeordnet ist, und daß die leitenden Oberflächen und die Kontaktelemente (19) jedes zweiten Kupplungszapfens (7; 8) jeder Reihe (5; 6) miteinander und mit den leitenden Oberflächen und Kontaktelementen (19) des zweiten Kupplungszapfens (7, 8) der anderen Reihe (6; 5) elektrisch verbunden sind, wobei die betreffenden jeweils zweiten Kupplungszapfen (7; 8) der einen Reihe (5) gegenüber denjenigen der anderen Reihe (6) um den Abstand zweier benachbarter Kupplungszapfen (7, 8) in der Richtung der Reihen (5, 6) versetzt sind."
II. Am 31. Mai 1988 legte die Anmelderin (Beschwerdeführerin) ein geändertes Schutzbegehren vor, dessen Anspruch 1 folgenden Wortlaut hat:
"1. Bauelement für Baumodelle, insbesondere Bauspielzeuge, mit zwei parallelen Reihen (5, 6) von auf der einen Seite einer Wand (2) des Bauelements (1) angeordneten Kupplungszapfen (7, 8) und mit auf der Gegenseite angeordneten Gegenkupplungsorganen (25), wobei die Kupplungszapfen (7, 8) mit elektrisch leitenden Mitteln versehen sind, wobei die leitenden Mittel der Kupplungszapfen (7, 8) derart miteinander verbunden sind, daß zwei elektrisch getrennte Stromleiter längs der Reihen (5, 6) gebildet sind, dadurch gekennzeichnet, daß alle Kupplungszapfen (7, 8) leitende Mittel haben, und daß die leitenden Mittel jedes zweiten Kupplungszapfens (7; 8) jeder Reihe (5; 6) miteinander und mit den leitenden Mitteln jedes zweiten Kupplungszapfens (7; 8) der anderen Reihe (6; 5) elektrisch verbunden sind, wobei die betreffenden jeweils zweiten Kupplungszapfen (7; 8) der einen Reihe (5) gegenüber denjenigen der anderen Reihe (6) um den Abstand zweier benachbarter Kupplungszapfen (7, 8) in der Richtung der Reihen (5, 6) versetzt sind."
III. Die Anmeldung wurde nach vorbereitendem Bescheid vom 9. August 1988 durch Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 23. November 1988 zurückgewiesen. Die Zurückweisung ist im wesentlichen damit begründet, daß der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 nicht ausreichend offenbart sei, Artikel 123 (2) EPÜ.
IV. Am 16. Januar 1989 hat die Beschwerdeführerin gegen vorgenannte Entscheidung unter gleichzeitiger Bezahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese begründet. Mit der Beschwerde hat sie hilfsweise einen neuen Anspruchssatz vorgelegt, in dem nur das Merkmal "leitende Oberfläche" der ursprünglichen Ansprüche durch den allgemeineren Begriff "leitende Mittel" ersetzt ist.
In der am 19. September 1990 durchgeführten mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin folgende Anträge gestellt:
Hauptantrag: Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz mit der Anweisung, die Patenterteilung mit den geltenden, der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Unterlagen zu beschließen.
1. Hilfsantrag: Vorlage der Sache an die Große Beschwerdekammer mit folgender Rechtsfrage:
"Ist ein geänderter unabhängiger Anspruch, der weniger oder allgemeinere Merkmale als der entsprechende ursprüngliche unabhängige Anspruch hat und durch die ursprüngliche Beschreibung und Zeichnung im Sinne von Art. 84 gestützt ist, im Hinblick auf Art. 123 (2) auch dann zulässig, wenn die durchgeführte Änderung keinen Widerspruch behebt und keine Unklarheit beseitigt?"
2. Hilfsantrag: Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz mit der Anweisung, die Patenterteilung auf der Basis der mit Eingabe vom 12. Januar 1989 vorgelegten Ansprüche 1 bis 4 sowie der ursprünglichen Ansprüche 5 bis 10 zu beschließen.
3. Hilfsantrag: Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens mit den ursprünglich eingereichten Unterlagen.
V. Die vorstehend genannten Anträge wurden im wesentlichen wie folgt begründet:
- Hauptantrag: Der Ausdruck "leitende Mittel" im Anspruch 1 sei durch die metallisch leitende Oberfläche der Kupplungszapfen des ursprünglich eingereichten Ausführungsbeispieles hinreichend offenbart. Auch sei es für den Fachmann völlig selbstverständlich, daß die Kontaktelemente für "unterste" Bausteine nicht benötigt würden, so daß dieses Merkmal aus dem Anspruch 1 zu streichen sei ohne gegen Artikel 123 (2) und 84 bzw. Regel 29 (1) (d) sowie Artikel 69 (2), 123 (3) und 83 EPÜ zu verstoßen.
Im übrigen sei zu Artikel 123 (2) EPÜ folgendes zu sagen:
Nach den Prüfungsrichtlinien C III 6.2 dürften die Ansprüche so abgefaßt werden, daß sie nebst dem beschriebenen Ausführungsbeispiel auch alle offensichtlichen Abwandlungen mitumfaßten. Über diese Grenze gehe der geltende Anspruch 1 nicht hinaus.
Nach dem Wortlaut des Artikel 123 (2) EPÜ sei nicht zu prüfen, ob die ursprüngliche Anmeldung Hinweise für die durchgeführte Änderung enthalte. Ein Vergleich des geänderten Anspruchs 1 mit dem ursprünglichen Anspruch 1 sei aus diesem Grund völlig überflüssig.
Die Zurückweisung einer Anmeldung als Folge der Verallgemeinerung oder Streichung eines Merkmals könne daher niemals damit begründet werden, daß die ursprüngliche Anmeldung keine Grundlage für die Änderung als solche enthalten habe.
Wäre die geltende Fassung der Anmeldung als Neuanmeldung eingereicht worden, so wäre sie wegen neuheitsschädlicher Vorwegnahme durch die ursprüngliche Anmeldung zurückzuweisen gewesen. Es würde einen krassen Widerspruch bedeuten, würde man einerseits bei einer Neuanmeldung deren Gegenstand gegenüber der ursprünglichen Anmeldung nicht als neu ansehen, andererseits aber bei einer Änderung der Anmeldung den gleichen Gegenstand als über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehend ansehen.
Beim Neuheitstest verstoße daher die Streichung oder Verallgemeinerung eines Merkmals nur in Ausnahmefällen gegen Artikel 123 (2) EPÜ, weil das Spezifischere stets für das es umfassende Allgemeinere neuheitsschädlich sei, wie auch aus der Entscheidung T 190/83 Ziff. 4 hervorgehe. Weiterhin sprächen die Entscheidungen T 52/82, T 120/83, T 151/84 sowie T 159/86 zu ihren Gunsten, während die Entscheidungen T 194/84 und T 416/86 mit dem Europäischen Patentübereinkommen nicht vereinbar seien.
- 1. Hilfsantrag: Die formulierte Fragestellung für die Große Beschwerdekammer knüpfe an den Leitsatz der Entscheidung T 172/82 an. Die Beschwerdeführerin sieht in vorliegender Fragestellung ein Rechtsproblem von grundsätzlicher Bedeutung, weil sie der Ansicht ist, daß die Prüfungsabteilung mit ihrer Begründung der Zurückweisung nur festgestellt habe, daß die Änderung nicht der Behebung eines Widerspruchs zwischen dem ursprünglichen Anspruch 1 und der Beschreibung diene und eine Prüfung auf Zulässigkeit der Änderung gemäß Artikel 123 (2) EPÜ damit nicht durchgeführt worden sei.
- 2. Hilfsantrag: Die Formulierung "leitende Mittel" gemäß Ansprüchen 1 bis 4 vom 12. Januar 1989 stellt nach Auffassung der Beschwerdeführerin lediglich ein glattes Äquivalent zu der ursprünglichen Formulierung "leitende Oberfläche" dar.
- 3. Hilfsantrag: Hierzu wurde lediglich ausgeführt, daß die erste Instanz die Gewährbarkeit der ursprünglich eingereichten Ansprüche im Bescheid vom 9. August 1988 schon in Aussicht gestellt habe.
Wegen weiterer Überlegungen der Beschwerdeführerin vor allem zum Thema "Artikel 123 (2) EPÜ" wird auf den Akteninhalt verwiesen.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Grundsätzliche Überlegungen zum Artikel 123 (2) EPÜ.
2.1. Nach dem Wortlaut des Artikels 123 (2) EPÜ darf eine europäische Patentanmeldung "nicht in der Weise geändert werden, daß ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht."
2.2. Daraus folgt, daß der Vergleich von ursprünglich Offenbartem und jeweils Beanspruchtem keinerlei Abweichungen bezüglich des Inhalts ergeben darf, sollen "Änderungen" im Sinne des Artikels 123 EPÜ zulässig sein.
2.3. Grundsätzlich ergibt sich, daß die Frage, ob Änderungen im Laufe des Patenterteilungsverfahrens zulässig sind oder nicht, völlig losgelöst beantwortet werden kann vom zu berücksichtigenden Stand der Technik. Zur Beantwortung dieser Sachfrage genügen die jeweils geltenden Ansprüche und die Unterlagen in der ursprünglich eingereichten Fassung. Ein Mitbewerber, der die ursprünglich eingereichten Unterlagen kennt, ist somit in der Lage, von sich aus den Umfang eines Schutzrechts abzuschätzen, das auf ihn zukommen kann. Artikel 123 EPÜ dient insoweit der Rechtssicherheit.
Für den Patentanmelder bedeutet diese Rechtssicherheit gegebenenfalls eine Einschränkung seiner Interessen, weil er sein Schutzrecht nicht mehr frei gestalten kann, sondern auf den Rahmen des ursprünglich Offenbarten beschränkt ist.
2.4. Wie vorstehende Ausführungen erhellen, besteht an sich keine sachliche Notwendigkeit, die Beurteilung der Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ, z. B. mit der Frage der Beurteilung der Neuheit, Artikel 54 EPÜ, zu kombinieren und sogenannte Neuheitstests bzw. modifizierte Neuheitstests vorzunehmen, um die Zulässigkeit von Änderungen beurteilen zu können.
2.5. Der Neuheitstest im Zusammenhang mit Artikel 123 (2) EPÜ mag seine Wurzeln darin haben, daß bei der Neuheitsfrage auch ein direkter Vergleich zwischen jeweiligen Ansprüchen und nächstliegendem Stand der Technik vorgenommen wird, also eine reine ja/nein-Entscheidung zu treffen ist. Er stellt somit eine Analogvorgehensweise dar und mag hieraus seine praktische Bedeutung schöpfen.
3. Welcher Methode man auch hier den Vorzug geben mag, sie führen beide zum gleichen Ergebnis.
Die Ursprungsunterlagen sind eindeutig in den Ansprüchen, der Beschreibung und in den Figuren darauf abgestellt, daß alle Kupplungszapfen "7" und "8" metallisch leitende Oberflächen haben, vgl. insbesondere Sp. 2, Z. 45 bis 51, Sp. 3, Z. 33 bis 51, Ansprüche 1 (Oberbegriff und Kennzeichenteil), 2 (metallische Hohlkörper) und 3, sowie Figuren 1, 3 und 4. Der Fachmann entnimmt den ursprünglich eingereichten Unterlagen damit explizit und implizit, daß zum Herstellen der elektrischen Verbindung zwischen zwei Bauelementen deren Kupplungszapfen "7, 8" mit leitenden Oberflächen versehen sind. Die "leitenden Oberflächen" der Kupplungszapfen sind somit für die Ermöglichung einer elektrischen Verbindung verantwortlich und nichts anderes.
3.1. Auf die Prüfungsrichtlinien kann sich die Anmelderin, zumal sie diese unvollständig zitiert, zur Stützung ihrer Ansicht hier nicht berufen. Dort heißt es unter C III 6.2 nämlich ausdrücklich:
"Dem Anmelder muß gestattet werden, alle offensichtlichen Abwandlungen, Äquivalente und Verwendungsmöglichkeiten dessen, was er beschrieben hat, in die Patentansprüche einzuschließen, nach dem Anmeldetag jedoch nur, soweit dies nicht gegen Artikel 123 (2) verstößt."
Das bedeutet, daß die Anmelderin zunächst einmal Abwandlungen oder Äquivalente beschrieben haben muß, bevor sie diese in einen Anspruch einschließen kann. Dies ist hier aber nicht der Fall. Vielmehr hat die Anmelderin den Ausführungsweg (Regel 27 f, EPÜ) ihrer Erfindung offenbart und nicht, wie sie vorgibt, ein Ausführungsbeispiel, so daß hier schon die erste Bedingung der Richtlinien nicht erfüllt ist. In der Anmeldung ist, abgesehen von den leitenden Oberflächen der Kupplungszapfen nichts Zusätzliches offenbart, das in den Patentanspruch einbezogen werden könnte.
Die Formulierung "leitende Mittel" im Zusammenhang mit den Kupplungszapfen, vgl. Hauptantrag und 2. Hilfsantrag ist somit nicht durch die ursprünglichen Unterlagen gedeckt, weil sie gegenüber der Formulierung "leitende Oberflächen" eine unzulässige Verallgemeinerung darstellt. War ursprünglich die enge Offenbarung ("leitende Oberflächen" der Kupplungszapfen) gegeben, so ist mit den "leitenden Mitteln" nunmehr die Summe aller denkbaren elektrischen Kontaktmittel beansprucht, wie elektrisch leitende Stifte, Kontaktzungen usw. d. h. es werden auch Äquivalente, die dem Fachmann durch die Ursprungsunterlagen nicht mitgeteilt sind, beansprucht. Diese Fassung stellt die Beanspruchung einer Lehre dar, die den ursprünglichen Unterlagen so nicht entnehmbar ist.
Die Beschwerdeführerin irrt, wenn sie meint, daß auf der Grundlage des Wortlauts des Artikel 123 (2) EPÜ nicht zu prüfen sei, ob die ursprüngliche Anmeldung Hinweise für die durchgeführte Änderung enthalte. Das Gegenteil ist der Fall. Nur wenn sich die Grundlage für die beabsichtigte Änderung bereits aus den Ursprungsunterlagen ergibt, ist sie zulässig. Die Ansicht der Anmelderin, daß ein Vergleich des geänderten Anspruchs mit dem ursprünglichen Anspruch überflüssig sei, geht am Problem vorbei. Entscheidend ist der Vergleich des geänderten Anspruchs mit der gesamten ursprünglichen Offenbarung. Sonst könnten Ansprüche nie im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung erweitert werden.
3.2. Auch die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur Prüfung der Änderungen analog der Neuheitsprüfung sind nicht zutreffend.
Im vorliegenden Fall umfaßt die Verallgemeinerung des Begriffs der "leitenden Oberflächen" außer den "leitenden Oberflächen" alle anderen "leitenden Mittel", denn es ist nur die Änderung als solche zu beurteilen, d. h. hier die Verallgemeinerung abzüglich des ursprünglich vorhandenen engeren Begriffs der "leitenden Oberflächen". Alle anderen "leitenden Mittel" sind aber gegenüber der ursprünglichen Offenbarung neu, da sie dort weder ausdrücklich noch stillschweigend offenbart sind. Es ist also keineswegs so wie die Beschwerdeführerin meint, daß bei einer Anmeldung der nach dem Hauptantrag bzw. dem 2. Hilfsantrag geltenden Fassung als Neuanmeldung diese von der ursprünglichen Anmeldung neuheitsschädlich getroffen würde. Der von der Beschwerdeführerin behauptete Widerspruch zwischen hypothetischer Neuanmeldung und Änderung der ursprünglichen Anmeldung ist daher nicht gegeben.
Ebensowenig ist die Ansicht der Beschwerdeführerin haltbar, daß die Verallgemeinerung oder Streichung eines Merkmals nur in Ausnahmefällen gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoße, weil das Spezifischere stets für das es umfassende Allgemeinere neuheitsschädlich sei, denn es wird ja gerade - wie oben dargelegt - das spezifische, bereits vorhandene Merkmal nicht in die Verallgemeinerung einbezogen.
Die Kammer schließt sich in bezug auf die Prüfung von Änderungen analog der Neuheitsprüfung den überzeugenden Ausführungen in der Entscheidung T 194/84 an, denen nichts mehr hinzuzufügen ist.
Diese Entscheidung wird von der Beschwerdeführerin insoweit unzutreffend interpretiert, als sie meint, dort werde die Änderung als solche und nicht die geänderte Fassung des Anspruchs geprüft; außerdem werde unterstellt, daß mit der Erweiterung des Anspruchs auch der Inhalt der Anmeldung erweitert werde. Beide Behauptungen sind abwegig und finden keinerlei Angriffsmöglichkeiten in der Entscheidung.
3.3. Die von der Beschwerdeführerin hier zur Stützung ihrer Ansicht herangezogenen Entscheidungen sind nicht einschlägig.
So ist die von der Beschwerdeführerin als relevant angesehene Entscheidung T 52/82 im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da es dort nicht um die Frage der ursprünglichen Offenbarung als solcher ging, vielmehr erwuchs die dort zu beantwortende Frage aus der Berücksichtigung des Standes der Technik. Mit der gleichen Frage befaßte sich T 120/83, allerdings nach der Patenterteilung, Artikel 123 (3) EPÜ. Ein erteiltes Patent liegt aber hier nicht vor.
Die weitere Entscheidung T 201/83 behandelt den hier nicht vorliegenden Fall der Veränderung von - allerdings ursprünglich offenbarten-Bereichsgrenzen.
In T 159/86 war die Frage der Ausstrahlung der Bemessungsangaben auf andere Bauteilgrößen zu untersuchen, so daß schon von daher keine vergleichbare Fragestellung vorliegt.
Die - von der Anmelderin abgelehnte - Entscheidung T 416/86 ist ebenfalls nicht einschlägig. Ihr Kennwort lautet:
"Unzulässige Änderung beim Ersatz struktureller Anspruchsmerkmale durch ihre offenbarte Funktion". Die Fragestellung, die hier zu beantworten ist, ist hingegen, ob ein für die Lösung der Aufgabe unbedingt erforderliches Merkmal aus dem unabhängigen Anspruch gestrichen werden kann.
4. Mit dem Hinweis, daß bei "unteren" bzw. "untersten" Bauelementen die Kontaktzungen "19" ohne Bedeutung seien, hat die Beschwerdeführerin dieses Merkmal aus dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gestrichen. Die Weglassung dieses Merkmals stellt nach Auffassung der Kammer ebenfalls einen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ dar, weil dadurch die technische Information, die die ursprünglichen Unterlagen vermitteln, in unzulässiger Weise verändert wird.
Zunächst ist aus den Ursprungsunterlagen - bei deren fachmännischer Auslegung - nirgendwo erkennbar, daß die Bauelemente "1" nicht einheitlich sein sollten, sondern, daß es "untere" und daß es "obere" Elemente geben solle.
Die Erkenntnis, die ein Fachmann beim Studieren der Ursprungsunterlagen gewinnen würde, kann nur darin bestehen, daß die Bauelemente vollkommen gleich gestaltet sind, um deren Herstellung und Bereithaltung zu vereinfachen, was bei einem Massenbauteil ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt sein dürfte. Die Weglassung der Kontaktelemente "19" aus dem unabhängigen Anspruch des Hauptantrages ist somit sachlich nicht gerechtfertigt. Der Hinweis, daß diese Kontaktelemente für "untere" bzw. "unterste" Bauelemente entbehrlich seien, mag zwar zutreffen, er kann aber die Weglassung dieses Merkmals nicht begründen, weil diese Erkenntnis den ursprünglichen Unterlagen nicht entnehmbar ist. In diesem Zusammenhang darf auf Sp. 5, Z. 60 bis Sp. 6, Z. 3 verwiesen werden, wonach das Bauelement aus vier Bestandteilen, d. h. bindend auch aus Kontaktelementen bzw. Kontaktzungen "19" besteht. Der bestimmte Artikel "das" Bauelement "1" spricht eindeutig für die Gleichheit desselben untereinander, so daß die Kontaktzungen "19" ein wesentliches und nicht aus dem Zusammenhang reißbares Merkmal des Anmeldungsgegenstandes sind.
Mit Blick auf die Aufgabe der vorliegenden Erfindung ,vgl. Sp. 1, Z. 41 bis 48, ist zudem klar, daß Bauelemente nur elektrisch zu kuppeln sind, wenn elektrische Kontakt- und Gegenkontaktelemente, d. h. Zungen vorhanden sind.
Der Anspruch 1 des Hauptantrages ist auch aus diesem Grunde nicht gewährbar. Gleiches gilt für Anspruch 2 des Hauptantrages, der im Gegensatz zu allen Teilen der ursprünglichen Unterlagen lehrt, daß die Kontaktelemente "19" in das zugehörige Gegenkupplungsorgan ragen. Die Figuren 5, 9 und 10 samt zugehöriger Beschreibung vom Anmeldetage vermitteln vielmehr die Lehre, daß die Kontaktelemente "19" in die Schlitze "11" eintauchen und mithin wegen ihrer Endabkröpfung federnd an den Rändern des Sockelteils "9" anliegen.
Auch hier können die von der Beschwerdeführerin genannten, die Streichung eines Merkmals betreffenden Entscheidungen nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Zwar ist die Fragestellung in T 190/83 mit derjenigen, die im vorliegenden Falle zu untersuchen ist, teilweise vergleichbar, da es dort auch um die Weglassung von Merkmalen ging. Die dort vertretene Auffassung, daß das Weglassen von Merkmalen aus einem unabhängigen Anspruch keinen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ darstellen kann, da dadurch das Reservoir der ursprünglichen Offenbarung nicht überschritten werde (Reservoirtheorie), hat jedoch keine allgemeine Anerkennung in der Rechtsprechung gefunden und deckt sich insbesondere nicht mit der Rechtsauffassung der Kammer, für die das Weglassen von Merkmalen aus dem unabhängigen Anspruch die dem Fachmann mitgeteilte Lehre der Ursprungsunterlagen sehr wohl in unzulässiger Weise verändern kann.
Die Entscheidung T 151/84 behandelt die Streichung eines unwesentlichen Merkmals aus dem Anspruch. Hier stellen aber die Kontaktzungen ein wesentliches Merkmal der vorliegenden Erfindung dar, ohne das deren geltend gemachte Aufgabe nicht lösbar wäre.
Somit kann das Anspruchsbegehren nach dem Hauptantrag und dem 2. Hilfsantrag, weil gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßend, nicht gewährt werden.
5. Zum 1. Hilfsantrag kommt die Kammer zu folgendem Ergebnis:
Die von der Beschwerdeführerin formulierte Frage stellt einmal keine grundsätzliche Rechts-, sondern eine Tatsachenfrage dar. Tatsachenfragen sind aber im Gegensatz zu Rechtsfragen nur aus den Umständen des Einzelfalls heraus zu beantworten.
Zum anderen trifft die Frage auch nicht den vorliegenden Fall, denn weniger oder allgemeinere Merkmale sind gerade nicht durch die ursprüngliche Beschreibung und Zeichnung im Sinne von Artikel 84 EPÜ gestützt, wie die Ausführungen unter vorstehenden Punkten 3. und 4. erhellen. Da die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Frage von unzutreffenden Voraussetzungen ausgeht, bedarf es auch nicht der Erörterung, der von der Beschwerdeführerin genannten Entscheidung T 172/82, in der es um die Streichung eines Merkmals zur Klarstellung und/oder Behebung eines Widerspruchs ging.
Schließlich kann die Kammer nicht nachvollziehen, wie die Beschwerdeführerin zu der Ansicht kommt, die Prüfungsabteilung habe in bezug auf die Änderungen keine Zulässigkeitsprüfung nach Artikel 123 (2) EPÜ durchgeführt, sondern nur festgestellt, daß die Änderung nicht der Behebung eines Widerspruchs zwischen dem ursprünglichen Anspruch 1 und der Beschreibung diene. Diese Behauptung entbehrt jeder Grundlage in der angefochtenen Entscheidung. Damit ist die Fragestellung aber hypothetisch. Ihre Beantwortung durch die Große Beschwerdekammer hätte somit keinen Einfluß haben können auf den in vorliegender Sache zu entscheidenden Sachverhalt.
Die Vorlage der Frage der Beschwerdeführerin an die Große Beschwerdekammer gemäß 1. Hilfsantrag war somit zurückzuweisen.
6. Dem 3. Hilfsantrag (Zurückverweisung an die erste Instanz zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens auf der Basis der ursprünglichen Unterlagen) war stattzugeben, da das Prüfungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist.
7. Die Beschwerdeführerin hat in vorliegender Sache noch Überlegungen in anderer Richtung angestellt, z. B. Verhältnisse in anderen Staaten, Harmonisierung der Rechtsprechung usw.; diese Überlegungen haben keinen Einfluß auf die hier zu entscheidende Sachfrage, so daß diesbezügliche Stellungnahmen seitens der Kammer entbehrlich erscheinen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Entscheidung der Prüfungsabteilung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens auf der Basis der ursprünglichen Unterlagen an die erste Instanz zurückverwiesen.
3. Die übrigen Anträge werden zurückgewiesen.