T 0113/92 (Beschreibungsanpassung/SCHRAMM) 17-12-1992
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Hitzehärtbares Beschichtungsmittel und dessen Verwendung
01) Imperial Chemical Industries PLC Legal Department Patents
02) Deutsche ATOCHEM Werke GmbH
04) Hüls Aktiengesellschaft
05) Becker Industrifärg AB
Verfahrensökonomie
Entschiedene Rechtssache (res iudicata)
Streamlining of procedure
Reimbursement of appeal fee (no)
res iudicata
Beschreibungsanpassungen sollten ökonomisch durchgeführt werden. Sie haben sich auf das unbedingt Erforderliche zu beschränken. Komplette Neuschriften sind daher in der Regel nicht einzureichen (Punkt 3 der Gründe)
Von der Kammer der Vorinstanz überlassene Beschreibungs- anpassung eröffnet nicht die Möglichkeit, die vorher rechts- kräftig festgestellte Gültigkeit der Patentansprüche erneut in Frage zu stellen (Punkt 1 der Gründe, entsprechend T 934/91).
I. Das auf die europäische Patentanmeldung 81 106 954.1 am 7. März 1984 aufgrund von 10 Patentansprüchen erteilte europäische Patent 0 047 508 Patent wurde am 26. April 1988 auf fünf Einsprüche hin widerrufen. Auf die Beschwerde der Patentinhaberin hat die Kammer mit der Entscheidung T 317/88 die Sache an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent gestützt auf geänderte Ansprüche 1 bis 8 und eine noch anzupassende Beschreibung aufrechtzuerhalten. Der geänderte Anspruch 1 hatte folgenden Wortlaut:
"Hitzehärtbares Beschichtungsmittel, bestehend aus einer Lösung eines hydroxylfunktionellen Bindemittels und eines geblockten Polyisocyanates in einem diese beiden Bestandteile lösenden organischen Lösungsmittel und gegebenenfalls üblichen Pigmenten, Pigmentfarbstoffen, Füllstoffen und anderen Zusatzstoffen, dadurch gekennzeichnet, daß es ein suspendiertes, in dem Lösungsmittel im wesentlichen nicht gelöstes, feinteiliges Polyamid mit 10 bis 13 C-Atomen je Carbonamidgruppe, einer Korngröße von maximal 60 µm und einer Schüttdichte von 0,20 bis 0,60 in einer Menge von 5 bis 40 Gew.-% von hydroxylfunktionellem Bindemittel und geblocktem Polyisocyanat zusammen enthält."
II. Mit ihrem am 17. September 1991 eingegangenen Schriftsatz hat die Patentinhaberin eine Reinschrift der geltenden Patentansprüche und eine geänderte Beschreibung eingereicht, aufgrund deren die Einspruchsabteilung mit Entscheidung vom 6. Dezember 1991 das Patent in geändertem Umfang aufrechterhalten hat. In der Entscheidung wird festgestellt, die Beschreibung entspreche den Erfordernissen des EPÜ.
III. Gegen diese Entscheidung richten sich die am 5. Februar 1992 bzw. 15. Februar 1992 - jeweils unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr - eingelegten Beschwerden, die am 2. April bzw. 16. April 1992 begründet wurden.
IV. Am 17. Dezember 1992 hat - ohne Teilnahme der ordnungsgemäß geladenen beiden weiteren Verfahrensbeteiligten -eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in deren Verlauf die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) eine geänderte Fassung der Beschreibung eingereicht hat.
Der einzige hiergegen aufrechterhaltene Einwand der Beschwerdeführerin I betrifft die Angaben, die die Verwendung der Beschichtungsmittel nach Anspruch 1 im Bandlackierverfahren betreffen. Hier seien in der Entscheidung T 317/88 als wesentlich dargestellte Merkmale lediglich beispielhaft erwähnt.
Ferner hat die Beschwerdeführerin I Einwände gegen die Anspruchsfassung erhoben, über die die Kammer bereits in der Sache T 317/88 entschieden hatte. Hierzu wurde vorgetragen, dieser Anspruchswortlaut entspreche nicht der aus den Entscheidungsgründen hervorgehenden rechtlichen Beurteilung (ratio decidendi), sodaß eine Änderung des Anspruchswortlauts durch Aufnahme der in der Entscheidung als wesentlich bezeichneten Einbrennbedingungen in den Patentanspruch 1 erforderlich sei.
Die Beschwerdeführerin II hat zusätzlich ausgeführt, daß eine in Spalte 3, Zeilen 31 bis 34 vorgenommene Streichung die Auslegung des Schutzbereichs der geltenden Patentansprüche berühre und im Hinblick auf Artikel 123 (3) EPÜ bedenklich sei. Sie hat außerdem darauf aufmerksam gemacht, daß ihr der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Beschreibungstext erstmals mit der angefochtenen Entscheidung zur Kenntnis gebracht worden sei - ein Einwand, dem sich die Beschwerdeführerin I angeschlossen hat - und daß es verfahrensökonomischer gewesen wäre, die nicht sehr umfangreichen Änderungen in einer Kopie der Patentschrift durchzuführen und nicht eine vollständige Neuschrift einzureichen.
V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat erklärt, die von der Beschwerdeführerin I genannten Angaben zur Verwendung der anspruchsgemäßen Beschichtungsmittel seien so zu verstehen, daß beim Bandlackierverfahren die dort genannten Härtungsbedingungen zwingend einzuhalten seien. Für andere Methoden wie das Spritzverfahren seien jedoch andere Bedingungen erforderlich. Die von der Beschwerdeführerin I gewünschte Streichung könnte zu einer ungerechtfertigten einschränkenden Auslegung der Patentansprüche führen. Im übrigen sei der Wortlaut der Patentansprüche durch die Entscheidung T 317/88 unanfechtbar festgelegt. Eine Neuschrift der Beschreibung habe sie nur vorgelegt, weil dies regelmäßig von den Einspruchsabteilungen des EPA gefordert werde.
VI. Die Beschwerdeführerin I beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdeführerin II hat zuletzt keinen Antrag gestellt.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, der Aufrechterhaltung des Patents die in der mündlichen Verhandlung eingereichte Beschreibung zugrundezulegen.
Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet, dem Antrag der Beschwerdegegnerin stattzugeben.
1. Die Beschwerden sind insoweit zulässig, als sie sich gegen die Änderungen der Beschreibung richten, über die die Kammer noch nicht entschieden hatte.
Indes muß der Versuch der Beschwerdeführerinnen scheitern, auf dem Umweg über die Beschwerde gegen eine Entscheidung der Vorinstanz über die von der Kammer aufgegebene und von der Vorinstanz ausgeführte Beschreibungsanpassung eine Abänderung oder Aufhebung der von der Kammer bereits getroffenen Sachentscheidung zu erwirken. Im vorangegangenen Beschwerdeverfahren T 317/88 hat die Kammer am 13. Juni 1991 eine abschließende Sachentscheidung getroffen und angeordnet, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 8 gemäß Hauptantrag sowie einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten. Inhalt und Fassung der Patentansprüche sind somit res iudicata und nicht Gegenstand des anhängigen Beschwerdeverfahrens T 113/92 (siehe hierzu die ausführlichen Darlegungen in der zur Veröffentlichung im ABl. EPA vorgesehenen Entscheidung T 934/91 vom 4. August 1992).
2. Ist - wie hier im vorangegangenen Beschwerdeverfahren - ein Patent durch Änderung der Patentansprüche beschränkt worden, so muß die Beschreibungsanpassung so erfolgen, wie es die Rechtsklarheit gebietet; d. h. es muß dieser Beschränkung dadurch Rechnung getragen werden, daß alle Angaben beseitigt werden, die den eingeschränkten Patentgegenstand nicht mehr erläutern und die nicht zum Verständnis der Erfindung erforderlich oder nützlich sind.
2.1. Dies trifft hier für die Änderung des die Spalten 1 und 2 der Patentschrift überbrückenden Absatzes zu, der durch die in der mündlichen Verhandlung überreichte Einfügung an den Wortlaut des Anspruchs 1 angepaßt wurde. Ebenso wurde deshalb in Spalte 2 jeder Hinweis auf die Verwendung anderer als der nunmehr noch beanspruchten Polyamide mit 10 bis 13 C-Atomen entfernt. In den Spalten 2 und 3 wurden diejenigen Angaben über Korngrößen und Gewichtsverhältnisse entfernt, die den geltenden Ansprüchen nicht mehr entsprechen.
2.2. Die Kammer hat die von der Beschwerdeführerin II in diesem Zusammenhang vorgetragenen Bedenken gegen den sich aus der letzteren Änderung ergebenden Wortlaut von Spalte 3, Zeilen 30 bis 37 der Patentschrift geprüft. In der erteilten Fassung lautete dieser Absatz wie folgt:
"Die erfindungsgemäßen Beschichtungsmittel enthalten von hydroxylfunktionellem Bindemittel und geblocktem Polyisocyanat gewöhnlich 10 bis 60, vorzugsweise 20 bis 40 Gew.-%, wobei das Verhältnis von hydroxylfunktionellem Bindemittel zu geblocktem Polyisocyanat im Bereich von 0,5 bis 5:1, vorzugsweise von 1 bis 1:3, liegt."
Der geänderte Text lautet nunmehr:
"In den erfindungsgemäßen Beschichtungsmitteln beträgt das Verhältnis von hydroxylfunktionellem Bindemittel zu geblocktem Polyisocyanat gewöhnlich 0,5 bis 5:1, vorzugsweise 1 bis 1:3."
Die Beschwerdeführerin meinte nun, der Ausdruck "gewöhnlich" habe sich nur auf die nunmehr als wesentliche Merkmale in Anspruch 1 enthaltenen Gewichtsprozente bezogen. Das Mengenverhältnis von 0,5 bis 5:1 sei nach der erteilten Beschreibung somit ein wesentliches Merkmal und nicht nur ein "gewöhnlich" einzuhaltender Bereich, wie sich dies aus dem geänderten Wortlaut ergebe.
Diese Interpretation der erteilten Fassung der Patentschrift ist nach Überzeugung der Kammer zwar rein linguistisch möglich; sie steht aber im Widerspruch sowohl zum erteilten als auch dem geltenden Anspruch 1, die dieses Mengenverhältnis nicht als wesentliches Merkmal der erfindungsgemäßen Beschichtungsmittel enthalten. Daher ist das in Spalte 3 angegebene Mengenverhältnis nach Überzeugung der Kammer keine strikt einzuhaltende Bemessungsregel, sondern lediglich ein Richtwert für den Normalfall. Der geänderte Wortlaut des genannten Absatzes enthält daher keine über den Inhalt der Patentschrift in der erteilten Fassung hinausgehende Information und ist daher weder im Hinblick auf Artikel 123 (2) noch im Hinblick auf Artikel 123 (3) in Verbindung mit Artikel 69 (2) EPÜ zu beanstanden.
2.3. Hingegen war es im Hinblick auf die von der Kammer der Entscheidung T 317/88 zugrundegelegte Definition des Begriffs "hydroxylfunktionelles Bindemittel" (siehe Nr. 2.3.3 der Entscheidungsgründe) erforderlich, die unzutreffende Definition dieses Begriffs in Spalte 3, Zeilen 4 bis 7 der Patentschrift zu streichen, worauf die Kammer eigens hingewiesen hatte (siehe T 317/88, Nr. 5 der Gründe).
2.4. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin I läßt sich aus der Entscheidung T 317/88 keineswegs herleiten, daß die im Bandbeschichtungsverfahren einzuhaltenden Aushärtungstemperaturen und Einbrennzeiten zwingende Merkmale der beanspruchten Erfindung seien, die deshalb in der Beschreibung (siehe Patentschrift, Spalte 4, Zeile 26) nicht lediglich als beispielhaft hingestellt werden dürften. Gegenstand des Patents ist nach dem geltenden Patentansruch 1 ein Beschichtungsmittel und dessen Verwendung, nicht aber eine bestimmte Verwendung dieses Mittels oder gar ein Anwendungsverfahren. Alle Angaben, die sich auf irgendeine ursprünglich offenbarte Verwendbarkeit des beanspruchten Mittels beziehen, hält die Kammer daher für nützlich zum Verständnis der Erfindung. Eine Streichung oder Änderung solcher Angaben ist daher hier nicht erforderlich.
2.5. Ebenfalls nicht erforderlich und sogar bedenklich im Hinblick auf Art. 123 (2) EPÜ war die Ergänzung der Ausführungsbeispiele durch die Beschwerdegegenerin. Gleiches galt für die Abhandlung der im Einspruchsverfahren zusätzlich genannten Druckschriften, die hier nicht zum besseren Verständnis der Erfindung beitragen. Diese Änderungen sind daher in der geltenden Beschreibung zu Recht nicht mehr enthalten.
3. Die Kammer hält die von der Beschwerdeführerin II als überflüssig beanstandete Vorlage einer kompletten Neuschrift der Beschreibung anstelle einer redigierten Fassung der gedruckten Patentschrift hier für unangebracht, da weite Teile der Patentschrift unverändert geblieben sind. Somit mußten sich die Kammer und alle Verfahrensbeteiligten dem zeitaufwendigen Vergleich dieser unveränderten Beschreibungsteile mit der gedruckten Patentschrift unterziehen, anstatt sich auf die einzig wesentliche Frage konzentrieren zu können, ob die vorgenommenen Änderungen der Beschreibung den Anspruchsänderungen Rechnung tragen. Die Einreichung solcher unnötigen vollständigen Neuschriften verstößt ganz offenkundig gegen den nach Kenntnis der Kammer in allen Vertragsstaaten praktizierten und daher auch bei Verfahren vor dem EPA unbedingt zu beachtenden Grundsatz der Verfahrensökonomie, wonach ein Verfahren so schnell, zweckmäßig und kostengünstig wie möglich durchzuführen ist.
4. Der vom Akteninhalt bestätigte Umstand, daß die Beschwerdeführerinnen keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu der geänderten Beschreibung hatten, die der angefochtenen Entscheidung zugrundelag, stellt einen Verstoß gegen Art. 113 (1) EPÜ dar. Um weitere Verzögerungen des ohnehin überlangen Verfahrens zu vermeiden, hat die Kammer im Sinne der gebotenen Verfahrensökonomie und mit Zustimmung der Parteien über die Beschreibungsanpassung selbst entschieden. Nachdem die Kammer den Beschwerden nicht im beantragten Umfang stattgibt, kommt eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 67 EPÜ nicht in Betracht. Im Hinblick auf den in Nr. 1, zweiter Absatz dargelegten Sachverhalt wäre eine solche Rückzahlung auch unbillig gewesen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Der Aufrechterhaltung des Patents ist die in der mündlichen Verhandlung überreichte Beschreibung zugrundezulegen.