T 0919/95 (Schutzbeschichtung/SIEMENS) 16-01-1997
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Rheniumhaltige Schutzbeschichtung mit großer Korrosions- und/oder Oxidationsbeständigkeit
Abhilfe - Zweck der Abhilfe
Änderung - Erweiterung (bejaht)
Keine Rückzahlung der Beschwerdegebühr
I. Die am 30. Juli 1990 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 90 114 610.0 mit der Veröffentlichungsnummer 412 397, für die die Priorität der deutschen Anmeldung Nr. 3 926 479 vom 10. August 1989 in Anspruch genommen wurde, ist mit der Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 23. August 1995 zurückgewiesen worden. Diese Entscheidung wurde mit der vorliegenden Beschwerde angefochten.
II. Die Beschwerdeführerin hatte vor Beginn der Sachprüfung mit Schreiben vom 14. Juli 1992 eine Erweiterung des Anspruchs 1 beantragt, wobei die Spanne für den möglichen Cr-Gehalt von "22 bis 50 %" laut Anspruch 1 in der eingereichten Fassung auf "20 bis 50 %" ausgedehnt werden sollte. Dieser Anspruch wurde mit Schriftsatz vom 18. September 1992 als Hauptantrag aufrechterhalten. Hilfsweise wurde der Erlaß einer nach Artikel 106 (3) EPÜ gesondert beschwerdefähigen Zwischenentscheidung beantragt mit der Feststellung, daß die Patentanmledung in der ursprünglich eingereichten Fassung den Erfordernissen des EPÜ zur Erteilung des europäischen Patents entspricht.
Anspruch 1 der Anmeldung in der eingereichten Fassung lautete wie folgt:
"Schutzbeschichtung für metallische Bauteile, insbesondere Gasturbinenbauteile aus Superlegierungen auf Nickel- oder Kobalt-Basis, enthaltend folgende Bestandteile (in Gewichtsprozent):
1. - 20 % Rhenium,
22. - 50 % Chrom,
0. - 15 % Aluminium, wobei der Anteil von Chrom und Aluminium zusammen mindestens 25 % und höchstens 53 % ist,
0,3 - 2 % insgesamt mindestens eines reaktiven Elementes aus der Gruppe der seltenen Erden, insbesondere Yttrium,
0. - 3 % Silizium,
Rest hauptsächlich mindestens eines der Elemente aus Eisen, Nickel, Kobalt und Verunreinigungen, sowie folgende Wahlkomponenten:
0. - 5 % Hafnium,
0. - 12 % Wolfram,
0. - 10 % Mangan,
0. - 5 % Tantal,
0. - 5 % Titan,
0. - 4 % Niob,
0. - 2 % Zirkon,
wobei der Gesamtanteil der Wahlkomponenten 0 bis maximal 15. % beträgt, vorzugsweise 0 - 8 %."
III. Mit Schriftsatz vom 9. September 1993 hat die Beschwerdeführerin den Hauptantrag vervollständigt und in der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 1993 einen weiteren Hilfsantrag (als dritter Hilfsantrag bezeichnet) gestellt mit dem Inhalt, ein Patent in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung zu erteilen.
IV. Die Prüfungsabteilung erließ am 15. Dezember 1993 eine schriftliche Entscheidung; darin wies sie den Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag zurück und lehnte den Erlaß einer gesondert beschwerdefähigen Entscheidung nach Artikel 106 (3) EPÜ ab.
Die Entscheidung schließt wie folgt:
"3.1 Sollte die Anmelderin, zwischenzeitlich - nach Erlaß des Beschlusses und vor Ablauf der Beschwerdefrist - das Interesse daran verloren haben, von der Beschwerdekammer den Hauptantrag auf seine Zulässigkeit prüfen zu lassen, so wird es nicht als unbillig angesehen, zur Fortsetzung des Verfahrens gemäß dem dritten Hilfsantrag (Anspruch 1 in seiner ursprünglichen Fassung mit "22 % Cr" mit Würdigung von D1) eine Beschwerdegebühr entrichten zu müssen. Die Patentfähigkeit dieser Fassung wurde bereits im Bescheid vom 27.11.92 in Aussicht gestellt. Der dritte Hilfsantrag wird damit zulässig erachtet.
4. Damit wird die europäische Patentanmeldung 90. 114 610.0 zurückgewiesen."
V. Am 24. Januar 1994 wurde Beschwerde eingelegt und am 13. April 1994 die Beschwerdebegründung eingereicht. Darin ersuchte die Beschwerdeführerin um die Erteilung des Patents auf der Grundlage des zurückgewiesenen Hauptantrags bzw. auf der Grundlage des am 20. Oktober 1993 eingereichten Hilfsantrags. Sie beantragte auch die Rückzahlung der Beschwerdegebühr, weil der Prüfungsabteilung bei der Behandlung der Hilfsanträge wesentliche Verfahrensfehler unterlaufen seien.
VI. Die Prüfungsabteilung half der Beschwerde am 5. Mai 1994 gemäß Artikel 109 EPÜ unter Verwendung des Standardformblatts 2702.2 ab, hob die Entscheidung vom 15. Dezember 1993 auf und ordnete die Rückzahlung der Beschwerdegebühr an. Am 2. August 1994 erließ sie eine Mitteilung gemäß Regel 51 (4) EPÜ, in der sie um das Einverständnis der Beschwerdeführerin mit einer Fassung des Patents ersuchte, die der des Hilfsantrags der Beschwerde entsprach. Bezüglich der übrigen Anträge verwies die Prüfungsabteilung auf den Zurückweisungsbeschluß vom 15. Dezember 1993.
VII. Mit Schriftsatz vom 28. September 1994 teilte die Beschwerdeführerin mit, daß sie ihr Einverständnis zu der für die Erteilung eines Patents vorgesehenen Fassung nicht erkläre. Zudem legte sie ihre Ansicht hinsichtlich der Auswirkungen der Abhilfeentscheidung dar, hauptsächlich daß die Abhilfe einen unwiderruflichen Schritt der Prüfungsabteilung darstelle, mit dem ein Patent auf der Grundlage des Hauptantrags erteilt werde. Diese Entscheidung könne die Prüfungsabteilung unabhängig davon, ob sie richtig oder falsch sei, nicht mehr rückgängig machen.
VIII. Das wesentliche Argument der Beschwerdeführerin bezüglich der Abhilfe vor der Prüfungsabteilung wie auch vor der Beschwerdekammer ist in der nachstehend wortwörtlich zitierten Passage aus ihrem Schreiben vom 28. September 1994 enthalten:
"2. Das Europäische Patentübereinkommen enthält keine allzu detaillierten Vorschriften über die Praxis der Abhilfe und schweigt insbesondere zu der Frage, ob es eine "teilweise" Abhilfe geben kann oder ob das Instrument der Abhilfe stets nur eine Beschwerde "als Ganzes" betreffen muß. Was immerhin eindeutig dem Europäischen Patentübereinkommen zu entnehmen ist, vgl. Artikel 109 (2) EPÜ in der englischen und der französischen Fassung, welche beide durchaus klarer erscheinen als die deutsche Fassung, ist die Vorschrift, daß eine Abhilfe nichts anderes sein kann als eine Stattgabe, und d. h. eine Stattgabe in einem von dem Beschwerdeführer beantragten Umfang. Eine sogenannte "kassatorische Abhilfe", die lediglich die angefochtene Entscheidung beseitigt und das mit der Entscheidung zunächst abgeschlossene Verfahren ohne weitere Maßgabe wiedereröffnet, ist demnach mit dem Europäischen Patentübereinkommen nicht zu vereinbaren. Eine Abhilfe muß stets eine sogenannte "reformatorische Abhilfe" sein, also eine Abhilfe, die einem Beschwerdeführer etwas gewährt, was ihm mit der angefochtenen Entscheidung abgeschlagen worden ist."
In diesem Schreiben beantragte die Beschwerdeführerin eine Entscheidung der Prüfungsabteilung auf Erteilung des Patents gemäß dem Hauptantrag sowie eine mündliche Verhandlung gemäß Artikel 116 (1) EPÜ und brachte vor, daß das Recht, eine erneute mündliche Verhandlung auf der Grundlage von Artikel 116 (1) Satz 2 EPÜ abzulehnen, nicht geltend gemacht werden könne, weil die Abhilfe eine neue Sach- und Rechtslage geschaffen habe.
IX. Ohne eine weitere mündliche Verhandlung zuzulassen, erließ die Prüfungsabteilung am 23. August 1995 eine zweite Entscheidung, in der sie die auf die Entscheidungsgründe für die Ablehnung des Hauptantrags in der Entscheidung vom 15. Dezember 1993 verwies und die Anmeldung zurückwies, da keine patentfähige Fassung der Anmeldung vorlag.
X. Die vorliegende Beschwerde gegen diese zweite Entscheidung wurde am 13. September 1995 unter Entrichtung der Beschwerdegebühr eingereicht; die Beschwerdebegründung wurde am 15. Dezember 1995 nachgereicht. In ihrer Beschwerdebegründung, ihren nachfolgenden Schreiben und auch in der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 1997 hielt die Beschwerdeführerin ihr unter dem Absatz VIII aufgeführtes Argument aufrecht. Darüber hinaus wiederholte sie, eine Abhilfe müsse eine Stattgabe sein. Einer derart durch sie selbst ausgesprochenen Stattgabe könne die Prüfungsabteilung nicht mehr widersprechen, und zwar auf der Grundlage des Rechtssatzes "nemini licet venire contra factum proprium" (vgl. J 14/94 sowie 27/94, ABl. EPA 1995, 824 bzw. 831).
Übrigens sei es nicht möglich, einer Abhilfe durch eine geeignete Abfassung wahlweise irgendeine Wirkung zu geben oder nicht, ausgenommen die Möglichkeit einer im unmittelbaren Zusammenhang mit der Abhilfe zu erklärenden Einschränkung, falls die Abhilfe eine teilweise Abhilfe sein sollte.
Im vorliegenden Fall sei die Abhilfeentscheidung ohne jeden Kommentar ergangen, also insbesondere ohne jeden Hinweis, daß die Abhilfe irgendwie beschränkt sein sollte. Die Abhilfe sei also im weitestmöglichen Umfang ergangen und könne damit nur als eine Stattgabe der Beschwerde im vollen beantragten Umfang ausgelegt werden.
Somit sei die Abhilfeentscheidung gleichwertig mit einer Entscheidung über die Erteilung des Europäischen Patents in dem mit dem Hauptantrag beantragten Umfang. Eine solche Entscheidung könne vom Europäischen Patentamt aus eigener Befugnis nicht mehr umgestoßen werden, weder von der Prüfungsabteilung noch von einer Technischen Beschwerdekammer. Der Hauptantrag betreffe also "res iudicata" oder mit anderen Worten, die Abhilfe habe eine Wirkung, die einer Zwischenentscheidung im Einspruchsverfahren oder einer von einer Beschwerdekammer erlassenen Entscheidung, welche die Erteilung eines Patents auf eine Anmeldung in einer bestimmten Fassung anordne, gleichzusetzen sei.
Die Abhilfe sei auch keinesfalls eine bloße Meinungsäußerung oder eine bloße verfahrensmäßige Anordnung, die unter dem Vorbehalt einer formalen Entscheidung stehe, sondern mit der Abhilfe werde jedwede Beschwerde unmittelbar und vollständig beseitigt.
Auch seien verschiedene seitens der Prüfungsabteilung begangene Verfahrensfehler festzustellen.
Der Inhalt der in der Beschreibung der Anmeldung (Seite 1, Zeilen 20 bis 27) genannten Druckschrift EP-A-0 194 392 sei nicht richtig wiedergegeben, da keine konkrete Ausführungsform einer Schutzschicht, die einen Cr-Gehalt bis zu 20 % aufweise, erwähnt sei, denn sämtliche Schutzschichten hätten Cr-Gehalte von unter 12. %. Die Grenze von 20 % Cr bedeute, daß alle unter dieser Grenze liegenden Werte Nachteile für die Schutzbeschichtung erwarten ließen. Daher sei - im Umkehrschluß - in der Anmeldung offenbart, daß Cr-Gehalte über der Grenze von 20 % von Vorteil seien.
Sollte aber eine Erteilung eines Patents auf der Grundlage des Hauptantrags nicht möglich sein, dann müßte der von der Prüfungsabteilung als gewährbar erachtete Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag zum Tragen kommen.
XI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben, ein Patent zu erteilen gemäß dem mit der Beschwerde gestellten Hauptantrag, d. h. auf der Grundlage der mit Schreiben vom 9. September 1993 unterbreiteten Unterlagen mit der Maßgabe, daß die Seite 1 der Beschreibung ersetzt wird durch die Seiten 1 und 1a, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 20. Oktober 1993, bzw. gemäß dem mit der Beschwerde gestellten Hilfsantrag (als Hilfsantrag II bezeichnet), d. h. auf der Grundlage der Anmeldung in ihrer ursprünglichen Fassung mit der Maßgabe, daß die Seite 1 der Beschreibung ersetzt wird durch die Seiten 1 und 1a, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 20. Oktober 1993. Auch beantragte die Beschwerdeführerin die Zurückzahlung der Beschwerdegebühr.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Abhilfe
Die Beschwerdeführerin stützt ihre Auffassung, daß Abhilfe nur eine Stattgabe sein könne, auf die englische und französische Fassung des Artikels 109 EPÜ. Wie der Beschwerdebegründung, in der auf die Eingabe vom 28. September 1994 (siehe obigen Absatz VIII) verwiesen wird, zu entnehmen ist, hält die Beschwerdeführerin diesbezüglich den Artikel 109 (2) EPÜ in der englischen und französischen Fassung für wichtig, da die Worte "to allow" und "faire droit" beide durchaus klarer erscheinen als die deutsche Fassung ("abhelfen").
Die Worte "to allow" und "faire droit" deuten zwar in Richtung einer "Stattgabe", was aber nicht zutrifft für das Wort "abhelfen". Außerdem kommt dazu, daß der Artikel 109 (1) EPÜ in der englischen Fassung das Wort "to rectify" enthält, was vielmehr auf eine "Berichtigung" hinweist.
Nach Artikel 177 (1) EPÜ sind die Fassungen des Europäischen Patentübereinkommens in den drei Amtssprachen gleichermaßen verbindlich, jedoch ist der Artikel 109 EPÜ auslegungsbedürftig, da sich bei einem Vergleich dieser Fassungen ein Unterschied in deren Bedeutung ergibt. In einem solchen Fall ist das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 anzuwenden (Singer EPÜ Vor Präambel, Rdn. 3 und G 1, 5 und 6/83, ABl. EPA 1985, 60, 64, 67). Gemäß Artikel 31,4. dieses Übereinkommens ist eine besondere Bedeutung einem Ausdruck beizulegen, wenn feststeht, daß die Vertragsstaaten dies beabsichtigt haben, und gemäß Artikel 32 können insbesondere die vorbereitenden Arbeiten herangezogen werden, um die sich unter Anwendung des Artikels 31 ergebende Bedeutung zu bestätigen.
Es ist unbestritten, daß das Institut der Abhilfe aus dem deutschen Patentrecht, in das es bereits 1926 eingefügt worden ist (Blf MPZ 1926, 44) und auch aus dem schweizerischen Patentrecht übernommen wurde (Singer op. cit., Art. 109 Rdn. 1), was durch die Materialien zum EPÜ bestätigt wird (Kurt Haertel, 28. Juli 1961, Erster Arbeitsentwurf des Abkommens über ein europäisches Patentrecht, Art. 91 bis 100, Seite 12).
Der damalige, die Abhilfe betreffende Artikel 95 stimmte weitgehend mit § 36 l, Absatz 4 und 5 des deutschen Patentgesetzes vom 9. Mai 1961 überein und lautete wie folgt:
Abhilfe
(1) Erachtet die Stelle, deren Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für zulässig und begründet, so hat sie ihr abzuhelfen. Sie kann anordnen, daß die Beschwerdegebühr zurückgezahlt wird.
(2) Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, so ist sie vor Ablauf von zwei Wochen ohne sachliche Stellungnahme der Beschwerdekammer vorzulegen.
(3) Steht dem Beschwerdeführer ein anderer am Verfahren Beteiligter gegenüber, so darf der Beschwerde nicht abgeholfen werden.
Hierzu wird auf der bereits genannten Seite 12 unter dem Abschnitt "2.) Bemerkungen" folgendes ausgeführt:
Diese Vorschrift des Arbeitsentwurfs sieht vor, daß in einem Verfahren, in dem dem Beschwerdeführer keine weiteren Personen gegenüberstehen, die Stelle, deren Entscheidung angefochten wird, ihre Entscheidung wieder aufheben kann. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, in eindeutigen Fällen das Beschwerdeverfahren abzukürzen und die Beschwerdekammer mit ihrem komplizierten Verfahren überhaupt nicht mit diesen Fragen zu befassen.
Im Absatz a) dieser Bemerkungen wird dann eine von zwei Gruppen von Fällen, für die das Abhilfeverfahren praktische Bedeutung erlangt, aufgezeigt:
Die erste Instanz hat eine ihr vorliegende Eingabe des Beschwerdeführers übersehen oder nicht berücksichtigt und daher die Anmeldung zurückgewiesen. Beispiel: Ein begründetes Fristgesuch ist durch ein Versehen des Amts zu spät zu den richtigen Akten gelangt.
Dieses Beispiel weist eindeutig auf die Möglichkeit einer "rein kassatorischen Abhilfe" hin (Lindenmaier, Das Patentgesetz, 1973, § 36 l, Rdn. 58; Benkard, Patentgesetz und Gebrauchsmustergesetz, 1993, § 73, Rdn. 49 bis 53; Schulte PatG 5. Aufl., § 73 Rdn 33, 3.32).
2.1. Mit Bezug auf die Begründung der Beschwerde werden also die Voraussetzungen von Artikel 109 (1) EPÜ erfüllt, wenn durch das zulässige Beschwerdevorbringen der Grund der angefochtenen Entscheidung entfallen ist, insofern, als nach Aufhebung der angefochtenen Entscheidung entweder der Erlaß der beantragten Entscheidung erfolgen kann oder das Verfahren fortzusetzen ist, da die Prüfungsabteilung noch nicht in der Lage ist, im Sinne der Beschwerdeführerin zu entscheiden, weil dafür eine weitere Prüfung notwendig ist. Im letzteren Fall ist also eine spätere Zurückweisungsentscheidung nicht ausgeschlossen (T 47/90, ABl. EPA, 1991, 486, Entscheidungsgrund Nr. 6; T 691/91, Entscheidungsgrund Nr. 11). Auch kann die gleiche negative Entscheidung, aber mit anderer Begründung erlassen werden (Schulte op. cit. § 73 (Anhang) Art. 109 Rdn 6). Dies kann z. B. der Fall sein, wenn - obwohl die von der Beschwerdeführerin eingereichten Änderungen die Einwände, auf die sich die angefochtene Entscheidung stützt, eindeutig gegenstandslos machen -, noch andere, nicht ausgeräumte Einwände bestehen, die aber nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung waren (T 139/87, ABl. EPA, 1990, 68, Entscheidungsgrund Nr. 4) oder wenn sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, daß die Entscheidung der Prüfungsabteilung auf einer falschen Auslegung eines Antrags fußt, wie in der Sache T 647/93 (ABl. EPA, 1995, 132, Entscheidungsgrund Nr. 2.6) entschieden worden ist.
Insbesondere ist eine Beschwerde als begründet anzusehen, wenn die erste Instanz erkennen kann, daß die Beschwerdekammer unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung die Entscheidung aufheben und die Sache zurückverweisen wird (Schulte op. et loc. cit.)
Dies gilt allerdings nur für den Hauptantrag (G. Paterson, The European Patent System, Nr. 2 - 56, S. 76, letzter Satz bis Anfang S. 77), wenn, wie im vorliegenden Fall, ein Beschwerdeführer seinen Hauptantrag aufrechterhalten hat. Nur so wird dem Zweck der Abhilfe nach Artikel 109 EPÜ entsprochen, um im Interesse des EPA und des Beschwerdeführers eine Beschleunigung des Verfahrens zu ermöglichen und eine unnötige Belastung der Beschwerdekammer zu vermeiden (Schulte op. et loc. cit. Rdn. 1).
2.2. Wenn, wie im vorliegenden Fall, aus der Abhilfeentscheidung nicht ersichtlich ist, ob es sich um eine reformatorische oder eine rein kassatorische Abhilfe handelt, dann gibt es keinen Grund, daraus zu schließen, daß die Abhilfe nur eine reformatorische sein kann, weil in dieser Entscheidung von einer Stattgabe in irgendeinem Sinne nicht die Rede ist.
Eine Abhilfeentscheidung unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung ist an sich nur eine die endgültige Entscheidung über die innerhalb der im Artikel 109 (2) EPÜ bestimmten - kurzen - Frist zu treffende, die Patenterteilung vorbereitende Maßnahme, die, falls sie noch keinen klaren Hinweis im Sinne einer Stattgabe beinhaltet, nicht als eine solche gelten kann und damit auch keinen Vertrauensschutz in der Richtung einer positiven Entscheidung begründet.
Zwar hätte die Beschwerdeführerin nach Erlaß der Abhilfeentscheidung vom 5. Mai 1995 damit rechnen können, daß mindestens der Hauptantrag erneut in Behandlung genommen würde, dies jedoch - wie schon erwähnt - ohne die Sicherheit im Hinblick auf das Endergebnis, also ohne daß die Beschwerdeführerin die berechtigte Erwartung einer in seinem Sinne positiven Entscheidung haben konnte.
2.3. Der Prüfungsabteilung ist ein wesentlicher Verfahrensfehler unterlaufen, als sie die angefochtene Entscheidung vom 15. Dezember 1993 im Rahmen des Artikels 109 (1) EPÜ nur aufgehoben hatte, weil sie beabsichtigte, ein europäisches Patent auf der Grundlage des Hilfsantrags gemäß der Beschwerde zu erteilen.
Da es jedoch das Hauptziel der Beschwerdeführerin war, ein Patent im Sinne des Hauptantrags ihrer Beschwerde erteilt zu bekommen, konnte sie der von der Prüfungsabteilung vorgeschlagenen Fassung nicht zustimmen. Sie war daher gezwungen, nach der weiteren Entscheidung über die Zurückweisung der vorliegenden europäischen Patentanmeldung vom 23. August 1995 erneut eine Beschwerde einzulegen. Die Beschwerdeführerin hatte somit nach zwanzig Monaten wieder den Verfahrensstand erreicht, der bereits zum Zeitpunkt der Einlegung der ersten Beschwerde am 24. Januar 1994 erreicht war. Der Zweck einer Abhilfe nach Artikels 109 (1) EPÜ wurde daher verkannt.
Auch hätte die Prüfungsabteilung die mit Schriftsatz vom 28. September 1994 beantragte mündliche Verhandlung nicht ablehnen dürfen, weil diese Verhandlung zur Erörterung von Fragen beantragt wurde, die bis dahin keine Rolle gespielt hatten, wodurch der dem Verfahren zugrundeliegende Sachverhalt nicht unverändert geblieben wäre (Art. 116 (1) EPÜ; T 194/96).
3. Haupt- und Hilfsantrag
3.1. Es mag zutreffen, daß die Fassung der Beschreibung des Stands der Technik nach der Druckschrift EP-A-0 194 392 in der Anmeldung diesen Stand der Technik ungenau wiedergibt. Jedoch kann die Beschwerdeführerin aus dieser Tatsache keinen Nutzen ziehen, denn es kommt allein darauf an, was der Fachmann beim Lesen nur der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung der Beschreibung entnimmt.
Nach dieser Beschreibung liegt es für den Fachmann auf der Hand, daß sich der angegebene Wert von 20 % auf den genannten Stand der Technik und nicht auf die Erfindung, wie sie dann in der weiteren Beschreibung des Gegenstands der Anmeldung erläutert ist, bezieht. Mit den entsprechenden Gründen der Prüfungsabteilung in ihrer früheren Entscheidung stimmt die Beschwerdekammer voll überein, so daß sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen.
Der Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag ist daher im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ nicht zulässig.
3.2. Der Bewertung des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag seitens der Prüfungsabteilung wird zugestimmt, da der Stand der Technik, wie er den im Recherchenbericht genannten Druckschriften zu entnehmen ist, dem Gegenstand dieses Anspruches nicht patenthindernd im Wege steht.
4. Rückzahlung der Beschwerdegebühr
Da im vorliegenden Fall nur dem Hilfsantrag stattgegeben wird, ist nach Auffassung der Beschwerdekammer schon die Voraussetzung der Billigkeit nicht erfüllt, so daß der Antrag auf Rückzahlung zurückgewiesen werden muß (R. 67 EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, ein Patent zu erteilen auf der Grundlage des Hilfsantrags (in der Beschwerde als Hilfsantrag II bezeichnet).
3. Der Antrag auf Zurückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.