D 0016/21 03-03-2022
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I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungskommission vom 21. Juni 2021, in der festgestellt wurde, dass die Prüfungsarbeit des Beschwerdeführers zur Aufgabe B der Europäischen Eignungsprüfung 2021 mit 41 Punkten und damit mit der Note "NICHT BESTANDEN" bewertet wurde.
II. Mit Schreiben vom 20. Juli 2021, das am 22. Juli 2021 beim EPA einging, legte der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung der Prüfungskommission vom 21. Juni 2021 Beschwerde ein und begründete diese. Er entrichtete die vorgeschriebene Beschwerdegebühr.
III. Das Prüfungssekretariat legte die Beschwerde der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten (Beschwerdekammer) mit Schreiben vom 10. August 2021 vor und teilte mit, dass die Prüfungskommission beschlossen habe, der Beschwerde nicht abzuhelfen.
IV. Weder der Präsident des Europäischen Patentamtes noch der Präsident des Rats des Instituts der zugelassenen Vertreter, denen nach Artikel 24 (4) Satz 1 VEP in Verbindung mit Artikel 12 VDV Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, äußerten sich schriftlich zur Beschwerde.
V. Mit Schreiben vom 23. Februar 2022 nahm der Beschwerdeführer zur vorläufigen Auffassung und den Fragen der Beschwerdekammer Stellung. Insbesondere verwies er auf die Entscheidung D 8/21 und machte eine vergleichbare Sachlage geltend.
VI. Der Beschwerdeführer beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Prüfungsarbeit B der europäischen Eignungsprüfung 2021 zur erneuten Prüfung an die Prüfungskommission zurückzuverweisen, sollte die Beschwerdekammer nicht imstande sein, die besagte Prüfungsarbeit mit mindestens 45 Punkten (d.h. mit der Note "NICHT BESTANDEN MIT AUSGLEICHSMÖGLICHKEIT" oder mit der Note "BESTANDEN") zu bewerten. Im Falle der Stattgabe der Beschwerde beantragte der Beschwerdeführer die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
VII. Die mündliche Verhandlung fand am 3. März 2022 statt.
VIII. Für die Einzelheiten der streitigen Prüfungsaufgabe wird auf die veröffentlichte Prüfungsaufgabe und den entsprechenden Prüferbericht verwiesen, die auf der Website des Europäischen Patentamts unter https://documents.epo.org/projects/babylon/eponot.nsf/0/3003815DE4A96079C125868E00487577/$File/B_2021_de.pdf und https://documents.epo.org/projects/babylon/eponot.nsf/0/7043D0BB750F0825C12586F8002C8336/$FILE/Compendium_ExRep_2021_B_DE.pdf abrufbar sind.
1. Ungleichbehandlung
1.1 In seiner Eingabe vom 23. Februar 2022 verwies der Beschwerdeführer auf die Entscheidung D 8/21. In anderer Besetzung stellte die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten in dieser Entscheidung fest, dass nicht alle Bewerber die Prüfungsaufgabe B 2021 unter gleichen Bedingungen ablegen konnten. Im Ergebnis liege ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot vor, der sich zum Nachteil eines Teils der Bewerber auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt habe und auszugleichen sei. Der Beschwerdeführer machte geltend, dass er gleichermaßen betroffen und die angefochtene Entscheidung aus diesem Grund aufzuheben sei.
1.2 Die Beschwerdekammer schließt sich der Beurteilung der Entscheidung D 8/21 an, dass die Prüfungsbedingungen für die Bewerber ungleich waren (D 8/21, Punkte 10.1 bis 10.4 sowie 12.1; zustimmend auch D 19/21, D 29/21, D 37/21, D 48/21, D 54/21). Dem Anspruch 5 des geänderten Anspruchssatzes des Mandanten wurde in Schritt b das Merkmal "durch Besprühen des Abfalls mit Wasser", das dem ursprünglichen, abhängigen Anspruch 5 entnommen ist, hinzugefügt. In der französischen Fassung ist diese Hinzufügung durch Fettdruck als Änderung des Mandanten hervorgehoben und sogleich erkennbar. In der deutschen (und englischen) Fassung von Anspruch 5 des Anspruchssatzes des Mandanten fehlt eine Hervorhebung. Die Änderung war daher nicht sofort zu erkennen. Erschwerend kam hinzu, dass die Anspruchssätze nicht bei Bedarf ausgedruckt werden konnten und daher am Bildschirm verglichen werden mussten. Selbst wenn die Bewerber die Änderung erkannten, waren sie mit einer unklaren Faktenlage konfrontiert. Sie mussten sich überlegen, ob der fehlende Fettdruck darauf zurückzuführen war, dass die Änderung vom Mandanten nicht beabsichtigt oder lediglich der Kombination der ursprünglichen Ansprüche 4 und 5 geschuldet war, oder ob ein Versehen vorlag. Das Erkennen der Änderung und deren Beurteilung erforderte daher Zeit. Gegenüber einem Bewerber, der die Prüfungsaufgabe B anhand der französischen Unterlagen ablegte, hatte ein Bewerber, der mit der deutschen (oder englischen) Fassung arbeitete, einen Zeitnachteil. Dies unabhängig davon, ob die erwartete Lösung zu Anspruch 5 richtig erkannt wurde oder nicht, da sich der Zeitverlust nicht bloß bei der Bearbeitung des Anspruchs 5 auswirken musste. Da die Bewerber nicht unter gleichen Bedingungen die Prüfungsaufgabe B ablegen konnten, war der Gleichbehandlungsgrundsatz (dazu D 11/19, Punkt 8.2.2) verletzt. Der ungerechtfertigte Nachteil ist im Rahmen des Möglichen auszugleichen.
1.3 Es obliegt prinzipiell nicht der Kammer, sondern der Prüfungskommission zu bestimmen, wie der dem Beschwerdeführer durch die Ungleichbehandlung entstandene Nachteil zu berücksichtigen ist, zum Beispiel durch Vergabe von zusätzlichen Punkten. In der Konsequenz ist es also der Prüfungskommission überlassen, nach Zurückverweisung der Angelegenheit einen nach Art und Ausmaß in der gegebenen Situation angemessenen Ausgleich zu finden und etwa die Benotung gemäß Artikel 6 (5) Satz 2 VEP entsprechend zu korrigieren (zu möglichen Gesichtspunkten, die bei der Findung eines angemessenen Ausgleichs insbesondere für einen Zeitverlust Berücksichtigung finden können; siehe D 11/19, Punkt 8.3.5 b) und c), sowie D 37/21, Punkt 23). Für eine Bewertung der Prüfungsarbeit mit 45 Punkten, wie sie der Beschwerdeführer beantragte, sah die Beschwerdekammer unter den gegebenen Umständen keine Handhabe.
1.4 Da die Beschwerde nach dem Vorstehenden Erfolg hat, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit zur erneuten Entscheidung an die Prüfungskommission zurückzuverweisen.
2. Weitere Beanstandungen
Von seinen ursprünglichen Beanstandungen hielt der Beschwerdeführer am Ende der mündlichen Verhandlung nur noch zwei aufrecht. Diese betreffen die Beurteilung der Ausführungen zur Stützung nach Artikel 84 EPÜ sowie die offenkundige Vorbenutzung.
2.1 Argumentation zu Artikel 84 EPÜ
2.1.1 Der Beschwerdeführer machte geltend, dass seine Argumentation zum Einwand der Prüfungsabteilung, dass das Merkmal "Würmer" keine Stütze in der Beschreibung habe, alle zur Ausräumung des Einwands erforderlichen Gesichtspunkte nannte. Bei der Bewertung seiner Argumentation hätte seine Arbeit zu Unrecht und nicht nachvollziehbar nicht die volle Punktzahl von 3 Punkten zuerkannt bekommen, sondern lediglich einen Punkt, was einen schwerwiegenden und offensichtlichen Ermessensfehler darstelle. In seinem Schreiben vom 23. Februar 2022 berief sich der Beschwerdeführer wiederum auf die Entscheidung D 8/21, Punkt 7.1 und 7.2, und machte geltend, dass die dortigen Erwägungen auf seinen Fall zuträfen.
2.1.2 Die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten ist nicht befugt zu prüfen, ob die Benotung der Prüfungsarbeiten eines Bewerbers sachlich angezeigt oder richtig ist, und kann sich nicht mit ihrer sachlichen Einschätzung über diejenige der Prüfungskommission hinwegsetzen. Anders gesagt kann die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten in Ermessensfragen die angefochtene Entscheidung nur wegen eines Rechtsfehlers aufheben, nicht aber durch ihre eigene Entscheidung ersetzen (grundlegend D 1/86, Punkt 2 der Entscheidungsgründe). Aus diesem Grund kann sich die Beschwerdekammer höchstens unter dem Gesichtspunkt eines schwerwiegenden Fehlers bei der Ausübung des Ermessens mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers befassen. Ein solcher Fehler muss aber ohne Neubewertung der Arbeit festgestellt werden können.
2.1.3 Beim Vergleich einer Prüfungsarbeit mit der Musterlösung im Prüferbericht und den darin enthaltenen Hinweisen zur Benotung hat ein Bewerber (wie auch die Beschwerdekammer im Rahmen der Prüfung der Beschwerde) zu berücksichtigen, dass der Prüferbericht keine individuelle Begründung der Benotung der einzelnen Aufgabenteile einer Prüfungsarbeit darstellt. Auf eine solche Begründung besteht nach der Rechtsprechung kein Rechtsanspruch. Zusammen mit dem Bewertungsschema hat der Prüferbericht Bewerbern lediglich (aber immerhin) die Nachvollziehbarkeit, nicht aber eine auf den Punkt genaue Ermittlung der Bewertung der Arbeit zu ermöglichen. Der Prüferbericht muss daher nicht alle Gesichtspunkte abhandeln, die zur Zuerkennung von Punkten oder zu deren Abzug führten. Der Bericht darf und soll sich auch auf die wesentlichen Aspekte beschränken, die es Bewerbern ermöglichen, die Bewertung nachzuvollziehen. Bei der (ganzheitlichen) Bewertung der Prüfungsarbeiten können daher Prüfer auch Mängel in die Benotung einbeziehen, die nicht im Prüferbericht genannt sind.
2.1.4 Entgegen D 8/21, Punkt 7.1, können die im Internet gestützt auf Artikel 21 (2) VEP zu Ausbildungszwecken veröffentlichten Beispiele von Prüfungsarbeiten erfolgreicher Bewerber nicht herangezogen werden, um einen schwerwiegenden Bewertungsfehler darzulegen. Wiewohl angenommen werden kann, dass die veröffentlichten Arbeiten in den drei Prüfungssprachen jeweils sehr gute Ergebnisse erzielt haben (die in den Jahren 2017 bis 2019 veröffentlichten Arbeiten zur Prüfungsaufgabe B wurden mit 85 bis 95 Punkten bewertet), kann dennoch nicht davon ausgegangen werden, dass alle Aspekte der Prüfungsaufgabe im Wesentlichen vollständig beantwortet und mit der (annähernd) vollen Punktezahl bewertet wurden. Dies verdeutlicht auch folgender Hinweis zum online veröffentlichten Prüfungskompendium: "... Keinesfalls stellen [die Prüfungsarbeiten] Standardlösungen dar, in denen alle Aspekte der Aufgabe vorbildlich gelöst sind."
2.1.5 Für die Prüfungsaufgabe B der Jahre 2017 bis 2019 wurde mit den Arbeiten auch der Bewertungsbogen des Prüfungsausschusses mitveröffentlicht, was zumindest Rückschlüsse erlaubt hätte, wie die einzelnen Aspekte der Arbeit bewertet wurden. Allerdings würde auch hier ein detaillierter Vergleich der Arbeit eines Beschwerdeführers mit einer oder mehrerer der veröffentlichen Arbeiten letztlich auf eine nach Artikel 24 (1) VEP ausgeschlossene Überprüfung hinauslaufen, ob die Benotung der Prüfungsarbeiten eines Bewerbers sachlich angezeigt oder richtig ist. Die Darlegung schwerwiegender Ermessensfehler bedarf keiner solchen Analyse, sondern sollte allein auf der Grundlage des Prüferberichts möglich sein. Bei den veröffentlichten Arbeiten zur Prüfungsaufgabe B 2021 fehlt ohnehin der Bewertungsbogen, so dass weder auf die erzielte Punktezahl noch auf die Verteilung der Punkte geschlossen werden kann. Daher fehlen Anhaltspunkte für die Annahme, die veröffentlichten Arbeiten zur Aufgabe B hätten den Aspekt der Stützung mustergültig gelöst. Deswegen kann sich die Beschwerdekammer in der vorliegenden Besetzung der Entscheidung D 8/21, Punkt 7.1 und 7.2, nicht anschließen.
2.1.6 Was sodann die Darlegung eines schwerwiegenden Fehlers bei der Bewertung anbelangt, gibt die Beschwerdekammer weiter zu bedenken, dass der Spielraum bei der Bewertung eines Teilaspekts, auf den 3% der maximal zu erzielenden Punkte entfallen, vergleichsweise gering ist. Ein schwerwiegender Fehler bei der Bewertung kann daher nicht bloß damit begründet werden, dass nicht die volle Punktezahl zuerkannt wurde.
2.1.7 Zur Stützung (Artikel 84 EPÜ) hat der Beschwerdeführer in seiner Arbeit Folgendes ausgeführt:
"Durch die in den Ansprüchen vorgenommenen Änderungen wird der im Bescheid erhobene Einwand unter Art. 84 EPÜ als ausgeräumt erachtet.
So ist nun auch im Verfahren zur Erzeugung eines Düngers, wie im neuen Anspruch 4 definiert, von Regenwürmern die Rede. Insofern ist der Gegenstand des neuen Anspruchs 4 nicht breiter als es durch die Beschreibung und die Figuren der vorliegenden Anmeldung gerechtfertigt ist."
2.1.8 Eine eigentliche Begründung findet sich im dritten Satz. Nach Auffassung der Kammer kann die Aussage des Beschwerdeführers in seiner Arbeit, dass der Gegenstand des neuen Anspruchs 5 "nicht breiter" ist als die Gesamtoffenbarung, nicht als vollständige Begründung der Stützung angesehen werden. In der Zusammenschau mit den Ausführungen des Beschwerdeführers zu den Grundlagen der Änderungen mag sich eine etwas vollständigere Antwort erkennen lassen. Allerdings kann nicht erwartet werden, dass sich die Prüfer die Antwort aus unterschiedlichen Teilen der Arbeit zusammentragen, besonders wenn diese unterschiedliche Voraussetzungen betreffen. Die Kammer ist jedenfalls nicht befugt, ihr eigenes Ermessen über dasjenige der Prüfer und der Prüfungskommission zu stellen. Eine willkürliche Bewertung ist folglich nicht dargetan.
2.2 Bewertung der Argumentation zur offenkundigen Vorbenutzung bzw. zu den Einwendungen Dritter
2.2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die Bewertung der Argumentation zur offenkundigen Vorbenutzung gegen Regel 22(3) ABVEP verstößt, da die im Prüferbericht dargestellten möglichen Antworten tatsächliche Annahmen voraussetzen.
2.2.2 Abschnitt [007] des Schreibens des Mandanten lässt nicht erkennen, ob und in welchem Umfang der Anmelder die anonymen Einwendungen des Dritten bestreitet. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers folgt daraus allerdings nicht, dass ein Bewerber "im Zweifel" in seiner Prüfungsarbeit unterstellen darf, dass die offenkundige Vorbenutzung "einschlägig" ist. Bei objektivem Verständnis ist die Haltung des Mandanten offen. Insofern ist die Aussage auf Seite 5 des Prüferberichts zutreffend: "Bezüglich der behaupteten Vorbenutzung macht der Mandant kein Vorbringen und nimmt keine Änderungen der Ansprüche vor." Die gegenteilige Aussage im Prüferbericht (Seite 14, Punkt 5.3) kann sich nicht auf den Abschnitt [007] im Schreiben den Mandanten stützen. Daher wäre ein Punkteabzug für eine Aussage, dass der Anmelder die Einwendungen des Dritten nicht bestritten hat, nicht gerechtfertigt. Allerdings hat der Beschwerdeführer in seiner Arbeit keine solche Aussage getätigt.
2.2.3 Dem Prüferbericht ist darin zu folgen, dass der anonyme Dritte die Einzelheiten der angeblichen Vorbenutzung nicht darlegt und auch keinen ausreichenden Nachweis für seine Behauptungen liefert. Die Behauptung, ein Behälter nach Anspruch 1 sei der Öffentlichkeit vor dem Anmeldetag präsentiert worden (Abschnitt [002] der Einwendungen), stützt sich einzig auf den nachfolgenden Text der Ankündigung eines "Tags der offenen Tür". Im Widerspruch zur angeblichen Präsentation eines Behälters im vorangegangenen Satz wird im zweiten Satz von Abschnitt [002] lediglich noch die "Ansicht" geäußert, das Publikum habe Zugang zu Räumlichkeiten gehabt, in denen sich eine Vorrichtung nach Anspruch 1 befunden habe. Für diese Behauptung wird kein Beweismittel genannt. Aus den Abschnitten [004] bis [006] der Einwendungen des Dritten gehen die genauen tatsächlichen Umstände der angeblichen offenkundigen Vorbenutzung nicht hervor. Insbesondere ist nicht dargetan, welche Gegenstände dem Publikum in welcher Form zugänglich waren und welche Erklärungen gegebenenfalls gegeben wurden. Der Prüferbericht widerspricht vor diesem Hintergrund nicht der Regel 22 (3) ABVEP, wenn er vorsieht, dass Punkte zuerkannt wurden, wenn argumentiert wurde, dass die Darstellung der offenkundigen Vorbenutzung lückenhaft war und Beweismittel für die tatsächlichen Einzelheiten fehlten. Es liegt auch kein schwerwiegender Fehler in der Aufgabestellung vor, wenn erwartet wurde, dass Bewerber die Lückenhaftigkeit der Darstellung der offenkundigen Vorbenutzung sowie die ungenügende Beweislage auch ohne ausdrückliche Bestreitung seitens des Mandanten erkennen und thematisieren. Die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA knüpft nämlich sehr hohe Anforderungen an den Beweis einer offenkundigen Vorbenutzung. Eine Prüfungsabteilung trifft zudem nach der Rechtsprechung keine Nachforschungspflicht in Bezug auf eine seitens eines unbeteiligten Dritten geltend gemachten offenkundige Vorbenutzung. Von einem angehenden Vertreter kann erwartet werden, dass er diese Rechtslage kennt und interessenwahrend berücksichtigt.
2.2.4 Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann die Kammer auch keine Verletzung des Gebots einer gerechten Bewertung abweichender, aber vertretbarer und kompetent begründeter Antworten erkennen. Der Beschwerdeführer räumte zwar möglicherweise mit seinen Änderungen der Anspruchssätze die Einwendung des Dritten aus. Die Neuheit des Gegenstands des geänderten Anspruchs 1 hat er folglich mit dem Fehlen einer Wassersprühvorrichtung beim Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung begründet. Ob diese Abgrenzung akzeptabel und vertretbar ist, bedürfte einer inhaltlichen Überprüfung der Bewertung, zu der die Beschwerdekammer nicht befugt ist.
2.2.5 Aber selbst wenn man zugunsten des Beschwerdeführers annimmt, dass es vertretbar war, die Behauptungen im Abschnitt [002] der Einwendungen des Dritten als erwiesene Tatsachen der Arbeit zugrunde zu legen, hätte der Beschwerdeführer diesem Stand der Technik nicht nur bei der Erörterung der Neuheit, sondern auch der erfinderischen Tätigkeit Rechnung tragen müssen, namentlich bei der Diskussion des nächstliegenden Stands der Technik. Bis auf die Aussage, dass die öffentliche Zurschaustellung keinen Hinweis auf die Lösung der gestellten Aufgabe gibt, hat der Beschwerdeführer die Vorbenutzung aber unberücksichtigt gelassen. Auch aus diesem Grund waren die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Überlegungen für die Prüfer anhand der Prüfungsarbeit nicht als schlüssige Argumentation erkennbar. Folglich kann auch kein Ermessensfehler dahingehend vorliegen, dass eine von der Musterlösung abweichende, aber vertretbar und kompetent begründete Antwort übergangen wurde.
3. Da der vorliegenden Beschwerde stattzugeben ist, entspricht es der Billigkeit, die Rückzahlung der ganzen Beschwerdegebühr gemäß Artikel 24(4) Satz 3 VEP anzuordnen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung der Prüfungskommission wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur erneuten Entscheidung an die Prüfungskommission zurückverwiesen.
3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.