D 0002/81 (Tätigkeit im nationalen Patentwesen) 04-02-1982
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I. Die Prüfungskommission für die europäische Eignungsprüfung des Europäischen Patentamts hat mit Entscheidung vom 23. September 1981 die Zulassung des Beschwerdeführers zur europäischen Eignungsprüfung abgelehnt. Zur Begründung führte sie aus, daß der Bewerber die Zulassungsbedingung eines vierjährigen Praktikums gemäß Artikel 7 (1) b) i) der "Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für die beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter" (ABl EPA 1978, 101; nachstehend: VEP) nicht erfülle. Diese geforderte Praktikumszeit verringere sich im Falle des Bewerbers um 10 Monate auf 3 Jahre 2 Monate, da er eine mit der Zulassung zur Patentanwaltsprüfung abgeschlossene Ausbildung von einem Kalenderjahr bei den deutschen Patentbehörden (nachfolgend: Kandidatenzeit bei DPA/BPatG) nachgewiesen habe (Mitteilung der Prüfungskommission in ABl EPA 1980, 218, 221-5.4.3). Geltend gemacht seien Praktikumszeiten von zusammen 2 Jahren und 5 Monaten, so daß 9 Monate fehlten. Diese könnten entgegen der Auffassung des Bewerbers nicht durch weitere Kandidatenzeiten bei DBPA/BPatG ersetzt werden. Artikel 24 (2) VEP erschöpfe sich nämlich darin, daß diese Vorschrift die Prüfungskommission ermächtige, den Artikel 7(1) b) VEP so auszulegen, wie dies in der Mitteilung in ABl EPA 1979, 298 - 3.2 geschehen sei.
II. Gegen diese Entscheidung legte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 7. Oktober 1981 Beschwerde ein. Er legte dar, daß die angegriffene Entscheidung der in Artikel 18(1) Satz 2 VEP vorgeschriebenen Begründung entbehre und schon aus diesem Grunde aufzuheben sei. Die Entscheidung gehe auf Artikel 24(2) VEP nur insoweit ein, als auf die Mitteilung in ABl EPA 1979, 298 - 3.2 verwiesen werde. Artikel 24(2) VEP werde auch unrichtig angewendet. Nach dieser Übergangsbestimmung seien auf die Beschäftigungszeiten iSv Artikel 7 (1) b) VEP Tätigkeiten auf dem Gebiet nationaler Patentanmeldungen und Patente anzurechnen. Seine zusätzliche Kandidatenzeit bei DPA/BPatG sei eine solche Tätigkeit, soweit sie nicht Sachgebieten außerhalb des Patentwesens gewidmet sei.
III. In der mündlichen Verhandlung vom 4. Februar 1982 hob der Vertreter des Beschwerdeführers hervor, daß Artikel 24(2) VEP die Anrechenbarkeit anderer Tätigkeiten als der in Artikel 7 (1) b) VEP genannten nicht ausschließe. Wie in Artikel 7 (1) b) VEP sei lediglich zu fordern, daß die Bewerber "an einer Vielzahl von Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit Patentanmeldungen und Patenten anfallen, beteiligt waren". Auch die Ausbildung der Patentanwaltskandidaten bei DPA/BPatG sei auf den angestrebten Beruf als Patentanwalt ausgerichtet und insofern nicht anders zu bewerten als die in Artikel 7 (1) b) VEP genannten Tätigkeiten.
IV. Der Vertreter des Rats des Instituts der beim EPA zugelassenen Vertreter legte in der mündlichen Verhandlung dar, daß die Problemstellung der Anrechenbarkeit der Kandidatenzeit bei DPA/BPatG eine der nationalen deutschen Ausbildung systemimmanente Problemstellung sei. Sie sei kein Übergangsproblem im Sinne von Artikel 24 VEP, sondern habe auf der Grundlage von Artikel 8 (2) VEP entsprechend der Mitteilung in ABl EPA 1980, 218, 221 Rdn 5.4.3 eine eigene Lösung erfahren.
V. Hinsichtlich des Sachverhalts wird im übrigen auf die Akten Bezug genommen, insbesondere hinsichtlich der Tatsachen, die die Zulässigkeit der Beschwerde begründen und hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Beschwerdeführers.
VI. Der Vertreter des Beschwerdeführers stellte am Ende der mündlichen Verhandlung den Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Prüfungskommission unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Beschwerdekammer zurückzuverweisen.
1. Die Beschwerde entspricht Artikel 23 VEP und Artikel 6 der Ergänzenden Verfahrensordnung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten; sie ist daher zulässig.
2. Die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten ist gemäß Artikel 23(1) und (3) VEP zuständig zu prüfen, ob durch Entscheidungen der Prüfungskommission die Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für die beim EPA zugelassenen Vertreter verletzt wurden. Zur Entscheidung steht hier einmal die Frage, ob die angefochtene Entscheidung einer Begründung iSv Artikel 18 (1) VEP ermangelt, und sodann die Frage, ob die weiteren Kandidatenzeiten des Beschwerdeführers bei DPA/BPatG unter Verletzung von Artikel 24 (2) VEP nicht als Beschäftigungszeiten iSv Artikel 7 (1) b) VEP anerkannt wurden.
3. Die Prüfungskommission hat in der angefochtenen Entscheidung, entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers, nicht lediglich auf Artikel 24 (2) VEP und die Mitteilung in ABl EPA 1979, 298 - 3.2 verwiesen. Vielmehr ist zum Ausdruck gebracht, daß sie die Befugnis der Prüfungskommission nach Artikel 24 (2) VEP nur darin sieht, den Artikel 7 (1) b) VEP so auszulegen, wie dies in der genannten Mitteilung geschehen ist. Damit hat sie ihre Rechtsauffassung zu Artikel 24(2) VEP dargelegt.
4. Nach Artikel 24 (2) VEP werden während der Übergangszeit "Tätigkeiten auf dem Gebiet nationaler Patentanmeldungen und Patente bei der Festlegung der Beschäftigungszeiten im Sinne des Artikels 7 (1) b)" berücksichtigt. Für den Beschwerdeführer kommt es dabei nur auf den Unterfall i) in der genannten Vorschrift an. Hier genügen "Tätigkeiten auf dem Gebiet nationaler Patentanmeldungen und Patente". Dementsprechend wurden dem Beschwerdeführer auch Beschäftigungszeiten von 2 Jahren und 5 Monaten angerechnet.
5. Artikel 24 (2) VEP befreit aber schon nach seinem Wortlaut nicht davon, daß das Praktikum unter Leitung eines berufsmäßigen Vertreters, wenn auch eines nationalen, stattfindet. Dies könnte auch nicht der Sinn von Artikel 24 (2) VEP iVm Artikel 7 (1) b) VEP sein. Die letztgenannte Vorschrift verlangt von dem Bewerber eine gewisse Zeit der Erfahrung in dem Beruf, den er anstrebt. Diese Zeit kann gemäß Artikel 8 VEP nur in beschränktem Umfang, d.h. höchstens um ein Jahr, durch andere Erfahrungen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtschutzes ersetzt werden. Artikel 8 VEP gilt auch während der Übergangszeit und verbietet auch während dieser Zeit eine Anrechnung anderer fachlicher Erfahrungen um mehr als ein Jahr. Dies gilt insbesondere auch für die Kandidatenzeit bei DPA/BPatG, da für sie auf der Grundlage von Artikel 8 (2) VEP die in der Mitteilung in ABl EPA 1980, 218, 221 Rdn 5.4.3 wiedergegebene Regelung getroffen wurde.
6. Der Auffassung des Beschwerdeführers kann aber auch nicht insoweit zugestimmt werden, als er aufgrund Artikel 24 (2) VEP während der Übergangszeit auch andere Tätigkeiten auf dem Gebiet des Patentwesens als die in Artikel 7 (1) b) VEP genannten Tätigkeiten für anrechenbar hält, sofern diese Gelegenheit bieten, sich an einer Vielzahl von Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit Patentanmeldungen und Patenten anfallen, zu beteiligen, und sofern sie als auf den Beruf des Patentanwalts ausgerichtet angesehen werden können. Eine Wortinterpretation von Artikel 24(2) VEP bietet keinen Anlaß, die dort enthaltene Bezugnahme auf Artikel 7 (1) b) VEP in dieser Weise zu verstehen. Daher ist vom Wortsinn des Artikels 24 (2) VEP davon auszugehen, daß die Tätigkeitsart und die Tätigkeitsbedingungen der in Artikel 7 (1) b) VEP aufgeführten Fälle i) bis iii) vorliegen und lediglich die Beschäftigung mit nationalen Patentanmeldungen und Patenten der Beschäftigung mit europäischen Patentanmeldungen und Patenten gleichgestellt wird. Eine andere Auslegung würde auch der erkennbaren Absicht dieser Regelungen widersprechen. Artikel 7 (1) macht die Zulassung in seinem Buchstaben a) von einer bestimmten Vorbildung und in seinem Buchstaben b) von einer Erfahrung im angestrebten Beruf von 4 Jahren abhängig. Diese Zeit ist aus dem erkennbaren Normzweck von Artikel 8 Absätze (1) und (2) VEP nur im beschränkten Umfang, d.h. bis zu einem Jahr, ersetzbar. Schließlich zeigen auch die Ergebnisse, zu denen die vom Beschwerdeführer angestrebte Auslegung von Artikel 24 (2) VEP führen würde, daß diese Ergebnisse weder beabsichtigt, noch als möglich hingenommen, noch im Sinn der Gesamtregelungen liegen können. Für die Dauer der Anwendbarkeit von Artikel 24 (2) VEP könnten sonst nämlich die Prüfer des EPA oder auch nationaler Patentämter wie auch die technisch vorgebildeten Richter eines nationalen Patentgerichts die in Artikel 7 (1) geforderte Erfahrungszeit im Vertreterberuf voll durch ihre eigenen Berufszeiten ersetzen. Diese Ergebnisse würden aus Artikel 8 (1) und (2) VEP erkennbaren Grundsatz der nur beschränkten Anrechnung von Berufserfahrungen außerhalb des Vertreterberufs widersprechen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
7. Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:
Die Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungskommission für die europäische Eignungsprüfung des Europäischen Patentamts vom 23. September 1981 wird zurückgewiesen.