D 0002/82 (Berücksichtigung von Tätigkeiten im nat. Patentwesen) 22-04-1982
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I. Die Prüfungskommission für die europäische Eignungsprüfung des Europäischen Patentamts hat mit Entscheidung vom 10. März 1982 die Zulassung des Beschwerdeführers zur europäischen Eignungsprüfung abgelehnt. Zur Begründung führte sie aus, daß der Bewerber die Zulassungsbedingung eines vierjährigen Praktikums gemäß Artikel 7(1)b) der "Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für die beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter" (ABl EPA 1978, 101: nachstehend: VEP) nicht erfülle. Die geforderte Praktikumszeit verringere sich im Falle des Bewerbers um 10 Monate auf 3 Jahre 2 Monate, da er eine mit der Zulassung zur Patentanwaltsprüfung abgeschlossene Ausbildung von einem Kalenderjahr bei den deutschen Patentbehörden (nachfolgend: Kandidatenzeit bei DPA/BPatG) nachgewiesen habe (Mitteilung der Prüfungskommission in ABl EPA 1980, 218, 221-5.4.3). Beschäftigungszeiten im Sinne von Artikel 7(1)b) VEP habe der Bewerber jedoch nur im Umfang von 2 Jahren und 8 Monaten nachgewiesen. Die Auffassung des Bewerbers, daß seine Kandidatenzeit bei DPA/BPatG nicht nur gemäß Artikel 8(2) VEP zu einer Verringerung der in Artikel 7(1) VEP geforderten Beschäftigungszeit führe, sondern außerdem auch eine Beschäftigungszeit im Sinne von Artikel 7(1) VEP darstelle, sei unzutreffend.
II. Gegen diese Entscheidung legte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 22. März 1982 Beschwerde ein. Er legte dar, daß seine Kandidatenzeit bei DPA/BPatG zunächst nach Artikel 7(1)b)ii) VEP und zusätzlich auch nach Artikel 8(2) VEP berücksichtigt werden könne. Die genannte Kandidatenzeit sei zunächst einer Beschäftigung im Sinne von Artikel 7(1)b)ii) VEP gleichzuachten. Außerdem führe sie zu einer Verkürzung der in Artikel 7 geforderten Beschäftigungszeit von vier Jahren. Der Wortlaut von Artikel 7(1)b)ii) VEP schließe dies nicht aus. Eine Berücksichtigung der Kandidatenzeit DPA/BPatG sei auch aus dem Sinn dieser Vorschrift gerechtfertigt, weil es sich um eine Ausbildung von großer Intensität und hoher Qualität handele.
III. In der mündlichen Verhandlung vom 22. April 1982 hob der Beschwerdeführer hervor, daß die Berücksichtigung eines Spezialpraktikums sowohl nach Artikel 7(1)b)ii) wie auch nach Artikel 8(2) VEP grundsätzlich möglich sei. Eine bestimmte Tätigkeit könne sowohl Praktikum iSv Artikel 7(1)b) VEP sein, wie auch zusätzlich als Spezialpraktikum von besonderem Rang eine die Beschäftigungszeit insgesamt verringernde Wirkung haben. Die Berücksichtigung eines Spezialpraktikums iSv Artikel 8(2) VEP auch als Praktikum iSv Artikel 7(1)b) VEP sei jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn das Spezialpraktikum seiner Art nach als eine mindest gleichwertige Vorbereitung auf die europäische Eignungsprüfung angesehen werden könne wie die Praktika nach Artikel 7(1)b) VEP. Die Berücksichtigung sei zumindest teilweise notwendig, wenn das Spezialpraktikum eine zwingende Voraussetzung für eine nationale Patentanwaltsprüfung sei oder einer national möglichen Qualifikation diene, wie sie beim CEIPI in Straßburg erworben werden könne. Andernfalls sei ein Bewerber für die europäische Eignungsprüfung, der sich bereits national notwendigerweise oder freiwillig qualifiziert habe, benachteiligt. Nach Zulassung zum Vertreterberuf auf nationaler Ebene sei es außerdem für den Bewerber schwierig, noch fehlende Beschäftigungszeiten iSv Artikel 7(1)b) VEP zu erbringen.
IV. Hinsichtlich des Sachverhalts wird im übrigen auf die Akten Bezug genommen, insbesondere hinsichtlich der Tatsachen, die die Zulässigkeit der Beschwerde begründen und hinsichtlich des weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers.
V. Der Beschwerdeführer stellte am Ende der mündlichen Verhandlung den Hauptantrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und seine Zulassung zur nächsten europäischen Eignungsprüfung auszusprechen, sowie den Hilfsantrag, seine Tätigkeit bei den deutschen Patentbehörden wenigstens teilweise als Tätigkeit nach Artikel 7(1)b)ii) bzw iii) VEP anzuerkennen, auch wenn dies nicht bereits zu seiner Zulassung zur nächsten Prüfung führe.
1. Die Beschwerde entspricht Artikel 23 VEP und Artikel 6 der Ergänzenden Verfahrensordnung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten; sie ist daher zulässig.
2. Die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten ist gemäß Artikel 23(1) und (3) VEP zuständig zu prüfen, ob durch Entscheidungen der Prüfungskommission die Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für die beim EPA zugelassenen Vertreter verletzt wurden. Zur Entscheidung steht hier lediglich die Frage, ob die Kandidatenzeit bei DPA/BPatG - abgesehen von ihrer Berücksichtigung gemäß Artikel 8(2) VEP - auch als eine Beschäftigungszeit im Sinne von Artikel 7(1)b)ii) VEP angesehen werden kann.
3. Artikel 7(1)b) VEP geht nach seinem Wortlaut davon aus, daß der Beschäftigte "vor dem Patentamt" handelt bei "Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit Patentanmeldungen und Patenten anfallen". Durch diesen Wortlaut und die Bezugnahme auf Artikel 134(1) bzw 133(3) EPÜ ist zum Ausdruck gebracht, daß hier ein Handeln aus der Position eines Rechtsuchenden vor dem Patentamt, insbesondere in der Position des Anmelders oder Einsprechenden, gemeint ist. Vom Wortlaut her sind also Tätigkeiten innerhalb von Patentämtern oder Patentgerichten nicht angesprochen. Daher können Tätigkeiten aus der Position des Rechtsgewährenden nicht ohne weiteres als Beschäftigungen iSv Artikel 7(1)b)ii) VEP verstanden werden.
4. Auch eine Interpretation von Artikel 7(1)b)ii) VEP seinem Sinne nach kann nicht dazu führen, eine Kandidatentätigkeit bei DPA/BPatG als eine Tätigkeit im Sinne dieser Bestimmung zu verstehen. Artikel 7(1)b) VEP enthält eine abschließende Aufzählung von Tätigkeiten, die denjenigen der Assistenten der zugelassenen Vertreter (Artikel 134 EPÜ-Fall i), denjenigen der Handlungsberechtigten (Artikel 133(3) EPÜ-Fall ii) oder denjenigen der Assistenten der letztgenannten (Fall iii) entsprechen. Dies sind die Tätigkeiten, die der Beschwerdeführer als Beruf anstrebt und für die die europäische Eignungsprüfung eine Qualifizierung, bei freiberuflicher Tätigkeit sogar die Voraussetzung ist. Die genannten Tätigkeiten unterscheiden sich wesentlich von den Tätigkeiten innerhalb von Patentämtern und Patentgerichten. Es sind Tätigkeiten von Rechtsuchenden, nicht von Rechtgewährenden. So sehr auch eine Ausbildung und Erfahrung in Ämtern und Gerichten für die künftigen Vertreter der Rechtsuchenden förderlich ist, so kann sie doch eine Ausbildung und Erfahrung in der Tätigkeit des Rechtsuchenden, also insbesondere des Patentanmelders und des Einsprechenden, nicht ersetzen. Dies gilt um so mehr, als Ämter und Gerichte viele Kenntnisse und Erfahrungen, die in diesen Berufen gefordert werden, überhaupt nicht vermitteln können. Eine Sinninterpretation von Artikel 7(1)b) VEP läßt daher keinen Zweifel, daß dort ausschließlich auf Beschäftigungen in der Situation des Rechtsuchenden abgestellt ist.
5. Aus diesen Gründen erscheint daher eine Berücksichtigung der Kandidatenzeit bei DPA/BPatG als eine Beschäftigung iSv Artikel 7(1)b)ii) bzw iii) VEP ausgeschlossen. Auf eine Bewertung der Qualität der Kandidatenausbildung bei DPA/BPatG kommt es daher nicht an.
6. Da ein Praktikum innerhalb von Patentämtern oder Patentgerichten von seiner Art her nicht als Tätigkeit iSv Artikel 7(1)b)ii) bzw iii) VEP gewertet werden kann, ist auch seine teilweise Berücksichtigung im Sinne des Hilfsantrags nicht möglich. Es mag sein, daß Bewerber für die europäische Eignungsprüfung, die nationale Qualifikationen nicht benötigen, in einer günstigeren Position sind, als solche, die Zeit, Geld und Mühe für Spezialstudien oder Spezialpraktika iSv Artikel 8(2) VEP aufwenden oder aufwenden müssen. Sollte eine derartige Situation gegeben sein, so ist es eine rechtspolitische Aufgabe, sie zu überdenken und erforderlichenfalls die VEP dieser Situation besser anzupassen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:
Die Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungskommission für die europäische Eignungsprüfung des Europäischen Patentamts vom 10. März 1982 wird zurückgewiesen.