D 0012/88 (Werbung für Patentanwaltskanzlei) 15-11-1990
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1. Das in Ziffer 2 der Richtlinien für die Berufsausübung der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter (Richtlinien) enthaltene Verbot der Werbung führt zu einer Einschränkung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung, die mit Artikel 10 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vereinbar ist. Die in den Richtlinien enthaltene Regelung hat letztlich ihre gesetzliche Grundlage in Artikel 134 (8) EPÜ.
2. Das Verbot der Werbung, das den beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertretern auferlegt ist, stellt eine ausgewogene Beziehung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und dem Rechtsgut des Schutzes des guten Rufes (d. h. hier: der Wahrung der Würde des Berufsstandes der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter) sowie den Rechten anderer (hier insbesondere: der Wahrung des Gebots der Fairness im Wettbewerb zwischen den einzelnen Mitgliedern des Instituts der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter) her. Eine auf ein Gesetz gegründete Einschränkung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung, die auf einer derartigen Abwägung beruht, entspricht dem in Artikel 10 (2) EMRK enthaltenen Prinzip der Verhältnismäßigkeit grundrechtsbeschränkender Maßnahmen.
3. Ein Mitglied des Instituts der beim EPA zugelassenen Vertreter ist für Presseveröffentlichungen mit werbendem Charakter, die auf Informationen basieren, welche von ihm stammen, verantwortlich. Ein an die Pressevertreter gerichteter ausdrücklicher Hinweis auf das Werbeverbot in den Richtlinien ist nicht ausreichend, da die Presse aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten Pressefreiheit nicht an die Vorschriften über die Berufsausübung für die beim EPA zugelassenen Vertreter und an Wünsche bezüglich des Inhalts der Berichterstattung gebunden ist.
Eine Patentanwaltsvereinigung hatte dem Disziplinarrat des Instituts der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter (EPI) schriftlich mitgeteilt, der Beschwerdeführer, ein Patentanwalt, habe möglicherweise gegen das in Ziffer 2 der Richtlinien für die Berufsausübung der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter (im folgenden: die Richtlinien) enthaltene Werbeverbot verstoßen. Anlaß der Mitteilung war eine Reihe von Zeitungsartikeln und Interviews, die in einem Zeitraum von sechs Monaten von verschiedenen Journalisten publiziert wurden. In diesen Zeitungsbeiträgen wurden die Leistungsfähigkeit und die erfolgreiche Arbeit der Kanzlei des Beschwerdeführers ausführlich dargestellt. Die Patentanwaltsvereinigung rügte, daß in den Artikeln die Behauptung enthalten sei, diese Kanzlei, die über eine Reihe ausländischer Niederlassungen verfüge, sei die beste in ihrem Land, da keine andere vergleichbare Dienstleistungen anbieten könne.
In seiner Stellungnahme zu diesen Vorwürfen führte der Beschwerdeführer aus:
Die angegriffenen Presseartikel basierten teils auf einer Pressekonferenz, die er anläßlich eines Jubiläums seiner Kanzlei auf Wunsch der örtlichen Presse abgehalten habe, teils seien sie von ihm weder veranlaßt noch beeinflußt worden. Außerdem sei im Zuge einer Liberalisierung des Standesrechts auf europäischer Ebene das Werbeverbot in einigen Staaten gelockert worden. Auch die Ziffer 2 der Richtlinien müsse daher zugunsten des jeweils betroffenen zugelassenen Vertreters weit ausgelegt werden. Schließlich schütze Artikel 10 EMRK nach einer Entscheidung der Kommission für Menschenrechte auch die geschäftliche Meinungsäußerung. Die angegriffenen Äußerungen genössen somit, selbst wenn es sich um Werbung handeln würde, den Schutz der Meinungsfreiheit. Die totale Unterbindung solcher Meinungsäußerung durch die Richtlinien gehe über die in Art. 10 (2) EMRK zugelassenen Einschränkungen der Meinungsfreiheit durch Gesetz hinaus.
Der Disziplinarrat erteilte dem Beschwerdeführer eine Warnung wegen Verletzung des Werbeverbots. Gegen diese Entscheidung legte der Patentanwalt Beschwerde ein und beantragte, die Entscheidung des Disziplinarrats in ihrer Gesamtheit aufzuheben, die Anzeige zurückzuweisen und das Verfahren einzustellen, die notwendigen Kosten dem EPI aufzuerlegen sowie eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Der Disziplinarrat verkenne die rechtliche Bedeutung von Ziffer 2 g) der Richtlinien. Gemäß dieser Vorschrift dürfe die Veröffentlichung einer Äußerung nur dann nicht gestattet werden, wenn die zu erwartende Veröffentlichung darauf "abziele", eine werbende Beschaffenheit zu haben, oder "wahrscheinlich" eine solche haben werde. Beides habe er auszuschalten versucht, indem er die Journalisten zu Beginn des Interviews auf die strengen Grenzen der Richtlinien hingewiesen habe. Daher sei für ihn subjektiv nicht mehr erkennbar gewesen, daß die spätere Veröffentlichung einen werbenden Charakter haben werde. Des weiteren übergehe der Disziplinarrat Artikel 10 EMRK. Belastende Verwaltungsakte wie die Warnung könnten auch deshalb nicht auf die Richtlinien gestützt werden, weil diese insoweit keine Grundlage in Artikel 134 (8) c) EPÜ fänden.
Die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten verhandelte mündlich.
1. Die Beschwerde entspricht Artikel 22 (1) der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern (ABl. EPA 1978, 91), nachstehend Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten genannt; sie ist zulässig.
2. Zunächst ist die Frage zu prüfen, ob die in Ziffer 2 der Richtlinien für die Berufsausübung (ABl. EPA 1986, 331) festgelegten Einschränkungen der Meinungsfreiheit den in Artikel 10 EMRK niedergelegten Grundsätzen genügen. Dazu ist im einzelnen folgendes auszuführen:
2.1. Artikel 134 (8) c) EPÜ bestimmt, daß der Verwaltungsrat Vorschriften über die Disziplinargewalt erlassen kann, die das Institut über die zugelassenen Vertreter besitzt. Gestützt auf diese Ermächtigung hat der Verwaltungsrat die Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten erlassen.
2.2. In Artikel 1 dieser Vorschriften sind die allgemeinen Berufspflichten in der Form einer Generalklausel umschrieben, weil sie sich schwerlich kasuistisch aufzählen lassen. Diese Generalklausel enthält naturgemäß sog. unbestimmte Gesetzesbegriffe, wie "gewissenhaft", "in einer Weise, die der Würde seines Berufes entspricht", ..." so zu verhalten, daß das Vertrauen, das für die Ausübung des Berufs notwendig ist, nicht beeinträchtigt wird", die der Konkretisierung durch die für die Rechtsanwendung zuständigen Instanzen bedürfen. Auch die Artikel 2 und 3 dieser Vorschriften enthalten unbestimmte Gesetzesbegriffe.
2.3. Nach Artikel 4 c) der Vorschriften über die Errichtung eines Instituts der beim EPA zugelassenen Vertreter (ABl. EPA 1978, 85), nachstehend Vorschriften über die Errichtung eines Instituts genannt, die vom Verwaltungsrat gestützt auf Artikel 134 (8) b) EPÜ erlassen worden sind, hat das Institut dafür zu sorgen, daß seine Mitglieder die in Artikel 1 bis 3 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten erwähnten beruflichen Regeln einhalten. Aus diesem Grunde hat der aus Mitgliedern des Instituts gebildete Rat die Richtlinien für die Berufsausübung genehmigt (vgl. Artikel 7 (1), 9 (3) der Vorschriften über die Errichtung eines Instituts).
2.4. Der Rat des Instituts setzt einen Disziplinarrat ein, der sich aus Mitgliedern des Instituts zusammensetzt (vgl. Artikel 11 (1) und (2) der Vorschriften über die Errichtung eines Instituts). Gemäß Artikel 5 a) der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten entscheidet der Disziplinarrat über Verletzungen der in den Artikeln 1 bis 3 dieser Vorschriften enthaltenen beruflichen Regeln. Er hat deshalb jeden Vorwurf einer Verletzung der beruflichen Regeln, der ihm schriftlich zur Kenntnis gebracht wird, zu überprüfen und anschließend zu entscheiden, welche Maßnahme zu treffen ist (vgl. Artikel 6 (1) und (2) der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten). Beim Disziplinarrat handelt es sich mithin um eine für die Rechtsanwendung der beruflichen Regeln zuständige Instanz, die aus diesem Grunde auch befugt ist, die in diesen Regeln enthaltenen unbestimmten Gesetzesbegriffe zu konkretisieren (vgl. oben Abschnitt 2.2). Dabei hat er sich allerdings vom Grundsatz des pflichtgemäßen Ermessens leiten zu lassen.
2.5. Durch die Statuierung von beruflichen Regeln in den Artikeln 1 bis 3 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten soll das Ansehen und die Vertrauenswürdigkeit der dem Institut als Mitglieder angehörenden zugelassenen Vertreter verbürgt werden. Die Richtlinien für die Berufsausübung verdeutlichen den Inhalt dieser Regeln und stellen überdies ein Mittel dar, die in Artikel 4 c) der Vorschriften über die Errichtung eines Instituts genannte Aufgabe zu erfüllen (vgl. oben Abschnitt 2.3). Da ferner die Einhaltung der beruflichen Regeln durch die Mitglieder des Instituts vom Disziplinarrat mit Maßnahmen des Disziplinarrechts (vgl. Artikel 4 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten) erzwungen werden kann, geben diese Richtlinien außerdem an, wie die in der Umschreibung der beruflichen Regeln enthaltenen unbestimmten Gesetzesbegriffe (vgl. oben Abschnitt 2.2) vom Disziplinarrat konkretisiert werden (vgl. oben Abschnitt 2.4).
2.6. Gemäß Artikel 10 (1) EMRK schließt das Recht der freien Meinungsäußerung "die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein". Da jedoch die Ausübung dieser Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, kann gemäß Absatz 2 dieses Artikels die freie Meinungsäußerung u. a. bestimmten vom Gesetz vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, wie sie vom Gesetz vorgeschrieben und in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind.
Daraus ergeben sich die folgenden Konsequenzen:
- Eine Einschränkung des Grundrechts der Meinungsfreiheit kann nur durch Gesetz erfolgen (Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes).
- Diese Einschränkung muß verhältnismäßig sein, d. h. zwischen dem Grundrecht der Meinungsfreiheit einerseits und dem grundrechtsbegrenzenden Rechtsgut des guten Rufes oder der Rechte anderer andererseits muß eine ausgewogene Beziehung bestehen. Nicht verhältnismäßig wäre demnach eine Begrenzung des Grundrechts der Meinungsfreiheit, die aus unzureichendem Anlaß erfolgt oder die letztendlich dazu führt, daß dieses begrenzte Grundrecht keine Wirksamkeit mehr entfalten kann.
2.7. Artikel 1 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten legt fest, daß der zugelassene Vertreter seinen Beruf in einer Weise auszuüben hat, die der Würde seines Berufes entspricht. In Ziffer 2 der Richtlinien für die Berufsausübung wird der in diesem Artikel enthaltene unbestimmte Gesetzesbegriff "... in einer Weise auszuüben hat, die der Würde seines Berufes entspricht" (vgl. oben Abschnitt 2.2) konkretisiert, was im Hinblick auf die Rechtsanwendung dieses Artikels durch den Disziplinarrat (aufgrund von Artikel 6 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten) notwendig ist. In dieser Ziffer 2 wird zum Ausdruck gebracht, daß es der Würde des Berufsstandes der zugelassenen Vertreter widerspricht, durch Werbung Mandanten anzuziehen. Die darin statuierten Einschränkungen des Grundrechts der Meinungsfreiheit dienen mithin dem Zweck, derartige mit der Würde des Berufsstandes der zugelassenen Vertreter als unvereinbar deklarierten Tätigkeiten zu verhindern. Die Beschwerdekammer ist nach eingehender Prüfung zu der Auffassung gelangt, daß die Bestimmungen der Ziffer 2 der Richtlinien für die Berufsausübung dem Sinn und Zweck der in Artikel 1 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten festgelegten allgemeinen Berufspflichten entsprechen sowie mit dem Grundsatz des pflichtgemäßen Ermessens (vgl. oben Abschnitt 2.4, letzter Satz) vereinbar sind. Sie bedürfen daher keiner zusätzlichen gesetzlichen Grundlage. Artikel 1 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten, der sich auf Artikel 134 (8) c) EPÜ abstützt, stellt somit eine normative Ermächtigungsgrundlage dar, wie sie Artikel 10 (2) EMRK für die Einschränkung der Meinungsfreiheit fordert (vgl. oben Abschnitt 2.6; Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes). Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß in diesem Artikel 1 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten die Werbung und damit zusammenhängende Meinungsäußerungen nicht direkt erwähnt sind (vgl. in diesem Zusammenhang die oben in Abschnitt 2.5 gemachten Ausführungen). Der Einwand des Beschwerdeführers, daß dieser Artikel deshalb keine gesetzliche Grundlage für die Richtlinien für die Berufsausübung darstellen könne, ist somit nicht zutreffend.
2.8. Diese Ausführungen stehen durchaus im Einklang mit den Darlegungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die in dessen Urteil unter Punkt 46 der Entscheidungsgründe aufgeführt sind (vgl. GRUR Int. 1985, 469). Dieser Stelle ist nämlich zu entnehmen, daß eine Rechtsetzungsbefugnis im Bereich der Berufsordnung sich aus der autonomen Satzungsbefugnis ergeben kann, die aus Angehörigen freier Berufe gebildete Organisationen aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung ausüben, und daß demzufolge Bestimmungen, die von solchen Organisationen im Rahmen dieser Ermächtigung erlassen werden, als "Gesetze" im Sinne des Artikels 10 (2) EMRK gelten.
2.9. Den Bestimmungen gemäß Ziffer 2 der Richtlinien für die Berufsausübung liegt die Überzeugung zugrunde, daß es der Würde des Berufsstandes der zugelassenen Vertreter schadet, wenn die Mitglieder des Instituts sich durch Vergleich von Leistungen um Beschäftigung bemühen oder einen solchen Eindruck bewirken. Ferner herrscht die Auffassung vor, daß ein solches Verhalten gegen den Grundsatz der Fairneß verstößt, welchem Grundsatz anerkanntermaßen im Wettbewerb zwischen den einzelnen Mitgliedern des Instituts eine hervorragende Bedeutung zukommt. Diese Bestimmungen zielen denn auch darauf ab, Mitteilungen von Mitgliedern des Instituts zu unterbinden, sofern sie eine werbende Beschaffenheit haben oder haben könnten. Dagegen werden Mitteilungen von Nachrichten und Ideen, die keine werbende Wirkung erzeugen, von diesem Verbot nicht erfaßt. Die vom Beschwerdeführer geäußerte Ansicht, daß die Anwendung dieser Bestimmungen eine totale Unterbindung der Mitteilungen der Mitglieder des Instituts zur Folge habe, trifft somit nicht zu. Des weiteren bleiben die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang von Nachrichten und Ideen der Mitglieder des Instituts unangetastet. Die Kammer ist daher der Überzeugung, daß die in Ziffer 2 der Richtlinien für die Berufsausübung statuierten Einschränkungen des Grundrechts der Meinungsfreiheit dem in Artikel 10 EMRK niedergelegten Gebot der Verhältnismäßigkeit (sowie den in der Rechtsprechung zu diesem Artikel von dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bzw. dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte herausgebildeten Grundsätzen) genügen, weil sie auf einer ausgewogenen Beziehung zwischen diesem Grundrecht einerseits und den grundrechtsbegrenzenden Rechtsgütern des guten Rufs (Würde des Berufsstandes der zugelassenen Vertreter) und der Rechte anderer (Gebot der Fairneß im Wettbewerb zwischen den einzelnen Mitgliedern des Instituts) andererseits beruhen.
2.10. Der Beschwerdeführer hat seine Behauptung, daß in den einzelnen Vertragsstaaten des EPÜ generell eine Entwicklung in Richtung einer liberaleren Anwendung des Standesrechts stattgefunden habe, nach Auffassung der Beschwerdekammer nicht hinreichend substantiiert. Die mit dieser Behauptung verknüpfte Forderung des Beschwerdeführers, diese angeblich liberalere Anwendung des Standesrechts auf europäischer Ebene bei der Auslegung der in Ziffer 2 der Richtlinien für die Berufsausübung niedergelegten Vorschriften zu berücksichtigen, ist daher schon aus diesem Grunde gegenstandslos. Im übrigen hat der Vertreter des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Presseveröffentlichungen auch gegen die äußerst liberalen Vorschriften verstoßen würden, die gegenwärtig in mindestens einem Vertragsstaat hinsichtlich der Werbetätigkeit von Rechtsanwälten bestehen.
2.11. Der einzig gangbare Weg, einer angeblichen Liberalisierung des Standesrechts auf europäischer Ebene in rechtlicher Hinsicht gebührend Rechnung zu tragen, kann nach Auffassung der Beschwerdekammer nur in einer entsprechenden Revision der Richtlinien für die Berufsausübung bestehen. Als rechtsanwendendes Organ ist die Beschwerdekammer jedoch nicht befugt, eine solche Änderung vorzunehmen, sondern vielmehr gehalten, die geltenden Richtlinien für die Berufsausübung anzuwenden. Diese Richtlinien sind jedoch einer von dem Beschwerdeführer postulierten liberaleren Anwendung des Standesrechts ganz offensichtlich nicht zugänglich. Auch aus diesem Grunde kann der (oben in Abschnitt 2.10 erwähnten) Forderung des Beschwerdeführers nicht stattgegeben werden.
2.12. Es ist somit festzustellen, daß die in Ziffer 2 der Richtlinien für die Berufsausübung statuierten Einschränkungen des Grundrechts der Meinungsfreiheit mit den Grundsätzen gemäß Artikel 10 EMRK in Einklang stehen. Sie sind folglich für die Mitglieder des Instituts rechtlich verbindlich, sofern ihre Tätigkeiten sich auf das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) beziehen.
3. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Beschwerdeführer zu erkennen gab, daß er zugelassener Vertreter beim EPA ist. Das geht eindeutig aus mehreren Stellen der Presseveröffentlichungen hervor. Im übrigen hat der Beschwerdeführer dies auch nicht bestritten. Der Beschwerdeführer ist auch Mitglied des Instituts, weil er in die Liste der zugelassenen Vertreter eingetragen ist (vgl. Artikel 5 (1) der Vorschriften über die Errichtung eines Instituts). Im Falle der Nichtbeachtung der beruflichen Regeln (Artikel 1 bis 3 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten) konnte daher der Disziplinarrat gegen den Beschwerdeführer eine der Disziplinarmaßnahmen gemäß Artikel 6 (2) b) der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten verhängen.
4. Die Auszüge aus Presseveröffentlichungen enthalten eine Fülle von Informationen, die nach Auffassung der Kammer nur vom Beschwerdeführer selbst stammen können, weil sie größtenteils relativ detaillierte und nach Aussage des Beschwerdeführers auch zutreffende Angaben über die weltweit gespannten geschäftlichen Beziehungen, den organisatorischen Aufbau, das Dienstleistungsangebot und die geschäftlichen Erfolge der vom Beschwerdeführer geleiteten Patentanwaltskanzlei zum Inhalt haben. Da diese Informationen somit von einem Mitglied des Instituts herrühren, ist alsdann zu prüfen, ob sie als Presseveröffentlichungen die in den beruflichen Regeln (Artikel 1 bis 3 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten) und in Ziffer 2 der Richtlinien für die Berufsausübung festgelegten Vorschriften verletzen. Dabei kommt freilich dem Umstand, daß der Beschwerdeführer die Vertreter der Presse darauf hingewiesen hat, daß er durch Standesrecht an jeglicher werbenden Tätigkeit gehindert sei, keinerlei rechtliche Bedeutung zu. Dasselbe gilt in bezug auf die mit diesem Hinweis verknüpfte Bitte, nicht zuviel über ihn (den Beschwerdeführer) zu schreiben. Damit hat es folgende Bewandtnis: Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die oben erwähnten Vorschriften sich nicht auf die Tätigkeit der Pressevertreter beziehen und demzufolge von letzteren auch nicht zu beachten sind. Des weiteren waren die Pressevertreter aufgrund der in einem demokratischen Rechtsstaat garantierten Pressefreiheit nicht verpflichtet, sich in ihrer Arbeit nach den Wünschen des Beschwerdeführers zu richten. Von den Pressevertretern konnte der Beschwerdeführer mithin realistischerweise nicht erwarten, daß sie nur solche Informationen veröffentlichen würden, die mit den genannten Vorschriften in Einklang stehen. Es besteht ferner kein Grund zur Annahme, daß der Beschwerdeführer Schritte unternommen hat, um die werbende Beschaffenheit der Presseveröffentlichungen zu beseitigen oder zumindest abzuschwächen. Außerdem war sich der Beschwerdeführer nach eigener Aussage des in den Richtlinien für die Berufsausübung enthaltenen Werbeverbots durchaus bewußt. Aus alledem folgt, daß der Beschwerdeführer sich der Verantwortung für die veröffentlichten Informationen nicht entziehen kann.
5. Es ist offensichtlich, daß diese Auszüge aus Presseveröffentlichungen, was ihren Inhalt anbetrifft, mehrheitlich eine werbende Beschaffenheit haben. ...
6. Diese Auszüge aus Presseveröffentlichungen, für deren Inhalt der Beschwerdeführer im übrigen die volle Verantwortung übernehmen muß (vgl. oben Abschnitt 4), verstoßen somit aufgrund ihrer werbenden Beschaffenheit in eindeutiger Weise gegen die Vorschriften der Ziffer 2g) der Richtlinien für die Berufsausübung. Das träfe selbst dann zu, wenn die Voraussetzungen der Ziffer 2a), zweiter Absatz der Richtlinien für die Berufsausübung im vorliegenden Fall erfüllt wären. Dem ist jedoch keineswegs so. Vielmehr ist der Vorinstanz darin beizupflichten, daß zwischen der Aufnahme der Tätigkeit eines Mitglieds des Instituts bzw. den anderen in Ziffer 2a), zweiter Absatz der Richtlinien für die Berufsausübung genannten Tätigkeiten und der Situation, wie sie sich aus Anlaß des Jubiläums einer Patentanwaltskanzlei ergibt, keine Ähnlichkeit besteht.
7. Aufgrund des Verstoßes gegen Ziffer 2g) der Richtlinien für die Berufsausübung hat der Beschwerdeführer die beruflichen Regeln (Artikel 1 bis 3 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten) verletzt. Der Disziplinarrat hat deshalb gestützt auf Artikel 6 (2) b) dieser Vorschriften dem Beschwerdeführer eine Warnung erteilt. Dabei handelt es sich um die mildeste Disziplinarmaßnahme (vgl. Artikel 4 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten). Die Verhängung dieser Maßnahme im vorliegenden Fall ist daher keineswegs unangemessen.
8. Die angefochtene Entscheidung ist daher zu bestätigen. Den Anträgen des Beschwerdeführers auf Aufhebung dieser Entscheidung bzw. auf Zurückweisung der Anzeige und auf Einstellung des Verfahrens wird somit nicht stattgegeben. Dasselbe gilt in bezug auf den Antrag, daß die notwendigen Kosten des Beschwerdeführers von dem Institut zu tragen seien. Diesem Antrag könnte nämlich nur dann stattgegeben werden, wenn das Verfahren eingestellt wird (vgl. Artikel 27 (2), letzter Satz der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
- Die Beschwerde gegen die Entscheidung des Disziplinarrats vom 15. November 1988 wird zurückgewiesen.
- Der Antrag, dem Institut die Kosten aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.