D 0010/97 08-12-1998
Download und weitere Informationen:
I. Der Beschwerdeführer wurde im Jahr 1996 zur teilweisen Wiederholung der europäischen Eignungsprüfung zugelassen, wobei er ausschließlich die Prüfungsarbeit D zu wiederholen hatte. Dabei erzielte er die Note 5.
II. Mit Brief vom 1. Oktober 1996 wurde ihm die Entscheidung der Prüfungskommission vom 25. September 1996 mitgeteilt, daß er gemäß den Ausführungsbestimmungen zu den Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung (VEP) die europäische Eignungsprüfung nicht bestanden habe.
III. Gegen diese Entscheidung hat der Beschwerdeführer am 19. November 1996 Beschwerde erhoben. Gleichzeitig hat der Beschwerdeführer die Beschwerdegebühr entrichtet und eine schriftliche Beschwerdebegründung eingereicht. Der Beschwerdeführer beantragt schriftlich, die Entscheidung der Prüfungskommission vom 25. September 1996 aufzuheben und festzustellen, daß er die ausreichende Qualifizierung besitze, um als zugelassener Vertreter in die beim EPA geführte Liste der zugelassenen Vertreter eingetragen zu werden.
IV. Zur Begründung der Beschwerde wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß die Prüfungskommission die Frage 11 des Teils I der Prüfungsaufgabe D neutralisiert und allen Bewerbern für diese Frage die maximal mögliche Punktzahl von 3 Punkten zuerkannt habe. Damit sei auch Bewerbern, welche - im Gegensatz zu ihm - die Frage 11 gar nicht bearbeitet hätten, die volle Punktzahl für diese Frage zugesprochen worden. Solche Bewerber hätten damit einen Zeitvorteil von (mindestens) 9 Minuten für die Bearbeitung der Fragen 1 bis 10 gehabt. In dieser Zeit hätte er mindestens drei zusätzliche Punkte erzielen können, die ihm gerade bei der Korrektur durch einen der Prüfer gefehlt hätten. Mit ihrem Vorgehen habe die Prüfungskommission bei der Bewertung seiner Arbeit gegen den Grundsatz der Einheitlichkeit der Bewertung gemäß Artikel 16 VEP verstoßen.
Ferner erschien es dem Beschwerdeführer unverständlich, daß ein Bewerber, der - wie er - in Teil I der Aufgabe D 71. % der möglichen Punkte erzielte, kein geeigneter Vertreter sein sollte, während es bei der erstmaligen Teilnahme an der Prüfung möglich sei, selbst die Note 6 in der Prüfungsaufgabe D auszugleichen.
V. In einem Bescheid vom 21. September 1998 brachte die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten ihre vorläufige Auffassung zum Ausdruck, daß der Beschwerdeführer die Prüfung unter den vorschriftsgemäßen Bedingungen habe ablegen können. Für die Bearbeitung der Prüfungsaufgabe D I habe ihm die reguläre Zeit von 2 1/4 Stunden zur Verfügung gestanden. Aus dem Vorgehen der Prüfungskommission bei der Bewertung von Frage 11 sei ihm keinerlei Nachteil erwachsen. Ein Anspruch auf absolute Gleichbehandlung bestehe nicht, solange in einer gegebenen Situation die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß sachlich vertretbar sei, was hier zutreffe. Die vom Beschwerdeführer beanspruchten Zusatzpunkte beruhten auf hypothetischen Überlegungen, die von der Kammer nicht überprüfbar seien.
Nach Artikel 13 (3) d) VEP bildeten die Beantwortung rechtlicher Fragen und die rechtliche Beurteilung eines speziellen Sachverhalts zusammen eine Prüfungsaufgabe D. Eine Einzelbenotung der Teile I und II dieser Prüfungsaufgabe sei nicht vorgesehen. Im übrigen sei ein Mindestnotenausgleich gemäß Artikel 17 (1) VEP ausdrücklich auf die erstmalige Ablegung der Prüfung beschränkt und deshalb im vorliegenden Fall ohne Bedeutung.
VI. In einer Erwiderung vom 22. November 1998 hielt der Beschwerdeführer daran fest, die Fallunterscheidung zwischen den Teilnehmern mit Frage 11 und denen ohne Frage 11 widerspreche der Vorschrift von Artikel 16 VEP, wonach die Arbeiten der Bewerber einheitlich zu bewerten seien. Der Versuch eines Ausgleichs des aufgetretenen Fehlers begünstige die Teilnehmer ohne Frage 11, da diesen 3 Punkte geschenkt worden seien. Statt dessen hätte die Frage 11 zusätzlich korrigiert und die dort erhaltene Punktzahl zu dem durch die Vergabe von 3. Punkten bereinigten Ergebnis hinzugefügt werden müssen. Da dies nicht mehr möglich sei, sei aus Gründen der Gerechtigkeit die volle Punktzahl von 3 Punkten zusätzlich zu vergeben.
VII. Der Präsident des Rates des Instituts der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter und der Präsident des Europäischen Patentamts haben von einer Stellungnahme nach Artikel 12 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern i. V. m. Artikel 27 (4) VEP abgesehen.
1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen von Artikel 27 (2) VEP; sie ist deshalb zulässig.
2. Der vorliegenden Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Teil I der Prüfungsaufgabe D, für deren Bearbeitung 2 1/4 Stunden zur Verfügung standen, umfaßte 11. Fragen. Aufgrund eines Versehens erhielten einige Bewerber jedoch nur die Fragen 1 bis 10. Zur Korrektur dieses Versehens beschloß die Prüfungskommission, für alle Bewerber die Frage 11 mit der maximalen Punktezahl 3 zu bewerten. Damit sollte eine Benachteiligung derjenigen vermieden werden, die keine Gelegenheit zur Beantwortung von Frage 11 hatten.
3. Der Beschwerdeführer sieht darin eine Verletzung von Artikel 16 VEP, wonach die Prüfungskommission den Mitgliedern der Prüfungsausschüsse die erforderlichen Anweisungen gibt, um sicherzustellen, daß die Arbeiten der Bewerber einheitlich bewertet werden.
3.1. Solche Anweisungen sind in den Ausführungsbestimmungen zu den VEP enthalten. Nach deren Regeln 3 und 6 besteht das hauptsächliche Bewertungskriterium darin, ob ein Bewerber aufgrund seiner Prüfungsarbeit zur Ausübung der Tätigkeit des zugelassenen Vertreters befähigt erscheint oder nicht. Für "Einzelheiten zur Notengebung" verweist Regel 9 (1) auf die von den Prüfern auszufüllenden, einheitlich gestalteten Bewertungsbögen. Der Grundsatz der einheitlichen Bewertung umfaßt somit das Recht der Bewerber, jede Prüfungsaufgabe unter den dafür festgelegten Bedingungen abzulegen sowie das Recht auf objektive Beurteilung der Arbeit, wobei für jede Prüfungsaufgabe festzustellen ist, ob der Bewerber zur Ausübung der Tätigkeit des zugelassenen Vertreters geeignet ist.
3.2. Im vorliegenden Fall ist es unbestritten, daß der Beschwerdeführer die Prüfungsaufgabe D, Teil I, mit den vorgesehenen 11 Fragen erhielt und ihm die reguläre Zeit von 2 1/4 Stunden für die Beantwortung zur Verfügung stand. Die Bewertung beruhte ebenfalls auf allen 11. Fragen, wobei der Beschwerdeführer - wie alle anderen Bewerber - für die Frage 11 ungeachtet seiner Antwort die maximal vorgesehenen 3 Punkte erhielt. Wenn die Bewertung von Frage 11 vom Grundsatz der objektiven Beurteilung abwich, so erwuchs dem Beschwerdeführer daraus jedenfalls kein Nachteil, weil er - wie auch die anderen Bewerber - nicht strenger bewertet wurde, als eine objektive Beurteilung es verlangt hätte. Insofern kann sich der Beschwerdeführer nicht auf eine Verletzung von Artikel 16 VEP zu seinem Nachteil berufen.
4. Der Beschwerdeführer vergleicht seine Prüfungssituation aber auch mit derjenigen der Bewerber, deren Prüfungsunterlagen die Frage 11 nicht enthielten. Jene Bewerber hatten für die Beantwortung der Frage 11 keine Zeit aufzuwenden, wogegen der Beschwerdeführer gemäß den regulären Prüfungsbedingungen alle 11 Fragen beantwortete. Es trifft zu, daß jenen Bewerbern damit (bei gleicher Bewertung für die Frage 11) etwas mehr Zeit für die Beantwortung der Fragen 1 bis 10 zur Verfügung stand.
4.1. Aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung läßt sich jedoch kein Anspruch auf absolute Gleichbehandlung ableiten, solange in einer gegebenen Situation die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß sachlich vertretbar ist (D 14/95 vom 19. Dezember 1995, Ziff. 4 und 8; D 2/95 vom 22. April 1996, Ziff. 6). Ein zu beanstandender Rechtsfehler läge allerdings dann vor, wenn die Prüfungsbedingungen so gewählt würden, daß sie einen Teil der Bewerber benachteiligten, ohne daß hierfür ein sachlich vertretbarer Grund erkennbar wäre (Entscheidung D 3/95 vom 21. Januar 1997, Ziff. 3).
4.2. Im vorliegenden Fall hat die Prüfungskommission den von den unvollständigen Prüfungsunterlagen betroffenen Kandidaten einen Ausgleich gewährt, der nach Art und Ausmaß der gegebenen Situation durchaus angepaßt erscheint. Auch wenn sich daraus zwangsläufig eine gewisse Ungleichbehandlung der Bewerber ergab, so war diese in ihrem Ausmaß geringfügig und in der besonderen Situation vertretbar. Insbesondere konnte damit sichergestellt werden, daß keiner der Bewerber schlechter gestellt wurde als bei einer objektiven Beurteilung seines Ergebnisses (vgl. oben Ziff. 3.2). Die von der Prüfungskommission gewählte Korrektur des Versehens war deshalb den Umständen angemessen und stellt nach der Überzeugung der Kammer keine rechtswidrige Ungleichbehandlung dar. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, daß alle übrigen Antworten sämtlicher Bewerber nicht einheitlich bewertet worden wären.
4.3. Die vom Beschwerdeführer beanspruchten Zusatzpunkte beruhen auf dem Argument, er hätte in der für die Frage 11 aufgewendeten, als verloren zu bewertenden Prüfungszeit drei zusätzliche Punkte erzielen können. Abgesehen davon, daß diese 3 Zusatzpunkte auf einer nicht belegbaren Hypothese über das Verhalten des Beschwerdeführers bei zusätzlicher Prüfungszeit beruhen, ergibt sich nach der Beurteilung eines der beiden Prüfer selbst mit diesen Zusatzpunkten keine ausreichende Bewertung der Prüfungsaufgabe D. Deshalb kann die Kammer auf dieser Grundlage nicht feststellen, daß der Beschwerdeführer diese Prüfungsaufgabe bestanden hat.
5. Auch wenn der Beschwerdeführer in Teil I der Prüfungsaufgabe D 71 % der möglichen Punkte erzielte, so erreichte er für die Prüfungsaufgabe D insgesamt keine ausreichende Bewertung. Nach Artikel 17 (1) VEP hat ein Bewerber die Prüfung aber nur bestanden, wenn er im Falle der teilweisen Wiederholung der Prüfung für jede Prüfungsaufgabe eine ausreichende Bewertung erzielt. Das gute Ergebnis des Beschwerdeführers für einen Teil der Prüfungsaufgabe D kann daran nichts ändern.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.