J 0018/92 (Eintragung in Vertreterliste - Beitritt) 18-12-1992
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Beitritt zum EPü - Wiedervereinigung Deutschlands
Analoge Anwendbarkeit von Artikel 163(6) EPÜ
Besondere berufliche Befähigung Artikel 163(3) EPÜ
Zuständigkeit der Rechtsabteilung im Rahmen von Artikel 20 EPÜ
Responsibility of Legal Division in accordance with Art. 20 EPC
Special professional qualifications in accordance with Art. 163(3) EPC - professional representatives during a transitional period
Accession to EPC - reunification of Germany
Principle of equity
I. Das Europäische Patentübereinkommen sieht in Artikel 134 (1) EPÜ vor, daß die Vertretung von Personen nur durch zugelassene Vertreter wahrgenommen werden kann, die in einer beim Europäischen Patentamt geführten Liste eingetragen sind. Eine der Voraussetzungen für die Eintragung ist, daß der Bewerber die europäische Eignungsprüfung bestanden hat. Von dieser Voraussetzung konnte nach Inkrafttreten des Europäischen Patentübereinkommens unter den Voraussetzungen des Artikels 163 EPÜ bis zum Ende einer Übergangszeit abgesehen werden. Diese Übergangszeit endete in bezug auf alle Staaten, die dem Übereinkommen von Anfang an angehörten (und somit auch für die Bundesrepublik Deutschland), am 7. Oktober 1981 (siehe ABl. EPA 1978, 327). Von diesem Tag an gilt nur mehr Artikel 163 (6) EPÜ. Danach können "Personen, die ihren Geschäftssitz oder einen Arbeitsplatz in einem Staat haben, der diesem Übereinkommen ... beitritt, ... während eines Zeitraums von einem Jahr, gerechnet vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beitritts des genannten Staates an, unter den Voraussetzungen der Absätze 1 bis 5 in die Liste der zugelassenen Vertreter eingetragen werden", ohne die Eignungsprüfung bestanden zu haben.
II. Durch eine Anordnung des Präsidenten des Patentamts der Deutschen Demokratischen Republik ("DDR") vom 21. März 1990 (Gesetzblatt der DDR vom 30. März 1990, I, Nr. 21, S. 208) war bestimmt worden, daß zur entgeltlichen Vertretung in den Verfahren vor dem Patentamt der DDR Personen zugelassen sind, die den freien Beruf des Patentanwalts ausüben und in die Liste der Patentanwälte eingetragen sind. Die Voraussetzungen für die Eintragung in die Liste der Patentanwälte sind in der genannten Verordnung näher geregelt. Wer ähnliche Voraussetzungen wie ein Patentanwalt erfüllte, aber aufgrund eines ständigen Arbeitsverhältnisses in den Verfahren vor dem Patentamt der DDR für sein Unternehmen tätig war, konnte in die Liste der Patentassessoren eingetragen werden.
III. In einer Anordnung des Präsidenten des Patentamts der DDR über die Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland zugelassener Patentanwälte in der DDR vom 7. Juni 1990 (abgedruckt in Bl. f. PMZ 1990, 353) ist in § 1 angeordnet: "In der Bundesrepublik Deutschland zugelassene Patentanwälte dürfen im grenzüberschreitenden Verkehr in der Deutschen Demokratischen Republik die Tätigkeit eines nach der Anordnung vom 21. März 1990 über die Vertretung vor dem Patentamt (GBl. I, Nr. 21, S. 208) zugelassenen Patentanwalts ausüben." In § 2 wird ergänzt: "Die in § 1 bezeichneten Patentanwälte haben bei der Ausübung ihrer Tätigkeit im grenzüberschreitenden Verkehr die Stellung eines in der Deutschen Demokratischen Republik zugelassenen Patentanwalts".
IV. Am 3. Oktober 1990 ist die frühere DDR der Bundesrepublik Deutschland durch Vertrag (Einigungsvertrag vom 18. September 1990, BGBl. 1990 II 889 = Bl. f. PMZ 1990, 379) beigetreten. In "Besonderen Bestimmungen zur Überleitung von Bundesrecht" (Anlage I (III A III Ziffer 11) zu Artikel 8 des Einigungsvertrags), die diesem Vertrag beigefügt sind, ist u. a. vorgesehen, daß Patentanwälte, die am Tag des Beitritts in die beim Patentamt der DDR geführte Liste der Patentanwälte eingetragen sind, in der Bundesrepublik Deutschland zur Patentanwaltschaft zugelassen sind. Die Deutsche Delegation hat den Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation in einer Note vom 8. November 1990 (CA/96/90) davon unterrichtet, daß nach den oben wiedergegebenen Bestimmungen des "Einigungsvertrages" der in die Liste des Patentamts der DDR aufgenommene Personenkreis in der Bundesrepublik Deutschland zur Patentanwaltschaft zugelassen sei. Die deutsche Delegation erläuterte die Situation näher und verglich sie mit der Situation bei dem Beitritt eines neuen Staates zum Europäischen Patentübereinkommen. Als Folgerung regte die deutsche Delegation an: "Artikel 163 Absatz 6 EPÜ sollte daher auf die Personen, die vor dem Patentamt der (früheren) DDR vertretungsberechtigt waren, jedenfalls analog angewendet werden". Sodann führte sie folgendes aus: "Die nationale Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz (Art. 163 Abs. 2 EPÜ), also nunmehr das Deutsche Patentamt, wird dem Europäischen Patentamt die Erfüllung der in Artikel 163 Absatz 1 EPÜ genannten Voraussetzungen in jedem Einzelfall zu bescheinigen haben. Die Prüfung, ob die betreffende Person die Voraussetzungen für die erleichterte Eintragung nach Artikel 163, Absatz 1 bis 5 erfüllt, wird dann das Europäische Patentamt vornehmen."
V. Der Verwaltungsrat hat auf seiner 39. Tagung vom 4. bis 7. Dezember 1990 (CA/106/90 vom 21. Januar 1991, Nr. 12, S. 4) die Note der deutschen Delegation "zur Kenntnis genommen und gebilligt". Ferner wurde ausgeführt: "Der Präsident des Amts wird ermächtigt, die betreffenden Personen unter den in Artikel 163 EPÜ festgelegten Bedingungen in die Liste der zugelassenen Vertreter einzutragen".
Die Beschwerdeführer haben beim Deutschen Patentamt die Ausstellung entsprechender Bescheinigungen beantragt. Dieses hat jedem der Antragsteller bescheinigt, daß sie "die Voraussetzungen nach Artikel 163 Absatz 1, Buchstaben a) bis c) und eine der Voraussetzungen des Artikels 163, Absatz 3, Sätze 1 und 2 des EPÜ erfüllen." Die Anträge wurden an das Europäisches Patentamt weitergeleitet. In einem Begleitschreiben wurde jedoch "besonders darauf hingewiesen, daß der jeweilige Antragsteller nicht zu dem in der Anlage des Einigungsvertrags genannten Personenkreis gehört", also weder ein DDR-Patentanwalt war, noch die Bedingungen dafür erfüllte.
VI. Der Präsident des Deutschen Patentamts machte das von ihm beabsichtigte Verfahren in einer "Mitteilung Nr. 10/91 des Präsidenten des Deutschen Patentamts über die erleichterte Zulassung zur Vertretung vor dem Europäischen Patentamt gemäß Art. 163, Abs. 6 EPÜ analog für Patentanwälte und Patentassessoren aus dem Gebiet der DDR" vom 3. März 1991 (PMZ 1991, 146) bekannt. In dieser Mitteilung vertrat der Präsident des Deutschen Patentamts die Auffassung, daß die Bescheinigung auch solchen Antragstellern erteilt werde, die ihren Geschäftssitz oder Arbeitsplatz nach dem 2. Oktober 1990 in das Gebiet eines der alten Bundesländer verlegt haben. Allerdings wies er darauf hin, daß diese Auslegung des Artikels 163 EPÜ vom Europäischen Patentamt bisher nicht gebilligt werde. In einer weiteren "Mitteilung Nr. 17/91" vom 21. Juni 1991 (PMZ 1991, 233) machte er bekannt, daß das Europäische Patentamt nunmehr die Auslegung des Deutschen Patentamts zu Artikel 163 (6) EPÜ billige und für die erleichterte Zulassung als Vertreter vor dem Europäischen Patentamt auch die Anträge von Patentanwälten und Patentassessoren aus dem Gebiet eines der neuen Bundesländer (frühere DDR) akzeptiere, wenn sie ihren Geschäftssitz oder Arbeitsplatz nach dem 2. Oktober 1990 in eines der alten Bundesländer verlegt haben.
VII. Die Rechtsabteilung des Europäischen Patentamts hat die Anträge aller Beschwerdeführer auf die Eintragung in die Liste der zugelassenen Vertreter gemäß Artikel 163 (6) EPÜ abgelehnt. Alle Vertreter haben rechtzeitig unter Zahlung der Gebühr Beschwerde erhoben und diese begründet. Hinsichtlich des Inhalts der angefochtenen Entscheidungen und der Beschwerdebegründung wird auf die Akten Bezug genommen.
VIII. In der Verhandlung vom 18. Dezember 1992 stimmten die Beschwerdeführer nach Artikel 9 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (ABl. EPA 1980, 191) zu, daß die Beschwerden in einem gemeinsamen Verfahren behandelt werden.
IX. Der Beschwerdeführer Kuczka trug vor, daß er im Juni 1991 seinen Geschäftssitz nach Heiligenstadt (Thüringen) in der früheren DDR verlegt habe, was im Hinblick auf Artikel 163, Absatz (1) b) EPÜ, nämlich im Hinblick auf das Erfordernis eines Geschäftssitzes oder Arbeitsplatzes in dem betreffenden Gebiet von Bedeutung sei.
Der Beschwerdeführer Kuczka trug ferner vor, daß er sich auf das Merkblatt vom 4. Oktober 1991 des Europäischen Patentamts verlassen habe, in dem folgendes auf Seite 1 steht: "Die Rechtsabteilung des Europäischen Patentamts beabsichtigt, Artikel 163 (6) des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ, Anlage 1) auf Personen, die ihren Geschäftssitz oder Arbeitsplatz in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) haben, entsprechend anzuwenden. ... Der Antrag auf Eintragung ist ... auf dem als Anlage 2 beigefügten Formblatt beim Deutschen Patentamt ... einzureichen"; auf Seite 4 steht: "Die Rechtsabteilung des Europäischen Patentamts hat in analoger Anwendung von Artikel 163 (6) zu prüfen, ob der Antragsteller zur Zeit der Antragstellung seinen Geschäftssitz oder Arbeitsplatz im Gebiet der ehemaligen DDR hat. Sollte sich aus dem Antrag ergeben, daß dies nicht der Fall ist, so muß der Antragsteller mit der Zurückweisung seines Antrags rechnen." Auf Anlage 2 zum Merkblatt, nämlich dem Formblatt, ist vermerkt "Ich gehöre zu dem in Anlage I (IIIA III Ziffer 11) zu Art. 8 des Einigungsvertrags genannten Personenkreis." Im Ergebnis entspricht diese Kategorie den DDR-Patentanwälten. In dem Antrag des Beschwerdeführers Kuczka vom 16. August 1991 auf einem solchen Formblatt ist dieser Satz durch Einfügung eines "nicht" in "Ich gehöre nicht zu dem in Anlage I (IIIA III Ziffer 11) zu Art. 8 des Einigungsvertrags genannten Personenkreis" geändert worden. Der Beschwerdeführer beruft sich auf das Prinzip des Vertrauensschutzes, welches erfordere, daß er gemäß Artikel 163 EPÜ eingetragen werde.
X. Alle Beschwerdeführer wurden als Patentanwälte in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen (der letzte am 14. Juni 1990).
Hinsichtlich des Beschwerdeführers Meyers wurde festgestellt, daß er bereits (wegen inzwischen bestandener europäischen Prüfung) in die Liste der zugelassenen Vertreter beim Europäischen Patentamt eingetragen sei, allerdings erst zu einem Zeitpunkt nach der Einlegung seiner Beschwerde. Er argumentierte, daß dennoch für die Beschwerde das Rechtsschutzinteresse nicht entfallen sei, weil (insbesondere im Hinblick auf Regel 106 EPÜ) eine Eintragung nach Art. 134 (2) EPÜ eine andere Qualität habe als eine solche über Art. 163 (6) EPÜ.
Der Vortrag der Beschwerdeführer ist im wesentlichen gleich. Ihre rechtlichen Gesichtspunkte sind vor allem folgende:
(a) Die Rechtsabteilung des Europäischen Patentamts habe überhaupt keine Entscheidungsbefugnis; vielmehr habe sie einzutragen, wenn sie eine Bescheinigung des Deutschen Patentamts entsprechend Art. 163 (1) a) bis c) und 163 (3) EPÜ erhalte. Trage sie gleichwohl nicht ein, so sei das ein Verfahrensfehler. Infolgedessen müßte die Beschwerdekammer die Entscheidung der Rechtsabteilung ohne Sachprüfung aufheben, die Eintragung anordnen, und die Beschwerdegebühren zurückzahlen.
(b) Analoge Anwendung bedeute: Es habe keinen "Beitritt" der DDR zum Europäischen Patentübereinkommen gegeben, sondern einen erneuten Beitritt Deutschlands in seiner Gesamtheit.
(c) Die "Liste" des DDR-Patentamts sei während der Beitrittsverhandlungen mit Blick auf die Wiedervereinigung geschaffen und könne daher kein Abgrenzungskriterium sein.
(d) Westdeutsche Patentanwälte seien durch die Verordnung über den "grenzüberschreitenden Verkehr" (siehe III oben) vor dem Patentamt der DDR vertretungsberechtigt gewesen, ohne daß sie dafür ihren Sitz in die DDR zu verlegen brauchten.
XI. Die Beschwerdeführer beantragten
1. unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen ihre Eintragung gemäß Art. 163 EPÜ in die Liste der beim Europäisches Patentamt zugelassenen Vertreter anzuordnen;
2. die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen;
3. hilfsweise der Großen Beschwerdekammer folgende Rechtsfragen vorzulegen:
(a) Für den Beschwerdeführer Kuczka:
1. Kann der Verwaltungsrat und/oder die Rechtsabteilung Voraussetzungen aufstellen, die über den Sinn und Wortlaut des Europäischen Patentübereinkommens hinausgehen, insbesondere über den des Art. 163 EPÜ?
2. Ist es zulässig, einen bestimmten Personenkreis nur aufgrund seiner Staatsangehörigkeit von einer Regelung des Europäischen Patentübereinkommens, insbesondere von Art. 163 EPÜ, auszunehmen, wenn der Personenkreis die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaats besitzt?
(b) Für die anderen Beschwerdeführer:
1. Ist das Europäische Patentamt befugt, zusätzlich zu der nationalen Behörde für den gewerblichen Rechtsschutz die im Artikel 163 EPÜ genannten Voraussetzungen für die Eintragung in die Liste der zugehörigen Vertreter zu prüfen, und/oder
2. ist der Verwaltungsrat im Rahmen seiner Überwachungsfunktion gemäß Artikel 4 EPÜ befugt, über die ihm im Europäischen Patentübereinkommen expressis verbis zugewiesenen Befugnisse hinausgehend dem Europäischen Patentamt zusätzliche Vorschriften zu machen, insbesondere
2.1 das Europäische Patentamt zur Prüfung der im Artikel 163 EPÜ genannten Voraussetzungen zu ermächtigen und/oder
2.2 dem Europäischen Patentamt eine auf eine spezielle Fallkonstruktion abgestimmte Handhabung von im Europäischen Patentübereinkommen festgeschriebenen Artikeln entsprechend der Vorlage CA/96/90 der deutschen Delegation zu geben, wobei die Handhabung von dem Inhalt der festgeschriebenen Artikel bewußt deutlich abweicht?
Ferner stellten die Beschwerdeführer Eikel, Grape, Meyers und Schwarzensteiner den Antrag:
4. hilfsweise die Entscheidung der Rechtsabteilung vom 20. März 1992 aufzuheben und die Angelegenheit an die Rechtsabteilung mit der Maßgabe zurückzuverweisen, daß das Verfahren bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung einer zuständigen Behörde oder eines zuständigen Gerichts der Bundesrepublik Deutschland über die Frage, ob die Beschwerdeführer die Voraussetzung des Artikel 163 (1) lit b - c EPÜ sowie des Artikel 163 (3) EPÜ erfüllen, auszusetzen ist.
1. Die Beschwerden sind zulässig. Hinsichtlich der Beschwerde Meyers stellt sich dabei allerdings die Frage, ob nicht das Rechtsschutzinteresse entfallen ist, weil der Beschwerdeführer inzwischen die europäische Eignungsprüfung bestanden hat. Da der Beschwerdeführer Meyers auf Grund einer für ihn positiven Entscheidung der Erstinstanz zumindest früher in die Liste der zugelassenen Vertreter hätte eingetragen werden können und er außerdem Rückzahlung der Beschwerdegebühr wegen Verfahrensfehlers der Erstinstanz beantragt hat, geht die Kammer von einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse und damit von der Zulässigkeit auch seiner Beschwerde aus.
2.1 Nach Artikel 20 (1) EPÜ ist die Rechtsabteilung "zuständig ....für Entscheidungen über Eintragungen und Löschungen in der Liste der zugelassenen Vertreter". Eine Entscheidung erfordert, daß die Rechtsabteilung die Sachlage nachprüft und sie unter die in Betracht kommenden Rechtsnormen subsumiert. Artikel 163 (2) EPÜ schreibt vor "die Eintragung erfolgt auf Antrag, dem eine Bescheinigung der Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz beizufügen ist, aus der sich die Erfüllung der in Absatz 1 genannten Voraussetzungen ergibt". Dies bedeutet, daß auch hier die Rechtsabteilung jeden einzelnen Antrag zu prüfen hat. Der Sinn der Bescheinigung der Zentralbehörde ist es, daß die Nachprüfung erleichtert wird: Dagegen ist der Sinn nicht, daß die nationale Zentralbehörde, an Stelle der Rechtsabteilung des Europäischen Patentamts, über die Eintragung in die Liste der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter entscheidet. Eine solche Lösung stünde im Widerspruch zum Ziel einer einheitlichen Anwendung des Europäischen Patentübereinkommens. Wenn diese Lösung gewollt wäre, hätte der Gesetzgeber bestimmen können, daß die nationale Behörde dem Europäischen Patentamt eine pauschale Liste der zuzulassenden Vertreter zu übermitteln habe.
2.2 Die Kenntnisnahme und Billigung des deutschen Vorschlags einer analogen Anwendung des Artikel 163 (6) EPÜ im Falle des Beitritts der früheren DDR zur Bundesrepublik Deutschland, durch den Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation, kann, in Übereinstimmung mit den Gepflogenheiten des Internationalen Rechts, als Willensbekundung der Vertragsstaaten gewertet werden, daß Artikel 163 EPÜ analog angewendet werden solle. Damit wurde aber, da das Europäische Patentübereinkommen selbst nicht geändert wurde, keine neue Rechtsnorm geschaffen. Ob überhaupt, und mit welchen Modalitäten, Artikel 163 (6) EPÜ analog anzuwenden wäre, ist der Entscheidung der dafür zuständigen Organe des Europäischen Patentamts vorbehalten.
3.1 Für die Bundesrepublik Deutschland, wie für alle ursprüngliche Vertragsstaaten, galt unter Artikel 163 (1) EPÜ eine Übergangszeit, die am 7. Oktober 1981 endete. Während dieser konnten Patentanwälte in die Liste der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter eingetragen werden, ohne die Bedingung von Artikel 134 (1) c) EPÜ zu erfüllen, daß sie die europäische Eignungsprüfung bestanden haben. Alle Beschwerdeführer sind in der Zeit bis 14. Juni 1990 in der Bundesrepublik Deutschland als Patentanwälte zugelassen worden. Wenn das noch während der Übergangszeit geschehen wäre, dann hätten sie einem Personenkreis angehört, der alle Voraussetzungen von Artikel 163 (1) a), b) und c) EPÜ erfüllte, und somit, ohne die europäische Eignungsprüfung bestanden zu haben, in die Liste der beim Europäisches Patentamt zugelassenen Vertreter eingetragen werden konnte. Die entscheidende Frage ist also, ob die Beschwerdeführer noch einem anderen Personenkreis, für den eine erleichterte Eintragung unter Artikel 163 EPÜ möglich wäre, angehören.
3.2 Artikel 163 (6) EPÜ lautet "Personen, die ihren Geschäftssitz oder Arbeitsplatz in einem Staat haben, der diesem Übereinkommen ... nach Ablauf der Übergangszeit beitritt, können während eines Zeitraums von einem Jahr, gerechnet vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beitritts des genannten Staates an, unter den Voraussetzungen der Absätze 1 bis 5 in die Liste der zugelassenen Vertreter eingetragen werden." Nach Auffassung der Beschwerdeführer sei die Deutsche Demokratische Republik nicht dem Europäisches Patentübereinkommen beigetreten, sondern sei der Bundesrepublik Deutschland beigetreten, die schon Mitglied des Europäischen Patentübereinkommens war. Somit sei Artikel 163 dem strengen Wortlaut nach nicht anzuwenden. Die Beschwerdeführer argumentierten, daß diese Bestimmung angewendet werden solle, wie wenn es einen erneuten Beitritt Deutschlands in seiner Gesamtheit gegeben hätte.
3.3 Für eine solche Analogie, wie sie die Beschwerdeführer verstehen, fehlt jede Grundlage. Die Kammer ist allerdings auch der Ansicht, daß in Situationen, die einem Beitritt ähnlich sind, grundsätzlich eine Analogie in Betracht kommt. Dabei kommt es aber darauf an, mit welchen Modalitäten Artikel 163 (6) EPÜ im vorliegenden Fall eine analoge Anwendung finden kann. Da der Text von Artikel 163 EPÜ nicht im Hinblick auf eine Erweiterung des Hoheitsgebietes eines Mitgliedstaates, wie er bei der Vereinigung Deutschlands stattfand, abgefaßt worden ist, stellen sich für eine analoge Anwendung folgende Fragen: Erstens welcher Personenkreis käme für die Anwendung von Artikel 163 EPÜ in Frage, wenn die ehemalige DDR am 3. Oktober 1990 dem Europäischen Patentübereinkommen, aber nicht der Bundesrepublik Deutschland, beigetreten wäre. Zweitens, welcher Personenkreis in der jetzigen Bundesrepublik Deutschland könnte diesem gleichgestellt werden.
3.4 Artikel 163 (6) EPÜ erfordert einen Geschäftssitz oder Arbeitsplatz im beitretenden Staat. DDR-Patentanwälte erfüllten diese Bedingung. Der in der Anordnung vom 7. Juni 1990 des Präsidenten des Patentamts der DDR (siehe III oben) genannte Personenkreis erfüllte diese Bedingung nicht, da die Bezugnahme auf den "grenzüberschreitenden Verkehr" ja deutlich macht, daß ein Geschäftssitz oder Arbeitsplatz in der damaligen DDR nicht Voraussetzung war.
3.5 Einer analogen Anwendung von Artikel 163 (6) EPÜ steht aber noch ein weiterer Grund entgegen. Artikel 163 (3) EPÜ setzt eine "besondere berufliche Befähigung" voraus. Damit kann im Falle der DDR nur eine Befähigung gemeint sein, die gerade für die Vertretung vor dem Patentamt der DDR erforderlich war. Als solche kann die Befähigung als westdeutscher Patentanwalt nicht gelten. Der in der Anordnung vom 7. Juni 1990 des Präsidenten des Patentamts der DDR (siehe III oben) genannte Personenkreis erfüllte diese Bedingung also nicht, da er weder vom Patentamt der DDR gesondert geprüft wurde, noch für ihn irgendeine Bescheinigung ausgestellt wurde. DDR-Patentanwälte dagegen erfüllten diese Forderung. In den oben in III genannten Personenkreis fällt übrigens jeder westdeutsche Patentanwalt. Es wäre merkwürdig, wenn jeder, in einem ursprünglichen Mitgliedstaat zugelassene Patentanwalt über den Weg einer Analogie zu Personen, die in einem neu beitretenden Staat arbeiten, ohne europäische Eignungsprüfung in die Liste der zugelassenen Vertreter eingetragen werden müßte.
3.6 Alle Beschwerden sind daher zurückzuweisen, weil keiner der Beschwerdeführer zu einem Personenkreis gehört, für den bei analoger Anwendung von Artikel 163 EPÜ eine Eintragung in die Liste, ohne die europäische Eignungsprüfung bestanden zu haben, möglich ist.
4. Auch die weiteren Argumente der Beschwerdeführer können ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
4.1 Der Beschwerdeführer Kuczka macht durch seine Berufung auf das Merkblatt (siehe oben IX.) im Ergebnis einen Vertrauensschutz geltend. Ein solcher kann nach Auffassung der Kammer schon deswegen nicht in Anspruch genommen werden, da das Amtsblatt eindeutig aussagt, daß von einer analogen Anwendung die Rede ist und nicht von einer Anwendung, weil der Geschäftssitz des Patentanwalts in der ehemaligen DDR ist oder dorthin verlegt wurde. Selbst wenn der Beschwerdeführer Zweifel gehabt haben sollte, wären diese durch die Erklärung, die er zu unterzeichnen hatte, ausgeräumt worden.
4.2 Ferner berufen sich die Beschwerdeführer auf den Gleichheitsgrundsatz. Dieser gehört zu den Grundprinzipien, die von den Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts angewendet werden. Nach diesem Grundsatz dürfen vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden, es sei denn, daß eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt wäre.
Die Regel für die Eintragung einer Person in die Liste der zugelassenen Vertreter ist, daß die Voraussetzungen von Artikel 134 (2) EPÜ erfüllt sein müssen, insbesondere, daß die Person die europäische Eignungsprüfung bestanden haben muß. Artikel 163 (6) EPÜ sieht für einen Zeitraum von einem Jahr eine Ausnahme von dieser Regel vor zu Gunsten von Personen, die ihren Geschäftssitz oder Arbeitsplatz in einem Staat haben, der dem Europäischen Patentübereinkommen neu beigetreten ist, und die für diesen Staat eine besondere berufliche Befähigung zur Vertretung auf dem Gebiet des Patentwesens haben. Solche Personen konnten sich vor dem Beitritt des neuen Mitgliedstaates nicht zur europäischen Eignungsprüfung melden. Dieser Nachteil, der ihnen erwuchs, weil ihr Staat noch nicht Mitglied des Europäischen Patentübereinkommen war, rechtfertigt, daß sie in diesem Zeitraum von einem Jahr unter leichteren Bedingungen in die Liste eingetragen werden, als Personen, die eine ähnliche nationale Qualifikation in einem der ursprünglichen Mitgliedsstaaten des Europäischen Patentübereinkommen haben. Der gleiche Nachteil galt für Personen, die vor der Wiedervereinigung ihren Geschäftssitz oder Arbeitsplatz in der DDR hatten. Somit ist eine Differenzierung gegenüber den Beschwerdeführern objektiv gerechtfertigt und keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes.
5. Die Anträge auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr sind nach Regel 67 EPÜ nicht gerechtfertigt, weil den Beschwerden nicht stattgegeben werden kann.
6.1 Die erste Frage, die von den Beschwerdeführern für die Vorlage an die Große Beschwerdekammer vorgeschlagen wurde, bezieht sich darauf, ob das Europäische Patentamt befugt ist, zusätzlich zu der nationalen Behörde für den gewerblichen Rechtsschutz die im Artikel 163 EPÜ genannten Voraussetzungen für die Eintragung in die Liste der zugelassenen Vertreter zu prüfen. Diese Frage ist im Ergebnis von der Beschwerdekammer bereits behandelt und bejaht. Wie ausgeführt, ist die Rechtslage eindeutig. Somit ist nach der Entscheidung J 5/81 (EPA Amtsblatt 1982, 155) und nachfolgender ständiger Rechtsprechung, eine Vorlage nach Artikel 112 EPÜ an die Große Beschwerdekammer nicht erforderlich.
6.2 Die weiteren vorgeschlagenen Fragen sind für die Entscheidung der Kammer unerheblich. Ihre Vorlage wäre nach Artikel 112 EPÜ unzulässig. Daher kommt aus Rechtsgründen eine Vorlage an die Große Kammer nicht in Betracht. Alle Anträge auf Befassung der Großen Beschwerdekammer sind somit abzulehnen.
7 Eine Rückverweisung an die Rechtsabteilung (entsprechend Beschwerdeantrag 4.) ist unnötig, da die Kammer in der Lage ist, endgültig über die Anträge der Beschwerdeführer, in die Liste der zugelassenen Vertreter eingetragen zu werden, zu entscheiden. Ein Anlaß für eine Rückverweisung nach Artikel 111 EPÜ, die im Ermessen der Beschwerdekammer liegt, besteht daher nicht.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerden, die Anträge auf Rückzahlung der Beschwerdegebühren und die Anträge auf Befassung der Großen Beschwerdekammer werden zurückgewiesen.