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T 0950/00 18-02-2003
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Wäßrige Kunststoffdispersion zur Herstellung emissionsarmer Dispersionsfarben, Anstrichmittel und Kunststoffdispersionsputze
Neuheit - offenkundige Vorbenutzung (nein)
Erfinderische Tätigkeit - nicht-naheliegende Merkmalskombination
I. Die Erteilung des Europäischen Patents Nr. 0 612 771 auf die europäische Patentanmeldung Nr. 93 120 353.3 der Hüls Aktiengesellschaft (später Degussa-Hüls AG, jetzt Degussa AG), angemeldet am 17. Dezember 1993 wurde am 31. Juli 1996 bekanntgemacht.
Anspruch 1 lautet:
"1. Wäßrige Kunststoffdispersion zur Herstellung emissionsarmer Dispersionsfarben, Anstrichmittel und Kunststoffdispersionsputze mit den folgenden Merkmalen:
Die Dispersion weist eine Mindestfilmbildungstemperatur von < 10 °C auf;
die Kunststoffteilchen der Dispersion weisen Silanol- und/oder Alkoxysilanolgruppen auf;
die Dispersion ist erhalten durch Emulsionspolymerisation von radikalisch polymerisierbaren Monomeren in wäßriger Phase als Dispersionsmedium in Gegenwart eines Emulgators, eines freie Radikale bildenden Polymerisationsinitiators und üblicher Hilfsmittel;
bei der Polymerisation werden, bezogen auf die gesamten Monomeren, 30 bis 50 Massen-% eines hartmachenden Monomers, 47 bis 67 Massen-% eines weichmachenden Monomers und 0,1 bis 0,8 Massen-% eines Vinylsilans eingesetzt mit der Maßgabe, daß das hartmachende und das weichmachende Monomer dadurch charakterisiert sind, daß die damit jeweils herstellbaren Homopolymerisate eine Glastemperatur von > 50 bzw. < 20 °C aufweisen; die Dispersion ist dadurch gekennzeichnet,
daß zusätzlich 0,2 bis 1,0 Massen-% (Meth)acrylamid und 1,0 bis 2,5 Massen-% Acrylsäure, 2,0 bis 4,0 Massen-% Methacrylsäure oder 1,0 bis 4,0 Massen-% Maleinsäure eingesetzt werden."
Die weiteren Ansprüche 2 bis 6 sind von Anspruch 1 abhängig.
II. Gegen das Patent wurde gestützt auf die Bestimmungen des Artikels 100 a) EPÜ Einspruch erhoben von
BASF AG (Einsprechende I) am 25. April 1997 und
Wacker-Chemie GmbH (Einsprechende II) am 30. April 1997
und beantragt, das Patents in seinem gesamten Umfang zu widerrufen.
Mit Schriftsatz vom 11. Oktober 1999 zog die Einsprechende II ihren Einspruch zurück.
Im Einspruchsverfahren wurden u. a. folgende Druckschriften berücksichtigt:
D1: EP-A-0 327 006,
D3: H. Warson, The Application of Synthetic Resin Emulsions, Ernest Benn Ltd., London 1972, Seiten 415 bis 418 und 781 bis 783,
D4: H. Rinno, XIX Fatipec Kongress, Aachen 1988, Band 1, Seiten 85 bis 104,
D8: Wacker-Prospekt Vinnapas Dispersion(R) SAF 54,
D9: 12 Ansatzdatenblätter zur Herstellung der Vinnapas(R) Dispersion SAF 54 sowie Versandauszüge und Rechnungsbelege,
D15: DIN 53 787 und
D16: Produktinformation LIPATON(R) AE 4620 (41.03.019/10.91).
III. Mit der Entscheidung vom 14. Juli 2000 wies die Einspruchsabteilung den Einspruch mit im wesentlichen folgender Begründung zurück:
i) Neuheit/offenkundige Vorbenutzung
i-1) Die mit "ca. +12 °C" angegebene Mindestfilmbildungstemperatur (MFT) der im Wackerprospekt D8 beschriebenen Vinnapas(R) SAF 54 Dispersionen unterliege gemäß D15 und D16 de facto einer Schwankungsbreite von ± 2 °C. Da dasselbe auch für die MFT-Angabe von "<10°C" in Anspruch 1 des Streitpatents gelten müsse, ergebe sich eine Überlappung der beiden MFT Bereiche.
i-2) Die Ansatzdatenblätter und die internen Versandunterlagen (D9) der Wacker-Chemie belegen, daß im Zeitraum 10. September bis 12. Dezember 1990 an verschiedene Kunden Vinnapas(R) SAF 54 Dispersionen geliefert wurden, deren vorgegebene Monomer-Zusammensetzung - trotz der zusätzlichen Anwesenheit von Vinylsulfonat, das im Streitpatent nicht erwähnt wird - von dessen Anspruch 1 umfaßt seien.
i-3) Allerdings seien gemäß den vorgelegten 12 Datenblättern nur 3 Chargen den Vorgaben gemäß korrekt dosiert worden, während ein Datenblatt unleserlich sei und andere bezüglich der Menge der tatsächlich zudosierten Stoffe (Acrylamid, Silan, Diaethylhexyl(DAH)-Fumarat) Ungereimtheiten aufwiesen, die aus dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents herausführten. Darum bestehe Unklarheit über die "wirkliche" Vinnapas(R)-Rezeptur und es sei nicht festzustellen, ob die verkauften Dispersionen der vom Streitpatent beanspruchten Rezeptur entsprochen hätten.
i-4) Eine offenkundige Vorbenutzung sei daher schon aus diesem Grund nicht eindeutig bewiesen und die Frage, ob es möglich sei, Vinnapas(R) Dispersionen SAF 54 mit herkömmlichen Mitteln zu analysieren, müsse daher nicht geklärt werden.
ii) Neuheit/druckschriftlicher Stand der Technik
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei auch neu gegenüber den zitierten Entgegenhaltungen, von denen keine alle beanspruchten Merkmale offenbare.
iii) Erfinderische Tätigkeit
iii-1) Gegenüber den den nächstliegenden Stand der Technik bildenden Styrol/Butylacrylat-Emulsionscopolymerisaten von D4 bestehe erfindungsgemäß die Aufgabe der Bereitstellung emissionsarmer Kunststoff-Dispersionen mit verbesserter Balance zwischen Viskositätsstabilität und Pigmentbindevermögen. Die patentgemäße Lösung dieser Aufgabe durch die Präsenz von (Meth)Acrylsäure- und Vinylsilan-Einheiten überwinde sowohl die durch den Einsatz von Vinylsilan (zur Verbesserung des Pigmentbindevermögens) zu erwartende Verschlechterung der Viskositätsstabilität als auch die durch den Einsatz von (Meth)Acrylsäure (zur Verbesserung der Viskositätsstabilität) zu erwartende Verschlechterung des Pigmentbindevermögens.
iii-2) D1 offenbare ein durch die Einpolymerisation von Vinylsilanen verbessertes Pigmentbindevermögen von Dispersionen auf Basis von Vinylacetat, die gegenüber Dispersionen auf Basis von Styrol/Acrylat und Styrol/Butadien große Vorteile wegen der Abwesenheit unangenehmer Polymerisations-Begleitstoffe hätten.
iii-3) Wegen des letztgenannten Nachteils und weil Vinylacetat-Homopolymere eine Tg von 30° C haben - und dieses Monomer im Sinne des Streitpatents somit weder hart noch weich sei - hätte der Fachmann D1 nicht zur Lösung der gestellten Aufgabe in Betracht gezogen. Außerdem nenne D1 weder (Meth)Acrylsäure noch Maleinsäure als Comonomere, während das Streitpatent in Tabelle 2 (dort fälschlich "4"), Vergleichsbeispiel C, die Bedeutung der beanspruchten Menge an Acrylsäure für ein verbessertes Pigmentbindevermögen und eine verbesserte Viskositätsstabilität belege.
Eine Kombination von D4 und D1 führe demnach nicht zum Gegenstand des Streitpatents.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende I (Beschwerdeführerin) am 21. September 2000 unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt und mit Schriftsatz vom 24. November 2000 die Beschwerdebegründung eingereicht.
Sie nannte neu die Entgegenhaltungen
D20: DE-A-3 117 980 und
D21: DE-A-2 438 151.
V. In ihren schriftlichen Vorbringen und im Verlaufe der mündlichen Verhandlung am 18. Februar 2003 machte die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgende Ausführungen:
i) Neuheit, offenkundige Vorbenutzung
Die Beschwerdeführerin argumentierte im schriftlichen Verfahren, daß nicht ernsthaft bezweifelt werden könne, daß ein Produkt mit der Bezeichnung Vinnapas(R) Dispersion SAF 54 vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents ohne Verpflichtung zur Geheimhaltung an verschiedene Abnehmer geliefert wurde und daß dieses eine Zusammensetzung aufwies, die der Definition in Anspruch 1 des Streitpatents entspreche.
In der mündlichen Verhandlung verfolgte die Beschwerdeführerin diesen Einwand nicht.
ii) Erfinderische Tätigkeit
ii-1) D4 als nächstliegender Stand der Technik in Kombination mit D1
Die Tatsache, daß D1 das Vorhandensein von unangenehmen Begleitstoffen und deren hohe MFT als Nachteil der Verwendung von Styrol/Acrylat Dispersionen beschreibe, könne den Fachmann im Hinblick auf die von Streitpatent zu lösende Aufgabe nicht von der Anwendung der Lehre dieser Entgegenhaltung abhalten, nämlich der Verbesserung des Pigmentbindevermögens durch den Einbau von hydrolysierbaren organischen Siliziumverbindungen (Vinylsilanen), denn gerade diese Eigenschaft sei gemäß D4 durch den dort zur Emissionsreduktion dienenden Einbau Tg-erniedrigender Comonomerer beeinträchtigt. Dabei gelange man ausgehend von den in Tabelle 4 von D4 offenbarten Dispersionen SB 4 und SB 5 unmittelbar zum Gegenstand des Streitpatents, weil der Fachmann wisse, daß es sich bei den dort verwendeten 3 Gewichtsteilen "ungesättigte Säure" nur um Methacrylsäure handeln könne.
ii-2) D21 als nächstliegender Stand der Technik in Kombination mit D1
D21 sei trotz der späten Vorlage zu berücksichtigen, weil sich die Art und Menge der ungesättigten Carbonsäure-Comonomeren erstmalig in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung als entscheidungserheblich herausgestellt hätten, und weil die Monomer-Zusammensetzung von Beispiel 2 dieser Entgegenhaltung diesbezüglich wegen der Verwendung von Acrylsäure und Acrylsäureamid in patentgemäß beanspruchten Mengen relevanter sei als D4. Darüber hinaus offenbare D20 für Dispersionen dieser Zusammensetzung eine MFT von ca. 10 °C.
Auch gegenüber D21 bestehe die technische Aufgabe in der Verbesserung des Pigmentbindevermögens. Die Lösung dieser Aufgabe durch Einpolymerisation von Vinylsilanen sei entsprechend durch D1 nahegelegt. Daß die mit Hilfe der genannten Dispersion hergestellten Überzugsmittel Verfilmungshilfsmittel enthalten, spreche nicht gegen diese Kombination, weil die Dispersionen des Streitpatents nur für emissionsarme (nicht emissionsfreie) Dispersionsfarben und dgl. geeignet sein sollen.
ii-3) D1 als nächstliegender Stand der Technik in Kombination mit D21
Ausgehend von D1 könne die patentgemäß zu lösende Aufgabe nur in der Bereitstellung von weiteren Vinylsilan-hältigen Kunststoff-Dispersionen mit einer MFT =< 10. °C aus alternativen ungesättigten Monomeren gesehen werden. Dafür böte sich die Monomerenzusammensetzung der Dispersion des Beispiels 2 von D21 an, die gemäß D20 eine MFT von ca. 10° C aufweise. Hinsichtlich Pigmentbindevermögen und Viskositätsstabilität ergäben sich dann zwangsläufig die patentgemäß beanspruchten Effekte.
VI. Die Beschwerdegegnerin stellte in ihrem Schriftsatz vom 29. März 2001 und während der mündlichen Vorbringen im wesentlichen folgendes fest:
i) Neuheit, offenkundige Vorbenutzung
Da die von der Einsprechenden II zum Beleg einer offenkundigen Vorbenutzung vorgelegten Beweismittel Mängel aufwiesen, die nach deren Rückzug aus dem Einspruchsverfahren nicht mehr aufgeklärt werden können, und es somit nicht möglich sei, eindeutig festzustellen, welche Vinnapas(R) Dispersion SAF 54 konkret von der Einsprechenden II geliefert wurde, müsse dieser Einwand als nicht glaubhaft gemacht gelten.
ii) Erfinderische Tätigkeit
ii-1) D4 als nächstliegender Stand der Technik in Kombination mit D1
Ausgehend von den in D4 offenbarten Dispersionen SB 4 und SB 5 hätte es nicht nahegelegen, die patentgemäße Lösung der vorliegenden Aufgabe, nämlich die Bereitstellung von Kunststoff-Dispersionen mit einer guten Balance von Pigmentbindevermögen und Viskositätsstabilität (bei Lagerung), wie in D1 für Vinylesterdispersionen beschrieben, durch Einpolymerisation von Vinylsilanen zu lösen. Vielmehr sei diese Maßnahme auf die in D1 offenbarten Dispersionen zugeschnitten und sei insbesondere nicht anwendbar auf die patentgemäßen Styrol/Acrylat-Dispersionen, deren Eignung D1 wegen ihrer hohen MFT und ihrer unangenehmen Begleitstoffe in Frage stelle.
Darüber hinaus gehe aus dem Beispielen im Streitpatent auch die Notwendigkeit, für die Lösung der vorliegenden technische Aufgabe, der Wahl von Methacrylsäure oder Acrylsäure in bestimmten beanspruchten Mengen als Säure-Comonomere hervor, während die D4-Dispersionen SB 4 und SB 5 diesbezüglich keine konkrete Lehre enthielten.
ii-2) D21 als nächstliegender Stand der Technik in Kombination mit D1
D21 und die ergänzend dazu genannte Entgegenhaltung D20 sollten wegen fehlender Relevanz nicht ins Verfahren zugelassen werden, weil die aus den Dispersionen gemäß Beispiel 2 von D21 hergestellten Überzugsmittel Verfilmungshilfsmittel enthielten, wie sie patentgemäß gerade vermieden werden sollten.
Wegen dieses Unterschieds liege eine Kombination der Offenbarung dieses Beispiels mit der Lehre von D1, die eine Einpolymerisation von Vinylsilan-Einheiten zur Verbesserung des Pigmentbindevermögens von Vinylester-Dispersionen empfehle, auch nicht nahe; der Fachmann würde nämlich trotz der MFT von ca. 10° C nicht erwarten, daß er bei der Formulierung von Farbdispersionen auf Basis der Dispersionen von Beispiel 2 auf Verfilmungshilfsmittel verzichten können würde.
ii-3) D1 als nächstliegender Stand der Technik in Kombination mit D21
Schließlich gelange man auch ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik nicht zur beanspruchten Erfindung, weil der Fachmann keinen Anlaß zur Kombination der Lehre dieser Entgegenhaltung mit der Offenbarung von D21 habe. Zwar beziehe sich D1 allgemein auf Kunststoffdispersions-Polymerisate aus olefinisch ungesättigten Monomeren, die konkrete Offenbarung dieser Entgegenhaltung beschreibe aber nur Vinylester und es könne nicht erwartet werden, daß das Pigmentbindevermögen anderer Copolymer-Dispersionen, insbesondere der patentgemäß bevorzugten, gemäß D1 aber unvorteilhaften Styrol/Acrylat-Dispersionen, in gleicher Weise durch Einbau von Vinylsilan-Einheiten verbessert werden könne. Auch sei in diesem Fall der Einfluß auf die Viskositätsstabilität nicht vorhersehbar.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den vollständigen Widerruf des Streitpatents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Zulassung der Entgegenhaltungen D20 und D21
D21 und die ergänzend dazu vorgelegte Entgegenhaltung D20, beide erstmals mit der Beschwerdebegründung eingereicht, werden zugelassen (Artikel 114 (1) EPÜ), weil die Zusammensetzung der in Beispiel 2 von D21 offenbarten Kunststoff-Dispersion durch die Mitverwendung von 2 Gewichtsteilen Acrylsäure dem Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 näher kommt als die Offenbarung von D4, und weil Art und Menge des Comonomers (Meth)Acrylsäure erheblich war für die angefochtene Entscheidung.
Wegen der Vorlage dieser Entgegenhaltungen mehr als zwei Jahre vor der mündlichen Verhandlung und wegen der Kürze und Klarheit der relevanten Offenbarungen bestand auch keine Notwendigkeit, bei Zulassung von D20 und D21, die noch dazu beide auf die ursprüngliche Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) zurückgehen, ins schriftliche Verfahren überzugehen.
3. Neuheit
3.1. Behauptete offenkundige Vorbenutzung
3.1.1. Von der Einsprechenden II wurden vor der ersten Instanz mit Schriftsatz vom 24. Februar 1999 als Entgegenhaltung D9 zwölf Ansatz-Datenblätter des Produkts "VPS-DISP-SAF 54" (ältestes Produktionsdatum: 19.10.1990; jüngstes Produktionsdatum: 07.12.90) und dazu teilweise korrespondierende Versandunterlagen vorgelegt. Die Ansatz-Datenblätter enthalten bezüglich der Art und Menge der Startmaterialien Produktionsvorgaben, die zu Dispersionen führen, deren Monomerzusammensetzungen dem vorliegenden Anspruch 1 entsprechen. Die MFT der Dispersionen ist nicht offenbart. Diesbezüglich bezog sich die Einsprechende II auf das Wacker-Prospekt D8, das für eine Vinnapas(R)-Dispersion SAF 54 eine MFT (nach DIN 53 787 = D15) von "ca. + 12° C" angibt.
Da D15 unter Punkt "7. Auswertung" angibt, daß die "Vergleichbarkeit" der MFT Messung (d. h. die Meßstreuung gemäß DIN 55 350 (Teil 13) unter den Bedingungen: selbes Objekt, aber verschieden bezüglich Beobachter, Geräteausrüstung und Ort) 4K beträgt, was gemäß der Lipaton(R)-Produktinformation D16 zu der MFT Angabe "18±2" führt, umfaßt D8 de facto Vinnapas(R)-Dispersionen SAF 54 mit MFT-Werten von 10 bis 14. °C.
3.1.2. Aus diesen Beweismitteln kann nicht mit der für die Feststellung einer offenkundigen Vorbenutzung benötigten Sicherheit (cf. T 472/92, ABl. EPA 1998, 161) geschlossen werden, daß die Vinnapas(R) SAF 54 Dispersionen der Lieferungen im Zeitraum 10. September 1990 bis 12. Dezember 1990, die gemäß den Versandpapieren des "Laborjournals 80" aus dem Silo 33 stammten, in den die nach den vorgelegten Ansatz-Datenblättern hergestellten Produkte überführt wurden, dieselbe MFT aufwiesen (nämlich 12 C ± 2 °C), wie sie in dem Wacker-Prospekt D8 angegeben ist.
Dies folgt daraus, daß nach allgemeiner Erfahrung keinerlei Sicherheit dafür besteht, daß - auch bei gleichbleibender Produktbezeichnung - die Produkteigenschaften eines chemischen Industrieproduktes über einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren konstant gehalten werden, ein Zeitraum, wie er zwischen dem Datum, das D8 angibt (August 1984) und den Herstellungsdaten der Dispersionen gemäß dem vorgenannten Produktions- und Versandunterlagen D9 (letztes Quartal 1990) liegt. Vielmehr ist innerhalb einer so großen Zeitspanne mit einer Produktweiterentwicklung zu rechnen, auf die D8 (Fußnote auf Seite 2) sogar konkret hinweist: "Änderungen der Produktkennzahlen im Rahmen des technischen Fortschritts oder durch betrieblich bedingte Weiterentwicklung behalten wir uns vor." Dieser Vorbehalt gilt wegen der Kleinheit der Überlappungsbereichs (D8: 10 bis 14° C, Streitpatent: 8 bis 12° C) in besonderer Weise für den hier kritischen Parameter MFT, weil auch schon eine relativ geringe Erhöhung dieses Wertes aus dem vom Streitpatent beanspruchten Bereich herausführt.
Insoferne kann sich die Kammer hier nicht der in T 687/93 vom 11. Juli 1996 (Punkt 4.1.4) gemachten Schlußfolgerung anschließen, daß Produkte gleicher Bezeichnung auch gleiche Zusammensetzung aufweisen müßten.
3.1.3. Eine neuheitsschädliche offenkundige Vorbenutzung ist daher schon aus diesem Grund nicht ausreichend glaubhaft belegt und es erübrigt sich folglich eine Überprüfung der Schlußfolgerung der Einspruchsabteilung, wonach die "Unstimmigkeiten" in den Ansatzdatenblättern (D9) derart seien, daß keine ausreichende Sicherheit bestehe bezüglich der Übereinstimmung der tatsächlich hergestellten Produkte mit der in den Ansatzdatenblättern maschinschriftlich vorgegebenen Rezeptur. In gleicher Weise erübrigt sich auch eine Klärung der Frage, ob die gelieferten Produkte überhaupt präzise genug analysierbar sind.
3.2. Entgegenhaltung D1
3.2.1. Anspruch 1 dieser Entgegenhaltung betrifft - bevorzugt durch Emulsionspolymerisation hergestellte (Seite 5, Zeilen 53 bis 56) - emissionsarme Zubereitungen auf der Basis von wäßrigen Kunststoffdispersions-Copolymerisaten aus olefinisch ungesättigten Monomeren, wobei die wäßrige Dispersion eine Mindestfilmbildungstemperatur (MFT) von < 10° C aufweist und das Copolymerisat einen Gehalt von 0,05 bis 2 Gew.-% an Monomereinheiten aus ungesättigten hydrolysierbaren organischen Siliciumverbindungen, wie z. B. Vinyltrimethoxysilan (Beispiele 1 bis 4) enthält.
Als Monomere werden insbesondere Vinylester, wie Vinylacetat, in Verbindung mit ungesättigten Comonomeren, wie Ethylen verwendet (Seite 6, Zeilen 7 bis 27; Beispiele 1 bis 4). Das Homopolymerisat von Vinylacetat, des gemäß D1 bevorzugten Vinylesters, weist eine Glasübergangstemperatur im Bereich von ca. 30° C auf (siehe auch Gründe der angefochtenen Entscheidung, Punkt 4, 4. Absatz).
Zur weiteren Stabilisierung der Dispersion können ungesättigte hydrophile Comonomere, wie z. B. ungesättigte Mono- und Dicarbonsäuren sowie deren Halbester und Amide eingesetzt werden (Seite 7, Zeile 56 bis Seite 8, Zeile 3; Seite 8, Zeilen 26 bis 29).
3.2.2. Von dieser Offenbarung unterscheidet sich der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 durch die Verwendung von Emulsionspolymerisaten auf der Basis einer Mischung von hart- und weichmachenden Monomeren mit Homopolymerisat- Glasübergangstemperaturen von > 50 bzw. < 20° C, wie insbesondere Styrol und n-Butylacrylat (Beispiele 1 bis 3), d.s. Monomer-Kombinationen, wie sie gemäß D1 (Seite 7, Zeilen 38 bis 42 und 51 bis 53) als nachteilig beschrieben sind.
3.2.3. Der Gegenstand des Streitpatents ist somit neu gegenüber D1.
3.3. Entgegenhaltung D4
3.3.1. Diese Druckschrift beschreibt Kunststoffdispersionen, insbesondere drei Vinylacetat- und eine Styrol/Butylacrylat-Copolymerdispersion, als Bindemittel für emissionsfreie Innenfarben. In der Zusammenfassung auf Seite 85 wird darauf hingewiesen, daß für diese Anwendung eine minimale Filmbildetemperatur (MFT) von <5° C benötigt wird.
Tabelle 4 auf Seite 91 offenbart u. a. die Dispersionen SB 4 und SB 5, aus 40 bzw. 35 Gewichtsteilen Styrol und 60. bzw. 65 Gewichtsteilen Butylacrylat als Hauptmonomere sowie 3 Gewichtsteilen ungesättigter Säure und 1 Gewichtsteil Acrylamid bezogen auf 100 Teile der Hauptmonomere. Für beide Dispersionen SB 4 und SB 5 gibt die Tabelle eine MFT von 0° C an.
3.3.2. Von den Dispersionen gemäß vorliegendem Anspruch 1 unterscheiden sich diese D4-Dispersionen durch die in der genannten Tabelle 4 fehlende Konkretisierung des Typs der ungesättigten Säure sowie durch die fehlende Copolymerisation eines Vinylsilans.
Was den Typ der ungesättigten Säure betrifft, so kann die Kammer der Meinung der Beschwerdeführerin nicht folgen, daß es sich bei den "3GT unges. Säure" gemäß Tabelle 4 für den Fachmann nur um Methacrylsäure handeln könne. Dies kann weder geschlossen werden aus den allenfalls ungünstigen Eigenschaften bei Verwendung von mehr als 2,5% Acrylsäure gemäß Beispiel A von D20 (das 2,75% Acrylsäure verwendet), noch aus dem Hinweis in D3 (Seite 782, letzte Zeile bis Seite 783, Zeile 5) auf die Verwendung von 3% Methacrylsäure, da diese Aussagen in keinem logisch zwingenden Zusammenhang mit der Interpretation der Angabe "3GT unges. Säure" in Tabelle 4 von D4 stehen.
3.3.3. Der Gegenstand des Streitpatents ist somit neu gegenüber D4.
3.4. Entgegenhaltung D21
3.4.1. Anspruch 1 dieser Entgegenhaltung offenbart gegebenenfalls pigmenthaltige Überzugsmittel, deren Bindemittel eine wäßrige Polymerdispersion ist, die gemäß Beispiel 2 hergestellt wird aus:
48. Gewichtsteilen Fumarsäuredibutylester,
44. Gewichtsteilen Styrol,
5. Gewichtsteilen Butadien,
2. Gewichtsteilen Acrylsäure und
1. Gewichtsteil Acrylsäureamid.
D21 gibt für diese Dispersionen keine MFT an, D20 offenbart aber eine MFT von "ca. 10°C" für die weitgehend gleichen Dispersionen der Beispiele 1, 2, A und B, für die ein Verhältnis Fumarsäuredibutylester: Styrol: Butadien = 47 : 44 : 5 gilt und die zusätzlich 2.5. bis 2.75 Gewichtsteile Acrylsäure, 0.25 bis 2 Gewichtsteile Itaconsäure und 0.75 bis 1.5 Gewichtsteile Acrylsäureamid enthalten (D20: Seite 8).
Zur Formulierung von Überzugsmitteln aus den vorgenannten Dispersionen werden diesen Bindemittel- Dispersionen gemäß Beispiel 2 u.a. 15 Gewichtsteile Verfilmungshilfsmittel zugesetzt.
3.4.2. Da Fumarsäuredibutylester und Butadien weichmachende Monomere im Sinne von Anspruch 1 des Streitpatents sind, erfüllt diese Zusammensetzung alle Erfordernisse der dort beanspruchten Dispersionen außer der Einpolymerisation eines Vinylsilans.
3.4.3. Der Gegenstand des Streitpatents ist somit neu gegenüber D21.
4. Naheliegen
Nach Meinung der Kammer beruht der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem zitierten Stand der Technik auf erfinderischer Tätigkeit. Diese Schlußfolgerung gilt unabhängig davon, ob als nächstliegender Stand der Technik D21, D4 oder D1 gewählt wird, wie von der Beschwerdeführerin alternativ vorgetragen.
4.1. D21 als nächstliegender Stand der Technik
4.1.1. Gegenüber dieser Entgegenhaltung kann als objektiv zu lösende Aufgabe die Bereitstellung von Kunststoff-Dispersionen zur Herstellung emissionsarmer Dispersionsfarben etc. mit gutem Pigmentbindevermögen und guter Viskositätsstabilität (d. h. geringer Viskositätsänderung bei Lagerung) gelten (Streitpatent Seite 2, Zeilen 3 bis 12; Seiten 2 bis 3, Tabellen 1 und 2).
Dabei steht der Begriff "emissionsarm" für die Abwesenheit von Verfilmungshilfsmitteln, wie in D4 (Seite 85, Titel und erster Absatz) für Bindemittel für "emissionsfreie" Innenfarben angegeben. Die Kammer akzeptiert in diesem Zusammenhang die Auffassung der Beschwerdegegnerin, daß die Begriffe "emissionsarm" und "emissionsfrei" in der Praxis dieselbe Bedeutung haben, wobei der erstgenannte Begriff nur präziser die objektive Tatsache zum Ausdruck bringt, daß eine völlige Emissionsfreiheit nicht realistisch ist.
4.1.2. Gemäß Anspruch 1 des Streitpatents soll diese Aufgabe gegenüber D21, insbesondere der dort in Beispiel 2 offenbarten Dispersion, durch die Einpolymerisation von Vinylsilan-Einheiten und den Verzicht auf Verfilmungshilfsmitteln bei der Formulierung der Farb-Dispersionen gelöst werden.
4.1.3. Den Tabellen 1 und 2 des Streitpatents kann unstreitig die Lösung dieser Aufgabe durch die patentgemäß beanspruchten Maßnahmen entnommen werden: die aus den Dispersionen der Beispiele 1 bis 3 hergestellten Farb-Dispersionen sind lagerstabil (relativ geringfügige Änderungen der Viskosität nach 28 Tagen bei 50° C) und weisen auch ein gutes Pigmentbindevermögen (2255 bis 3200 Scheuerzyklen nach DIN 53 778) auf. Obwohl das Streitpatent keine Angaben über die Formulierung der getesteten Farb-Dispersionen macht, kann der fachkundige Leser nach dem Gesamtzusammenhang seiner Offenbarung davon ausgehen, daß diese "emissionsarm", d. h. frei von Verfilmungshilfsmitteln sind.
4.1.4. Nach Auffassung der Kammer beschreibt D1 zwar, daß die Einpolymerisation von Vinylsilan-Einheiten in Vinylester-Copolymer-Dispersionen das Pigmentbindevermögen daraus hergestellter Verfilmungshilfsmittel-freier Farb-Dispersionen erhöhen kann, D1 enthält aber keine Offenbarung, die zu der Annahme verleiten könnte, daß derselbe Effekt, geschweige denn eine gute Viskositätsstabilität, auch beim Einbau von Vinylsilan-Einheiten in andere Copolymer-Dispersionen eintreten wird, selbst wenn diese, wie die Dispersionen gemäß Beispiel 2 von D21, eine vergleichsweise niedrige MFT von ca. 10° C aufweisen (wie gemäß Anspruch 1 von D1).
Vielmehr folgt aus der Tatsache, daß D21 solche Verfilmungshilfsmittel für die dort beschriebenen Copolymerisate aus harten und weichen Monomeren trotz ihrer niedrigen MFT für notwendig hält, daß der Fachmann nicht erwarten wird, daß er nach Einbau der in D1 empfohlenen Vinylsilan-Einheiten auf die Zugabe von Verfilmungshilfsmitteln verzichten könnte. Diese Schlußfolgerung wird auch nicht widerlegt durch das Argument der Beschwerdeführerin, D21 offenbare wegen der Hervorhebung von Asbestzement als Untergrund nur Überzugsmittel für den Außenbereich, bei denen die Anwesenheit eines Verfilmungshilfsmittels nicht störe, da gerade Beispiel 2 ein Überzugsmittel für einen Innenanstrich beschreibt.
4.1.5. Ein Abgehen von der in D21 offenbarten Zugabe von Verfilmungshilfsmitteln würde der Fachmann nur dann erwägen, wenn er von einem im wesentlichen gleichen Pigmentbindevermögen aller Copolymerisat-Dispersionen gleicher MFT ausgehen könnte.
Dafür gibt es einerseits in D1, das einzig und allein Vinylester-Copolymer-Dispersionen exemplifiziert, keinen konkreten Anhaltspunkt, anderseits ergibt sich die Unrichtigkeit einer solchen Annahme daraus, daß das Pigmentbindevermögen (Zahl der Scheuerzyklen) bei unterschiedlichen Copolymerisaten gleicher MFT je nach ihrer Monomerzusammensetzung erheblich streuen kann (siehe D4: Abbildungen 6, 7, 8 und 9 in Verbindung mit den MFT-Angaben auf Seiten 90 und 91, betreffend Dispersionen mit einer MFT von 0 bis 1°C).
4.1.6. Ausgehend von D21 ist der Gegenstand des Anspruchs 1 somit vom Stand der Technik nicht nahegelegt.
4.2. D4 als nächstliegender Stand der Technik
4.2.1. Die gegenüber dieser Entgegenhaltung objektiv zu lösende Aufgabe entspricht der oben gegenüber D21 dargestellten.
4.2.2. Gemäß Anspruch 1 des Streitpatents soll diese Aufgabe gegenüber D4, insbesondere den dort offenbarten Dispersionen SB 4 und SB 5 (Seite 91, Tabelle 4), im wesentlichen durch zwei Maßnahmen gelöst werden: erstens durch die Wahl von Acryl-, Methacryl- oder Maleinsäure in jeweils bestimmten Mengen als ungesättigtes Säurecomonomer und zweitens durch die Einpolymerisation von Vinylsilan-Einheiten.
4.2.3. Den Tabellen 1 und 2 des Streitpatents kann entnommen werden, daß die Wahl einer geeigneten Menge einer geeigneten ungesättigten Säure in Verbindung mit der Gegenwart von Vinylsilan-Einheiten tatsächlich zur Lösung der genannten technische Aufgabe führt: ein Vergleich des "erfindungsgemäßen" Beispiels 1 mit dem Vergleichsbeispiel C zeigt, daß das Vorhandensein einer zu großen Menge an Acrylsäure (AS)-Einheiten (3% im Vergleich zu 1,5%) bei gleicher Menge an Vinylsilan-Einheiten (jeweils 0,3%) nicht nur zu einer erheblichen Verschlechterung des Pigmentbindevermögens (1145 im Vergleich zu 3000 Scheuerzyklen), sondern auch zu einer deutlichen Verschlechterung der Lagerstabilität führt: während die Viskosität der getesteten Farbdispersion gemäß Beispiel 1 nach 28 Tagen bei 50° C von 1900 auf 2300 mPa.s zunimmt, erfolgt gemäß Vergleichsbeispiel C eine Zunahme von 2060 auf 5950 mPa.s.
4.2.4. Selbst wenn man, entgegen den Schlußfolgerungen im obigen Punkt 4.1.5, zugunsten der Beschwerdeführerin unterstellt, daß sich die Lehre von D1, nämlich die Möglichkeit der Verbesserung des Pigmentbindevermögens durch Einpolymerisation von Vinylsilan-Einheiten, von den dort ausschließlich exemplifizierten Vinylester-Copolymeren auf andere Copolymere gleicher MFT bzw. Glasübergangstemperatur, übertragen ließe, könnte D1 dem Fachmann keine Anregung geben zur gleichzeitigen Optimierung der Lagerstabilität und des Pigmentbindevermögens durch geeignete Wahl von Art und Menge der ungesättigten Comonomersäure in Kombination mit der Einpolymerisation von Vinylsilan.
4.2.5. Zwar war der Einsatz solcher Comonomerer zur Stabilisierung der Dispersionen grundsätzlich bekannt (D1: Seite 6, Zeilen 2 bis 6; Seite 8, Zeilen 26 bis 29; D3: von Seite 416 auf Seite 417 und von Seite 781 auf Seite 782 überleitende Absätze; D4: Seite 91, Tabelle 2; Seite 101, 3. Absatz) und der Fachmann konnte wohl auch eine Mengenabhängigkeit ihres Einflusses auf die Eigenschaften der Dispersionen annehmen, die kritische Bedeutung des Art/Mengen-Verhältnisses kann diesen Offenbarungen aber nicht entnommen werden.
4.2.6. Gegen ein Naheliegen des beanspruchten Gegenstandes gegenüber einer Kombination von D4 mit D1 spricht auch, daß D4 den Grad der Scheuerfestigkeit (~ Pigmentbindevermögen) von Styrol/Butylacrylat Dispersionen nicht mit Bezug auf vorhandene Comonomere, wie z. B. (Meth)Acrylsäure, diskutiert, sondern im Hinblick auf das Mengenverhältnis der Hauptmonomeren Styrol und Butylacrylat (Seite 98, Abbildung 9) und somit dem Fachmann keinen Anlaß gibt, in Richtung einer Optimierung dieser Comonomeren zu suchen.
4.2.7. Ausgehend von D4 ist der Gegenstand des Anspruchs 1 somit vom Stand der Technik nicht nahegelegt.
4.3. D1 als nächstliegender Stand der Technik
4.3.1. Da D1 emissionsarme wäßrige Dispersionensfarben mit einer MFT von <10° C auf Grundlage eines Bindemittel-Copolymerisats auf Vinylesterbasis mit eingebauten Vinylsilan-Einheiten mit verbessertem Pigmentbindevermögen offenbart, kann die demgegenüber patentgemäß bestehende Aufgabe nur in der Bereitstellung von etwa gleichwirksamen Copolymerisat-Dispersionen gesehen werden, die sich zur Herstellung emissionsarmer, viskositätsstabiler Farb-Dispersionen eignen.
4.3.2. Diese Aufgabe soll gemäß vorliegendem Anspruch 1 gelöst werden durch die dort definierten Copolymerisat-Dispersionen aus harten und weichen Monomeren mit den angegebenen Säure- und Säureamid-Comonomereinheiten. Im Vergleich zu D1 erfordert das Streitpatent somit u.a. den Ersatz eines Vinylester-Copolymers, dessen Glasübergangstemperatur im Bereich von 30° C liegt, durch ein Copolymerisat aus einem Monomer einer Glasübergangstemperatur > 50° C (insbesondere Styrol) und einem Monomer einer Glasübergangstemperatur < 20°C (insbesondere Butylacrylat) (cf. Beispiele des Streitpatents).
4.3.3. Wie unter 4.1.3 und 4.2.3 dargelegt, kann diese Aufgabe patentgemäß als gelöst gelten.
4.3.4. Wie schon oben in den Punkten 4.1.4 und 4.1.5 ausgeführt, bestand für den Fachmann keine Veranlassung zur Annahme, daß es nach einem Einbau von Vinylsilan-Einheiten in Kunststoff-Dispersionen gemäß Beispiel 2 von D21 möglich sein würde, die resultierenden Bindemittel-Dispersionen zur Formulierung von emissionsarmen, d. h. Verfilmungshilfsmittel-freien Farb-Dispersionen zu verwenden.
4.3.5. Auch ausgehend von D1 ist der Gegenstand des Anspruchs 1 somit vom Stand der Technik nicht nahegelegt.
4.4. Gegenüber dem zitierten Stand der Technik kann somit anerkannt werden, daß der Gegenstand von Anspruch 1 im Sinne von Artikel 56 EPÜ auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
4.5. Diese Schlußfolgerung erstreckt sich a fortiori auch auf die Gegenstände der von Anspruch 1 abhängigen weiteren Ansprüche 2 bis 6.
5. Die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Einspruchsgründe stehen somit der Aufrechterhaltung des Streitpatents in der erteilten Form nicht entgegen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.