T 0720/06 (Reinigung strömender Wässer/VEREIN FÜR KERNVERFAHRENSTECHNIK) 30-05-2008
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Verfahren zur Reinigung von strömenden Wässern
I. Die Beschwerde betrifft die am 29. November 2005 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 00 993 808.5 wegen mangelnder Neuheit und mangelnder Klarheit zurückgewiesen wurde.
II. Die Beschwerdeführerin hat zusammen mit der Beschwerdebegründung neue Patentansprüche als Hauptantrag und als Hilfsanträge 1 und 2 (bezeichnet als Anspruchssätze I bis III) eingereicht.
III. Die unabhängigen Ansprüche gemäß Hauptantrag haben folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zur Reinigung von strömenden Wässern unter Verwendung von unedlen Metallen zur Reduktion von in ionaler Form in den Wässern enthaltenen Uranverbindungen und unter Einsatz galvanischer Elemente, dadurch gekennzeichnet, dass
a) als unedles Metall ein leicht oxidierbares Metall verwendet wird und
b) ein katalytisch wirkender Stoff und ein Stoff zur Immobilisierung der gelöst vorliegenden Uranverbindungen simultan als Aktivmasse eingesetzt werden, wobei
als katalytisch wirkender Stoff Arsenide, Boride, Carbide, Phosphide und Silizide der Metalle der Gruppen IV, V, Ib, IIb, Vb, VIb, VIIb und VIIIb des periodischen Systems der Elemente oder deren Mischungen miteinander mit einem Anteil von 0,01 bis 90, vorzugsweise 1 bis 59 Masseprozent als Bestandteil der Aktivmasse eingesetzt werden."
"5. Verwendung von Carbiden, Nitriden, Phosphiden, Siliziden und Sulfiden als katalytisch wirksame Substanzen bei der Abtrennung gelöster Ionen von Uran aus zu reinigendem Wasser."
Der einzige Anspruch des ersten Hilfsantrags entspricht in seinem Wortlaut dem Anspruch 5 des Hauptantrags.
Der zweite Hilfsantrag entspricht dem Hauptantrag mit der Maßgabe, dass der unabhängige Anspruch 5 entfällt.
IV. Die Kammer hat in der Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung gemäß Artikel 15(1) VOBK Einwände unter Artikel 123(2) EPÜ gegen die Ansprüche 1 und 5 des Hauptantrags und die entsprechenden Ansprüche der Hilfsanträge 1 und 2 erhoben.
V. Die Beschwerdeführerin teilte mit Schreiben vom 27. Mai 2008 mit, dass sie an der für den 30. Mai 2008 anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde. Um Entscheidung nach Aktenlage wurde gebeten.
VI. Die mündliche Verhandlung fand am 30. Mai 2008 in Abwesenheit der Beschwerdeführerin statt (Regel 115(2) EPÜ).
VII. Die Argumente der Beschwerdeführerin, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, können wie folgt zusammengefasst werden:
Der Gegenstand des neuen Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei in den ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart als Kombination der Ansprüche 1 und 9, wobei die Sulfide als katalytisch wirkende Stoffe im Rahmen dieses Anspruches nicht mehr beansprucht würden und die zu reinigenden Schadstoffe Uranverbindungen seien. Als weitere Offenbarungsgrundlage wurde auf Seite 3, Absatz 2, erster Satz der ursprünglich eingereichten Beschreibung verwiesen.
Der Gegenstand des neu eingereichten Anspruchs 5 gemäß Hauptantrag sei offenbart in Ausführungsbeispiel 1, erster Absatz (betreffend Carbide, Phosphide, Silizide und Sulfide als katalytisch wirksame Substanzen) in Verbindung mit Absatz 4, die letzten drei Sätze des Beispiels 1 (betreffend die Abtrennung der gelösten Ionen von Arsen und Uran aus zu reinigendem Wasser).
VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte schriftlich, die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und ein Patent auf Grundlage der Patentansprüche gemäß Hauptantrag (Anspruchssatz I), hilfsweise auf der Grundlage der Ansprüche gemäß einem der Hilfsanträge 1 und 2 (Anspruchssätze II und III), alle eingereicht mit Schreiben vom 28. März 2006, zu erteilen.
1. Änderungen
1.1 Hauptantrag (Anspruchssatz I)
1.1.1 Der neue Anspruch 1 ist auf die Entfernung von in Wasser enthaltenen Uranverbindungen gerichtet.
Eine Basis dafür soll laut Beschwerdeführerin auf Seite 3, zweiter Absatz, erster Satz, der ursprünglichen internationalen Anmeldung WO-A-01/55034 zu finden sein. An der genannten Stelle ist allerdings ausdrücklich nur die gemeinsame Abtrennung von Uran- und Arsen verbindungen offenbart. Die Ausführungsbeispiele 1 und 4 illustrieren ebenfalls die simultane Abtrennung von Uran- und Arsenverbindungen. Ausführungsbeispiel 3 betrifft zwar die Abtrennung von Uran, allerdings unter Verwendung eines Sulfids (Pyrit) als katalytisch wirksamer Substanz; dieses Beispiel fällt somit außerhalb des nunmehr beanspruchten Umfangs des Anspruchs 1, in dem Sulfide als katalytisch wirkende Stoffe nicht mehr aufscheinen. Beispiel 3 kann daher nicht als Stütze für die alleinige Abtrennung von Uran aus Wässern herangezogen werden.
Die ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen enthalten daher keine Offenbarung einer Abtrennung von in ionaler Form in Wässern enthaltenen Uranverbindungen unter Verwendung eines katalytisch wirkenden Stoffes aus der Gruppe der Arsenide, Boride, Carbide, Phosphide und Silizide der Metalle der Gruppen IV, V, Ib, IIb, Vb, VIb, VIIb und VIIIb des periodischen Systems der Elemente oder deren Mischungen miteinander.
Der Anspruch genügt daher nicht den Bestimmungen des Artikels 123(2) EPÜ.
1.1.2 Anspruch 5
Ein Verwendungsanspruch war in der ursprünglichen internationalen Anmeldung WO-A-01/55034 nicht enthalten. Die Beschwerdeführerin verweist auf Beispiel 1 als Offenbarungsgrundlage.
Nach Ansicht der Kammer stellt der neue Verwendungsanspruch 5 jedoch eine unzulässige Verallgemeinerung der Offenbarung des Ausführungsbeispiels 1 dar. Besagtes Beispiel 1 illustriert nämlich ein Verfahren zur Abtrennung von gelösten Ionen von Uran und Arsen aus kontaminiertem Wasser unter Verwendung einer katalytisch wirkenden Substanz in Form von Arseniden, Boriden, Carbiden, Phosphiden, Siliziden und Sulfiden, wobei Grauguss in Form von Bohrspänen als unedles Metall und Kupfer als katalytisch aktives Metall verwendet werden. Außerdem waren folgende Substanzen zur Immobilisierung zugegen: Sulfide des Eisens, die vor Versuchsbeginn bereits in der Eisenmatrix vorlagen, und Hydroxide des Eisens, die in situ während des Reinigungsprozesses erzeugt wurden. Siehe Beschreibung, Seite 3, Absätze 5 und 6.
Im Gegensatz dazu ist der Verwendungsanspruch 5 nicht auf katalytisch wirkende Arsenide, Boride, Carbide, Phosphide, Silizide und Sulfide des Eisens (bzw. von Grauguss) beschränkt.
Gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA ist es normalerweise unter Artikel 123(2) EPÜ nicht gestattet, einen Anspruch auf eine bevorzugte Ausführungsform durch Aufnahme einzelner, isolierter Merkmale einzuschränken, wenn diese Merkmale aus einer Gesamtheit von Merkmalen einer Ausgestaltung stammen, in der sie untereinander untrennbar verbunden sind. Siehe beispielsweise T 1067/97 (vom 4. Oktober 2000, nicht im ABl. EPA veröffentlicht; siehe Entscheidungsgründe, Punkt 2.1.3.) und T 0714/00 (vom 6. August 2002; nicht im ABl. EPA veröffentlicht; siehe Entscheidungsgründe Punkt 3.3). Im vorliegenden Beispiel 1 wirken nach Auffassung der Kammer die konkret eingesetzten Substanzen bei der Reduktion und Abtrennung von Uran und Arsen untrennbar zusammen, unter anderem dadurch, dass der eingesetzte Grauguss bereits die katalytisch wirksamen Carbide, Phosphide, Silizide und Sulfide in makroskopisch homogen verteilter Form enthielt (Beschreibung, Seite 3, Zeile 19 bis 21).
Das Verfahren gemäß ursprünglichem Anspruch 9 (WO-A-01/55034), auf den die Beschwerdeführerin als zusätzliche Offenbarungsgrundlage verwies, nennt als katalytisch wirkende Arsenide, Boride, Carbide, Phosphide, Silizide und Sulfide nur solche der Metalle der Gruppen IV, V, Ib, IIb, Vb, VIb, VIIb und VIIIb des periodischen Systems der Elemente oder deren Mischungen miteinander. Der vorliegende Anspruch 5 weist diese Einschränkung hinsichtlich der Art der Metalle nicht auf. Anspruch 9 enthielt als weiteres Merkmal den Massenanteil der katalytisch wirksamen Substanz an der Aktivmasse von 0.01 bis 90%, sowie, durch den Rückbezug auf Anspruch 1, das Merkmal des simultanen Vorliegens eines Stoffes zur Immobilisierung der gelöst vorliegenden anorganischen Schadstoffe in der Aktivmasse. Diese Merkmale fehlen im vorliegenden Anspruch 5 ebenfalls. Die ursprüngliche Offenbarung betraf zudem die Reinigung von strömenden Wässern (vgl. Seite 1, erster Satz; Anspruch 1), während der neue Anspruch 5 auf die Reinigung beliebiger Wässer gerichtet ist. Bezüglich der Abtrennung von Uranverbindungen gilt das zuvor unter Punkt 1.1.1 Gesagte.
Der Anspruch genügt daher nicht den Bestimmungen des Artikels 123(2) EPÜ.
1.2 Erster Hilfsantrag (Anspruchssatz II)
Da der Anspruch wortgleich ist mit Anspruch 5 des Hauptantrags, bestehen die unter Punkt 1.1.2 angeführten Einwände auch gegenüber dem ersten Hilfsantrag. Der Anspruch genügt daher nicht den Bestimmungen des Artikels 123(2) EPÜ.
1.3 Zweiter Hilfsantrag (Anspruchssatz III)
Der Einwand unter Punkt 1.1.1 trifft auf den wortgleichen Anspruch 1 dieses Antrags zu. Der Anspruch genügt daher nicht den Bestimmungen des Artikels 123(2) EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.