T 0320/08 (Waschmittelformkörper/HENKEL) 10-01-2011
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Waschmittelformkörper mit verbesserten Auflöseeigenschaften
The Procter & Gamble Company
Reckitt Benckiser (UK) Limited
Verspätet vorgebrachte Beweismittel (nein) - Antwort auf angefochtene Entscheidung
Erfinderische Tätigkeit (nein) - alle Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 98 929 366.7
wurde das europäische Patent Nr. 0 985 023 mit 10 Patentansprüchen erteilt.
II. Der unabhängige Anspruch 1 des erteilten Patents lautet:
"1. Wasch- und Reinigungsmittelformkörper aus ver-dichtetem teilchenförmigen Wasch- und Reinigungsmittel, umfassend Tensid(e), Builder sowie gegebenenfalls weitere Wasch- und Reinigungsmittelbestandteile, dadurch gekennzeichnet, daß der Formkörper weiterhin
a) 1 bis 10 Gew.-% eines oder mehrerer durch einen Sprühtrocknungs-, Granulier-, Agglomerier-, Kompaktier-, Pelletier- oder Extrusionsprozeß in eine grobkörnigere Form überführter, quellfähiger, wasserunlöslicher Desintegrationshilfsmittel und
b) 3 bis 60 Gew.-% eines gasentwickelnden Brausesystems
enthält."
Der unabhängige Anspruch 7 betrifft ein Verfahren zur Herstellung solcher Wasch- und Reinigungsmittelform-körper. Die abhängigen Ansprüche 1 bis 6 und 8 bis 10 betreffen besondere Ausgestaltungen der Gegenstände nach Anspruch 1 bzw. 7.
III. Zwei Einsprechende hatten unter anderem wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100a), 54 und 56 EPÜ) Einspruch erhoben. Sie stützten sich dabei auch auf folgende Entgegenhaltungen:
D1 DE-A-19 500 936,
D9 US-A-5 360 567 und
D11 Vergleichsversuche (Technical Report) der Einsprechenden I.
IV. In ihrer Entscheidung zur Zurückweisung der Einsprüche war die Einspruchsabteilung zur Auffassung gelangt, dass der beanspruchte Gegenstand neu sei. Erfinderische Tätigkeit wurde anerkannt, weil die im Verfahren zitierten Entgegenhaltungen keinen Hinweis darauf geben, dass eine Kombination von Desintegrationsmitteln auf Basis von Brausesystemen mit grobkörnigen Quellmitteln eine Verbesserung des Tablettenzerfalls bewirken würde.
V. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende I (Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt und unter anderem die Dokumente
D15 Zweite Vergleichsversuche (Second Technical Report) der Einsprechenden I und
D17 J.L. Kanig et al., 'The mechanisms of disintegrant action', Pharmaceutical Technology, 1984, 8(4), Seiten 50 bis 63
als neue Beweismittel vorgelegt.
Die Einsprechende II hat sich nicht weiter geäußert.
Die Patentinhaberin, nunmehr Beschwerdegegnerin, hat mit Schreiben vom 4. November 2008 geänderte Sätze von Ansprüchen in vier Hilfsanträgen eingereicht und mit Schreiben vom 8. Dezember 2010 die Ansprüche der Hilfsanträge 2 und 3 durch neue Anspruchssätze ersetzt.
Anspruch 1 des ersten Hilfsantrages hat folgenden Wortlaut:
"1. Verwendung eines Formkörpers aus verdichtetem teilchenförmigen Wasch- und Reinigungsmittel, umfassend Tensid(e), Builder sowie gegebenenfalls weitere Wasch- und Reinigungsmittelbestandteile, dadurch gekennzeichnet, dass der Formkörper weiterhin
a) 1 bis 10 Gew.-% eines oder mehrerer durch einen Sprühtrocknungs-, Granulier-, Agglomerier-, Kompaktier-, Pelletier- oder Extrusionsprozeß in eine grobkörnigere Form überführter, quellfähiger, wasserunlöslicher Desintegrationshilfsmittel aus der Gruppe der natürlichen und synthetischen Polysaccharide und
b) 3 bis 60 Gew.-% eines gasentwickelnden Brausesystems
enthält, als Wasch- und Reinigungsmittel."
Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrages unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrages durch Streichung der Wortfolge "Sprühtrocknungs-, Granulier-, Agglomerier-,".
Anspruch 1 des dritten Hilfsantrages unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrages sachlich dadurch, dass der Ausdruck "1 bis 10 Gew.-%" durch "3 bis 5 Gew.-%" ersetzt worden ist und der Ausdruck "überführter, quell-fähiger, wasserunlöslicher Desintegrationshilfsmittel" durch "überführten, quellfähigen, wasserunlöslichen Cellulose oder eines Cellulosederivates".
Anspruch 1 des vierten Hilfsantrages unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrages sachlich dadurch, dass der Ausdruck "Tensid(e)" ersetzt worden ist durch "mehr als 15 Gew.-% Tensid(e)".
VI. Am 10. Januar 2011 fand die von der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin beantragte mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
VII. Die Beschwerdeführerin hat schriftlich und mündlich an ihrer Auffassung festgehalten, der beanspruchte Gegenstand sei weder neu noch erfinderisch.
Mangelnde erfinderische Tätigkeit wurde auch geltend gemacht gegenüber Dokument D1 allein oder in Kombination mit Dokument D17.
VIII. Die Beschwerdegegnerin hat alle Einwände der Beschwerdeführerin zurückgewiesen und beantragt, die nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereichten Dokumente als verspätet nicht zuzulassen.
Zur erfinderischen Tätigkeit gegenüber Dokument D1 brachte sie folgende Argumente vor:
Dokument D1 sei eine vorteilhafte Wirkung der Kombination von Sprengmitteln mit unterschiedlichem Wirkmechanismus nicht zu entnehmen, geschweige denn der Kombination einer grobkörnigen Form eines Quellmittels mit einem Brausemittel. Dass der Zusatz von gröber-körnigem Bentonit tatsächlich eine Verbesserung des Zerfalls der brausemittelhaltigen Tabletten bewirke, sei aus den Dokumenten D11 und D15 ableitbar.
Dokument D17 sei nicht mit Dokument D1 kombinierbar, da es pharmazeutische Substanzen und daher ein anderes Stoffsystem betreffe, bei dem es um Tabletten gehe, welche für den Blutkreislauf bestimmt sind. Zudem enthalte dieses Dokument keine Angaben zu einer Kombination mit Brausesystemen. Ferner sei aus Dokument D17 auch bekannt, dass eine bessere Wirkung für gröber-körniges Material nicht für alle Quellmittel gelte. Daher sei das Dokument D17 von den fachkundigen Anmeldern von Dokument D1 auch nicht beachtet worden, obwohl es annähernd 11 Jahre vor dessen Anmeldetag veröffentlicht worden sei.
Folglich werde der beanspruchte Gegenstand durch Dokument D1 nicht nahegelegt, weder allein betrachtet noch bei dessen Kombination mit Dokument D17.
IX. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent im Umfang der mit Schreiben vom 4. November 2008 eingereichten Hilfsanträge 1 oder 4 oder im Umfang der mit Schreiben vom 8. Dezember 2010 eingereichten Hilfsanträge 2 und 3 aufrechtzuerhalten.
1. Zulässigkeit der Dokumente D15 und D17
Gemäß Artikel 114(2) EPC liegt es grundsätzlich im Ermessen der Beschwerdekammern verspätet vorgebrachte Beweismittel im Verfahren zuzulassen. Allerdings liegt eine Verspätung nur dann vor, wenn die neu vorgelegten Beweismittel nicht durch Argumente anderer Beteiligter oder durch die angefochtene Entscheidung veranlasst wurden.
Dies ist vorliegend jedoch der Fall.
Dokument D15 (Second Technical Report) wurde nämlich in Reaktion auf die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Feststellung eingereicht, Dokument D11 (Technical Report) sei wenig aussagekräftig und zeige nicht das, was von der Einsprechenden beabsichtigt gewesen sei (Punkte 3.1 und 3.2 der Entscheidung). Dokument D17 hingegen wurde eingereicht, weil gemäß angefochtener Entscheidung dem zitierten Stand der Technik jeglicher Hinweis auf grobkörnige Desintegrationsmittel fehlte (Punkte 2.2, 3.2 und 3.3 der Entscheidung).
Da beide Dokumente also relevant im Hinblick auf die angefochtene Entscheidung sind und zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden, sind sie nicht als verspätet zu betrachten und daher im Verfahren zuzulassen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 6. Auflage 2010, Kapitel VII.C.1.2).
2. Änderungen und Neuheit
Der Gegenstand nach Anspruch 1 aller Anträge erfüllt zumindest nicht das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit. Aus diesem Grund kann dahingestellt bleiben, ob der beanspruchte Gegenstand gegenüber dem zitierten Stand der Technik neu ist und ob die in den Hilfsanträgen vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen von Artikel 123(2)(3) EPÜ genügen.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 Das Streitpatent betrifft Wasch- und Reinigungsmittel-formkörper aus verdichtetem teilchenförmigen Wasch- und Reinigungsmittel, enthaltend Gerüststoff(e), Tensid(e) sowie gegebenenfalls weitere Wasch- und Reinigungs-mittelbestandteile (Patentschrift, Absätze [0001] und [0014] sowie Anspruch 1).
Aus dem Stand der Technik ist bekannt, dass solche Formkörper aufgrund der Verdichtung eine verzögerte Zerfalls- und Auflösungsgeschwindigkeit in der wässrigen Flotte zeigen. Ebenfalls bekannt ist der Einsatz von Desintegrationsmitteln zur Verbesserung der Zerfallseigenschaften. Solche Mittel werden seit langem in der Pharmazie als Tablettensprengmittel eingesetzt und können je nach Wirkmechanismus in verschiedene Substanzklassen eingeteilt werden. Dazu gehören Gas freisetzende Mittel (Sprudelsysteme oder Brausemittel) und quellende Sprengmittel (Absätze [0002] bis [0006] der Patentschrift).
Gemäß Beschreibung der Patentschrift führt der Einsatz solcher Mittel bei Waschmitteltabletten insbesondere dann nicht zum Erfolg, wenn ein hoher Anteil an klebrigen Substanzen, z.B. anionische und nichtionische Tenside, vorhanden ist. Während Sprudelsysteme oft unvollständig funktionieren, führt der Einsatz von Quellmitteln wegen der erforderlichen hohen Menge zu einer Rückstandsproblematik auf der behandelten Wäsche (Absätze [0007] bis [0011] der Patentschrift).
Laut Streitpatent bestand die zu lösende technische Aufgabe daher darin, brausemittelhaltige Waschmittel-formkörper bereitzustellen, welche einerseits in der wässrigen Flotte rasch zerfallen, andererseits aber auch keine Rückstände auf der Wäsche bilden (Absatz [0012] der Patentschrift).
3.2 Das Streitpatent geht also von brausemittelhaltigen Waschmitteltabletten aus, wie sie beispielsweise aus Dokument D1 bekannt sind. Dort sind nämlich Wasch-mitteltabletten beschrieben, die neben Tensiden und Buildern (Waschalkalien) bevorzugt 20 bis 60 Gew.-% eines Brausemittels aus gleichen Teilen von Natrium-bicarbonat und Zitronensäure als Tablettensprengmittel enthalten (Ansprüche 1 und 8 in Verbindung mit Seite 2, Zeilen 28 bis 39).
In einer als "bewährt" bezeichneten Variante enthalten diese Tabletten einen Zusatz von Stärke oder Methylcellulose, also Mittel aus der Gruppe der Polysaccharide, als weiteres Sprengmittel in einer Mindestmenge von 1 Gew.-% (Anspruch 9 von Dokument D1 und Seite 2, Zeilen 39 und 40). Diese Mittel sind als Desintegrationshilfsmittel aus der Gruppe der Quellmittel bekannt (vgl. beispielsweise Dokument D9, Spalte 5, Zeile 63 bis Spalte 6, Zeile 9) und als solche notwendigerweise soweit wasserunlöslich, dass sie quellfähig sind. Da Begriffe wie "wasserlöslich" und "wasserunlöslich" nicht absolut sind, kann das Merkmal der Wasserunlöslichkeit den beanspruchten Gegenstand nicht gegenüber Dokument D1 abgrenzen.
In Übereinstimmung mit den Parteien hält daher auch die Kammer die Entgegenhaltung D1 für einen geeigneten Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Streitgegenstandes.
3.3 Hauptantrag
Der Waschmittelformkörper nach Anspruch 1 unterscheidet sich von der obengenannten, in Anspruch 9 von Dokument D1 offenbarten Waschmitteltablette dadurch, dass das Quellmittel durch einen Sprühtrocknungs-, Granulier-, Agglomerier-, Kompaktier-, Pelletier- oder Extrusionsprozeß in eine grobkörnigere Form überführt worden ist.
3.3.1 Weder das Streitpatent noch der verfügbare Stand der Technik oder das Fachwissen geben Anlass zur Vermutung, dass der Zusatz eines solchen gröberkörnigen Quellmittels gegenüber der Waschmitteltablette nach Anspruch 9 von Dokument D1 zu einer Verringerung von Rückständen auf der Wäsche führt (vgl. die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe, oben Punkt 2.1).
3.3.2 Von Seiten der Beschwerdegegnerin wurde für das Merkmal der Grobkörnigkeit des Quellmittels im Vergleich zur Pulverform überhaupt kein Effekt nachgewiesen worden.
Sie hat aber die Meinung vertreten, ein Vergleich der Versuche der Beschwerdeführerin (Dokument D11 und D15) würde zeigen, dass gröberkörniges Quellmittel den Tablettenzerfall beschleunige und die Menge an Rückständen im Waschmittelspender verringere.
Die Ergebnisse der Dokument D11 und D15 sind aber nicht ohne weiteres miteinander vergleichbar, weil unklar ist, ob die Ergebnisse in Dokument D11 den Mittelwert aus 5 Versuchen wiedergeben, wie dies in Dokument D15 der Fall ist.
Darauf kommt es im vorliegenden Fall aber nicht an. Denn die Beschwerdeführerin hat zur Teilchengröße des Quellmittels das Dokument D17 zitiert, aus dem hervorgeht, dass Quellmittel wie Stärke in pharmazeutischen Tabletten in der Regel dann effektiver wirken, wenn ihre Teilchen größer sind, weil dann der Quelldruck höher wird (vgl. Seite 58, linke Spalte).
Bei Berücksichtigung dieser Information in Dokument D17 ist daher glaubhaft, dass der Einsatz von Stärke als Quellmittel in granulierter Form gegenüber der Pulverform in der Regel eine weitere Verbesserung der Zerfallseigenschaften der Waschmitteltablette bewirkt.
3.3.3 Die gegenüber der in Anspruch 9 von Dokument D1 definierten Ausführungsform einer Waschmitteltablette tatsächlich gelöste technische Aufgabe kann folglich entweder in der Bereitstellung einer alternativen Waschmitteltablette gesehen werden oder in einer Verbesserung der Zerfallseigenschaften.
3.3.4 Naheliegen der Lösungen
Somit bleibt zu untersuchen, ob die gemäß Streitpatent vorgeschlagene Lösung, nämlich bei den aus Anspruch 9 von Dokument D1 bekannten Waschmitteltabletten ein Quellmittel zu verwenden, welches in grobkörniger, z.B. granulierter Form vorliegt, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
3.3.5 Wenn es nur darum geht, Waschmittelformkörper bereitzustellen, welche sich vom Stand der Technik nach Dokument D1 unterscheiden, dann kann erfinderische Tätigkeit nicht allein darauf gestützt werden, dass eine Komponente in gröberkörniger, z.B. granulierter Form eingesetzt wird, wenn es weder einen Hinweis darauf gibt, dass diese Form der Komponente deren Wirksamkeit einschränkt noch bezweifelt werden kann, dass diese Form der Komponente ohne weiteres auf dem Markt erhältlich ist. Dies wurde von der Beschwerdegegnerin auch nicht vorgetragen.
Die Abänderung der Körnigkeit einer Komponente stellt somit eine der Optionen dar, die für den Fachmann naheliegen, wenn es nur darum geht, ein anderes Produkt zu erhalten.
3.3.6 Im Fall der zweiten Formulierung der technischen Aufgabe (Verbesserung der Zerfallseigenschaften) hat die Beschwerdegegnerin geltend gemacht, dass Dokument D17 nicht mit Dokument D1 kombinierbar sei, weil es pharmazeutische Tabletten betreffe und daher ein völlig anderes technisches Gebiet. Ferner gebe dieses Dokument keinen Hinweis auf eine mögliche Kombination der Quellmittel mit Brausemittel. Auch offenbare Dokument D17 ein Quellmittel, bei dem das feinere Material zu einer besseren Desintegration der Tabletten führe (Punkt VII).
Diese Argumente sind nicht überzeugend:
Technik und Problematik bei der Herstellung von Tabletten, welche in Wasser desintegrieren sollen, sind seit langem aus der Pharmazie bekannt, unter anderen die Quellmittel und die Gas entwickelnden Systeme (Brause-mittel). Dass dieses Fachwissen auch von den Herstellern von Waschmitteltabletten beachtet wird, geht aus dem Streitpatent selbst hervor (vgl. Absätze [0003], [0004] und [0006]) und wird bestätigt beispielsweise durch Dokument D9 (Spalte 5, Zeilen 54 bis 62).
Selbstverständlich berücksichtigt ein Fachmann bei der Übertragung dieser Technik auch die unterschiedlichen Eigenschaften der Inhaltsstoffe, beispielsweise die Klebrigkeit von anionischen und nichtionischen Tensiden in Waschmitteln (Absatz [0007] der Patentschrift). Davon abgesehen ist für die Zerfallseigenschaften der Tabletten unerheblich, ob deren Wirkstoffe für den Blutkreislauf bestimmt sind oder für die Waschlauge.
Irrelevant ist auch die Tatsache, dass Dokument D17 speziell für Guarkernmehl als Quellmittel eine bessere Wirkung des feinkörnigen Materials berichtet, weil für Stärke, welche in Dokument D1 als Quellmittel empfohlen wird, das Gegenteil beschrieben ist.
Das Argument, Dokument D17 sei von den Autoren von Dokument D1 nicht beachtet worden, stellt lediglich eine Vermutung dar, weil Dokument D1 die Teilchengröße der dort verwendeten Stärke nicht erwähnt. Andererseits ist dies auch unerheblich, weil die in Dokument D1 erzielten Ergebnisse für dessen Urheber offenbar keiner weiteren Verbesserung bedurften.
Nicht von Bedeutung ist auch, dass Dokument D17 die beschriebenen Quellmittel nicht in Kombination mit Brausemitteln betrachtet, weil für diese Kombination keine für den Fachmann überraschende Wirkung geltend gemacht wurde und weil die gleichzeitige Verwendung von Quell- und Brausemitteln grundsätzlich schon aus Dokument D1 bekannt ist.
Daher ist für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit gegenüber Dokument D1 nur noch der Einfluss der Körnigkeit des Quellmittels relevant.
3.3.7 Da es aber für den Fachmann keinen Grund gab anzunehmen, dass die Erkenntnisse in Dokument D17 für Waschmittel-tabletten und bei Anwesenheit von Brausemitteln nicht zutreffen, kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der Einsatz von Stärke gröberer Körnigkeit, etwa als Granulat, bei den in Anspruch 9 von Dokument D1 offenbarten Formkörpern zu den Optionen gehört, die einem Fachmann offenstehen, sowohl um einen anderen Formkörper zu schaffen, als auch um den Tablettenzerfall zu beschleunigen.
Der Gegenstand nach Anspruch des Hauptantrages beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3.4 Hilfsanträge
Das gleiche gilt identisch für Anspruch 1 des ersten Hilfsantrages, weil die Formkörper nach Anspruch 9 von Dokument D1 ebenfalls als Waschmittel verwendet werden und die dort verwendeten Quellmittel (Stärke und modifizierte Methylcellulose) zur Gruppe der natürlichen und synthetischen Polysaccharide zählen.
Ebenso ergibt sich ein Mangel an erfinderischer Tätigkeit für den Gegenstand nach Anspruch 1 des zweiten, dritten und vierten Hilfsantrages. Es gibt nämlich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Methodik, mit der die Körnigkeit des Quellmittels verändert wird (zweiter Hilfsantrag), für den beanspruchten Gegenstand überhaupt eine Rolle spielt oder dass mit der auf 3 bis 5 Gew.-%. beschränkten Menge an Quellmittel (dritter Hilfsantrag) ein für den Fachmann überraschender Effekt erreicht wird. Ferner umfasst auch Anspruch 9 von Dokument D1 Tensidmengen von mehr als 15 Gew.-% (vierter Hilfsantrag). Dies ist in allen Beispielen von Dokument D1 der Fall. Dort wird zwar kein Quellmittel als zusätzliches Desintegrationshilfsmittel verwendet. Doch gibt es keinen Anlass zur Vermutung, dass sich diese in Dokument D1 als bewährt bezeichnete Variante nicht mit einer solchen Menge an Tensiden vereinbaren ließe.
4. Somit bietet keiner der gestellten Anträge eine Basis zur Aufrechterhaltung des Patents.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.