T 1508/08 28-06-2011
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Verfahren zur Herstellung von mit vernetztem Polyethylen überzogenen Leitungsdrähten
Borealis Technology OY
Pirelli & C. S.p.A.
Änderungen - Berichtigung von Mängeln - Hauptantrag (verneint)
Verspätet vorgebrachte Anträge - Hauptantrag (zugelassen)
Verspätet vorgebrachte Anträge - Hilfsanträge (nicht zugelassen)
Antrag auf Kostenverteilung (abgewiesen)
I. Die Beschwerde des Patentinhabers richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 1 148 518 widerrufen wurde.
II. Die Einsprechenden I (Borealis Technology Oy) und II (PIRELLI & C. S.p.A.) hatten den Widerruf des Patentes im gesamten Umfang auf der Grundlage der Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit, Einsprechender I und II), 100 b) EPÜ (Einsprechender I und II) und 100 c) EPÜ (Einsprechender I) beantragt.
III. Der am 12. März 2008 mündlich verkündeten und am 26. Mai 2008 schriftlich begründeten Entscheidung der Einspruchsabteilung lagen die während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Ansprüche 1-8 zugrunde, von denen die Ansprüche 1, 3 und 4 wie folgt lauteten:
"1. Verfahren zur Herstellung eines Kabels bestehend aus einem mit vernetztem Polyethylen überzogenen Leiterdraht, bei dem ein Granulat aus Polyethylen mit einem flüssigen Vernetzungsmittel überzogen wird, das überzogene Granulat in einem Extruder aufgeschmolzen und auf den elektrischen Leitungsdraht extrudiert, und die extrudierte Schicht durch Erwärmen auf eine Temperatur oberhalb der Zersetzungstemperatur des Vernetzungsmittels vernetzt wird, dadurch gekennzeichnet, dass ein Polyethylenhomopolymer und ein Polyethylencopolymer ausgewählt unter Ethylenvinylacetat (EVA), Ethylenbutylacrylat (EBA), Ethylenethylacrylat (EEA) und/oder Ethylenmethylacrylat (EMA) mit einem Copolymeranteil von 10 bis 30 Gew% in einem Taumelmischer bei einer erhöhten Temperatur jedoch unterhalb der Schmelztemperatur des Polyethylenhomopolymers beziehungsweise des Polyethylencopolymers vermischt werden und dass das Gemisch aus Granulat, Gries oder Pulver aus dem Polyethylenhomopolymer und dem Polyethylencopolymer gleichzeitig mit einem flüssigen Gemisch aus dem Vernetzungsmittel und Stabilisator überzogen wird, wobei der Copolymeranteil in dem Überzug auf dem Kabel zwischen 1 und 8 Gew.% liegt."
"3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass ein Polyethylencopolymer mit einem Copolymeranteil von über 16 Gew.% verwendet wird."
"4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass als Polyethylenhomopolymer LDPE, LLDPE und/oder VLLDPE verwendet wird."
Die Widerrufsentscheidung wurde damit begründet, dass der Gegenstand des Streitpatentes unzureichend offenbart sei. Anspruch 4 weise den Fachmann an, als Polyethylenhomopolymere LLDPE und VLLDPE zu verwenden. Die bekannten Formen von LLDPE und VLLDPE seien jedoch Copolymere und die Homopolymerisation von LLDPE oder VLLDPE sei weder im Streitpatent angegeben noch allgemein bekannt. Daher könne der Fachmann die Erfindung entgegen den Anforderungen des Artikels 83 EPÜ nicht in der gesamten beanspruchten Breite ausführen.
In einem obiter dictum wies die Einspruchsabteilung noch darauf hin, dass dem Fachmann bekannt sei, dass der Anteil des in der Copolymerisation verwendeten Comonomers Einfluss auf die Eigenschaften des Polyethylencopolymers habe. Mit der Formulierung "Polyethylencopolymer ... mit einem Copolymeranteil" in Anspruch 1 könne somit sinnvollerweise nur der Anteil des hinzugefügten Comonomers an der Gesamtmenge des Polyethylencopolymers gemeint sein. Entsprechend sei für den Fachmann auch klar, dass mit der Formulierung "Copolymeranteil in dem Überzug auf dem Kabel" nur der Anteil des hinzugefügten Comonomers an der Gesamtmenge des Kabelüberzugs gemeint sein könne.
IV. Gegen diese Entscheidung legte der Beschwerdeführer (Patentinhaber) am 28. Juli 2008 Beschwerde ein und entrichtete die vorgeschriebene Gebühr am selben Tag. Am 1. Oktober 2008 erfolgte die Einreichung der Beschwerdebegründung zusammen mit
D23: "Kunststoffe in der Kabeltechnik: Entwicklung, Prüfung, Erfahrungen, Tendenzen", H. J. Mair (Herausgeber), Kapitel 2 "Polyolefine (PE und PP) für Kabel und Leitungen", 3. Auflage, expert verlag, Renningen-Malmsheim, 1999, Seite 54-57,
D24: "Kunststoff-Handbuch", 25. Ausgabe, Carl Hanser Verlag, München, Wien, 1992, Seite 248-251 und
D25: H. Münstedt et al, "Polyethylen niedriger Dichte (PE-LD, PE-LLD)" in "Standardkunststoffe", Carl Hanser Verlag, München, 1990, Seite 1076-1079,
sowie einem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 und 2. Hierbei entsprachen die Ansprüche des Hauptantrages den der Entscheidung der Einspruchsabteilung zugrundeliegenden Ansprüchen. Hilfsanträge 1 und 2 entsprachen dem Hauptantrag, wobei im Hilfsantrag 1 in Anspruch 4 "VLLDPE" und im Hilfsantrag 2 in Anspruch 4 zusätzlich "LLDPE" gestrichen wurde.
V. Zusammen mit der Erwiderung vom 20. April 2009 reichte der Beschwerdegegner II (Einsprechender II) ein:
D26: "HANDBOOK OF THERMOPLASTICS", O. Olabisi (Herausgeber), CRC Press, 1997, Seite 19-21.
Die Erwiderung des Beschwerdegegners I (Einsprechender I) wurde mit Schreiben vom 28. Mai 2009 eingereicht.
VI. Mit Schreiben vom 15. Januar 2010 reichte der Beschwerdeführer daraufhin
D27: "Kunststofftechnisches Wörterbuch", "Teil 1: Alphabetisches Wörterbuch Englisch-Deutsch", Carl Hanser Verlag, München, Wien, 1981, Seite 296-297,
D28: "Kunststoff-Lexikon", 8. Auflage, Carl Hanser Verlag, München, Wien, 1992, Seite 358-359 und 566-569, sowie
einen neuen Hauptantrag und neue Hilfsanträge 3 bis 5 ein. Die Ansprüche dieser Anträge stellten zwar ausschließlich auf einen "Copolymeranteil" ab, in dem diese Anträge enthaltenden Schreiben beantragte der Beschwerdeführer jedoch, den Begriff "Copolymeranteil" in der Beschreibung und den Anträgen zu "Comonomeranteil" zu berichtigen.
VII. Mit Bescheid vom 11. November 2010 wurden die Parteien zur mündlichen Verhandlung geladen. Die Ladung enthielt die vorläufige Meinung der Kammer, in der u. a. die Erfüllung der Erfordernisse der Artikel 83 und 84 EPÜ durch die nicht korrigierten Anträge in Frage gestellt und Bedenken gegen die Gewährbarkeit des Korrekturantrags geäußert wurden.
VIII. In Erwiderung hierzu erfolgte mit Schreiben vom 28. April 2011 eine weitere Eingabe seitens des Beschwerdegegners I.
Mit Schreiben gleichen Datums wurden vom Beschwerdegegner II eingereicht
D29: P. Dufton, "Functional Additives for the Plastics Industry - Trends in Use and Technology", Rapra Industry Analysis Report Series, Rapra Technology Limited, 1998, Seite 46,
D30: M. Ezrin, "Plastics failure guide: cause and prevention", Carl Hanser Verlag, Munich, Vienna, New York, 1996, Seite 131 und 149, und
D31: EP 0 814 485 A1.
IX. Ebenfalls mit Schreiben vom 28. April 2011 reichte der Beschwerdeführer einen neuen Hauptantrag sowie neue Hilfsanträge I-XI ein. In allen Anträgen war der Ausdruck "Copolymeranteil" durch "Comonomeranteil" ersetzt worden.
Der Hauptantrag enthielt vier unabhängige Ansprüche 1-4, wobei Anspruch 1 wie folgt lautete:
"1. Verfahren zur Herstellung eines Kabels bestehend aus einem mit vernetztem Polyethylen überzogenen Leiterdraht, bei dem ein Granulat aus Polyethylen mit einem flüssigen Vernetzungsmittel überzogen wird, das überzogene Granulat in einem Extruder aufgeschmolzen und auf den elektrischen Leitungsdraht extrudiert, und die extrudierte Schicht durch Erwärmen auf eine Temperatur oberhalb der Zersetzungstemperatur des Vernetzungsmittels vernetzt wird, dadurch gekennzeichnet,
dass ein Granulat, Gries oder Pulver aus einem Polyethylenhomopolymer und einem Polyethylencopolymer in einem Taumelmischer bei einer erhöhten Temperatur jedoch unterhalb der Schmelztemperatur des Polyethylenhomopolymers bzw. des Polyethylencopolymers zu einem Gemisch aus dem Granulat, Gries oder Pulver aus dem Polyethylenhomopolymer und dem Polyethylencopolymer vermischt wird und gleichzeitig mit einem flüssigen Gemisch aus einem Vernetzungsmittel und Stabilisator überzogen wird, wobei das Polyethylencopolymer ausgewählt wird unter Ethylenvinylacetat (EVA), Ethylenbutylacrylat (EBA), Ethylenethylacrylat (EEA) und/oder Ethylenmethylacrylat (EMA) mit einem Comonomeranteil von 10 bis 30 Gew%, und
wobei der Comonomeranteil in dem Überzug auf dem Kabel zwischen 1 und 8 Gew.% liegt".
Die weiteren unabhängigen Ansprüche 2-4 des Hauptantrages waren ebenfalls auf ein Verfahren zur Herstellung eines Kabels bestehend aus einem mit vernetztem Polyethylen überzogenen Leiterdraht gerichtet und enthielten ebenfalls die Merkmale, dass das Polyethylencopolymer ausgewählt wird unter Ethylenvinylacetat (EVA), Ethylenbutylacrylat (EBA), Ethylenethylacrylat (EEA) und/oder Ethylenmethylacrylat (EMA) mit einem Comonomeranteil von 10 bis 30 Gew.% und der Comonomeranteil in dem Überzug auf dem Kabel zwischen 1 und 8 Gew.% liegt.
Der ebenfalls auf den Comonomeranteil bezogene abhängige Anspruch 7 des Hauptantrages lautete wie folgt:
"7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass ein Polyethylencopolymer mit einem Comonomeranteil von über 16 Gew.% verwendet wird."
X. Eine Erwiderung zu den Eingaben des Beschwerdeführers seitens des Beschwerdegegners I erfolgte mit Schreiben vom 23. Mai 2011.
XI. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, die am 28. Juni 2011 stattfand, wurden vom Beschwerdeführer der mit Schreiben vom 28. April 2011 eingereichte Hauptantrag aufrechterhalten, alle mit gleichem Schreiben eingereichten Hilfsanträge zurückgezogen und neue Hilfsanträge Ia, Ib und II-XI eingereicht. Von beiden Beschwerdegegnern wurde die Nichtzulassung der mit Schreiben vom 28. April 2011 eingereichten Anträge sowie der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge beantragt. Vom Beschwerdegegner II wurde zusätzlich ein Antrag auf Kostenverteilung gestellt.
Die Ansprüche der in der Verhandlung eingereichten Hilfsanträge Ia, Ib und II-XI unterschieden sich von den Ansprüchen des mit Schreiben vom 28. April 2011 eingereichten Hauptantrages dadurch, dass der Ausdruck "Comonomeranteil" zu "Copolymeranteil" geändert worden war. Entsprechend enthielten alle unabhängigen Ansprüche der Hilfsanträge die Merkmale, dass das Polyethylencopolymer ausgewählt wird unter Ethylenvinylacetat (EVA), Ethylenbutylacrylat (EBA), Ethylenethylacrylat (EEA) und/oder Ethylenmethylacrylat (EMA) mit einem Copolymeranteil von 10 bis 30 Gew%. und der Copolymeranteil in dem Überzug auf dem Kabel zwischen 1 und 8 Gew.% liegt.
XII. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente des Beschwerdeführers können wie folgt zusammengefasst werden:
a) Die in dem mit Schreiben vom 28. April 2011 eingereichten Hauptantrag durchgeführten Änderungen stellten eine Reaktion auf die mit der Ladung geäußerte vorläufige Meinung der Kammer dar und es sei bereits in den vorhergehenden Verfahrensschritten deutlich gewesen, dass der Beschwerdeführer den Ausdruck "Copolymeranteil" als "Comonomeranteil" verstehe. Somit mussten die Beschwerdegegner mit diesen Änderungen rechnen. Der Hauptantrag sei daher in das Verfahren zuzulassen. In diesem Zusammenhang sei auch der Antrag des Beschwerdegegners II auf Verteilung der Kosten zurückzuweisen, da keine, eine Kostenverteilung rechtfertigende zusätzliche Vorbereitung seitens des Vertreters des Beschwerdegegners II erforderlich gewesen sei.
b) Die Korrektur des Ausdrucks "Copolymeranteil" zu "Comonomeranteil" in den Ansprüchen des Hauptantrages erfülle die Erfordernisse der Regel 139 EPÜ. Es sei für den Fachmann offensichtlich, dass ein Fehler vorliege. So bestehe ein Widerspruch zwischen dem im ursprünglichen Anspruch 1 genannten Copolymeranteil von 1-8 Gew.% und den in den Beispielen genannten 20 Teilen Copolymer. Ferner bestehe eine Diskrepanz zwischen dem im ursprünglichen Anspruch 1 genannten Copolymeranteil und den Copolymeranteilen der ursprünglichen Ansprüche 7 und 9. Schließlich sei die Formulierung im ursprünglichen Anspruch 9, dass der Copolymeranteil des Copolymers 10-30 Gew.% betrage, offensichtlich unrichtig, da ein Copolymer keinen Copolymeranteil aufweise.
Für den Fachmann sei auch offensichtlich, dass der fehlerhafte Ausdruck nur durch eine Änderung zu "Comonomeranteil" korrigiert werden könne. So sei deutlich, dass der im letzten Absatz der Seite 2 der ursprünglich eingereichten Anmeldung angegebene Effekt nicht durch das Copolymer, sondern das darin enthaltene Comonomer hervorgerufen werde. Darüber hinaus könne die Formulierung "Polyethylen Copolymer mit einem Copolymeranteil von ..." in den ursprünglichen Ansprüchen 7 und 9 nur so verstanden werden, dass der in diesen Ansprüchen genannte Copolymeranteil einen Comonomeranteil darstelle. Schließlich ergäbe sich durch die Korrektur in den Beispielen bei einem Comonomergehalt im Copolymer von 10-30 Gew.% ein Comonomergehalt im Überzug von 2-6 Gew.%, was in dem anspruchsgemäßen Bereich von 1-8 Gew.% liege. Somit löse sich durch die Korrektur die durch den irrtümlicherweise verwendeten Ausdruck "Copolymeranteil" erzeugte Unklarheit in technisch sinnvoller Weise ohne weiteres auf.
c) Die in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge Ia, Ib und II-XI seien in das Verfahren zuzulassen, da sie keine neuen Sachverhalte in das Verfahren einführten. Vielmehr sei die Frage, wie die die Copolymeranteile betreffenden Merkmale zu lesen seien, schon im Einspruchsverfahren in der Diskussion gewesen. Darüber hinaus sei deutlich, dass bei Nicht-Gewährung eines Berichtigungsantrages die ursprüngliche nicht korrigierte Version der Ansprüche die Grundlage des Verfahrens bildete.
XIII. Von den Beschwerdegegnern wurde u. a. folgende Auffassung vertreten:
a) Der Hauptantrag sei nicht in das Verfahren zuzulassen, da dieser Antrag nicht alle Einwände der Kammer ausräume. Zudem enthalte der Antrag in den Ansprüchen neue Formulierungen, die noch nicht im Verfahren gewesen seien und den Anspruchsgegenstand verkomplizierten. Gemäß Beschwerdegegner II rechtfertige darüber hinaus eine Zulassung des Hauptantrages eine Kostenverteilung, da der Hauptantrag den Gegenstand des Verfahrens verschoben und so eine zusätzliche Vorbereitung seitens der Beschwerdegegner erforderlich gemacht habe.
b) Unabhängig hiervon sei die im Hauptantrag durchgeführte Korrektur des Ausdrucks "Copolymeranteil" zu "Comonomeranteil" nach Regel 139 EPÜ nicht gewährbar, da u. a. die zweite Bedingung dieser Regel nicht erfüllt sei.
So komme die vom Beschwerdeführer durchgeführte Korrektur für den Fachmann überhaupt nicht in Betracht, da aus der ursprünglichen Offenbarung nicht abgeleitet werden könne, dass es sich bei dem dort genannten Copolymergehalt um einen Comonomergehalt handeln müsse. Insbesondere mache der letzte Absatz der Seite 2 der ursprünglichen Offenbarung unmissverständlich deutlich, dass zum Erreichen der angestrebten Vorteile ein begrenzter Copolymergehalt, und nicht wie vom Beschwerdeführer behauptet, ein begrenzter Comonomergehalt erforderlich sei. Auch aus der Formulierung des ursprünglichen Anspruchs 9 könne nicht abgeleitet werden, dass es sich bei dem dort genannten Copolymeranteil um einen Comonomeranteil handeln müsse, da der Copolymeranteil in diesem Anspruch im Widerspruch zu dem im ursprünglichen Anspruch 7 genannten Copolymeranteil stehe und somit dem ursprünglichen Anspruch 9 keine eindeutige Bedeutung des Ausdrucks "Copolymeranteil" entnommen werden könne. Schließlich könne auch aus den Beispielen nicht abgeleitet werden, dass der Ausdruck "Copolymeranteil" als "Comonomeranteil" zu lesen sei, da diese ausschließlich den Gehalt des verwendeten Homo- und Copolymers, nicht jedoch das verwendete Comonomer oder dessen Gehalt angäben. Darüber hinaus sei im Falle einer Korrektur des Copolymeranteils von 1-8 Gew.% nicht deutlich, ob die in LLDPE und VLLDPE enthaltenen Comonomere zur Bestimmung des Comonomeranteils heranzuziehen seien.
Auch stelle die durchgeführte Korrektur nicht die einzige in Frage kommende Korrektur dar. So könnten die ursprünglichen Ansprüche auch derart korrigiert werden, dass sich der Gehalt von 1-8 Gew.% im ursprünglichen Anspruch 1 nach wie vor auf den Copolymeranteil bezieht, während die Gehalte in den ursprünglichen Ansprüchen 7 und 9 zu Comonomergehalten korrigiert werden. Alternativ hierzu könnten die Copolymergehalte der ursprünglichen Ansprüche 7 und 9 auch auf die Polymermischung bezogen werden.
Da die Korrektur nach Regel 139 EPÜ somit nicht gewährbar sei, erfülle der Hauptantrag nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
c) Die in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge seien nicht in das Verfahren zuzulassen. Sie verschöben den Gegenstand des Verfahrens und machten so eine Vertagung der mündlichen Verhandlung erforderlich, um den Beschwerdegegnern die Gelegenheit zu geben, die neuen Anträge zu analysieren. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer Kenntnis davon gehabt, dass die im Hauptantrag befindliche Korrektur des Copolymeranteils nicht gewährt werden könne. Die Tatsache, dass trotzdem erst in der mündlichen Verhandlung Anträge eingereicht wurden, die die Korrektur nicht mehr enthielten, stelle daher einen Verfahrensmissbrauch dar. Schließlich seien die Anträge nicht prima facie gewährbar.
XIV. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des mit Schreiben vom 28. April 2011 eingereichten Hauptantrags oder, hilfsweise, im Umfang eines der während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hilfsanträge Ia, Ib und II bis XI.
Der Beschwerdegegner I (Einsprechender I) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Der Beschwerdegegner II (Einsprechender II) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Er beantragte weiterhin die Verteilung der Kosten nach Artikel 104 EPÜ.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
2. Zulässigkeit
Die Beschwerdegegner beantragten, den Hauptantrag nicht in das Verfahren zuzulassen.
Der Hauptantrag wurde vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 28. April 2011 nach Mitteilung der vorläufigen Meinung der Kammer (Annex zur Ladung) eingereicht. Der Antrag unterscheidet sich von dem vor der Ladung mit Schreiben vom 15. Januar 2010 eingereichten Hauptantrag u. a. dadurch, dass der Ausdruck "Copolymeranteil" zu "Comonomeranteil" geändert, das Merkmal "Granulat, Gries oder Pulver" zu Beginn des Mischschrittes eingeführt und die Mischungseinrichtung als Taumelmischer/einem Isolierextruder vorgelagertes Mischaggregat definiert wurde (Ansprüche 1-4), der Temperaturbereich beim Mischen und Überziehen auf 50ºC bis 70ºC beschränkt wurde (Anspruch 5), sowie der abhängige Anspruch 2 des vorherigen Hauptantrages gestrichen wurde.
Diese Änderungen stellen eine Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer hinsichtlich der Erfordernisse der Artikel 83 und 84 EPÜ (insbesondere bezüglich des Ausdrucks "Copolymeranteil"), des Artikels 123(2) EPÜ und der Regel 80 EPÜ dar.
Die Beschwerdegegner konnten daher durch diese Änderungen nicht überrascht sein. Da der Antrag zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung eingereicht wurde, hatten die Beschwerdegegner zudem ausreichend Zeit, sich mit den darin enthaltenen Änderungen auseinanderzusetzen.
Aus diesen Gründen wurde der Hauptantrag von der Kammer in das Verfahren zugelassen.
3. Änderungen - Artikel 123(2) EPÜ
3.1 Es war zwischen den Parteien strittig, ob die in den Ansprüchen 1-4 und 7 des Hauptantrages genannten Comonomeranteile die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ erfüllen.
Die hinsichtlich dieser Comonomeranteile relevanten Passagen der Ansprüche 1-4 und 7 des Hauptantrages lauten hierbei wie folgt (Hervorhebungen durch die Kammer):
- "wobei der Comonomeranteil in dem Überzug auf dem Kabel zwischen 1 und 8 Gew.% liegt" (Ansprüche 1-4)
- "wobei das Polyethylencopolymer ausgewählt wird unter Ethylenvinylacetat (EVA), Ethylenbutylacrylat (EBA), Ethylenethylacrylat (EEA) und/oder Ethylenmethylacrylat (EMA) mit einem Comonomeranteil von 10 bis 30 Gew.%" (Ansprüche 1-4)
- "ein Polyethylencopolymer mit einem Comonomeranteil von über 16 Gew.%" (Anspruch 7).
3.2 Diese Textstellen leiten sich von den folgenden Textpassagen der ursprünglichen Ansprüche 1, 7 und 9 ab (Hervorhebungen durch die Kammer):
- "wobei der Copolymeranteil in dem Überzug auf dem Kabel zwischen 1 und 8 Gew.% liegt" (ursprünglicher Anspruch 1)
- "daß als Polyethylen Copolymer Ethylenvinylacetat (EVA), Ethylenbutylacrylat (EBA), Ethylenethylacrylat (EEA) und/oder Ethylenmethylacrylat (EMA) mit einem Copolymeranteil von 10 bis 30 Gew.% verwendet wird" (ursprünglicher Anspruch 9)
- "ein Polyethylen Copolymer mit einem Copolymeranteil von über 16%" (ursprünglicher Anspruch 7).
Hierbei enthalten die Textpassagen der ursprünglichen Ansprüche 1, 7 und 9 jedoch keine Offenbarung eines Comonomeranteils, sondern nehmen im Unterschied zu Ansprüchen 1-4 und 7 des Hauptantrages ausschließlich auf einen Copolymeranteil Bezug (siehe Hervorhebungen durch die Kammer).
Auch der übrige Teil der ursprünglich eingereichten Anmeldung bezieht sich ausschließlich auf Copolymeranteile, wobei Folgendes offenbart wird:
- "Der wesentliche Vorteil der Erfindung ist darin zu sehen, daß durch die Verwendung eines Gemisches aus Polyethylen Homopolymer und Polyethylen Copolymer mit einem begrenzten Copolymeranteil die Beständigkeit der Kabelisolierung gegen die Bildung von Wasserbäumchen wesentlich erhöht werden kann." (letzter Absatz der Seite 2)
- Überziehen eines Leiters mit einer Mischung aus 20 Teilen Polyethylencopolymer, 80 Teilen LDPE (Polyethylenhomopolymer), 2 Teilen Dicumylperoxid und 0.2 Teilen Stabilisator, entsprechend einem Anteil an Polyethylencopolymer von 19.6%, bezogen auf die zum Überzug eingesetzte Mischung (Beispiele 1 und 2).
- Überziehen eines Leiters mit einer Mischung aus 20 Teilen Polyethylencopolymer, 80 Teilen LDPE und einer nicht definierten Menge eines hochkonzentrierten Peroxid/Stabilisator Batches auf Polymerbasis (Beispiel 3).
Die ursprünglich eingereichte Anmeldung enthält somit zumindest keine direkte Offenbarung der in den Ansprüchen 1-4 und 7 des Hauptantrages geforderten Comonomergehalte.
3.3 Gemäß Beschwerdeführer ergeben sich die Comonomergehalte der Ansprüche 1-4 und 7 des Hauptantrages jedoch durch Korrektur des Ausdrucks "Copolymeranteil" in den ursprünglichen Ansprüchen 1, 7 und 9 zu "Comonomeranteil". Diese Korrektur stelle eine gemäß Regel 139 EPÜ gewährbare Korrektur dar.
Wie in Punkt 2 der Entscheidung G 3/89 (Abl. EPA 1993, 117) ausgeführt, bestehen die Voraussetzungen für die Gewährbarkeit einer Korrektur darin, dass
a) die unrichtige Angabe für den Fachmann objektiv als solche erkennbar ist und
b) die vorgenommene Korrektur die einzige Korrekturmöglichkeit darstellt, die vom Fachmann auf der Grundlage der ursprünglichen Offenbarung des Streitpatentes sowie seines allgemeinen Fachwissens in Betracht gezogen würde.
3.4 Bezüglich der ersten Voraussetzung ist dem Beschwerdeführer dahingehend zuzustimmen, dass in der ursprünglich eingereichten Anmeldung die Angaben zu den Copolymeranteilen widersprüchlich sind. So besteht ein Widerspruch zwischen dem Copolymeranteil von 1 bis 8 Gew.% im Überzug gemäß ursprünglichem Anspruch 1 und dem Anteil an Polyethylencopolymer von 19.6%, bezogen auf die zum Überzug eingesetzte Mischung in den Beispielen 1 und 2. Ferner besteht eine Diskrepanz zwischen dem im ursprünglichen Anspruch 1 genannten Copolymeranteil von 1-8 Gew.% und den in den ursprünglichen Ansprüchen 7 und 9 offenbarten Copolymeranteilen von über 16% und 10-30 Gew.%. Schließlich sind die Ansprüche 7 und 9 der ursprünglich eingereichten Anmeldung selbst widersprüchlich, da Anspruch 7 einen Copolymeranteil von über 16% fordert, während der von Anspruch 7 abhängige Anspruch 9 auch Copolymeranteile von weniger als 16% zuzulassen scheint.
Unabhängig hiervon ist die Formulierung in den Ansprüchen 7 und 9 der ursprünglich eingereichten Anmeldung "Polyethylen Copolymer mit einem Copolymeranteil von ..." auch sachlich nicht korrekt, da ein Copolymer keinen Copolymeranteil enthält.
Die Kammer geht daher mit dem Beschwerdeführer überein, dass auf der Grundlage der Gesamtoffenbarung der ursprünglich eingereichten Anmeldung für den Fachmann offensichtlich ist, dass die in den ursprünglichen Ansprüchen 1, 7 und 9 genannten Copolymeranteile fehlerhaft sind. Die erste in G 3/89 formulierte Bedingung für die Gewährbarkeit einer Korrektur nach Regel 139 EPÜ ist daher erfüllt.
3.5 Zur Erfüllung der zweiten in G 3/89 genannten Bedingung (b) sind bei genauer Betrachtung zwei Dinge erforderlich, nämlich dass der Fachmann ausgehend von der ursprünglichen Offenbarung des Streitpatentes unter Berücksichtigung seines allgemeinen Fachwissens
- die durchgeführte Korrektur in Betracht ziehen würde und, falls dies der Fall ist,
- diese Korrektur als die einzige in Frage kommende Korrektur ansehen würde.
3.5.1 Zunächst soll die Frage behandelt werden, ob der Fachmann im vorliegenden Fall die vom Beschwerdeführer durchgeführte Korrektur des Ausdrucks "Copolymeranteil" zu "Comonomeranteil" in Betracht ziehen würde.
Laut Beschwerdeführer ist für den Fachmann eindeutig erkennbar, dass der gemäß letztem Absatz der Seite 2 der ursprünglich eingereichten Anmeldung angestrebte Effekt einer erhöhten Beständigkeit gegen Wasserbäumchenbildung durch einen begrenzten Comonomeranteil, nicht jedoch wie in diesem Absatz angegeben, durch einen begrenzten Copolymeranteil erreicht wird.
Folgte man dieser Sichtweise, so würde man jedoch erwarten, dass der für das Erreichen des angestrebten Effektes relevante Comonomeranteil in Form des irrtümlicherweise verwendeten Begriffes "Copolymeranteil" in den Beispielen der Anmeldung angegeben wird. Dies ist jedoch nicht der Fall. Im Gegenteil, die Beispiele enthalten ausschließlich Angaben zum Gehalt an Copolymer ("20 Teile Polyethylen Copolymer" in Beispiel 1 und "20 Teilen PE Copolymer" in Beispiel 3), machen jedoch keine Angabe zu dem darin enthaltenen Comonomer, geschweige denn dessen Anteil.
Somit ist ausgehend von der ursprünglichen Offenbarung entgegen der Argumentation des Beschwerdeführers davon auszugehen, dass der Anteil an Copolymer, und gerade nicht der Anteil an Comonomer für die Erreichung des durch die Anmeldung angestrebten Effektes relevant ist. Allein aus diesem Grund würde der Fachmann die vom Beschwerdeführer durchgeführte Korrektur nicht in Betracht ziehen.
Ferner löst sich durch die durchgeführte Korrektur nicht, wie vom Beschwerdeführer behauptet, die Unklarheit hinsichtlich der Copolymeranteile der ursprünglich eingereichten Anmeldung in technisch sinnvoller Weise auf (vorletzter Absatz der Seite 7 des Schreibens vom 15. Januar 2010). So führt die Korrektur im ursprünglichen Anspruch 7 zu einem Comonomeranteil von über 16%, während im Widerspruch hierzu der von Anspruch 7 abhängige korrigierte Anspruch 9 Comonomeranteile von unter 16% zulässt. Darüber hinaus ist nicht deutlich, ob die in LLDPE und VLLDPE vorhandenen Comonomere als zum Comonomergehalt beitragend anzusehen sind, oder ob diese unberücksichtigt bleiben müssen, da gemäß ursprünglichem Anspruch 8 LLDPE und VLLDPE als Homopolymere, d. h. als comonomerfrei, anzusehen sind. Schließlich ist nicht klar, ob die in den Beispielen eingesetzten Polyethylencopolymere einen anspruchsgemäßen Comonomergehalt aufweisen und die Beispiele somit im Einklang mit den korrigierten Ansprüchen stehen. Die Kammer kann in diesem Zusammenhang die Auffassung des Beschwerdeführers nicht teilen, dass der Comonomergehalt des Polyethylencopolymers in den Beispielen wie im ursprünglichen Anspruch 9 angegeben 10-30 Gew.% beträgt, da der ursprüngliche Anspruch 9 einen abhängigen Anspruch darstellt und der darin genannte Comonomergehalt daher nicht als wesentliches, d. h. zwingend in den Beispielen vorhandenes Merkmal anzusehen ist.
Somit bleiben trotz Korrektur Unklarheiten nicht nur unaufgelöst, sondern es werden im Gegenteil sogar neue Unklarheiten hinzugefügt. Auch aus diesem Grund würde der Fachmann die vom Beschwerdeführer durchgeführte Korrektur nicht in Betracht ziehen.
3.5.2 Selbst wenn man zugunsten des Beschwerdeführers annimmt, dass der Fachmann die vom Beschwerdeführer vorgenommene Korrektur in Betracht gezogen hätte, würde diese Korrektur nicht die einzig mögliche Korrektur darstellen.
Der Fachmann könnte beispielsweise in der ursprünglichen Offenbarung auch den in Anspruch 1 genannten Copolymeranteil von 1-8 Gew.% belassen und lediglich die in den Ansprüchen 7 und 9 genannten Copolymeranteile zu Comonomeranteilen korrigieren. Durch eine solche Korrektur würde sich nämlich die Nicht-Vereinbarkeit zwischen dem im Anspruch 1 genannten Copolymergehalt einerseits und demjenigen der Ansprüche 7 und 9 andererseits auflösen und die sachlich nicht korrekte Formulierung "Polyethylen Copolymer mit einem Copolymeranteil..." in diesen Ansprüchen beseitigt werden.
Alternativ hierzu könnte der Fachmann sämtliche Copolymeranteile in der Anmeldung belassen und lediglich in den Ansprüchen 7 und 9 den Ausdruck "..., bezogen auf die Polymermischung" nach der Nennung der Copolymeranteile einfügen. Zumindest würde dadurch die sachliche Unrichtigkeit in den Ansprüchen 7 und 9 beseitigt werden, da dann der in diesen Ansprüchen genannte Copolymeranteil kein Copolymeranteil des Copolymers sondern der Polymermischung darstellen würde. Weiterhin würde dadurch der Widerspruch zwischen den ursprünglichen Ansprüchen 7 und 9 einerseits und den Beispielen andererseits aufgehoben werden, da die Copolymeranteile der Beispiele dann in den in den Ansprüchen 7 und 9 geforderten Bereichen lägen. Schließlich würden die so geänderten Ansprüche im Einklang mit dem letzten Absatz der Seite 2 der Beschreibung stehen, die auf die Wichtigkeit des Copolymeranteils in der Polymermischung abstellt.
3.5.3 Zusammenfassend lässt ich somit feststellen, dass die vom Beschwerdeführer vorgenommene Korrektur in den ursprünglichen Ansprüchen 1, 7 und 9 vom Fachmann nicht in Betracht gezogen würde, und wenn überhaupt, nur eine von mindestens drei in Frage kommenden Korrekturen darstellt.
Die zweite für die Gewährbarkeit einer Korrektur nach Regel 139 EPÜ erforderliche Voraussetzung (b) ist somit nicht erfüllt.
3.6 Die Änderung des Begriffes "Copolymeranteil" zu "Comonomeranteil" in den Ansprüchen des Hauptantrages basiert somit nicht auf einer nach Regel 139 EPÜ gewährbaren Korrektur. Diese Änderung verletzt daher die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
Hilfsanträge Ia, Ib und II-XI
4. Zulässigkeit
4.1 Die Hilfsanträge Ia, Ib und II-XI wurden vom Beschwerdeführer während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht. Von den Beschwerdegegnern wurde beantragt, die Anträge nicht in das Verfahren zuzulassen.
Die Anträge unterscheiden sich von dem oben diskutierten Hauptantrag und den während der Verhandlung zurückgezogenen Hilfsanträgen I-XI, eingereicht mit Schreiben vom 28. April 2011, dadurch, dass die Korrektur des Ausdrucks "Copolymeranteil" zurückgenommen wurde, d. h. der Ausdruck "Comonomeranteil" in den Ansprüchen wieder zu "Copolymeranteil" geändert wurde.
4.2 Vom Beschwerdeführer wurde vorgebracht, dass bei Nichtgewährung eines Antrags auf Korrektur automatisch die nicht korrigierten Anträge die Grundlage des weiteren Verfahrens bildeten. Die in der mündlichen Verhandlung neu eingereichten Hilfsanträge entsprächen diesen nicht korrigierten Anträgen und seien somit automatisch Bestandteil des Verfahrens. Diese Sichtweise steht jedoch im Widerspruch zu Artikel 113(2) EPÜ. Dieser Artikel verlangt, dass sich das Europäische Patentamt an die vom Patentinhaber vorgelegte Fassung, d. h. im vorliegenden Fall an die vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 28. April 2011 eingereichten Anträge (Hauptantrag und Hilfsanträge I-XI) zu halten hat. Die Beschwerdekammer kann daher nicht, wie vom Beschwerdeführer gefordert, bei Nicht-Gewährbarkeit dieser Anträge automatisch andere, noch nicht vom Beschwerdeführer vorgelegte Anträge dem Verfahren zugrundelegen. Die in der mündlichen Verhandlung eingereichten Anträge, in denen die Korrektur zurückgenommen wurde, stellen daher neue Anträge dar, die nicht automatisch Teil des Beschwerdeverfahrens sind. Deren Zulässigkeit in das Verfahren, die von den Beschwerdegegnern bestritten wurde, ist daher von der Kammer zu prüfen.
4.3 Bei der Entscheidung über die Zulassung von Anträgen in das Verfahren ist beispielsweise der Zeitpunkt der Einreichung dieser Anträge sowie der Grundsatz der Verfahrensökonomie zu berücksichtigen (Artikel 13(1) VOBK). Im vorliegenden Fall ergibt sich diesbezüglich folgende Sachlage:
4.3.1 Wie vom Beschwerdeführer während der mündlichen Verhandlung bestätigt wurde, war die Gewährbarkeit der Korrektur des Ausdrucks "Copolymeranteil" zu "Comonomeranteil" seit dem Einspruchsverfahren strittig. Darüber hinaus wurde diese Gewährbarkeit von der Kammer im Annex zur Ladung vom 11. November 2010, d. h. mehr als sieben Monate vor der mündlichen Verhandlung, in Frage gestellt. Der Beschwerdeführer hatte somit bereits zu einem frühen Verfahrenszeitpunkt Kenntnis darüber, dass die Korrektur des Ausdrucks "Copolymeranteil" zu "Comonomeranteil" nicht gewährbar sein könnte. Es hätte dem Beschwerdeführer im Rahmen des Verfügungsgrundsatzes freigestanden, im Hinblick auf diese Bedenken spätestens in Reaktion auf den Erhalt der vorläufigen Meinung der Kammer nicht-korrigierte, d. h. auf den Copolymeranteil abstellende Ansprüche einzureichen. Dies ist nicht erfolgt. Im Gegenteil, der Beschwerdeführer reichte in seiner Erwiderung auf die vorläufige Meinung der Kammer ausschließlich korrigierte, d. h. auf den Comonomeranteil abstellende Anspruchssätze ein und wartete bis zur mündlichen Verhandlung, d. h dem spätest möglichen Zeitpunkt des Beschwerdeverfahrens, um diese Korrektur in Form der neu eingereichten Hilfsanträge Ia, Ib und II-XI zurückzunehmen. Der Verfahrensstand, bei dem die Einreichung der neuen Hilfsanträge erfolgte, spricht somit eindeutig gegen eine Zulassung dieser Anträge in das Verfahren.
4.3.2 Im vorliegenden Fall ist auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer während des gesamten Beschwerdeverfahrens konsequent den Ansatz verfolgte, die Ansprüche derart zu lesen, dass sie auf den Comonomeranteil abstellen. So trat der Beschwerdeführer bereits in der Beschwerdebegründung dieser in der Entscheidung der Einspruchsabteilung in einem obiter dictum zum Ausdruck gebrachten Lesart der Ansprüche nicht entgegen. Daran anschließend beantragte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 15. Januar 2010 die Korrektur des Begriffes "Copolymeranteil" in der Beschreibung und den Anträgen zu "Comonomeranteil". Schließlich reichte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 28. April 2011 zwölf Anspruchssätze ein, die alle die Korrektur des Ausdruckes "Copolymeranteil" zu "Comonomeranteil" enthielten. Durch die Zurücknahme der Korrektur in den in der mündlichen Verhandlung neu eingereichten Hilfsanträgen und damit verbunden dem Abstellen auf den Copolymeranteil setzte sich der Beschwerdeführer somit in Widerspruch zu seinem während des gesamten Beschwerdeverfahrens gewählten Ansatz.
4.3.3 Zusätzlich ist in diesem Zusammenhang von Belang, dass bereits in der Einspruchsschrift des Einsprechenden II Fragen bezüglich der Interpretation des Ausdrucks "Copolymeranteil" und damit verbunden Einwände unter Artikel 83 EPÜ geäußert worden waren. Mit dem mit Schreiben vom 15. Januar 2010 durch den Beschwerdeführer gestellten Korrekturantrag und spätestens mit den mit Schreiben vom 28. April 2011 eingereichten, korrigierten und damit ausschließlich auf einen Comonomeranteil abstellenden Anträgen waren diese Einwände gegenstandslos geworden. Durch die Zurücknahme der Korrektur und damit das erneute Abstellen auf den Copolymeranteil in den in der Verhandlung vor der Kammer neu eingereichten Hilfsanträgen werden diese Einwände nun erneut relevant.
4.3.4 Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass sich der Beschwerdeführer mit dem Einreichen der neuen Hilfsanträge nicht nur in Widerspruch zu seinem gesamten vorherigen Vorbringen setzt, sondern dadurch auch noch Einwände wieder aufleben lässt, die durch die vorhergehenden Anträge längst beseitigt worden waren, und dies zum spätest möglichen Zeitpunkt des Beschwerdeverfahrens. Diese Vorgehensweise kommt nach Auffassung der Kammer einem Verfahrensmissbrauch zumindest sehr nahe und entspricht unabhängig hiervon auf jeden Fall nicht der gebotenen Verfahrensökonomie.
4.4 Aus den oben genannten Gründen wurden die in der Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hilfsanträge Ia, Ib und II-XI nicht in das Verfahren zugelassen.
Antrag auf Kostenverteilung
5. Vom Beschwerdegegner II wurde während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ein Antrag auf Kostenverteilung nach Artikel 104 EPÜ gestellt. Dieser wurde damit begründet, dass der mit Schreiben vom 28. April 2011 eingereichte und in das Verfahren zugelassene Hauptantrag den Gegenstand des Verfahrens verschob, so dass eine erneute Vorbereitung seitens des Beschwerdegegners notwendig wurde.
Dem kann sich die Kammer nicht anschließen. Wie oben unter Punkt 2 ausführlich dargelegt, stellt der Hauptantrag eine Reaktion des Beschwerdeführers auf die Fragen dar, die von der Kammer im Annex zur Ladung aufgeworfen wurden. Es ist nicht erkennbar, weshalb für den Beschwerdegegner II dadurch eine zusätzliche Vorbereitung notwendig wurde, insbesondere da der Hauptantrag, wie oben unter Punkt 4.3.2 gezeigt, eine konsequente Fortführung des vom Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens gewählten Ansatzes darstellt. Der Hauptantrag hat daher entgegen den Angaben des Beschwerdegegners keine Verschiebung des Verfahrensgegenstandes zur Folge.
Aus diesen Gründen ist der Antrag auf Kostenverteilung nicht gewährbar.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag des Beschwerdegegners II (Einsprechender II) auf Verteilung der Kosten wird abgewiesen.