T 1286/16 28-09-2021
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Vorrichtung und Verfahren zum Herstellen und Abfüllen von Feinbrät, insbesondere einer Emulsion
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag (nein)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hilfsantrag (nein)
Patentansprüche - Auslegung mehrdeutiger Begriffe
Spät eingereichte Hilfsanträge - Änderungen nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung
Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - Antrag eindeutig gewährbar (nein)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 2 377 405 in geändertem Umfang nach Artikel 101 (3) (a) und 106 (2) EPÜ aufrechtzuerhalten.
II. Die Einspruchsabteilung hatte unter anderem entschieden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags klar sei.
III. Das folgende Beweismittel aus dem Beschwerdeverfahren wird in der vorliegenden Entscheidung behandelt:
D24 Verordnung über Fertigpackungen (Fertigpackungs-
verordnung), 18. Dezember 1981 in der Fassung
der Bekanntmachung vom 8. März 1994
(BGBl. III 7141-6-1-6), aus dem Internet
(https://www.verpackung.org/833.98.html)
Dieses Dokument wurde mit Schriftsatz der Patentinhaberin vom 18. Februar 2020 eingereicht.
IV. Die Beschwerdeführerin Einsprechende beantragt die Aufhebung der angefochtenen Zwischenentscheidung und den Widerruf des Patents.
V. Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent auf Basis der im Einspruchsverfahren geänderten Fassung aufrechtzuerhalten (Hauptantrag). Hilfsweise beantragt sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines der Hilfsanträge I, Ib, II bis V, eingereicht mit Schreiben vom 5. Dezember 2016, bzw. der Hilfsanträge VI bis XII, eingereicht mit Schreiben vom 18. Februar 2020, oder des während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hilfsantrags XIII.
VI. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2019 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung zu den Sachfragen mit. Die mündliche Verhandlung fand am 28. September 2021 in Anwesenheit aller Parteien statt.
VII. Der unabhängige Anspruch 1 der für diese Entscheidung relevanten Anträge hat folgenden Wortlaut:
Hauptantrag (aufrecht erhaltene Fassung)
"Vorrichtung (100) zum Herstellen und Abfüllen von Feinbrät, insbesondere einer Emulsion mit einer Zuführeinrichtung (6) für Füllgut, einer Förderpumpe (1) zum Fördern des Füllguts in Form eines einstellbaren und konstanten Füllgutstroms, mindestens einen nachgeschalteten Feinzerkleinerer (3, 4), sowie einem dem Feinzerkleinerer (3, 4) nachgeschalteten Füllrohr zum Abfüllen des erzeugten Feinbräts bzw. der Emulsion, wobei nach der Förderpumpe (1) ein-Grobzerkleinerer (2) zum Zerkleinern des über die Förderpumpe (1) zugeführten Füllguts angeordnet wird, dem der mindestens eine Feinzerkleinerer (3, 4) nachgeschaltet ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Förderpumpe (1), der Grobzerkleinerer (3) und der mindestens eine nachgeschaltete Feinzerkleinerer (3, 4) jeweils einen eigenen Antriebsmotor (9, 8, 7) aufweisen, wobei die Leistung der Förderpumpe (1) auf eine bestimmte Füllmenge pro Zeit einstellbar ist."
Hilfsantrag I
Wie im Hauptantrag, wobei Anspruch 1 die folgende Änderung aufweist (von der Kammer mit Unterstreichung hervorgehoben):
"... einem dem Feinzerkleinerer (3, 4) nachgeschalteten Füllrohr, das sich direkt an den Feinzerkleinerer (3, 4) anschließt, zum Abfüllen des erzeugten Feinbräts ..."
Hilfsantrag IB
Wie im Hilfsantrag I, wobei Anspruch 1 die folgende Änderung aufweist (von der Kammer mit Unterstreichung hervorgehoben):
"... einer einzigen Förderpumpe (1) zum Fördern des Füllguts in Form eines einstellbaren und konstanten Füllgutstroms..."
Hilfsantrag II
Wie im Hilfsantrag IB, wobei Anspruch 1 die folgende Änderung aufweist (von der Kammer mit Unterstreichung hervorgehoben):
"... dem der mindestens eine Feinzerkleinerer (3, 4) nachgeschaltet ist, wobei die Förderpumpe (1) der Grobzerkleinerer (3), mindestens ein Feinzerkleinerer (3, 4) und das Füllrohr über eine Verrohrung fest oder lösbar miteinander verbunden sind, derart, dass ein geschlossenes System entsteht, dadurch gekennzeichnet, dass..."
Hilfsantrag III
"Verfahren zum kontinuierlichen Herstellen und Abfüllen von Feinbrät, insbesondere einer Emulsion mit einer Vorrichtung (100) zum Herstellen und Abfüllen von Feinbrät, insbesondere einer Emulsion mit einer Zuführeinrichtung (6) für Füllgut, einer Förderpumpe (1) zum Fördern des Füllguts in Form eines einstellbaren und konstanten Füllgutstroms, mindestens einem nachgeschalteten Feinzerkleinerer (3, 4), sowie einem dem Feinzerkleinerer (3, 4) nachgeschalteten Füllrohr zum Abfüllen des erzeugten Feinbräts bzw. der Emulsion, wobei nach der Förderpumpe (1) ein Grobzerkleinerer (2) zum Zerkleinern des über die Förderpumpe (1) zugeführten Füllguts angeordnet wird, dem der mindestens eine Feinzerkleinerer (3, 4) nachgeschaltet ist, wobei die Förderpumpe (1), der Grobzerkleinerer (3) und der mindestens eine nachgeschaltete Feinzerkleinerer (3, 4) jeweils einen eigenen Antriebsmotor (9, 8, 7) aufweisen, wobei die Leistung der Förderpumpe (1) auf eine bestimmte Füllmenge pro Zeit einstellbar ist, wobei
a) Füllgut einer Förderpumpe (1) zugeführt wird,
b) das Füllgut zu einem nachgeschalteten Feinzerkleinerer (2) weitergeleitet wird,
c) das Füllgut in dem Feinzerkleinerer (2) feinzerkleinert wird und
d) das erzeugte Feinbrät bzw. die Emulsion über ein nachgeschaltetes Füllrohr (12) abgefüllt wird,
dass vor Schritt b) das Füllgut in einer ersten Zerkleinerungsstufe aus der Förderpumpe (1) in einem Schritt a' einem Grobzerkleinerer (2) zugeführt wird und im Grobzerkleinerer (2) vorzerkleinert wird, bevor es in Schritt c) in einer zweiten Zerkleinerungsstufe feinzerkleinert wird und die Förderpumpe (1), der Grobzerkleinerer (3) und der nachgeschaltete Feinzerkleinerer (3, 4) durch jeweils einen eigenen Antriebsmotor (9, 8, 7) angetrieben werden, wobei die Leistung der Förderpumpe auf eine bestimmte Füllmenge pro Zeit eingestellt wird."
Hilfsantrag IV
Wie im Hauptantrag, wobei das Merkmal "dass die Vorrichtung eine zentrale Steuerung (50) aufweist, die den Antrieb (9, 8, 7) der Förderpumpe (1), des Grobzerkleinerers (2) und des mindestens einen Feinzerkleinerers (3) regelt" am Ende des Kennzeichens hinzugefügt wurde.
Hilfsantrag V
Wie im Hilfsantrag IV, wobei das Merkmal "und wobei die Drehzahl des mindestens einen rotierenden Zerkleinerungswerkzeugs (30a, b) einer Zerkleinerungsstufe in Abhängigkeit von folgenden Parameter eingestellt wird: Förderleistung der Förderpumpe, Art des Produkts, Zerkleinerungsgrad, Art des Zerkleinerungswerkzeugs" am Ende des Kennzeichens hinzugefügt wurde.
Hilfsanträge VI-X, XII
Wie in einem der Hilfsanträge IV, I, IB, II, III oder V, wobei die Merkmale "so dass Druckverluste in den jeweiligen Zerkleinerungsstufen kompensiert werden können und wobei die Vorrichtung eine zentrale Steuerung (50) aufweist, die den Antrieb (9, 8, 7) der Förderpumpe (1), des Grobzerkleinerers (2) und des mindestens einen Feinzerkleinerers (3) regelt" am Ende des Kennzeichens hinzugefügt wurden.
Hilfsantrag XI
Wie im Hilfsantrag VI, wobei Anspruch 1 die folgende Änderung aufweist (von der Kammer mit Durch- und Unterstreichung hervorgehoben):
"... so dass Druckverluste in den jeweiligen Zerkleinerungsstufen kompensiert werden können und [deleted: wobei] dass die Vorrichtung eine zentrale Steuerung (50) aufweist..."
Hilfsantrag XIII
Wie im Hilfsantrag II, wobei Anspruch 1 die folgende Streichung aufweist:
"... dadurch gekennzeichnet, dass die Förderpumpe (1), der Grobzerkleinerer {3) und der mindestens eine nachgeschaltete Feinzerkleinerer (3, 4) jeweils einen eigenen Antriebsmotor (9, 8, 7) aufweisen[deleted: , wobei die Leistung der Förderpumpe (1) auf eine bestimmte Füllmenge pro Zeit einstellbar ist]."
VIII. Die Beschwerdeführerin Einsprechende hat zu den entscheidungserheblichen Punkten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Anspruch 1 aller Anträge sei unklar. Der Hilfsantrag XIII solle nicht zum Verfahren zugelassen werden, da er gegen das Verschlechterungsverbot verstoße.
IX. Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Anspruch 1 aller Anträge sei klar. Der Hilfsantrag XIII sei zuzulassen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung zum Herstellen und Abfüllen von Feinbrät, siehe die Figuren 1 und 2 der Patentschrift. Diese Vorrichtung umfasst eine Förderpumpe (1), einen nachgeschalteten Grobzerkleinerer (2), mindestens einen dem Grobzerkleinerer nachgeschalteten Feinzerkleinerer (3, 4) und ein dem Feinzerkleinerer nachgeschaltetes Füllrohr zum Abfüllen des Feinbräts. Bei Betrieb der Vorrichtung erzeugt die Förderpumpe Druck, um damit einen Füllgutstrom durch die Vorrichtung zu schieben. Der Füllgutstrom wird mittels des Grobzerkleinerers und des mindestens einen Feinzerkleinerers in einen Feinbrätstrom umgewandelt, der schließlich durch das Füllrohr abgefüllt wird. Erfindungsgemäß ist die Leistung der Förderpumpe auf eine bestimmte Füllmenge pro Zeit einstellbar. Dadurch sollen Druckverluste in den jeweiligen Zerkleinerungsstufen kompensiert werden (Patentschrift, Absatz 0013).
Außerdem betrifft das Streitpatent ein Verfahren zum kontinuierlichen Herstellen und Abfüllen von Feinbrät, bei dem die Leistung der Förderpumpe auf eine bestimmte Füllmenge pro Zeit einstellbar ist.
3. Hauptantrag, Hilfsanträge I, IB, II bis XII - Klarheit
Die angegriffene Entscheidung bejahte die Klarheit von Anspruch 1 des Hauptantrags, siehe Absatz 3 der Entscheidungsgründe. Die Einsprechende bestreitet diesen Befund der Entscheidung.
3.1 Die Angabe in Anspruch 1, dass "[die Leistung der Förderpumpe] auf eine bestimme Füllmenge pro Zeit einstellbar ist", definiert die Einstellbarkeit der Leistung der Förderpumpe anhand des zu erzielenden Ergebnisses. Anstatt die Einstellbarkeit unmittelbar und konkret durch Merkmale der Förderpumpe bzw. der Leistungseinstellung zu definieren, wird sie durch gewünschte Auswirkungen auf das transportierte Füllgut bzw. das abgefüllte Feinbrät gekennzeichnet. Insofern es dem Fachmann aus einer solchen Angabe sofort ersichtlich ist, welche Merkmale der Förderpumpe oder der Leistungseinstellung damit gemeint sind, und er sie ohne unzumutbaren Aufwand so ausbilden kann, wäre die Klarheit gegeben.
3.2 Im vorliegenden Fall ist dagegen unklar, was genau mit den Angaben "Leistung der Förderpumpe" und "Füllmenge pro Zeit" gemeint ist, und wie eine derartige Einstellung der Leistung der Förderpumpe durchgeführt werden soll:
3.2.1 Auf dem technischen Gebiet der Pumpen ist Leistung das Produkt von Volumenstrom und Druckdifferenz. Das Streitpatent dagegen setzt die Leistung mit dem Volumenstrom gleich, siehe Absatz 0013 der Patentschrift ("Füllleistung der Förderpumpe, d.h. dem Volumenstrom"). Auch die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin argumentiert ohne Berücksichtigung der Druckdifferenz alleine mit einer Proportionalität zwischen Leistung und Volumenstrom, siehe die Erwiderung vom 18. Februar 2020, Seite 2, letzter Absatz sowie Seite 3, dritter Absatz. Wenn man annimmt, dass das Patent sein eigenes Wörterbuch ist, verlangt Anspruch 1 bei dieser Auslegung, dass der Volumenstrom der Förderpumpe auf eine bestimmte Füllmenge pro Zeit einstellbar ist. Daher muss die Kammer nun die Bedeutung der Füllmenge ermitteln.
3.2.2 Unter Verweis auf die Fertigverpackungsverordnung D24 vertritt die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin die Auffassung, dass ein Fachmann unter Füllmenge die am Füllrohr abgefüllte Menge versteht, siehe Schriftsatz vom 18. Februar 2020, Seite 3, dritter Absatz. Bei dieser Auslegung betrifft die Füllmenge das Feinbrät, das die Vorrichtung am Füllrohr verlässt und dort z.B. durch Abdrehen oder Setzen eines Clips portionsweise in der Wursthülle verpackt wird. Wenn der Volumenstrom der Förderpumpe (bei obiger Auslegung der "Leistung der Förderpumpe") auf die am Füllrohr anliegende Füllmenge einstellbar sein soll, muss diese Füllmenge auch ein Volumen betreffen. Anderenfalls ergäbe die Füllmenge pro Zeit am Füllrohr keinen Volumenstrom. Jedoch ist eine Auslegung der Füllmenge als ein Volumen aus Sicht der Kammer unklar, da z.B. aus Feinbrät hergestellte Würste nach der allgemeinen Lebenserfahrung gerade nicht nach ihrem Volumen gemessen, sondern gezählt (Stückzahl) oder gewogen (Gewicht) werden. Siehe dazu auch die D24, wo in §6(1) die Stückzahl und das Gewicht (neben dem Volumen) als typische Füllmengen genannt werden.
Aus diesen Gründen gelangt die Kammer zum Zwischenfazit, dass Anspruch 1 bereits wegen des vermutlich auf das am Füllrohr abgegebene Volumen gerichteten Merkmals "Füllmenge" unklar ist.
3.2.3 Selbst wenn man die Füllmenge als das am Füllrohr abgegebene Volumen des Feinbräts auslegen würde, ist unklar, wie dieses Volumen zur Einstellung der Leistung der Förderpumpe herangezogen werden kann. Denn das Feinbrät (bzw. ein Feinbrätstrom) besteht am Füllrohr nicht mehr vollständig aus dem anfangs von der Förderpumpe geförderten Füllgut. In den Zerkleinerungsstufen können nicht essbare Hartteile oder fleischfremde Bestandteile abgeführt werden. Zudem können stromab des Grobzerkleinerers Wasser, Eiswasser oder sonstige Zusatzstoffe zugeführt werden, siehe die Absätze 0015 und 0025 der Patentschrift und Anspruch 5 des Hauptantrags. Somit werden dem Füllgutstrom zwischen der Förderpumpe und dem Füllrohr weitere Stoffströme in unbekannter Größe zu- bzw. von ihm abgeführt. Aus dem Anspruchswortlaut geht nicht hervor, durch welche Vorrichtungsmerkmale die zu- oder abgeführten Stoffströme bei der Einstellung des Volumenstroms der Förderpumpe (bei obiger Auslegung der "Leistung der Förderpumpe") berücksichtigt werden. Das Argument der Beschwerdegegnerin, wonach das Gewicht der Wurst durch Wiegen bestimmt werden könne, um damit die Leistung bzw. den Volumenstrom der Förderpumpe nachzuregeln, führt zu keiner anderen Sichtweise, da es statt des Volumens die Masse des Feinbräts betrifft. Eine Umrechnung der eventuell durch Wiegen ermittelten Masse in ein Volumen ist nur bei Kenntnis der Dichte des Feinbräts möglich, aber entsprechende Vorrichtungsmerkmale fehlen ebenfalls in Anspruch 1.
3.3 Nach ständiger Rechtsprechung sind Merkmale, die durch das zu erzielende Ergebnis definiert werden ("auf eine bestimmte Füllmenge pro Zeit einstellbar") zulässig, solange der Fachmann im Rahmen seiner normalen Fachkenntnisse weiß, was er zu tun hat, um zu dem angegebenen Ergebnis zu gelangen, siehe RdBK, 9. Auflage 2019, II.A.3.4. Im vorliegenden Fall ist jedoch bereits unklar, ob die "Füllmenge pro Zeit" auf einen Massenstrom oder auf einen Volumenstrom des Feinbräts am Füllrohr bezogen ist. Selbst bei Auslegung als Volumenstrom wird dieser noch von den unbekannten zugeführten und abgeführten Stoffströmen bestimmt. Aus Sicht der Kammer übersteigt es die normalen Fachkenntnisse des Fachmanns, unter diesen Bedingungen zu einer entsprechenden Einstellung der Leistung der Förderpumpe zu gelangen. Folglich ist Anspruch 1 unklar formuliert und erfüllt nicht die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ.
3.4 Der Verfahrensanspruch 9 des Hauptantrags ist wegen des Merkmals "wobei die Leistung der Förderpumpe auf eine bestimmte Füllmenge pro Zeit eingestellt wird" aus denselben Gründen unklar, Artikel 84 EPÜ.
3.5 Keiner der Hilfsanträge I, IB oder II bis XII enthält ein Merkmal, wonach auch die zu- oder abgeführten Stoffströme tatsächlich gemessen und dann bei der Einstellung der Leistung der Förderpumpe berücksichtigt werden. Erst eine solche Ergänzung könnte aus Sicht der Kammer der oben identifizierten Unklarheit abhelfen. Daher gelten die obigen Überlegungen zum Hauptantrag für diese Hilfsanträge mutatis mutandis. Mithin sind auch die unabhängigen Ansprüche der Hilfsanträge I, IB und II bis XII nicht klar, Artikel 84 EPÜ.
4. Hilfsantrag XIII - Zulassung zum Verfahren
4.1 Die Vorlage des Hilfsantrags XIII erfolgte erst in der mündlichen Verhandlung. Dieser verspätet vorgelegte Hilfsantrag stellt geändertes Vorbringen dar, dessen Zulassung nach Maßgabe der Erfordernisse des Artikels 13(1) und (3) VOBK 2007 erfolgt.
Gemäß einem von den Kammern häufig angewandten Ansatz werden erst nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung eingereichte Anträge nur dann zugelassen, wenn sie u.a. eindeutig und offensichtlich gewährbar sind, d.h. für die Kammer muss ohne großen Ermittlungsaufwand sofort ersichtlich sein, dass die vorgenommenen Änderungen den aufgeworfenen Fragen erfolgreich Rechnung tragen, ohne ihrerseits zu neuen Fragen Anlass zu geben (RdBK, 9. Auflage 2019, V.A.4.5.1b)).
4.2 Diese Bedingung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt:
4.2.1 Die Beschwerdeführerin Einsprechende erhebt den Einwand, dass der Hilfsantrag XIII gegen das Verbot der reformatio in peius verstoße. Wegen der Streichung des entsprechenden Merkmals enthält Anspruch 1 unbestritten nicht mehr das Merkmal "wobei die Leistung der Förderpumpe auf eine bestimmte Füllmenge pro Zeit einstellbar ist", das in den unabhängigen Ansprüchen aller anderen Anträge, und insbesondere in den von der Einspruchsabteilung aufrecht erhaltenen Ansprüchen gemäß dem vorliegenden Hauptantrag enthalten war. Die Kammer muss daher prüfen, ob durch diese Streichung mögliche Beschränkungen, die sich durch die Auslegung der Ansprüche gemäß Hauptantrag ergaben, nicht mehr vom Hilfsantrag XIII umfasst sind.
4.2.2 Aus den im Absatz 3.2 dieser Entscheidung genannten Gründen ist die Kammer für das im Hilfsantrag XIII gestrichene Merkmal zu der Auslegung gelangt, dass der Füllgutstrom den Massen- oder Volumenstrom des zugeführten Fleisches an der Stelle der Förderpumpe betrifft, während die Füllmenge pro Zeit den Massen- oder Volumenstrom des Feinbräts an der Stelle des Füllrohrs bezeichnet. Aus den genannten Gründen fehlen im Volumenstrom des Feinbräts gegenüber dem zugeführten Fleisch die nicht essbaren Hartteile oder fleischfremden Bestandteile, und Wasser, Eiswasser oder sonstige Zusatzstoffe sind hinzugekommen. Daraus hat die Kammer geschlossen, das bei der Einstellung des Volumenstroms der Förderpumpe (bei obiger Auslegung der "Leistung der Förderpumpe") zumindest Informationen über die ab- und zugeführten Volumenströme berücksichtigt werden müssen, um diesen Volumenstrom auf den am Füllrohr anliegenden Massen- oder Volumenstrom (bei obiger Auslegung die "Füllmenge pro Zeit") einstellen zu können.
4.2.3 Durch die Streichung des Merkmals umfasst Anspruch 1 des Hilfsantrags XIII auch Ausführungsformen, bei denen die Einstellung der Leistung / des Volumenstroms der Förderpumpe ohne Berücksichtigung der zu- und abgeführten Volumenströme erfolgt. Es mag zwar sein, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, dass die zugeführten Volumenströme an Wasser und Zusatzstoffen einer festgelegten Rezeptur entsprechen und daher konstant sind. Die Kammer ist dagegen nicht davon überzeugt, dass die Menge an abgeführten nicht essbaren Hartteilen oder fleischfremden Bestandteilen ebenfalls konstant ist. Fleisch ist ein Naturprodukt, das zudem im Metzgereibetrieb von Menschen in die der Zuführeinrichtung eingegebenen Stücke portioniert und dabei mehr oder weniger sorgfältig von nicht essbaren Bestandteilen befreit wird. Zudem ist das Vorhandensein fleischfremder Bestandteile wie Metallteile und Clips unabhängig von der Qualität des zugeführten Fleisches. Die Kammer kann daher auch bei einer konstanten Fleischqualität gewisse Schwankungen im abgeführten Volumenstrom nicht ausschließen. Solche Schwankungen im Feinbrätstrom am Füllrohr, also der "Füllmenge pro Zeit" werden in Anspruch 1 des Hilfsantrags XIII - im Gegensatz zu den übrigen Anträgen - nicht mehr bei der Einstellung der Förderpumpe berücksichtigt. Es kann daher nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass der Hilfsantrag XIII zu einer reformatio in peius führt.
4.3 Wird ein unklares Merkmal gestrichen, so kann dem Einwand des Verschlechterungsverbotes (reformatio in peius) nur dadurch Rechnung getragen werden, dass zusätzlich Merkmale aufgenommen werden, die alle der möglichen Auslegungen umfassen, mithin bei keiner Auslegungsmöglichkeit über den aufrecht erhaltenen Anspruchssatz hinausgehen. Das ist vorliegend nicht ohne weiteres (prima facie) der Fall.
4.4 Mithin werden vom Hilfsantrag XIII Fragen aufgeworfen, die dazu führen, dass die Ansprüche nicht mehr eindeutig und offensichtlich gewährbar im obigen Sinne sind. Folglich kommt eine Zulassung für die Kammer nicht in Betracht. Daher entschied die Kammer in Ausübung ihres Ermessens, den Hilfsantrags XIII nicht ins Verfahren zuzulassen, Artikel 13(3) VOBK 2007.
5. Die Kammer schließt aus den obengenannten Gründen, dass der Hauptantrag und die Hilfsanträge I, IB sowie II bis XII nicht gewährbar sind, da Anspruch 1 dieser Anträge nicht klar ist, Artikel 84 EPÜ. Der Hilfsantrag XIII wurde nicht zum Verfahren zugelassen.
Im Gegensatz zum Befund der angegriffenen Entscheidung stellt die Kammer somit fest, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen dieses Übereinkommens nicht genügen, Artikel 101 (3) b) EPÜ.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das europäische Patent wird widerrufen.