T 1910/16 22-09-2021
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Kraftübertragungseinrichtung umfassend eine hydrodynamische Komponente und eine Überbrückungskupplung sowie eine Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
Irrtümlicher Abschluss des Einspruchsverfahrens durch die Einspruchsabteilung
I. Die Patentinhaberin legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 22.04.2016 ein, das Patent zu widerrufen.
Die Einspruchsabteilung befand, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht neu gegenüber D3 und D6 sei und dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ausgehend von D3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
II. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt oder auf Grundlage des während der Einspruchsverhandlung eingereichten Hilfsantrags.
III. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, weil das Einspruchsverfahren zum Zeitpunkt der Beschwerde bereits beendet gewesen sei und weil die Beschwerde nicht ausreichend substantiiert worden sei.
Für den Fall, dass die Beschwerde zulässig sei, beantragte sie die Zurückweisung der Beschwerde.
IV. Am 22. September 2021 fand per Videokonferenz eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
V. Für diese Entscheidung sind die folgenden Dokumente relevant:
D1 JP 10-47453
D3 US2007051577 A1
D6 US2004185940 A1
VI. Die unabhängigen Ansprüche haben folgenden Wortlaut:
a) Hauptantrag
Anspruch 1 wie erteilt mit Merkmalsnummerierung durch die Kammer.
"Kraftübertragungseinrichtung umfassend
1
eine hydrodynamische Komponente und
2
eine Überbrückungskupplung sowie
3
eine Vorrichtung (1) zur Dämpfung von Schwingungen, , [sic] insbesondere mehrstufiger Reihen-Parallel-Schwingungsdämpfer,
umfassend zumindest zwei parallel geschaltete, koaxial angeordnete und zumindest jeweils einen Eingangsteil (8, 11) und einen Ausgangsteil (10, 12) aufweisende Dämpferanordnungen (5, 7) -
3.1
eine erste Dämpferanordnung (5), die als Reihendämpfer, umfassend zumindest zwei in Reihe geschaltete und über einen Zwischenflansch (23) gekoppelte Dämpfer (6.1, 6.2) ausgebildet ist und
3.2
eine zweite Dämpferanordnung (7)
3.3
wobei das Ausgangsteil (10) der ersten Dämpferanordnung (5) mit dem Ausgangsteil (12) der zweiten Dämpferanordnung (7) eine bauliche Einheit bildet und
3.4
erste und zweite Dämpferanordnung (5, 7) in radialer Richtung auf unterschiedlichen Durchmessern (d3, d4) angeordnet sind,
dadurch gekennzeichnet, dass
4
die Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen der hydrodynamischen Komponente nachgeschaltet angeordnet ist und dass
3.5
die zweite Dämpferanordnung mit Verdrehspiel ausgeführt ist."
b) Hilfsantrag:
Im kennzeichnenden Teil wurde das Merkmal hinzugefügt, wonach
3.6
"die erste Dämpferanordnung (5) in radialer Richtung auf einem größeren Durchmesser (d3) angeordnet ist, als die zweite Dämpferanordnung (7)".
VII. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Zulässigkeit der Beschwerde - Regel 99 (2) EPÜ
a) Sie habe die in der Einspruchsentscheidung diskutierten Einwände in ihrer Beschwerdebegründung ausreichend behandelt. Die Beschwerde sei daher substantiiert.
b) Sie habe die Beschwerde rechtzeitig eingelegt und um Einziehung der Beschwerdegebühr gebeten. Sie wurde durch den Beschluss der Einspruchsabteilung, das Einspruchsverfahren zu beenden, überrascht und habe umgehend Maßnahmen ergriffen, den Irrtum aufzuklären. Das Beschwerdeverfahren müsse unabhängig von der irrtümlichen Mitteilung der Einspruchsabteilung fortgesetzt werden.
Hauptantrag - Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ)
Der Entscheidung der Einspruchsabteilung bezüglich Artikel 83 EPÜ stimme sie zu. Die Entscheidung verweist auf Absatz [0044], wo die Anordnung von Schwingungsdämpfer, Überbrückungskupplung und hydrodynamischer Komponente in Worten beschrieben sei.
Hauptantrag - Neuheit (Artikel 54 (2) EPÜ)
D3 offenbare zwei Dämpferanordnungen, bestehend aus einerseits der Feder 14 und andererseits den Federn 16 und 17. Diese Dämpferanordnungen seien nicht auf zwei verschiedenen Durchmessern angeordnet. Die Figuren 1-9 bezögen sich nicht auf das Funktionsschema der Figur 10, sondern nur auf Figur 10a. Daher fehle ein konkretes Ausführungsbeispiel für das Schema der Figur 10.
Außerdem offenbare D3 mehrere Scheiben als Ausgangsteil, die gegeneinander verdrehbar seien und daher keine bauliche Einheit bildeten.
Daher sei der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags neu gegenüber D3.
Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Ausgehend von D3 stünde der Fachmann nicht lediglich vor der Alternative, welche der beiden Dämpferanordnungen auf einem inneren, und welche auf einem äußeren Radius anzuordnen sei. Im Gegenteil gebe es viele weitere Möglichkeiten, die Federn anzuordnen, z. B. auf drei verschiedenen Durchmessern oder versetzt zueinander. Daher sei es nicht naheliegend, genau die Anordnung der D1 zu verwenden, um die Dämpfungseigenschaften der Vorrichtung zu verbessern.
VIII. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Zulässigkeit der Beschwerde - Regel 99 (2) EPÜ
a) Die Beschwerde sei nicht substantiiert, weil bezüglich Neuheit des Hauptantrags nur wenige, nicht überzeugende Argumente vorgetragen worden seien. Außerdem sei in der Beschwerdebegründung bezüglich erfinderischer Tätigkeit des Hilfsantrags das Dokument D1 nicht behandelt worden, auf dem die Entscheidung der Einspruchsabteilung beruhe.
b) Das Einspruchsverfahren sei mit Schreiben der Einspruchsabteilung vom 5. August 2016 beendet worden. Zu diesem Zeitpunkt sei für die Beschwerdegegnerin per Akteneinsicht nicht erkennbar gewesen, dass die Beschwerde als eingelegt galt. Sie habe daher davon ausgehen müssen, dass das Einspruchsverfahren abgeschlossen gewesen sei. Aus Gründen der Rechtssicherheit dürfe das Beschwerdeverfahren nicht nachträglich wieder eröffnet werden.
Hauptantrag - Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ)
Die hydrodynamische Komponente sei in den Figuren nicht gezeigt, und die Überbrückungskupplung sei nur teilweise gezeigt. Es sei kein detailliertes Ausführungsbeispiel offenbart, das zeige, wie diese beiden Komponenten zusammen mit dem Schwingungsdämpfer genutzt werden könnten. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei daher nicht ausreichend offenbart (Artikel 83 EPÜ).
Hauptantrag - Neuheit (Artikel 54 (2) EPÜ)
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags sei nicht neu gegenüber D3. Insbesondere entspreche das Funktionsschema der Figur 10 dem Schema von Figur 1 des Streitpatents. Der technische Aufbau zum Schema der Figur 10 sei in den Figuren 1-9, soweit zutreffend, dargestellt. Die Merkmale 3, 3.1, 3.2 und 3.3 seien Absatz [0049] zu entnehmen, der für alle drei Ausführungsformen der D3 gelte. Absatz [0055] verknüpfe die Beschreibung der Figuren 1-9 mit dem Schema der Figur 10, sodass der Fachmann sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 der D3 entnehmen könne.
Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Das unterscheidende Merkmal gegenüber D3 sei, dass "die erste Dämpferanordnung (5) in radialer Richtung auf einem größeren Durchmesser (d3) angeordnet ist, als die zweite Dämpferanordnung (7)". Dieses Merkmal erlaube, größere Verdrehwinkel zwischen den Eingangs- und Ausgangsteilen. Die objektive Aufgabe sei daher, die Dämpfungswirkung der Vorrichtung zu verbessern.
Für den Fachmann sei es naheliegend, die Federanordnung aus der D1 auf die Vorrichtung der D3 zu übertragen, um die gestellte Aufgabe zu lösen.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
1.1 Substantiierung der Beschwerde (Regel 99 (2) EPÜ)
Die Beschwerdegegnerin hält die Beschwerde für nicht substantiiert und daher für nicht zulässig, weil bezüglich der Neuheit des Hauptantrags nur wenige, nicht überzeugende Argumente vorgetragen worden seien.
Die Beschwerdeführerin hat jedoch in ihrer Beschwerdebegründung zur Neuheit von Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber Dokument D3 vorgetragen, dass es das Merkmal der Nachschaltung des Dämpfers in Bezug auf die hydrodynamische Komponente nicht zeige. Weiter trug sie vor, dass sich aus D3 nicht herleiten lasse, dass die Funktionsweise der Vorrichtung nach den Figuren 1-9 auch für die Prinzipskizze der Figur 10 gelte.
Zur Neuheit von Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber Dokument D6 hatte die Beschwerdeführerin vorgetragen, dass dort keine Nachschaltung des Dämpfers in Bezug auf die hydrodynamische Komponente offenbart sei.
Für die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde kommt es nicht darauf an, ob die Argumente überzeugend oder stichhaltig waren. Die vorgebrachten Argumente stellen eine konkrete Begründung der Beschwerde in Bezug auf alle in der Einspruchsentscheidung behandelten Einwände gegen die Neuheit von Anspruch 1 des Hauptantrags dar. Damit die Voraussetzung der Regel 99 (2) EPÜ als erfüllt angesehen werden kann, genügt im Übrigen im vorliegenden Fall auch der Vortrag zum Hauptantrag. Die Beschwerdeführerin hat nämlich durch ihre Argumente gegen die Neuheitseinwände in der Beschwerdebegründung dargelegt, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung (hier der Widerruf des Patents) aufzuheben sei. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob - wie von der Beschwerdegegnerin beanstandet - der Vortrag der Beschwerdeführerin zum Hilfsantrag unzureichend war.
1.2 Irrtümlicher Abschluss des Einspruchsverfahrens
Die Beschwerde einschließlich des Auftrags, die Beschwerdegebühr einzuziehen, ist am 6. Mai 2016 beim EPA eingegangen.
Die Einspruchsabteilung erklärte das Einspruchsverfahren mit Schreiben an beide Parteien vom 5. August 2016 für "rechtskräftig abgeschlossen". Außerdem wurde irrtümlicherweise die Beschwerdegebühr zunächst nicht eingezogen.
Die Beschwerdeführerin wies das EPA umgehend auf die bereits am 6. Mai 2016 eingelegte Beschwerde hin. Daraufhin wurde die Beschwerdegebühr einzogen und die Einspruchsabteilung hob mit Schreiben vom 24. August 2016 die Mitteilung vom 5. August 2016 auf und informierte die Parteien, dass die Beschwerde am 6. Mai 2016 rechtskräftig eingelegt worden war.
Mit dem wirksamen Einreichen der Beschwerde war die Kompetenz für das Verfahren bereits auf die Beschwerdekammer übergegangen, sodass die Einspruchsabteilung gar nicht befugt war, das Einspruchsverfahren für "rechtskräftig abgeschlossen" zu erklären. Der "Abschluss" des Verfahrens durch die Einspruchsabteilung hatte daher keinerlei Wirkung in Bezug auf das bereits laufende Beschwerdeverfahren.
1.3 Daher ist die Beschwerde zulässig.
2. Hauptantrag
2.1 Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ)
Die Beschwerdegegnerin argumentiert, die hydrodynamische Komponente (Merkmal 1) sei in den Figuren nicht gezeigt, und die Überbrückungskupplung (Merkmal 2) sei nur teilweise gezeigt. Es sei kein detailliertes Ausführungsbeispiel offenbart, das zeige, wie diese beiden Komponenten zusammen mit dem Schwingungsdämpfer genutzt werden könnten. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei daher nicht ausreichend offenbart (Artikel 83 EPÜ).
Eine Anordnung aus einer hydrodynamischen Komponente, einer Überbrückungskupplung und einem Schwingungsdämpfer ist dem Fachmann auf dem Gebiet der Kupplungen jedoch geläufig. Auch der grundsätzliche Aufbau der genannten Komponenten ist dem Fachmann gut bekannt. Daher genügt der einfache Hinweis in Absatz [0044] der Patentschrift auf die Reihenschaltung dieser Komponenten, um die gesamte Kraftübertragungs-einrichtung gemäß Anspruch 1 aufzubauen.
Das Patent erfüllt daher die Anforderungen des Artikels 83 EPÜ.
2.2 Neuheit (Artikel 54 (2) EPÜ)
2.2.1 Dokument D3 offenbart (Figur 1) eine Kraftübertragungseinrichtung umfassend
- eine hydrodynamische Komponente (pump 24, turbine 26) (Merkmal 1) und
- eine Überbrückungskupplung (20, 21, 28) (Merkmal 2) sowie
- eine Vorrichtung (11) zur Dämpfung von Schwingungen.
2.2.2 Die in Figur 10 schematisch gezeigte Ausführungsform umfasst zwei parallel geschaltete, koaxial angeordnete und zumindest jeweils ein Eingangsteil (12) und ein Ausgangsteil (22) aufweisende Dämpferanordnungen (spring sets 1+2, spring set 3) (Merkmal 3), wobei die erste Dämpferanordnung als Reihendämpfer, umfassend die zwei in Reihe geschalteten und über einen Zwischenflansch (18) gekoppelten Federn (14) und (16), ausgebildet ist. Die Zeilen 6 bis 27 von Absatz [0049] beschreiben, dass gemäß Figur 10 ausgehend von dem Eingangsteil (12) über die Feder 14, den schwimmenden Zwischenflansch (18) und über die Feder (16) das aus einer Scheibe gebildete Ausgangsteil (22) beaufschlagt wird. Dies stellt den anspruchsgemäßen Reihendämpfer nach Merkmal 3.1 dar.
Die Zeilen 27 bis 32 von Absatz [0049] beschreiben, dass in der Ausführungsform nach Figur 10 die Feder (17) das Eingangsteil (12) direkt mit dem Ausgangsteil (13) verbindet, so wie es auch in Figur 10 dargestellt ist. Dies stellt die zur ersten Dämpferanordnung parallel geschaltete zweite Dämpferanordnung gemäß den Merkmalen 3 und 3.2 dar.
2.2.3 Die Beschwerdeführerin war der Ansicht, die beiden Federn 16 und 17 bildeten die erste Dämpferanordnung, während die Feder 14 die zweite Dämpferanordnung bilde. Dies entspricht jedoch nicht der Figur 10, die die Federn 14 und 16 als in Reihe geschaltet zeigt, und die Feder 17 parallel dazu. Auch die Beschreibung, Absatz [0049], behandelt die Federn 14 und 16 als zusammengehörig und die Feder 17 separat. Absatz [0050] beschreibt für alle Ausführungsformen explizit, dass die Federn 14 und 16 in Reihe geschaltet sind ("spring sets 1 and 2 operate in series"), und Feder 17 parallel dazu arbeitet ("spring set 3 is introduced in parallel with spring sets 1 and 2..."). Die Interpretation der Beschwerdeführerin ist daher aus der D3 nicht ableitbar.
2.2.4 Absatz [0049] beschreibt, wie oben erläutert, dass beide Dämpferanordnungen auf ein gemeinsames, durch eine Scheibe (output disk) gebildetes Ausgangsteil (22) wirken. "Eine Scheibe" stellt eine bauliche Einheit dar, die jeweils das Ausgangsteil für die erste und zweite Dämpferanordnung bildet, wie in Merkmal 3.3 gefordert.
2.2.5 Die Beschwerdeführerin war der Auffassung, in D3 seien die Ausgangsteile der beiden Dämpferanordnungen gegeneinander verdrehbar. Sie konnte jedoch keine entsprechenden Ausgangsteile in der D3 identifizieren.
2.2.6 Zwar zeigen die Figuren 1-9 nur die technische Ausgestaltung entsprechend des Funktionsschemas von Figur 10a, das sich von dem Funktionsschema der Figur 10 unterscheidet. Die Beschreibung verknüpft jedoch auch die Figur 10 mit den Beispielen der Figuren 1-9, so dass diese, soweit zutreffend, als technische Ausführungsbeispiele zur Figur 10 gesehen werden können.
Die Absätze [0051] bis [0057] der D3 beschreiben die konkrete Ausgestaltung der Figuren 1-9. Die Anordnung und Funktion der ersten Dämpferanordnung (Federn 14, 16, Zwischenflansch 18), so wie sie in den Figuren 2-9 gezeigt ist, gilt dabei gemäß Absatz [0055] für alle drei Ausführungsformen der Figuren 10, 10a und 10b in gleicher Weise (Merkmal 3.1). Daher entnimmt der Leser der D3, dass die Ausführungsform der Figur 10 prinzipiell den gleichen Aufbau hat, wie die in den Figuren 1-9 gezeigte Ausführungsform, und insbesondere, dass die Anordnung der Federn die gleiche ist. Der Fachmann entnimmt also der D3 auch, dass die erste und zweite Dämpferanordnung in radialer Richtung auf unterschiedlichen Durchmessern angeordnet sind (Merkmal 3.4).
2.2.7 Der Beginn von Absatz [0049] beschreibt im Zusammenhang u. a. mit Figur 10, dass das Eingangsteil (12) von einer Turbine angetrieben wird. Die in Figur 10 gezeigte Vorrichtung zur Dämpfung von Schwingungen ist also einer hydrodynamischen Komponente nachgeschaltet angeordnet (Merkmal 4).
2.2.8 Das Merkmal 3.5, wonach die zweite Dämpferanordnung (Feder 17) mit Verdrehspiel ausgeführt ist, ist der Figur 10 zu entnehmen, die jeweils eine Lücke zwischen den Feder-Enden und den Anschlägen 13c und 13a zeigt.
2.2.9 Anhand des Funktionsschemas der Figur 10 und der hierfür zutreffenden Merkmale des in den Figuren 1-9 gezeigten konkreten Aufbaus kann der Fachmann daher der D3 alle Merkmale des Anspruchs 1 des Hauptantrags entnehmen.
Daher ist der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags nicht neu gegenüber D3.
3. Hilfsantrag
3.1 Neuheit (Artikel 54 (2) EPÜ)
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags unterscheidet sich vom Stand der Technik nach D3 dadurch, dass
3.6
"die erste Dämpferanordnung (5) in radialer Richtung auf einem größeren Durchmesser (d3) angeordnet ist, als die zweite Dämpferanordnung (7)".
3.2 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
3.2.1 Ausgehend von D3
Die Beschwerdegegnerin brachte vor, das unterscheidende Merkmal erlaube, wie in Absatz [0014] des Streitpatents beschrieben, größere Verdrehwinkel zwischen den Eingangs- und Ausgangsteilen. Die objektive Aufgabe sei daher, die Dämpfungswirkung der Vorrichtung zu verbessern.
Bereits die D3, Absatz [0009], erwähne, dass ein großer Verdrehwinkel vorteilhaft sei.
Der Fachmann würde die D1 zur Lösung der Aufgabe in Betracht ziehen, da die dort beschriebene Vorrichtung den gleichen Zweck in der gleichen technischen Umgebung erfülle, und weil der prinzipielle Aufbau der Vorrichtungen aus D3 und D1 identisch sei (siehe die jeweilige Figur 1).
Für den Fachmann sei es naheliegend, die Federanordnung aus der D1 zu verwenden, um die gestellte Aufgabe zu lösen.
D1 gibt jedoch keinen Hinweis darauf, dass die dort beschriebene Federanordnung besonders vorteilhaft in Bezug auf die Dämpfungseigenschaften der Vorrichtung wäre, also die gestellte Aufgabe lösen würde.
Es ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinen Fachwissen, dass gerade die spezielle Anordnung der Federn gemäß D1 die gestellte Aufgabe lösen könnte, denn es sind viele andere technische Lösungen denkbar, die zu einer Verbesserung der Dämpfungseigenschaften führen könnten.
Daher hatte der Fachmann keine Veranlassung, die Federanordnung der D1 auf die Kraftübertragungseinrichtung der D3 zu übertragen.
3.2.2 Die Beschwerdegegnerin argumentierte ferner, dass der Fachmann nach der Lektüre der D3 lediglich vor der Frage stünde, welche der beiden Dämpferanordnungen auf dem größeren Radius angeordnet werden solle. Auf diese Frage gebe es nur zwei mögliche Antworten, so dass die Auswahl einer dieser zwei Lösungen nicht erfinderisch sei. Zudem sei es aus Platzgründen naheliegend, die zwei in Reihe angeordneten Federn am äußeren Radius vorzusehen.
Da D3 jedoch bereits eindeutig eine Anordnung offenbart, bei der die Einzelfeder 17 auf dem äußeren Radius angeordnet ist, stellt sich für den Fachmann die Frage, wo welche Feder anzuordnen ist, zunächst überhaupt nicht. Um zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag zu gelangen, müsste er also die bereits vorgegebene Anordnung verwerfen und nach einer alternativen Anordnung suchen. Hierzu findet er aber weder in D3 noch in D1 eine Veranlassung. Zusätzlich würde eine solche Änderung erhebliche Anpassungen der übrigen Komponenten des aus D3 bekannten Schwingungsdämpfers mit sich bringen.
3.2.3 Selbst wenn man sich, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, zur Lösung der gestellten Aufgabe willkürlich darauf beschränken würde, die Federanordnung zu verändern, stünden immer noch viele Möglichkeiten offen, die Federn auf einem einzigen oder mehreren unterschiedlichen Radien und in unterschiedlichen Kombinationen anzuordnen. Es handelt sich hier also nicht um eine einfache Auswahl aus zwei fest vorgegebenen Alternativen. Die Dokumente D3 und D1 zeigen nur zwei von vielen Möglichkeiten, die 3 Federn anzuordnen.
3.2.4 Daher war der Gegenstand von Anspruch 1 für den Fachmann nicht naheliegend, und Anspruch 1 des Hilfsantrags erfüllt Artikel 56 EPÜ.
3.2.5 Ausgehend von D1
Die Beschwerdegegnerin beantragte, einen Einwand zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D1 in Kombination mit D3 vortragen zu dürfen.
Da die unterscheidenden Merkmale des Anspruchs gegenüber D1 andere sind als gegenüber D3 (siehe oben), ergibt sich daraus eine Argumentationskette, die sich grundlegend von der bisher vorgetragenen unterscheidet. Daher stellt diese neue Kombination der Dokumente eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdegegnerin dar. Eine solche Änderung bleibt gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
Die Beschwerdegegnerin brachte vor, D1 sei bereits im Erteilungsverfahren als nächstliegender Stand der Technik genannt worden und die beiden Dokumente D1 und D3 seien bereits im Beschwerdeverfahren behandelt worden. Daher bedeute die neue Argumentationslinie keine Überraschung für die Beteiligten. Ferner habe die Beschwerdeführerin neue Argumente bezüglich der bisherigen Argumentationslinie vorgebracht, auf die nun reagiert werde.
Da jedoch D1, wie vorgetragen, bereits von Beginn an im Verfahren war, hätte die Beschwerdegegnerin einen davon ausgehenden Angriff bereits zusammen mit der Beschwerdebegründung vorbringen können und müssen. Neue Argumente der Beschwerdeführerin bezüglich einer anderen Angrifflinie stellen keinen triftigen Grund für die Beschwerdegegnerin dar, das Beschwerdevorbringen zu ändern.
Der Angriff ausgehend von D1 wurde daher nicht zugelassen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgenden Ansprüchen und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche 1-17: eingereicht während der mündlichen
Verhandlung vom 12. April 2016.