T 1860/17 27-01-2021
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VORRICHTUNG UND VERFAHREN ZUM VOLLSTÄNDIGEN LÖSEN ZUMINDEST EINES TEILS DES BRUSTKNORPELS VON EINER VOM BRUSTFLEISCH BEFREITEN GEFLÜGELKARKASSE
Nordischer Maschinenbau
Rud. Baader GmbH + Co. KG
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (nein)
Änderung des Vorbringens - Änderung zugelassen (nein)
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, zur Post gegeben am 29. Juni 2017, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 587 927 nach Artikel 101(2) EPÜ zurückzuweisen.
II. Der Einspruch gegen das Patent war auf die Gründe Artikel 100 (a) i.V.m. den Artikel 56 EPÜ und Artikel 100 (b) EPÜ gestützt. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass keiner dieser Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht.
III. In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen zitiert:
D2 US 2010 / 0 081 366 A1
D10 US 5 080 631 A
D11 US 4 131 973
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende als Beschwerdeführerin am 21. August 2017 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 9. November 2017 eingereicht.
V. In einem Bescheid vom 19. Januar 2021 gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung nach erfolgter Ladung zur mündlichen Verhandlung mit. Die mündliche Verhandlung fand am 27. Januar 2021 in Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt.
VI. Die Beschwerdeführerin Einsprechende beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
VII. Die Patentinhaberin als Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung des Beschwerde, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur weiteren Verhandlung der Sache im Rahmen eines der Hilfsanträge 1 - 9, alle eingereicht mit Schreiben vom 9. März 2018, weiter hilfsweise Verhandlung zur Sache mit dem Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents im Umfang eines der Hilfsanträge 1 - 9.
VIII. Die für diese Entscheidung relevanten unabhängigen Ansprüche der Anträge haben den folgenden Wortlaut:
Hauptantrag (Patent wie erteilt)
"1. Vorrichtung (10), ausgebildet und eingerichtet zum vollständigen Lösen zumindest eines Teils des Brustknorpels (14) von einer vom Brustfleisch befreiten Geflügelkarkasse (13), umfassend einen zumindest einen Stützkörper (12) zum Aufnehmen und Fixieren der Geflügelkarkasse (13) aufweisenden Transportförderer (11) zum Fördern der Geflügelkarkasse (13) in eine Transportrichtung T, ein Schneidmittel (17) zum Trennen des Brustknorpels (14) oder Teilen davon von der Geflügelkarkasse (13) und eine Steuereinrichtung zum Steuern des Schneidmittels (17),
wobei der Transportförderer (11) mit dem oder jedem Stützkörper (12) derart ausgerichtet und angetrieben ist, dass eine auf dem Stützkörper (12) anzuordnende Geflügelkarkasse (13) mit ihrer Verbindungslinie zwischen dem Brustbein (16) und dem Brustknorpel (14) parallel zu der Transportrichtung T orientiert ist,
dadurch gekennzeichnet, dass das Schneidmittel (17) ein Doppelmesser (18) umfasst, das zum Längseinschneiden der Geflügelkarkasse (13) zumindest entlang eines Teilabschnitts beidseits des Brustknorpels (14) und/oder beidseits des Brustbeins (16) ausgebildet und eingerichtet ist, und das Schneidmittel (17) ein dem Doppelmesser (18) nachgeordnetes Trennelement (27) umfasst, das zum Querschneiden eines Verbindungsbereiches (19) zwischen dem Brustknorpel (14) und dem Brustbein (16) unter vollständiger Ablösung des Brustknorpels (14) von der Geflügelkarkasse (13) ausgebildet und eingerichtet ist."
"13. Verfahren zum vollständigen Lösen zumindest eines Teils des Brustknorpels (14) von einer vom Brustfleisch befreiten Geflügelkarkasse (13) umfassend die Schritte:
Transportieren der Geflügelkarkasse (13) in eine Transportrichtung T mittels eines mindestens einen Stützkörper (12) zum Aufnehmen und Fixieren der Geflügelkarkasse (13) aufweisenden Transportförderers (11), derart, dass eine Verbindungslinie zwischen dem Brustbein (16) und dem Brustknorpel (14) der Geflügelkarkasse (13) parallel zu der Transportrichtung T orientiert ist,
Längseinschneiden der Geflügelkarkasse (13) zumindest entlang eines Teilabschnitts beidseits des Brustknorpels (14) und/oder beidseits des Brustbeins (16) mittels eines Doppelmessers (18), und anschließendes Querschneiden eines Verbindungsbereiches (19) zwischen dem Brustknorpel (14) und dem Brustbein (16) unter vollständiger Ablösung des Brustknorpels (14) von der Geflügelkarkasse (13) mittels eines Trennelementes (27)."
Hilfsantrag 0
Anspruch 1 ist wie im Hauptantrag, wobei der Anspruch die folgenden Änderungen aufweist (von der Kammer mit Durchstreichung hervorgehoben):
"...dass das Schneidmittel (17) ein Doppelmesser (18) umfasst, das zum Längseinschneiden der Geflügelkarkasse (13) zumindest entlang eines Teilabschnitts beidseits des Brustknorpels (14) [deleted: und/oder beidseits des Brustbeins (16)] ausgebildet und eingerichtet ist,..."
Hilfsantrag 0'
Anspruch 1 ist wie im Hilfsantrag 3, wobei der Anspruch die folgenden Änderungen aufweist (von der Kammer mit Durchstreichung hervorgehoben):
"...dass das Schneidmittel (17) ein Doppelmesser (18) umfasst, das zum Längseinschneiden der Geflügelkarkasse (13) zumindest entlang eines Teilabschnitts beidseits des Brustknorpels (14) [deleted: und/oder beidseits des Brustbeins (16)] ausgebildet und eingerichtet ist,..."
Hilfsanträge 1 und 4
Anspruch 1 ist wie im Hauptantrag, unter Hinzufügung des Merkmals "und das Doppelmesser (18) aus einer Warteposition in eine Schneidposition und zurück bewegbar ist" am Ende des Kennzeichens.
Hilfsanträge 2 und 5
Anspruch 1 ist wie im Hilfsantrag 1, unter Hinzufügung des Merkmals "und das Doppelmesser (18) zumindest zwei voneinander beabstandete Einzelmesser (20) umfasst, wobei die Einzelmesser (20) zumindest im Wesentlichen parallel zueinander ausgerichtet sind" am Ende des Kennzeichens.
Hilfsanträge 3 und 8
Anspruch 1 ist wie im Hauptantrag, unter Hinzufügung der Merkmale "das Trennelement (27) aus einer Warteposition in eine Trennposition und zurück bewegbar derart bewegbar angeordnet ist, dass das Trennelement (27) beim Bewegen aus der Warteposition in die Trennposition eine in die Transportrichtung T gerichtete Bewegungsrichtung aufweist, die um einen Winkel alpha gegenüber einer Senkrechten zu der Transportrichtung T geneigt ist" am Ende des Kennzeichens.
Hilfsantrag 6
Anspruch 1 ist wie Anspruch 13 im Hauptantrag, unter Hinzufügung des Merkmals "und das Doppelmesser (18) aus einer Warteposition in eine Schneidposition und zurück bewegbar ist" vor dem Merkmal "und anschließendes Querschneiden eines Verbindungsbereiches (19) zwischen dem Brustknorpel (14) und dem Brustbein (16) unter vollständiger Ablösung des Brustknorpels (14) von der Geflügelkarkasse (13) mittels eines Trennelementes (27)."
Hilfsantrag 7
Anspruch 1 ist wie im Hilfsantrag 6, wobei der Anspruch die folgende Änderung aufweist (von der Kammer mit Unterstreichung hervorgehoben):
"...wobei das Doppelmesser (18) aus einer Warteposition in eine Schneidposition und zurück bewegbar angeordnet ist, und zumindest zwei voneinander beabstandete Einzelmesser (20) umfasst, wobei die Einzelmesser (20) zumindest im Wesentlichen parallel zueinander ausgerichtet sind und anschließendes..."
Hilfsantrag 9
Anspruch 1 ist wie Anspruch 13 im Hauptantrag, unter Hinzufügung der Merkmale "wobei das Quereinschneiden des Verbindungsbereichs (19) zwischen dem Brustknorpel (14) und dem Brustbein (16) in die Transportrichtung T gerichtet und um einen Winkel alpha gegenüber einer Senkrechten zu der Transportrichtung T geneigt ausgeführt wird" am Ende des Anspruchs.
IX. Die Beschwerdeführerin Einsprechende hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:
Die in Anspruch 1 des Hauptantrags beanspruchte Erfindung sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Die Hilfsanträge 0, 0', 3, 8 und 9 seien nicht zum Beschwerdeverfahren zuzulassen. Zudem beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 aller Anträge ausgehend von D2 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
X. Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:
Die in Anspruch 1 des Hauptantrags beanspruchte Erfindung sei so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Die Hilfsanträge 0, 0', 3, 8 und 9 seien zum Beschwerdeverfahren zuzulassen. Die Angelegenheit solle an die Vorinstanz zur weiteren Verhandlung der Sache im Rahmen eines der Hilfsanträge 1 - 9 zurückverwiesen werden. Zudem beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 aller Anträge auf erfinderischer Tätigkeit.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung zum vollständigen Lösen zumindest eines Teils des Brustknorpels von einer Geflügelkarkasse durch ein Schneidmittel, wobei das Schneidmittel ein Doppelmesser zum Längseinschneiden der Geflügelkarkasse zumindest entlang eines Teilabschnitts beidseits des Brustknorpels und/oder beidseits des Brustbeins und ein nachgeordnetes Trennelement zum Querschneiden eines Verbindungsbereiches zwischen dem Brustknorpel und dem Brustbein umfasst. Dadurch wird ein zuverlässiges und präzises Abtrennen des Brustknorpels von der Geflügelkarkasse gewährleistet (Absatz 6 der Patentschrift). Außerdem wird ein Verfahren zum vollständigen Lösen zumindest eines Teils des Brustknorpels von einer Geflügelkarkasse beansprucht.
3. Auslegung
Für die nachfolgende Diskussion der ausreichenden Offenbarung der Erfindung und der erfinderischen Tätigkeit ist es unerlässlich, zunächst die Bedeutung der Begriffe "Brustknorpel" und "Brustbein" in Anspruch 1 zu klären.
3.1 Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin vertritt unter Verweis auf Absatz 0002 der Patentschrift die Ansicht, dass der Brustknorpel ein Bestandteil des Brustbeins sei, nämlich dessen noch nicht verknöcherter Fortsatz. Deswegen sei das Merkmal "Längseinschneiden ... entlang eines Teilabschnitts ... oder beidseits des Brustbeins" in Anspruch 1 des Hauptantrags nicht auf den verknöcherten Abschnitt beschränkt, sondern schließe immer auch den Brustknorpel mit ein.
3.2 Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass der Begriff Sternum als Oberbegriff für die Gesamtheit von Brustknorpel und Brustbein gebraucht wird, und dass der Brustknorpel eines Geflügels - wie z.B. eines Huhnes - über dessen Lebenszeit hinweg verknöchert, so dass der Brustknorpel den noch nicht verknöcherten Fortsatz des Brustbeins bildet.
Ungeachtet dieser biologischen Tatsachen werden der Brustknorpel und das Brustbein in Anspruch 1 des Hauptantrags als zwei voneinander getrennte Objekte definiert. Das Merkmal "Querschneiden eines Verbindungsbereiches (19) zwischen dem Brustknorpel (14) und dem Brustbein (16)" im Kennzeichen des Anspruchs legt nämlich bei einer zum Verständnis bereiten Leseweise fest, dass der Brustknorpel als erstes Objekt über den Verbindungsbereich mit dem Brustbein, das ein zweites Objekt bildet, verbunden ist. Wäre der Brustknorpel dagegen als spezifischer Begriff anzusehen, der von dem potentiell allgemeineren Begriff Brustbein umfasst wäre, könnte der Brustknorpel nicht über den Verbindungsbereich mit einem Brustbein verbunden sein. Folglich werden die Begriffe Brustbein und Brustknorpel in Anspruch 1 im Gegensatz zur Sichtweise der Beschwerdegegnerin als Alternativen gebraucht.
Aus der alternativen Bedeutung von Brustbein und Brustknorpel folgt unmittelbar, dass die "oder"-Variante des weiteren Merkmals "Längseinschneiden der Geflügelkarkasse (13) zumindest entlang eines Teilabschnitts beidseits des Brustknorpels (14) und/oder beidseits des Brustbeins (16)" dahingehend zu verstehen ist, dass sie ein Längseinschneiden ausschließlich beidseits des Brustbeins betrifft. Dieses Längseinschneiden ist auf den verknöcherten Bereich beschränkt und erstreckt sich gerade nicht auf den daran angeschlossenen Brustknorpel jenseits des Verbindungsbereichs. Anders gesagt schließt das Längseinschneiden beidseits des Brustbeins in der "oder"-Variante von Anspruch 1 wegen der "und/oder"-Formulierung ein Längseinschneiden beidseits des Brustknorpels aus.
3.3 Das Argument der Beschwerdegegnerin, wonach ältere Tiere infolge einer vollständigen Verknöcherung des Brustknorpels nur noch ein Brustbein aufweisen, führt zu keiner anderen Sichtweise. Selbst wenn dem Fachmann diese biologischen Tatsache anhand seines Fachwissens bekannt ist, gehören ältere Tiere mit vollständig verknöchertem Brustbein gar nicht zum Anwendungsbereich der Erfindung. Mangels verbleibendem Knorpel kann nämlich überhaupt kein Brustknorpel mehr von solchen Geflügelkarkassen gelöst werden.
Das weitere Argument, wonach der Übergang von Brustbein und Brustknorpel variabel sei, da er vom Alter, dem Geschlecht und der Geflügelrasse abhänge, überzeugt die Kammer ebenfalls nicht. Ein Übergang zwischen Brustbein und Brustknorpel ist nämlich bei diesen Tieren unbestritten weiterhin vorhanden, unabhängig davon, wo genau er liegt. Folglich findet bei all diesen Geflügelkarkassen ein "Querschneiden eines Verbindungsbereiches (19) zwischen dem Brustknorpel (14) und dem Brustbein (16)" statt, so dass die obige Auslegung von Brustbein und Brustknorpel als einander ausschließende Alternativen weiterhin anzuwenden ist.
3.4 Daher gelangt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der Begriff Brustknochen in Anspruch 1 nach fachmännischem Verständnis ein anderes Teil der Geflügelkarkasse betrifft, und nicht den ebenfalls dort genannten Brustknorpel.
4. Hauptantrag - Ausreichende Offenbarung
Die Kammer ist während der mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis gelangt, die Erfindung sei hinreichend offenbart. Da dieser Befund für die Endentscheidung nicht von Bedeutung ist, wird von einer Begründung abgesehen.
5. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
Die angegriffene Entscheidung bejahte die erfinderische Tätigkeit des Hauptantrags ausgehend vom Dokument D2, siehe die Punkte 3.1 und 3.2 der Entscheidungsgründe. Die Beschwerdeführerin Einsprechende bestreitet diesen Befund der Entscheidung.
5.1 Auch die Kammer hält die bereits in Absatz 0005 der Patentschrift gewürdigte D2 für einen erfolgversprechenden Ausgangspunkt. Im Hinblick auf Anspruch 1 des Hauptantrags offenbart D2 in den Figuren 11 und 12 unbestritten eine Vorrichtung zum vollständigen Lösen zumindest eines Teils des Brustknorpels 18 von einer vom Brustfleisch befreiten Geflügelkarkasse mittels eines einzigen Trennelements 19.
5.2 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich von der Offenbarung der D2 unbestritten darin, dass das Schneidmittel ein Doppelmesser umfasst, das zum Längseinschneiden der Geflügelkarkasse zumindest entlang eines Teilabschnitts beidseits des Brustknorpels und/oder beidseits des Brustbeins ausgebildet und eingerichtet ist, und dass das (bereits aus D2 bekannte) Trennelement zum Querschneiden eines Verbindungsbereiches zwischen dem Brustknorpel und dem Brustbein diesem Doppelmesser nachgeordnet ist.
Die diesen Unterscheidungsmerkmalen zugrunde liegende objektive technische Aufgabe besteht gemäß Absatz 0006 der Patentschrift darin, eine Vorrichtung zu schaffen, die ein zuverlässiges und präzises Abtrennen des Brustknorpels von der Geflügelkarkasse gewährleistet. Mithin hängt die Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit davon ab, ob diese Unterscheidungsmerkmale insbesondere in der Alternative "zum Längsschneiden ... beidseits des Brustbeins" zur Lösung dieser Aufgabe beitragen, oder ob sie mangels Beitrag zur Lösung nach ständiger Rechtsprechung bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen sind (RdBK, 9. Auflage 2019, I.D.9.5).
5.3 Vor dem Hintergrund der Auslegung der Merkmale "Brustknorpel" und "Brustbein" in Absatz 3 dieser Entscheidung erfolgt der Längsschnitt in der Alternative "zum Längsschneiden ... beidseits des Brustbeins" ausschließlich beidseits des Brustbeins, und damit nicht entlang des Brustknorpels. Der Schnitt entlang des Brustbeins wirkt sich folglich nicht auf den Brustknorpel aus. Daher kann die Kammer nicht erkennen, wie der Brustknorpel durch einen solchen Schnitt ganz oder teilweise von der Geflügelkarkasse abgelöst werden kann. Stattdessen ist der Brustknorpel nach einem solchen Schnitt weiterhin - über den Verbindungsbereich zwischen Brustknorpel und Brustbein und über die Karkassenhaut - mit der Geflügelkarkasse verbunden. Das wird durch die Patentschrift bestätigt, die nur im Zusammenhang mit einem Längseinschneiden beidseits des Brustknorpels ein Trennen des Brustknorpels von der Karkasse thematisiert, siehe den Absatz 0007.
5.4 Im Zusammenhang mit Hilfsantrag 1 hat die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin die Ansicht vertreten, dass das in D2 offenbarte Trennelement "knife 19" wegen seiner gewölbten Form und wegen seiner Drehbewegung während des Schnitts nicht zum Querschneiden des in Figur 1 der Patentschrift als vertikale Linie dargestellten Verbindungsbereichs zwischen dem Brustknorpel und dem Brustbein geeignet sei. Insbesondere lasse die aus D2 bekannte Vorrichtung im Gegensatz zur erfindungsgemäßen Vorrichtung einen Teil des Brustknorpels am Brustbein stehen. Aus Gründen der Logik betrifft dieses Argument auch den breiter formulierten Hauptantrag.
Die Kammer kann sich der Sichtweise der Patentinhaberin nicht anschließen, da diese bei der Würdigung der D2 in Absatz 0005 der Patentschrift bereits festgestellt hat, dass das Schneidmittel der D2 "zum Querschneiden eines Verbindungsbereiches zwischen dem Brustknorpel und dem Brustbein unter vollständiger Ablösung des Brustknorpels von der Geflügelkarkasse ausgebildet und eingerichtet ist" (Patentschrift, Spalte 2, Zeilen 35-39).
Ungeachtet dieser Aussage in der Patentschrift ist die Kammer auch aus technischen Gründen von der Eignung des in D2 offenbarten Schneidmittels "knife 19" zum beanspruchten Querschneiden des Verbindungsbereichs überzeugt. Das entsprechende Merkmal in Anspruch 1 des Hauptantrags ist nämlich mangels einer entsprechenden Formulierung im Anspruch nicht auf eine vertikale bzw. lineare Schnittführung beschränkt. Daher umfasst es auch den in D2 offenbarten kreisförmig gewölbten Schnitt. Zudem ist das Merkmal auch nicht auf ein Querschneiden zum restlosen Abtrennen des gesamten Brustknorpels einer Geflügelkarkasse beschränkt. Das hat die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin in ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung bereits anerkannt, wo sie zu folgendem Schluss gelangte: "Das muss selbstverständlich nicht der gesamte Brustknorpel sein, wie der Fachmann ohne weiteres dem Anspruch 1 im Merkmal 1-1 und im Gesamtkontext des Streitpatents erkennt" (Brückenabsatz zwischen den Seiten 4 und 5 der Erwiderung; Hervorhebung durch die Kammer). Ein Teil des Brustknorpels wird unbestritten bereits in D2 beim Querschneiden mit dem Messer "knife 19" abgetrennt.
5.5 Daher tragen die auf ein Doppelmesser gerichteten Unterscheidungsmerkmale in der Alternative "zum Längsschneiden ... beidseits des Brustbeins" nicht zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe bei. Da die übrigen Merkmale bereits aus D2 bekannt sind, siehe die Würdigung des Dokuments in Absatz 0005 der Patentschrift, beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags ausgehend von D2 nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Dieser Befund gilt für den unabhängigen Verfahrensanspruch 13 mutatis mutandis.
6. Hilfsanträge - Zulassung zum Verfahren
6.1 Die Hilfsanträge 1-9 wurden bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung gestellt und mit der Erwiderung der Patentinhaberin vom 9. März 2018 auf die Beschwerdebegründung erneut gestellt. Die Beschwerdeführerin Einsprechende bestreitet die Zulassung der Hilfsanträge 3, 8 und 9 mit dem Argument, dass die geänderten unabhängigen Ansprüche in diesen Anträgen nicht gegenüber dem in höherrangigen Anträgen beanspruchten Gegenstand konvergieren.
Allerdings betrifft die Rechtsprechung der Beschwerdekammern zur Nicht-Zulassung von nicht konvergierenden Hilfsanträgen hauptsächlich Anträge, die erst nach Beschwerdebegründung bzw. Erwiderung eingereicht wurden, und somit dem Ermessen der Kammer nach Artikel 13 VOBK unterlagen, vgl. RdBK V.A.4.12.4 und die darin zitierten Entscheidungen. Diese Rechtsprechung ist daher im vorliegenden Fall nicht einschlägig und stellt kein Hindernis für die Zulassung der Hilfsanträge 3, 8 und 9 dar. Die Zulassung der Hilfsanträge 1, 2 und 4-7 wurde nicht gerügt, und die Kammer sieht aufgrund der darin enthaltenen Änderungen, die auf Kombinationen von erteilten Ansprüchen gerichtet sind, ebenfalls keinen Grund, der gegen die Zulassung dieser Hilfsanträge zum Beschwerdeverfahren spricht.
Aus diesen Gründen entschied die Kammer, die Hilfsanträge 1-9 in das Verfahren zuzulassen (Artikel 12(4) VOBK 2020).
6.2 Die Vorlage der Hilfsanträge 0 und 0' erfolgte erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer. Diese verspätet vorgelegten Hilfsanträge stellen geändertes Vorbringen dar, dessen Zulassung nach Maßgabe der Erfordernisse des Artikels 13 VOBK 2020 erfolgt.
6.2.1 Der Artikel 13(2) VOBK 2020 legt fest, dass Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Ablauf einer von der Kammer in einer Mitteilung nach Regel 100 Absatz 2 EPÜ bestimmten Frist oder, wenn eine solche Mitteilung nicht ergeht, nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
6.2.2 Im vorliegenden Fall erging die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 14. Mai 2020. Zwar teilte die Kammer zusätzlich am 19. Januar 2021 den Parteien in einer Mitteilung nach Artikel 15(1) und 17(2) VOBK 2020 ihre vorläufige und nicht-bindende Auffassung mit. Ob Artikel 13(2) VOBK 2020 auf eine solche Konstellation Anwendung findet (weil es sich um keine Mitteilung nach Regel 100 Absatz 2 EPÜ handelte, da die Parteien nicht unter Fristsetzung durch die Kammer dazu aufgerufen wurden, eine Stellungnahme einzureichen), oder nicht (weil dieser Fall in der zitierten Vorschrift nicht geregelt ist), kann dahinstehen. In jedem Falle ist nämlich die Vorlage der Hilfsanträge 0 und 0' während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer als Änderung des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung anzusehen, deren Zulassung einer Rechtfertigung bedarf.
6.2.3 Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin hat in den Hilfsanträgen 0 und 0' jeweils die Alternative "zum Längsschneiden ... und/oder beidseits des Brustbeins (16)" aus den unabhängigen Ansprüchen gestrichen. Sie rechtfertigt die verspätete Vorlage dieser Hilfsanträge mit dem Argument, dass der Fall für sie mit dem negativen Befund der Kammer zur erfinderischen Tätigkeit eine überraschende Wendung genommen habe. Zudem sei die Mitteilung der Kammer mit einer entsprechenden vorläufigen Einschätzung dieser Frage erst eine Woche vor dem Termin der mündlichen Kammer ergangen. Außerdem widerspräche die Kammer mit ihrer Einschätzung zu den Begriffen Brustbein und Brustknorpel sowohl der wissenschaftlich-anatomischen Sichtweise als auch der technischen Überzeugung der Patentinhaberin, wonach der Brustknorpel als ein Teil des Brustbeins anzusehen sei.
6.2.4 Keines dieser Argumente überzeugt die Kammer. Im Hinblick auf die Auslegung der Begriffe Brustknorpel und Brustbein ist ein eventueller Widerspruch zu einer wissenschaftlich-anatomischen Sichtweise unerheblich, da die Kammer der in Anspruch 1 enthaltenen Definition dieser Begriffe folgt. Aus den in Absatz 3 dieser Entscheidung genannten Gründen ergibt sich bei einer zum Verständnis bereiten Leseweise dieses Anspruchs, dass diese Begriffe wegen des ebenfalls beanspruchten Verbindungsbereiches zwischen dem Brustknorpel und dem Brustbein zwei einander ausschließende Alternativen betreffen. Die subjektive technische Überzeugung der Patentinhaberin, wonach der Brustknorpel als ein Teil des Brustbeins anzusehen sei, hat die Kammer mangels einer entsprechenden Formulierung in Anspruch 1 bereits bei obiger Merkmalsauslegung nicht überzeugt. Daher kann sie auch bei der Frage der Zulassung der Hilfsanträge 0 und 0' zu keinem anderen Ergebnis führen.
Die Kammer vermag auch keine überraschende Wendung des Falles zu erkennen. In ihrer Einschätzung, dass die auf das Doppelmesser gerichteten Merkmale in der Alternative "zum Längsschneiden ... beidseits des Brustbeins" nicht zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe beitragen, ist die Kammer nämlich einem Argument der Beschwerdeführerin gefolgt, das bereits mit der Beschwerdebegründung, und damit mehr als drei Jahre vor der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragen wurde. Siehe dort insbesondere die Seite 14, wo auf das einschlägige Kapitel I.D.9.5 der Rechtsprechung verwiesen wird. Was auch immer der Grund für das Ausbleiben einer Reaktion der Patentinhaberin - z.B. durch das rechtzeitige Stellen eines entsprechenden Hilfsantrags - auf diesen Einwand der Beschwerdeführerin gewesen sein mag, ausreichend Zeit dafür wäre vorhanden gewesen. Die Tatsache, daß sich die Kammer einem Argument der Einsprechenden anschließt, ist insoweit weder überraschend noch unvorhersehbar, sondern in der Natur der Sache eines einer Entscheidungsinstanz aufgegebenen Rechtsfindungsprozesses. Überraschend wäre vielmehr, wenn die Kammer einem von der Einsprechenden vorgebrachten Einwand mit einer anderen als von dieser vorgetragenen Begründung folgte, oder aber ihrerseits einen neuen Einwand erhöbe. Vorliegend war das nicht der Fall.
6.2.5 Aus diesen Gründen ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass Umstände vorliegen, mit welchen die verspätete Vorlage der beiden Hilfsanträge 0 und 0' zu rechtfertigen wäre. Somit entscheidet die Kammer, diese Hilfsanträge nicht ins Verfahren zuzulassen, Artikel 13(2) VOBK 2020.
7. Zurückverweisung
7.1 Die Patentinhaberin beantragt die Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung für eine Prüfung der Hilfsanträge 1-9. Anderenfalls verlöre sie eine Instanz. Zudem sei keine besondere Eile geboten, da keine Verletzungsstreitigkeit anhängig sei. Die Einsprechende ist diesem Antrag entgegengetreten.
7.2 Die Beschwerdekammer wird gemäß Artikel 111 (1) EPÜ entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die Entscheidung erlassen hat, oder sie verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurück. Es steht somit im Ermessen der Kammer, unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls darüber zu befinden, ob eine Sache zurückzuverweisen oder sachlich zu entscheiden ist.
7.3 Im vorliegenden Fall betreffen die Hilfsanträge 1-9 unbestritten Kombinationen von erteilten Ansprüchen. Zudem hat sich die Beschwerdeführerin Einsprechende in ihrer Beschwerdebegründung ausführlich zu den abhängigen Patentansprüchen des Streitpatents geäußert (Seiten 19-21). Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin war somit vorbereitet, insbesondere die erfinderische Tätigkeit dieser Ansprüche zu diskutieren. Letztlich besteht ein allgemeines öffentliches Interesse daran, möglichst schnell zu Rechtssicherheit in der Sache zu gelangen. Eine Zurückverweisung, die stets auch die Möglichkeit einer weiteren Beschwerde eröffnet, ist diesem Interesse nicht dienlich und stets gegen das Interesse der Parteien, ihre Argumente in zwei Instanzen vorbringen zu können, abzuwägen. Vorliegend ist zu berücksichtigen, daß sich die Einsprechende dem Antrag auf Zurückverweisung nicht angeschlossen hat und das Patent bereits eine Priorität aus dem Jahre 2010 aufweist. Beides sind nach Auffassung der Kammer gewichtige Gründe, die gegen eine Zurückverweisung sprechen.
7.4 Aus diesen Gründen entschied die Kammer in der mündlichen Verhandlung, die Sache nicht, wie von der Beschwerdegegnerin Patentinhaberin beantragt, an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, sondern selbst die erfinderische Tätigkeit der Hilfsanträge zu prüfen und zu einer Endentscheidung in der Sache zu kommen, Artikel 111(1) EPÜ.
8. Hilfsanträge 1-9 - Erfinderische Tätigkeit
8.1 Im Hinblick auf die Hilfsanträge 1, 4 und 6 unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 jedes der Hilfsanträge 1 und 4 von der Offenbarung der D2 zusätzlich darin, dass das Doppelmesser aus einer Warteposition in eine Schneidposition und zurück bewegbar ist. Laut dem Streitpatent liegt diesem Merkmal die technische Wirkung zugrunde, dass sich Schnittbeginn und/oder Schnittende der Längsschnitte mit dem Doppelmesser präzise und exakt steuern lassen (Absatz 0008). Deswegen kann nach dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz die objektive technische Aufgabe wie beim Hauptantrag darin gesehen werden, eine Vorrichtung zu schaffen, die ein zuverlässiges und präzises Abtrennen des Brustknorpels von der Geflügelkarkasse gewährleistet. In der Alternative "zum Längsschneiden ... beidseits des Brustbeins" von Anspruch 1 tragen die auf das Doppelmesser gerichteten Unterscheidungsmerkmale aus den bereits im Zusammenhang mit dem Hauptantrag genannten Gründen nicht zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe bei. Daher sind sie auch bei Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 und 4 nach ständiger Rechtsprechung bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen, so dass dessen Gegenstand durch D2 nahegelegt wird.
Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 enthält gegenüber dem unabhängigen Verfahrensanspruch 13 des Hauptantrags das zusätzliche Merkmal "und das Doppelmesser (18) aus einer Warteposition in eine Schneidposition und zurück bewegbar ist". Daher gelten die obigen Überlegungen zu den Hilfsanträgen 1 und 4 für den Hilfsantrag 6 mutatis mutandis. Mithin wird auch der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 durch D2 nahegelegt.
8.2 Im Hinblick auf die Hilfsanträge 2, 5 und 7 enthält Anspruch 1 jedes der Hilfsanträge 2 und 5 gegenüber Hilfsantrag 1 das zusätzliche Merkmal "das Doppelmesser (18) zumindest zwei voneinander beabstandete Einzelmesser (20) umfasst, wobei die Einzelmesser (20) zumindest im Wesentlichen parallel zueinander ausgerichtet sind". Da dieses Merkmal unbestritten auf das Doppelmesser gerichtet ist, trägt es erneut in der Alternative "zum Längsschneiden ... beidseits des Brustbeins" von Anspruch 1 nicht zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe bei, so dass es bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen ist. Folglich wird auch der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 und 5 durch D2 nahegelegt.
Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 enthält gegenüber dem unabhängigen Verfahrensanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 das zusätzliche Merkmal "[das Doppelmesser] zumindest zwei voneinander beabstandete Einzelmesser (20) umfasst, wobei die Einzelmesser (20) zumindest im Wesentlichen parallel zueinander ausgerichtet sind". Daher gelten die obigen Überlegungen zu den Hilfsanträgen 2 und 5 für den Hilfsantrag 7 mutatis mutandis. Mithin wird auch der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 durch D2 nahegelegt.
8.3 Im Hinblick auf die Hilfsanträge 3, 8 und 9 enthält Anspruch 1 jedes der Hilfsanträge 3 und 8 gegenüber Anspruch 1 gemäß Hauptantrag das zusätzliche Merkmal "das Trennelement (27) aus einer Warteposition in eine Trennposition und zurück bewegbar derart bewegbar angeordnet ist, dass das Trennelement (27) beim Bewegen aus der Warteposition in die Trennposition eine in die Transportrichtung T gerichtete Bewegungsrichtung aufweist, die um einen Winkel alpha gegenüber einer Senkrechten zu der Transportrichtung T geneigt ist".
Die Parteien stimmen darin überein, dass das Dokument D2 bereits eine Warteposition und eine Trennposition des Messers "knife 19" offenbart, siehe die Figuren 10 und 11. Daher hängt die Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit für Anspruch 1 der Hilfsanträge 3 und 8 vom Merkmal "das Trennelement (27) beim Bewegen aus der Warteposition in die Trennposition eine in die Transportrichtung T gerichtete Bewegungsrichtung aufweist, die um einen Winkel alpha gegenüber einer Senkrechten zu der Transportrichtung T geneigt ist" ab.
8.3.1 Im Hinblick auf dieses Merkmal vertritt die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin unter Verweis auf die Figur 4 der Patentschrift die Auffassung, dass es auf ein Trennelement mit gerader Form und linearer Bewegungsrichtung gerichtet sei, da ein gebogenes Messer wie in D2 keine lineare Bewegung ausführe, nicht in einem Winkel gegenüber einer Senkrechten zur Transportrichtung geneigt sei und auch nicht den Brustknorpel vollständig vom Brustbein trennen könne.
8.3.2 Die Kammer sieht das anders, da der abhängige Anspruch 8 gemäß Hilfsantrag 3 auf ein Trennelement gerichtet ist, das schwenkbar um eine Drehachse angeordnet ist. Die Beschreibung des Streitpatents führt dazu aus, dass der dann beim Querschneiden des Verbindungsbereichs zwischen dem Brustknorpel und dem Brustbein entstehende Schnittverlauf im Wesentlichen kreisbogenförmig ist, siehe Absatz 0020 der Patentschrift. Folglich ist Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 im Gegensatz zur Sichtweise der Beschwerdegegnerin nicht auf die aus Figur 4 der Patentschrift ableitbare lineare Bewegung des Trennelements beschränkt, sondern umfasst auch die bereits in D2 offenbarte Drehbewegung. Das Trennelement der D2 ist nämlich um die in Figur 11 gezeigte Drehachse "centre of rotation 22" drehbar, so dass auch sein Schnittverlauf im Wesentlichen kreisbogenförmig ist, siehe dazu Absatz 0060 und die Schnittkante am abgetrennten Brustknorpel 18 in Figur 12 der D2. Im Hinblick auf das Argument einer vollständigen Ablösung des Brustknorpels von der Geflügelkarkasse ist die Kammer bereits in Absatz 5.4 der vorliegenden Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Wirkung auch von der in den Figuren 10-12 der D2 offenbarten Vorrichtung erzielt wird.
Daher muss die Kammer nun prüfen, ob Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 - sei es explizit oder implizit - auf ein gerades, also nicht gebogenes Trennelement gerichtet ist, und ob dieser eventuelle Unterschied die erfinderische Tätigkeit begründen kann.
8.3.3 Anspruch 1 enthält kein explizites Merkmal, das auf eine gerade, also nicht gebogene Form des Trennelements gerichtet ist. Das in D2 offenbarte bogenförmige Trennelement "knife 19" weist zudem beim Bewegen aus der in Figur 10 gezeigten Warteposition in die in Figur 11 gezeigte Trennposition eine in die (horizontale) Transportrichtung A gerichtete Bewegungsrichtung auf. An der Schneide "cutting edge 20" lässt sich nämlich für jeden Zeitpunkt während der Drehbewegung des Trennelements bzw. für die zugehörige Winkelstellung des Trennelements eine Tangente konstruieren, die dem Richtungsvektor der Schneide zu diesem Zeitpunkt bzw. in dieser Winkelstellung entspricht. Dieser Vektor besitzt in der zweidimensionalen Darstellung der Figuren 10-12 jeweils eine positive, da nach oben weisende vertikale und eine negative, da nach links weisende horizontale Komponente. In der Figur 11 der D2 werden die Geflügelkarkassen horizontal nach rechts transportiert, während die horizontale Komponente der Bewegungsrichtung entgegen dieser Transportrichtung nach links gerichtet ist. Daher weist das Trennelement 19 der D2 beim Bewegen aus der Warteposition in die Trennposition eine aus den beiden Komponenten resultierende Bewegungsrichtung auf, die anspruchsgemäß um einen Winkel alpha gegenüber einer (vertikalen) Senkrechten zu der Transportrichtung T geneigt ist, da sie entgegen der Transportrichtung orientiert ist. Bei dieser Sichtweise wäre das zusätzliche Merkmal in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 bereits aus D2 bekannt, so dass die Basis für den Aufgabe-Lösungs-Ansatz unverändert wäre.
8.3.4 Würde man stattdessen das Teilmerkmal "in die Transportrichtung gerichtete Bewegungsrichtung" in dem Sinne auslegen, dass die horizontale Komponente der Bewegungsrichtung in dieselbe Richtung wie die Transportrichtung der Geflügelkarkassen weisen muss, würde sich der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 von der Offenbarung in Figur 11 der D2 darin unterscheiden, dass das Trennelement bei seiner Drehbewegung im Gegenuhrzeigersinn eine entgegen der horizontal nach rechts verlaufenden Transportrichtung der Geflügelkarkassen gerichtete Bewegungsrichtung nach links aufweist. Dieses Unterscheidungsmerkmal hat die Wirkung, dass eine präzise und exakte Schnittführung unter vollständiger Ablösung des Brustknorpels von der Geflügelkarkasse gewährleistet wird, siehe den letzten Satz in Absatz 37 der Patentschrift.
Im Hinblick auf die vollständige Ablösung des Brustknorpels von der Geflügelkarkasse ist die Kammer bereits in Absatz 5.4 der vorliegenden Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Wirkung schon in D2 erzielt wird. Die objektive technische Aufgabe müsste daher als Bereitstellung einer Alternative formuliert werden. Aus Sicht der Kammer liegt es im Rahmen des fachüblichen Handelns, die Drehbewegung des Trennelements im Uhrzeigersinn durchzuführen, anstatt wie in D2 als Drehbewegung im Gegenuhrzeigersinn.
8.3.5 Selbst wenn man das zusätzliche Merkmal in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 in dem Sinne auslegen würde, dass es implizit auf ein Trennelement mit gerader Form gerichtet sei, da jeder Punkt des Trennelements zu einem jeweiligen Zeitpunkt während der Drehbewegung bzw. in der zugehörigen Winkelstellung dieselbe Bewegungsrichtung aufweisen muss, würde dieser Unterschied gegenüber D2 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen. Da die Kammer bereits in Absatz 5.4 der vorliegenden Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die in D2 offenbarte Vorrichtung eine vollständige Ablösung des Brustknorpels von der Geflügelkarkasse erzielt, müsste die objektive technische Aufgabe erneut als Bereitstellung einer Alternative formuliert werden. Aus Sicht der Kammer liegt es im Rahmen des fachüblichen Handelns, anstelle des gebogenen Trennelements der D2 ein Trennelement mit gerader Form vorzusehen. Umso mehr, da die D2 das gebogene Trennelement im Zusammenhang mit einer bevorzugten Ausführungsform offenbart (Absatz 0011), und jegliche Form des Trennelements als geeignet ansieht (Absatz 0010). Zudem sind dem Fachmann anhand seines Fachwissens Trennelemente mit gerader Form geläufig, siehe das Messer 50 in Figur 2 der D10 oder das Messer 68 in Figur 4 der D11.
8.3.6 Folglich wird der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 und 8 ausgehend von D2 nahegelegt.
8.3.7 Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 9 enthält gegenüber dem unabhängigen Verfahrensanspruch 13 gemäß Hauptantrag das zusätzliche Merkmal "wobei das Quereinschneiden des Verbindungsbereichs (19) zwischen dem Brustknorpel (14) und dem Brustbein (16) in die Transportrichtung T gerichtet und um einen Winkel alpha gegenüber einer Senkrechten zu der Transportrichtung T geneigt ausgeführt wird". Daher gelten die obigen Überlegungen zu den Hilfsanträgen 3 und 8 für den Hilfsantrag 9 mutatis mutandis. Mithin wird auch der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 9 ausgehend von D2 nahegelegt.
8.4 Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge 1-9 ausgehend von D2 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, Artikel 56 EPÜ.
9. Weder der Hauptantrag, noch einer der Hilfsanträge 1-9 ist gewährbar, da der Gegenstand von Anspruch 1 jedes dieser Anträge nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, Artikel 56 EPÜ. Die Hilfsanträge 1-9 wurden zum Verfahren zugelassen, während die Kammer die Hilfsanträge 0 und 0' nicht zum Verfahren zugelassen hat.
Im Gegensatz zum Befund der angegriffenen Entscheidung stellt die Kammer somit fest, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen dieses Übereinkommens nicht genügen, Artikel 101 (3) b) EPÜ.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.