T 2212/17 09-12-2021
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PLISSIERBARES VLIESMATERIAL UND VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUR HERSTELLUNG DESSELBEN
Spät eingereichte Beweismittel - wären bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen gewesen (nein)
Ausreichende Offenbarung - unzumutbarer Aufwand (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (nein)
I. Die Einspruchsabteilung hat mit ihrer Zwischenentscheidung festgestellt, dass unter Berücksichtigung der im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das europäische Patent mit der Nummer 1 998 867 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.
II. Sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechende legten gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Da beide Parteien Beschwerde eingelegt haben, wird auf diese im Folgenden als ,,die Einsprechende" sowie ,,die Patentinhaberin" Bezug genommen.
III. Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Gleichzeitig mit der Beschwerdebegründung legte die Einsprechende eine neue, deutsche Übersetzung der Entgegenhaltung E1 als E1Ü vor (siehe Liste unten).
IV. Die Patentinhaberin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents gemäß Hauptantrag oder auf der Basis eines der Hilfsanträge 1 bis 10, alle Anträge eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 6. Dezember 2017. Ferner beantragte die Patentinhaberin in ihrer Beschwerdebegründung E1' (eine maschinelle Übersetzung von E1) als unzulässiges Beweismittel außer Acht zu lassen und legte neue Beweismittel WRST 12 bis WRST 17 vor.
V. In ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung der Patentinhaberin beantragte die Einsprechende die zusätzlich angebotenen Dokumente WRST 12 bis WRST 17 als verspätet zurückzuweisen. Darüber hinaus bemängelte sie, dass die insgesamt elf Anträge ausgehend vom Hauptantrag divergieren und daher unzulässig seien.
VI. In ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung der Einsprechenden legte die Patentinhaberin neue Beweismittel WRST 18 bis WRST 20 vor.
VII. In der Folge beantragte die Einsprechende diese Beweismittel nicht in das Verfahren zuzulassen.
VIII. Die Parteien wurden zu einer mündlichen Verhandlung vor der Kammer geladen. In einer Mitteilung zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung wurden die Parteien über die vorläufige Meinung der Kammer informiert. Die Kammer legte darin inter alia dar, dass es Gegenstand der Diskussion sein werde, ob der Fachmann die maßgeblichen Prozessparameter kennt, um das in Anspruch 1 des Hauptantrags beanspruchte Vliesmaterial herzustellen. Hinsichtlich Anspruch 6 des Hauptantrags (identisch zu Anspruch 1 des Hilfsantrags 9) führte die Kammer aus, dass sie darin zwar drei Unterscheidungsmerkmale sehe, diese aber lediglich Teilaufgaben zu lösen scheinen und überdies naheliegend sein dürften.
IX. In ihrem Schreiben vom 23. November 2021 beantragte die Patentinhaberin E1 vom Beschwerdeverfahren auszuschließen, hilfsweise E1Ü vom Beschwerdeverfahren auszuschließen, weiter hilfsweise die Angelegenheit an die erste Instanz zurückzuverweisen, sowie der Patentinhaberin die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten und die Kosten für das Beschwerdeverfahren der Einsprechenden aufzuerlegen. Zeitgleich legte die Patentinhaberin neue Beweismittel WRST 21 vor.
X. In ihrem Schreiben vom 3. Dezember 2021 rügte die Einsprechende, dass der Vortrag und die neuen Beweismittel WRST 21 höchst verspätet und daher nicht zu berücksichtigen seien.
XI. Mit dem Einverständnis der Parteien fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer am 9. Dezember 2021 als Videokonferenz statt.
XII. Am Ende der mündlichen Verhandlung war die Antragslage wie folgt:
Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie den Widerruf des Patents.
Die Patentinhaberin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents auf Basis des Hauptantrags oder eines der Hilfsanträge 1 bis 10.
XIII. Folgender von den Parteien zitierter Stand der Technik ist für die vorliegende Entscheidung relevant:
E1 |JP08-13309 |
E1' |Maschinenübersetzung der E1 |
E1Ü |von Menschenhand angefertigte Übersetzung der E1 |
D2 |US 6 319 865 B1 |
D3 |EP 0 590 307 A2 |
D3a |DE 693 22 572 T2 (Übersetzung der D3) |
F10 |ISO 1133, vierte Ausgabe vom 1. Juni 2005 |
WRST 1/F5|Auszug aus Fachbuch ,,Vliesstoffe", WILEY VCH Verlag, 2000 |
WRST 2 |Auszug aus Fachbuch ,,Handbook of Nonwoven Filter Media", Elsevier, 2007 |
WRST 3/F7|Auszug aus Fachbuch ,,Werkstoff-Führer Kunststoffe", Carl Hanser Verlag, 9. Aufl., 2004|
WRST 4/F8|Auszug aus Fachbuch ,,Kunststoffkunde", Vogel Buchverlag, 8. Aufl., 2005 |
WRST 5 |DIN ISO 1133, Februar 1993 |
XIV. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut (mit der Merkmalsgliederung aus dem Einspruchsverfahren, wie sie auch von der Einsprechenden in der Erwiderung vom 18. April 2018 auf Seite 15 angegeben ist):
M1 |,,Plissierbares Vliesmaterial umfassend |
M1.1|tragende, formstabilisierende dickere Fasern und |
M1.2|die Filterwirkung bestimmende dünnere Fasern,dadurch gekennzeichnet, dass |
M1.3|die dünneren Fasern in Richtung längs der Oberfläche des Vliesmaterials weitgehend homogen in die dickeren Fasern inkorporiert sind und |
M1.4|in Richtung senkrecht zur Oberfläche des Vliesmaterials ein Verteilungsdichte-Gradient der dünneren Fasern derart besteht, dass die höchste Konzentration dünnerer Fasern im Bereich der Mitte oder an einer der beiden Außenseiten besteht,|
M1.5|wobei die dickeren und die dünneren Fasern ausgehend vom schmelzflüssigen Zustand durch Erstarren miteinander verklebt sind, |
M1.6|aus dem gleichen Material bestehen und |
M1.7|die dickeren Fasern als Polymerfäden größeren Durchmessers und die dünneren Fasern als Polymerfäden geringeren Durchmessers ausgebildet sind, die untereinander vermengt und ineinander verwirbelt sind." |
XV. Der unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 hat folgenden Wortlaut (mit der Merkmalsgliederung aus dem Einspruchsverfahren, wie sie auch von der Einsprechenden in der Beschwerdebegründung auf Seite 14 angegeben ist):
M6 |,,Verfahren zur Herstellung eines plissierbaren Faservlieses, wobei |
M6.1|ein Polymer aufgeschmolzen und durch die Sinndüsen [sic] eines Spinnbalkens gedrückt wird, und wobei |
M6.2|die so gebildeten Polymer-Fäden auf einem Laufband unter Ausbildung einer Vliesschicht abgelegt werden,dadurch gekennzeichnet, dass |
M6.3|Spinndüsen (2) unterschiedlichen Durchmessers verwendet und gleichzeitig Polymerfäden (8, 9) größerer und geringerer Dicke in einem einzigen Verfahrensschritt erzeugt und abgelegt werden, wobei|
M6.4|für die dünneren fasern [sic] der Durchmesser der Spinndüsen (2) < 0,2 mm, vorzugsweise 0,15 mm, und für die Fasern größerer Dicke > 0,2 mm, vorzugsweise 0,3 - 0,4 mm, ist und |
M6.5|hochviskose Polymerschmelzen mit einem Melt-Flow-Index ,,mfi" deutlich unter 500 verwendet werden, wobei |
M6.6|ein erster Spinnbalken (1) Düsen größeren Durchmessers und ein zweiter Spinnbalken (1) Düsen geringeren Durchmessers aufweist." |
XVI. Die für die vorliegende Entscheidung wesentlichen Argumente der Einsprechenden können wie folgt zusammengefasst werden:
Die Anträge der Patentinhaberin auf Nicht-Zulassung der E1 und E1Ü sowie ihr Antrag auf Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung seien verspätet und würden eine unbegründete Änderung des Beschwerdevorbringens darstellen.
Der Einwand der Patentinhaberin, dass E1 im Einspruchsverfahren in der elektronischen Akte unvollständig sei, sei verspätet. Im Beschwerdeverfahren sei E1 in der elektronischen Akte von Anfang an vollständig abrufbar gewesen.
E1Ü stelle eine zutreffende und vollständige Übersetzung der E1 dar.
Die Angelegenheit sei nicht an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen. Das rechtliche Gehör der Patentinhaberin sei gewahrt. Sie habe seit Dezember 2017, in einer Antwort auf die Beschwerdebegründung der Einsprechenden, Gelegenheit gehabt, diese Einwände vorzubringen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne. Bei der Herstellung des Vliesmaterials blieben dem Fachmann zu viele offene Parameterbereiche. Überdies beschreibe das Streitpatent an keiner Stelle die Herstellung des beanspruchten Vliesmaterials mit allen Merkmalen. Es fehle jegliche Information wie die Fasern noch in der Luft homogen gemischt werden, bei ihrer Ablage dann jedoch einen Verteilungsdichtegradienten in Dickenrichtung ausbilden könnten.
Das Verfahren des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 9 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Ausgehend von E1 bestünden drei Unterscheidungsmerkmale, die jedoch keine Synergie aufwiesen. Auch das Vlies in E1 sei plissierbar, in dem Sinne, dass es plissiert werden könne. Dass ein Laufband anstelle einer Rolle verwendet werde, löse keine technische Aufgabe und sei dem Fachmann als naheliegende Alternative ohnehin bekannt. Bereits E1 offenbare Spinnbalken mit unterschiedlichen Düsendurchmessern. Zwei Spinnbalken mit unterschiedlich großen Spinndüsen zu verwenden, sei auch aus D2 und D3 bekannt. Ein MFI von deutlich unter 500 sei ebenfalls üblich. Ein Wert von 40 sei in WRST1 dokumentiert. Auch die Ausbildung eines Verteilungsdichtegradienten in Dickenrichtung sei dem Fachmann bereits bekannt gewesen. Es seien daher Teilaufgaben zu definieren, wobei es hinsichtlich der unterschiedlichen Faserdurchmesser lediglich eine Alternative zu dem bereits aus E1 bekannten Verfahren zu finden gelte.
XVII. Die für die vorliegende Entscheidung wesentlichen Argumente der Patentinhaberin können wie folgt zusammengefasst werden:
E1 sei nicht ins Verfahren zuzulassen. Die Einsprechende habe es verabsäumt eine korrekte Übersetzung vorzulegen. Solcherart gelte E1 bereits als nicht ordnungsgemäß ins Einspruchsverfahren eingeführt. Darüber hinaus war E1 in der im Einspruchsverfahren vorgelegten Fassung unvollständig, weil darin einzelne Werte fehlten.
E1Ü sei ebenfalls nicht ins Verfahren zuzulassen. Auch E1Ü beinhalte Übersetzungsfehler. Es sei damit infrage gestellt, ob die Übersetzung nicht auch an anderen Stellen inkorrekt ist.
Die Angelegenheit sei an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen. Durch die späte Vorlage der E1Ü sei die Patentinhaberin in ihrem rechtlichen Gehör beschnitten, da ihre Verteidigungsmöglichkeiten im Beschwerdeverfahren aufgrund der Verfahrensordnung geringer sind als im Verfahren vor der Einspruchsabteilung.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne. Das Patent beschreibe ein Schmelzblasverfahren, welches zum Anmeldezeitpunkt weit verbreitet gewesen sei. Der Fachmann habe gewusst, wie er die Maschinen einzustellen habe, um die Anlage zum Laufen zu bringen. Im Streitpatent seien nur jene Punkte dargestellt, an denen der Fachmann vom Standard abweichen müsse.
Das Verfahren des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 9 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Mit dem Ausdruck "plissierbar" gehe eine bestimmte Steifigkeit des Vlieses einher, wovon in E1 nichts beschrieben sei. E1 offenbare daher nicht die Herstellung eines plissierbaren Faservlieses. Die Verwendung eines Laufbands anstelle einer Rolle wie in E1 verhindere, dass das relativ steife Vlies eine Wölbung erhalte und dass sich einzelne, bereits verschmolzene Verbindungsstellen wieder lösen würden. E1 offenbare nicht, zwei Spinnbalken mit unterschiedlichen Düsendurchmessern zu verwenden. D2 spreche zwar unterschiedliche Düsendurchmesser an, jedoch befänden sich diese auf demselben Spinnbalken. Die Verwendung von Polymeren mit einem MFI von unter 500 sei bei Schmelzblasverfahren unüblich. Da zwischen den Unterscheidungsmerkmalen ein Synergie-Effekt bestehe, sei es die objektive Aufgabe, die Filtereffizienz zu erhöhen, indem ein Vlies mit großen Unterschieden in den Faserdurchmessern geschaffen werde.
1. Nicht-Berücksichtigung der E1 und E1'
Dem Antrag der Patentinhaberin E1 und E1' nicht zu berücksichtigen kann nicht stattgegeben werden. E1 und E1' sind Teil dieses Beschwerdeverfahrens, da die angefochtene Entscheidung auf diesen Beweismitteln basiert. Die angefochtene Entscheidung liegt mit all ihren Bestandteilen gemäß Artikel 12 (1) a) VOBK 2020 immer dem Beschwerdeverfahren zugrunde. Die Kammer hat daher kein Ermessen E1 und E1' vom Beschwerdeverfahren auszuschließen.
1.1 Das Argument der Patentinhaberin wonach es die Einsprechende verabsäumt habe, eine korrekte Übersetzung vorzulegen und E1 daher als nicht eingereicht gelte, überzeugt die Kammer nicht.
1.1.1 E1 ist eine in japanischer Sprache abgefasste Patentanmeldung. Sie gilt daher als schriftliches Beweismittel des Stands der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ. Diese können gemäß Regel 3 (3) EPÜ, erster Satz, in jeder Sprache eingereicht werden, unabhängig davon ob die Parteien oder die Kammer dieser Sprache mächtig sind. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wird regelmäßig auf den Fachmann zurückgegriffen. Diese hypothetische Kunstfigur wird ohnehin als in allen Sprachen bewandt angesehen (siehe auch T 920/92, Rz. 2.4). Für den Fachmann wäre somit E1 bereits in japanischer Sprache als verständlich anzusehen.
Um jedoch den Parteien eine Diskussion und letztlich der Kammer eine Beurteilung darüber zu ermöglichen, was der Fachmann der E1 entnimmt, müssen auch sie die vorgelegten Beweismittel verstehen können. Dazu kann die Kammer, falls nicht ohnehin bereits geschehen, von der Partei, die sich auf das Beweismittel beruft, verlangen, innerhalb einer zu bestimmenden Frist eine Übersetzung in eine der drei Amtssprachen einzureichen. Nur falls diese nicht rechtzeitig vorgelegt wird, hat die Kammer ein Ermessen das betreffende Schriftstück nicht zu berücksichtigen (Regel 3 (3) EPÜ, dritter Satz).
Die Einsprechende hat von sich aus im Einspruchsverfahren die Maschinenübersetzung E1' und im Beschwerdeverfahren die von Menschenhand angefertigte Übersetzung E1Ü vorgelegt. Die Kammer sah daher keinen Grund, eine (weitere) Übersetzung anzufordern. Somit begann auch keine Frist im Sinne der Regel 3 (3) EPÜ, zweiter Satz, zu laufen. Die Kammer hat daher hieraus kein Ermessen, E1 nicht zu berücksichtigen.
1.1.2 Die Patentinhaberin hat darüber hinaus argumentiert, dass Schriftstücke in Nicht-Amtssprachen, für die nicht rechtzeitig eine korrekte Übersetzung eingereicht wurde, schon ex lege als nicht eingereicht gelten. Somit gelte E1 als nicht ordnungsgemäß in das Einspruchsverfahren eingeführt. Sie hat allerdings keine Rechtsgrundlage nennen können.
Die Kammer versteht dies als Bezugnahme auf Artikel 14 (4) EPÜ, welcher Bestimmungen hinsichtlich des Sprachenprivilegs für Personen aus Vertragsstaaten mit einer anderen Amtssprache als jenen des EPA regelt. Darin wird festgelegt, dass solcherart privilegierte Personen fristgebundene Schriftstücke in einer Amtssprache ihres Vertragsstaates einreichen können, und dass sie davon eine Übersetzung in eine Amtssprache des EPA vorlegen müssen. Wird dieser Pflicht nicht rechtzeitig nachgekommen, so gilt das Schriftstück als nicht eingereicht (siehe Artikel 14 (4) EPÜ, dritter Satz), ohne dass es dazu einer Entscheidung durch die Organe des EPA bedarf.
Bei E1 handelt es sich jedoch nicht um ein Schriftstück im Sinne des Artikels 14 (4) EPÜ, sodass dieser nicht einschlägig ist und die darin genannte Rechtsfolge nicht eintritt.
1.1.3 Dass in der im Einspruchsverfahren zuerst vorgelegten Übersetzung E1' die Werte in den Tabellen fehlten, ist daher hinsichtlich der Berücksichtigung der E1 genauso irrelevant wie der Umstand, dass auch in E1Ü an einer Stelle (im Titel der Tabelle 2) das Wort "Ausführungsbeispiel" nicht korrekt als "Vergleichsbeispiel" übersetzt ist. E1 befindet sich unabhängig von den vorgelegten Übersetzungen im Verfahren.
1.1.4 Auch der Einwand der Patentinhaberin, die japanische Veröffentlichung E1 selbst sei in der ursprünglich vorgelegten Fassung unvollständig gewesen, weil einzelne Werte im Text fehlten, kann diese Schlussfolgerung nicht ändern. Ganz offensichtlich hatte die Patentinhaberin Zugang zur vollständigen Version, zumal sie sich bereits in ihrer Einspruchserwiderung vom 22. Juli 2016 z.B. auf den in Absatz [0017] der E1 angegebenen Wertebereich der Durchmesser der Öffnungen 11 bezieht (siehe Seite 23f, Randziffer 6). Diese Werte scheinen in der ursprünglich vorgelegten Fassung der E1 nicht auf, was jedoch während des gesamten bisherigen Verfahrens für keine der Parteien ein Hindernis dargestellt hat.
2. Nicht-Berücksichtigung der E1 und der E1Ü nach Artikel 12 (4) VOBK 2007
Der Antrag der Patentinhaberin auf Nicht-Berücksichtigung der E1 und der E1Ü wird abgelehnt. Nach objektiven Kriterien hatte die Einsprechende keine Veranlassung diese Beweismittel bereits vor der Beschwerdebegründung vorzulegen.
2.1 Das Argument der Patentinhaberin, wonach die Einsprechende E1Ü bereits früher hätte einreichen müssen, ist nicht überzeugend.
Nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 hat die Kammer ein Ermessen, Beweismittel, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können, nicht zu berücksichtigen. Dabei wurde diese Vorschrift in langjähriger Rechtsprechung von den Kammern dahingehend ausgelegt, dass die Partei die jeweilige Handlung nicht bloß hätte durchführen können, sondern unter den objektiven Gegebenheiten auch hätte durchführen sollen.
Bereits mit Einlegung des Einspruchs reichte die Einsprechende eine Maschinenübersetzung E1' ein. Diese erste Version bestand jedoch fast gänzlich aus leeren Seiten. Nach einer entsprechenden Aufforderung durch die Einspruchsabteilung im Ladungszusatz legte die Einsprechende daher noch vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eine leserliche Version der E1' vor.
Dass die Maschinenübersetzung inhaltlich unverständlich sei, wurde von der Patentinhaberin zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingewendet (siehe Protokoll, Seite 3, dritter Absatz). Auch wenn die Übersetzung E1' offensichtlich keinen hohen sprachlichen Maßstäben genügt, war bis zu diesem Zeitpunkt nicht ersichtlich, dass die Qualität der Übersetzung für den Zweck der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit im Rahmen des Einspruchsverfahrens nicht genügen sollte. Es bestand daher nach objektiven Kriterien kein unmittelbarer Anlass für die Einsprechende, ein weiteres Mal eine verbesserte Übersetzung einzureichen.
Die erste Möglichkeit für die Einsprechende, auf den Einwand der inhaltlich unzureichenden Übersetzung zu reagieren, war daher gemeinsam mit der Beschwerdebegründung. Die Vorlage der E1Ü geschah somit zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass für die Einsprechende keine Veranlassung dazu vorlag, E1Ü im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen. Artikel 12 (4) VOBK 2007 kommt daher nicht zur Anwendung.
2.2 Das Argument der Patentinhaberin, dass E1Ü immer noch fehlerhaft sei, kann diese Schlussfolgerung nicht ändern. Es ist offensichtlich, dass die Überschrift im zweiten Teil der Tabelle 2 in Absatz [0036] der E1Ü nicht "Ausführungsbeispiel", sondern "Vergleichsbeispiel" lauten soll. Die von der Patentinhaberin gehegten Zweifel an der Richtigkeit der Übersetzung auch an anderen Stellen sind jedoch objektiv unbegründet. Dass weitere Fehler existieren, ist daher nur eine unbewiesene Behauptung. Die Patentinhaberin hat keine Hinweise auf tatsächlich vorliegende Unkorrektheiten gegeben, noch sieht die Kammer selbst auch nur ein geringstes Indiz in dieser Richtung.
2.3 Auch dass E1 in der ursprünglich im Einspruchsverfahren vorgelegten Version Lücken in den im Text angeführten Zahlenwerten aufwies, kann keine rechtliche Grundlage für einen Ausschluss dieses Beweismittels bilden. Wie bereits oben unter Randziffer 1.1.4 dargelegt, stand der Patentinhaberin offensichtlich eine vollständige Version der E1 von Anbeginn des Einspruchsverfahrens zur Verfügung. Dass die Einsprechende zusammen mit ihrer Beschwerdebegründung eine vollständige Version eingereicht hat, macht daraus noch kein neues Beweismittel. Es handelt sich bei E1 stets um dasselbe Dokument, das sowohl der Einsprechenden als auch der Patentinhaberin vorlag und worauf die Einspruchsabteilung die angefochtene Entscheidung basiert hat.
2.4 E1 und E1Ü sind daher im Rahmen des mit der Beschwerdebegründung vorgelegten vollständigen Beschwerdevorbringens im Sinne des Artikels 12 (3) VOBK 2020 Teil dieses Beschwerdeverfahrens und werden von der Kammer berücksichtigt.
3. Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung
Die Angelegenheit wird nicht an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen. Es liegen keine besonderen Gründe im Sinne des Artikels 11 VOBK 2020 vor, die dies rechtfertigen würden.
3.1 Die Patentinhaberin hat argumentiert, dass zwischen E1Ü und E1' Unterschiede bestünden, die der Patentinhaberin zum Nachteil gereichten. Insbesondere sei der Inhalt der Tabellen 1 und 2 erst aus E1Ü zu verstehen. Die Patentinhaberin sei dadurch in ihrem Recht zur Stellungnahme in erster Instanz beschnitten worden.
Diese Argumentation überzeugt die Kammer nicht. Es ist verständlich, dass der Patentinhaberin etwaige Unterschiede zwischen den Übersetzungen erst im Zuge der Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung vor der Kammer klar geworden sind. Dennoch hat sich der Offenbarungsgehalt der zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit allein relevanten E1 in der japanischen Fassung nicht geändert. Hätte sie zu dieser bereits im Einspruchsverfahren fundierter Stellung nehmen wollen, so hätte sie einen Einwand wegen inhaltlich unverständlicher Übersetzung bereits im schriftlichen Einspruchsverfahren, d.h. vor der mündlichen Verhandlung, vorbringen können. Sie hätte alternativ auch selbst eine sprachlich bessere Übersetzung der E1 vorlegen können. Durch die Rüge erst während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung bestand für die Einsprechende erst mit der Beschwerde ein konkreter Anlass, eine korrigierte Übersetzung vorzulegen (siehe Randziffer 2.1 oben).
3.2 Dem Argument, dass das rechtliche Gehör der Patentinhaberin dadurch verletzt sei, weil eine Verteidigung im Beschwerdeverfahren nicht gleich möglich sei wie vor der Einspruchsabteilung, folgt die Kammer nicht. Die Ermöglichung neuer Verteidigungsstrategien, insbesondere die Zulassung neuer Anträge und Beweismittel seitens der Patentinhaberin, ist getrennt von der Frage einer Zurückverweisung zu behandeln. Die Ablehnung des Antrags auf Zurückverweisung berücksichtigt die Kammer jedoch gegebenenfalls bei der Ausübung ihres Ermessens hinsichtlich einer Zulassung eines geänderten Vorbringens (Artikel 13 VOBK 2020).
3.3 Der Antrag auf Zurückverweisung stellt eine Änderung des Beschwerdevorbringens der Patentinhaberin dar und wurde erst sehr spät im Verfahren vorgebracht. Gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 bedürfen solche Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung stichhaltiger Gründe, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen. Die geringeren Verteidigungsmöglichkeiten im Beschwerdeverfahren stellen in diesem Sinne keine außergewöhnlichen Umstände dar.
3.4 Darüber hinaus ist zusätzlich zu Artikel 13 (2) VOBK 2020 auch Artikel 13 (1) VOBK 2020 anzuwenden. Demnach bedürfen Änderungen des Beschwerdevorbringens nach Einreichung der Beschwerdebegründung oder der Beschwerdeerwiderung rechtfertigender Gründe seitens des Beteiligten und stehen im Ermessen der Kammer. Dabei berücksichtigt die Kammer unter anderem, ob die Änderung (in diesem Fall der Antrag auf Zurückverweisung) der Verfahrensökonomie abträglich wäre.
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat die Patentinhaberin lediglich auf die Frage nach dem rechtlichen Gehör verwiesen. Sie führte weiter aus, dass dieses höher zu werten sei als die Verfahrensökonomie.
Die Kammer stellt dies nicht in Abrede. Im gegenständlichen Fall kam sie jedoch zum Schluss, dass durch eine Nicht-Zurückverweisung an die Vorinstanz das rechtliche Gehör nicht verletzt ist. Die Verfahrensökonomie ist also nicht gegenüber anderen Rechten der Patentinhaberin abzuwägen, sondern vielmehr gegenüber den Bemühungen der Patentinhaberin selbst, mit welchen sie zur Verfahrensökonomie auch bei einer Zurückverweisung beigetragen hat (z.B. durch ein Beibringen einer eigenen Übersetzung). In der mündlichen Verhandlung hat die Patentinhaberin auf Nachfrage dazu nichts vorgetragen. Ganz im Gegenteil hat die Patentinhaberin mit ihrem Schriftsatz vom 23. November 2021 keine Begründung für eine eventuelle Zurückverweisung angegeben, sondern erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer (auf Grundlage einer inkorrekten Übersetzung ("Ausführungsbeispiel" statt "Vergleichsbeispiel") vorgetragen.
3.5 Ein Grund, der dennoch für eine Zurückverweisung sprechen könnte, wäre, wenn die Unterschiede zwischen der im Einspruchsverfahren berücksichtigten E1' und der im Beschwerdeverfahren vorliegenden E1Ü so gravierend wären, dass ein gänzlich neuer Fall vorläge.
Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Patentinhaberin hat bereits im Einspruchsverfahren selbst ausgiebig zum Inhalt der E1 Stellung genommen (siehe Einspruchserwiderung vom 22. Juli 2016, Abschnitt B, Randziffern 6-25). Auch im Beschwerdeverfahren hat sie ausführlich zu E1 argumentiert (siehe Beschwerdebegründung, Abschnitt b, Randziffern 7-37). Insbesondere aus den Ausführungen in der Einspruchserwiderung vom 22. Juli 2016 (siehe Seite 14, Randziffer 14) ist ersichtlich, dass die Patentinhaberin auch die technischen Details (beispielsweise auch die Werte der Faserdurchmesser) aus E1 bzw. E1' sehr wohl entnehmen konnte. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit E1 hat sich durch die Vorlage der Übersetzung E1Ü daher nicht geändert.
4. Hauptantrag - Anspruch 1 - Ausreichende Offenbarung (Artikel 83 EPÜ)
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist nicht so deutlich offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen kann (Artikel 83 EPÜ).
4.1 Zum Einen weiß der Fachmann nicht, welche Werte er für die nötige Vielzahl an Parametern wählen soll, um ein plissierbares Vliesmaterial zu erhalten, bei dem Fasern aus dem gleichen Material, jedoch mit unterschiedlichen Durchmessern durch Erstarren miteinander verklebt sind, und die untereinander vermengt und ineinander verwirbelt sind. Auch wenn er die relevanten Parameter kennt und nur deren Werte bestimmen muss, erfährt er nicht, nach welchen zu erreichenden Zielen er diese wählen soll. Der Erhalt des erwünschten (und beanspruchten) Endprodukts gibt ihm dazu keine Anhaltspunkte.
4.1.1 Die Patentinhaberin hat argumentiert, dass das Patent ein Schmelzblasverfahren beschreibe, welches zum Anmeldezeitpunkt weit verbreitet gewesen sei. Der Fachmann habe auch gewusst, wie er die Maschinen einzustellen habe, um die Anlage zum Laufen zu bringen. Im Streitpatent seien nur jene Punkte dargestellt, an denen der Fachmann vom Standard abweichen müsse. Diese Argumente überzeugen die Kammer jedoch nicht.
Wie auch von der Einsprechenden vorgetragen, ist in einem Schmelzblasverfahren eine Vielzahl an Parametern einzustellen bzw. auszuwählen, darunter die Temperatur und die Austrittsgeschwindigkeit der Polymerschmelze, die Temperatur und der Druck der eingeblasenen Luft, die Abstände der Spinnbalken vom Laufband, und die Anzahl der Spinnbalken sowie ihr Abstand und Winkel untereinander. All dies mag dem Fachmann an sich bekannt sein, weil es sich, wie es die Patentinhaberin ausgedrückt hat, dabei um die "essenziellen Basics" eines Schmelzblasverfahrens handelt. In Summe ergibt sich jedoch eine derart große Anzahl an möglichen Parameterwerten, dass der Fachmann rein durch routinemäßige Versuche nicht zum gewünschten Ergebnis, d.h. einem Vliesmaterial gemäß Anspruch 1, gelangen würde. Er benötigt daher zumindest noch weitere Angaben im Sinne einzelner Zielvorgaben, an denen er sich bei seiner Parameterauswahl orientieren kann.
4.1.2 Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass ein wichtiger Faktor die "Kristallität" (oder "Kristallinität", was die Kammer als synonym betrachtet) der Polymerfasern bei ihrer Ablage sei. Diese sei ein Maß dafür, wie weit die Polymerfasern wieder ausgekühlt und damit verfestigt seien, wenn sie verwirbelt und vermengt auf dem Laufband abgelegt werden und sollte bei ungefähr 50 Prozent liegen. Die Kammer kann dies gut nachvollziehen. Tatsächlich hätte der Fachmann damit eine Zielvorgabe, nach der er die Maschinen einstellen könnte, wenn er die Erfindung nachzuarbeiten versucht. Eine diesbezügliche Angabe fehlt jedoch im Streitpatent.
Die Einstellung der vielen einzelnen Parameter ist daher auch für den Fachmann im Streitpatent nicht ausreichend offenbart. Mit anderen Worten weiß der Fachmann zwar, an welchen Schrauben er drehen soll (Temperatur, Abstände, Winkel der Spinnbalken zueinander, Geschwindigkeit, Druck, Flussrate), aber weder kennt er ausdrückliche Werte, die er einstellen soll, noch hat er ein Ziel, nachdem er sich bei seinen Versuchen richten könnte. Vielmehr fehlt im Streitpatent auch noch die grundlegende Information, dass die Fasern im noch angeschmolzenen Zustand abgelegt werden sollen. Um ein anspruchsgemäßes Vliesmaterial herzustellen, wäre es somit nötig, systematisch alle genannten Parameter in ihren Kombinationen zu variieren, was einem Forschungsprojekt entsprechen und damit einen unzumutbaren Aufwand darstellen würde.
4.2 Zum Anderen erhält der Fachmann im Streitpatent auch keine Hinweise, wie er einen Verteilungsdichte-Gradienten derart einstellen kann, dass die höchste Konzentration an dünneren Fasern in der Mitte des Vlieses auftritt, während gleichzeitig die dünneren und dickeren Fasern in Längsrichtung homogen verteilt, durch Erstarren miteinander verklebt, untereinander vermengt und ineinander verwirbelt sind.
4.2.1 Die Patentinhaberin hat argumentiert, dass der Fachmann wisse, wie er einen Verteilungsdichte-Gradienten einstellen könne, sodass die höchste Konzentration in der - in Dickenrichtung betrachtet - Mitte des Vliesmaterials bestehe. Sie hat auch erklärt, dass dies mit drei Spinnbalken gemacht werde, was dem Fachmann ebenfalls geläufig sei, und verwies dabei auf die D3 bzw. D3a.
Diese Argumente überzeugen die Kammer jedoch nicht. Das Streitpatent nennt die Verwendung von drei Spinnbalken an keiner Stelle. Doch selbst wenn der Fachmann dieses Wissen bereits mitbringen sollte, genügt es nicht nur den Verteilungsdichte-Gradienten einzustellen. Wie oben dargelegt verlangt Anspruch 1 mehrere verschiedene, sich gegenseitig beeinflussende Vorgaben, die gleichzeitig erfüllt werden müssen. Selbst wenn der Fachmann die einzelnen Vorgaben umzusetzen vermag, ist es nicht selbstverständlich, auch die Summe dieser Vorgaben erfüllen zu können. Aus dem Streitpatent bekommt er jedenfalls keine Hilfe dazu.
4.2.2 Die Patentinhaberin hat eingewendet, dass der Einwand der mangelnden Ausführbarkeit aufgrund des Verteilungsdichte-Gradienten mit der höchsten Konzentration der dünneren Fasern in der Mitte erstmals von der Kammer in ihrer Mitteilung aufgebracht worden sei. Die Kammer verneint, dass dies so war. Der Punkt kann jedoch für diese Entscheidung dahingestellt bleiben, da bereits der oben unter Randziffer 4.1 abgehandelte Mangel hinsichtlich der Verfahrensparameter einer ausreichenden Offenbarung entgegensteht. Der weitere Einwand braucht daher gar nicht berücksichtigt zu werden.
4.3 Da die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ nicht erfüllt sind, ist der Hauptantrag nicht gewährbar.
5. Hilfsanträge 1-8 und 10 - Anspruch 1 - Ausreichende Offenbarung (Artikel 83 EPÜ)
Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 8 und 10 weist hinsichtlich des Artikels 83 EPÜ dieselben Probleme wie der Anspruch 1 des Hauptantrags auf. Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass keiner dieser Anträge gewährbar ist. Hierzu hat die Patentinhaberin auch nichts vorgetragen (siehe Protokoll, S.3).
6. Hilfsantrag 9 - Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 9 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Ausgehend von dem in E1 offenbarten Verfahren handelt es sich bei den Unterscheidungsmerkmalen um naheliegende Alternativen oder um eine routinemäßige Auswahl von für ein Schmelzblasverfahren notwendigen Parametern.
6.1 Es ist zwischen den Parteien unstrittig, dass E1 ein
- Verfahren zur Herstellung eines Faservlieses (Merkmal M6, hinsichtlich "plissierbar" siehe weiter unten) beschreibt,
- wobei ein Polymer aufgeschmolzen und durch die Spinndüsen eines Spinnbalkens gedrückt wird (Merkmal M6.1),
- und wobei die so gebildeten Polymer-Fäden auf einer Rolle unter Ausbildung einer Vliesschicht abgelegt werden (Merkmal M 6.2, hinsichtlich des "Laufbands" siehe weiter unten), und
- wobei gleichzeitig Polymerfäden größerer und geringerer Dicke in einem einzigen Verfahrensschritt erzeugt und abgelegt werden (Merkmal M 6.3, hinsichtlich der "Spinndüsen unterschiedlichen Durchmessers" siehe weiter unten).
6.1.1 Der Begriff "plissierbar"
Strittig war unter anderem, ob das in E1 hergestellte Faservlies zwangsläufig "plissierbar" ist. Die Patentinhaberin hat argumentiert, der Begriff "plissierbar" bzw. "faltbar" bedeute, dass ein Material genügend Eigensteifigkeit aufweise, um plissiert werden zu können. Weder Materialien, die spröde, noch Materialien, die weich seien, würden sich zum Falten eignen. Auch aus dem fachmännischen Verständnis ergebe sich diese Bedeutung.
Diese Argumente überzeugen die Kammer nicht. Insbesondere sieht sie keinen Grund, den Begriff "plissierbar" im Zusammenhang des Anspruchs 1 enger als in dessen Wortsinn auszulegen. Der Begriff hat keine einzige, allgemein gültige Bedeutung. Auch wenn man anerkennen sollte, dass damit fachsprachlich gewisse Eigenschaften einhergehen könnten, so wären diese Eigenschaften nicht so klar mit dem Begriff verbunden, dass sie sich zur Abgrenzung gegenüber E1 eigneten. Das Streitpatent selbst gibt ebenfalls keine Hinweise auf eine besondere Eigensteifigkeit des Vliesmaterials, schon gar nicht, auf eine derartige, dass damit ein Plissee eigenständig aufrecht erhalten werden können müsste. Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Begriff gemäß langjähriger Rechtsprechung der Beschwerdekammern als auf die bloße Eignung irgendwie plissiert werden zu können auszulegen ist. Dies schließt auch ein, dass sich ein Vlies nur schwer, oder nur unter Verwendung von Hilfsstoffen plissieren lässt.
Das Argument der Patentinhaberin, dass die in E1 angegebenen Abstandswerte nicht nur kein plissierbares Faservlies ergäben, sondern überhaupt kein Vlies, und dass eher eine Watte als Ergebnis zu erwarten wäre, überzeugt die Kammer ebenfalls nicht. Die Angabe über die bevorzugte Entfernung der Spinndüsen von der Kollektorrolle in Absatz [0020] der E1 sind offensichtlich fehlerhaft. Während in diesem Absatz Werte zwischen 100 und 600 cm, vorzugsweise zwischen 200 und 400 cm, angegeben sind, weisen die Ausführungsbeispiele 1-3 laut Tabelle 1 alle einen Abstand von 40 cm auf. Da in Absatz [0020] auch erklärt ist, dass sowohl größere als auch kleinere Abstände zu Problemen führen, ist es als implizit anzusehen, dass die Ausführungsbeispiele in dem solcherart bevorzugten Bereich liegen müssen. Die Kammer interpretiert die genannten Wertebereiche daher als auf zwischen 100 und 600 mm bezogen. Unabhängig davon liegen aber jedenfalls die 40 cm der Ausführungsbeispiele durchaus in einem Bereich, in dem bei geeigneter Wahl der übrigen Produktionsparameter die Ausbildung eines Vlieses zu erwarten ist.
Es gibt daher keinen Grund zur Annahme, dass das Verfahren gemäß E1 nicht zu einem Vlies führen würde, welches in dem oben genannten Sinne plissierbar wäre. E1 offenbart daher das Merkmal M6.
6.1.2 Das Merkmal "Laufband"
Die Einsprechende hat argumentiert, dass der Begriff "Laufband" funktionsorientiert zu verstehen sei und die in E1 gezeigte Rolle daher ebenfalls darunter falle.
Die Kammer folgt diesem Argument nicht. Auch im Hinblick auf dieses Merkmal enthält das Streitpatent keine Hinweise auf eine derartig breite Auslegung. Insbesondere gibt es keine Veranlassung den Begriff entgegen seinem eigentlichen und auch fachüblichen Wortsinn eines "Bandes" auszulegen.
E1 offenbart daher nicht das Ablegen von Polymer-Fäden auf einem Laufband (Merkmal M6.2).
6.1.3 Das Merkmal "Spinndüsen unterschiedlichen Durchmessers"
Strittig war ebenfalls, ob E1 bereits die Verwendung von zwei Spinnbalken offenbart, wobei die Spinndüsen in dem einen Spinnbalken einen Durchmesser aufweisen, welcher sich von jenem der Spinndüsen des anderen Spinnbalkens unterscheidet. Die Kammer kommt zum Schluss, dass dies zumindest nicht klar und eindeutig aus E1 zu entnehmen ist.
In diesem Zusammenhang ist insbesondere der letzte Satz des Absatzes [0017] der E1 relevant. Dieser lautet in der Maschinenübersetzung gemäß E1' wie folgt:
"The diameter of the orifice 11 of the die 4, 4' can be suitably changed respectively according the average fiber diameter which is desired as described later."
Die Kammer versteht dies als Lehre, dass man den Durchmesser der Spinndüsen variieren kann, um damit einen erwünschten Faserdurchmesser zu erhalten, sieht darin jedoch keinen expliziten Hinweis auf die Verwendung von unterschiedlichen Düsendurchmessern auf den jeweiligen Spinnbalken. Es bleibt unklar, ob sich das Wort "respectively" auf die einzelnen Spinndüsen oder den jeweiligen Spinnbalken bezieht.
Auch die von Menschenhand angefertigte Übersetzung E1Ü hilft hier nicht weiter. Der letzte Satz des Absatzes [0017] lautet darin wie folgt:
"Die Durchmesser der Mündungskanäle 11 der Düsen 4, 4' können jeweils in geeigneter Weise entsprechend dem gewünschten durchschnittlichen Faserdurchmesser geändert werden, wie später beschrieben wird."
Zwar bezieht sich hier das Wort "jeweils" eindeutig auf die Düsendurchmesser, doch bleibt unklar, ob alle Düsendurchmesser eines Spinnbalkens geändert werden sollen oder nur einzelne. In diesem Sinne ist die Offenbarung der E1 nicht eindeutig.
Die Kammer merkt an, dass in Absatz [0017] zwar eine spätere, genauere Beschreibung unterschiedlicher Düsendurchmesser angekündigt wird, eine solche dann aber tatsächlich fehlt.
Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass die auf die unterschiedlichen Düsendurchmesser gerichteten Merkmale M6.3, M6.4 und M6.6 nicht aus E1 hervorgehen.
6.2 Merkmal M6.5 - "mfi" deutlich unter 500
Merkmal M6.5 definiert, dass "hochviskose Polymerschmelzen mit einem Melt-Flow-Index 'mfi' deutlich unter 500 verwendet werden". Da die Klarheit im Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren in Bezug auf Anspruchsmerkmale in der erteilten Fassung keiner Überprüfung offensteht (siehe G3/14), interpretiert die Kammer dieses Merkmal in dem breitestmöglichen Verständnis.
6.2.1 Einerseits galt es auszulegen, was der Fachmann unter "mfi" versteht. Die Kammer folgt in diesem Punkt der Patentinhaberin, indem sie das Kürzel als auf die Schmelzflussrate nach ISO 1133 in der Einheit "g/10 min" bezogen ansieht.
Das Argument der Einsprechenden, dass sich aus dem Streitpatent nicht ergebe, dass mit "mfi" die normierte Schmelzflussrate gemeint sein solle, überzeugt die Kammer nicht. Tatsächlich gibt das Streitpatent an keiner Stelle eine Bedeutung des Kürzels an. In diesem Fall handelt es sich aber um eine in Fachkreisen derart übliche Bezeichnung, dass von einer einzigen, eindeutigen Bedeutung ausgegangen werden kann. Dies gilt als mit den Dokumenten WRST1 (=F5, auf Seite 93), WRST5 (Seite 2, "Änderungen"), WRST3 (Seite 439, Kapitel 29.1.1) und WRST4 (=F8, Seite 243, Kapitel 6.1.1) als ausreichend nachgewiesen.
6.2.2 Andererseits war zu interpretieren, wie "deutlich unter 500" zu verstehen ist. Eine Abgrenzung hinsichtlich des Ausdrucks "deutlich" erscheint der Kammer unmöglich. Mit anderen Worten, die Grenze zwischen "deutlich unter 500" und lediglich "unter 500" dürfte nicht definierbar sein. Die Kammer kann daher nicht anders als eine breite Auslegung anwenden. In diesem Sinne wird im Folgenden dieses Merkmal mit "unter 500" gleichgesetzt. Dabei ist nicht ein rein mathematisches Verständnis anzulegen, sondern es sollte die Schmelzflussrate zumindest soweit unter 500 g/10 min liegen, dass der Abstand außerhalb etwaiger Messtoleranz-Bereiche liegt.
6.2.3 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass das Merkmal M6.5 eine Schmelzflussrate nach ISO 1133 von unter 500 g/10 min definiert.
Es galt daher festzustellen, ob dies aus E1 bereits hervorgeht. Das Argument der Einsprechenden, dass der Fachmann dies in Absatz [0009] der E1 mitlese, da bereits gemäß WRST1 (=F5) der Fachmann die Kenntnis habe, dass ein gängiger Bereich der am Markt befindlichen Polyolefin-Granulate einen MFR-Wert von 10-40 hätten (Beschwerdebegründung, Seite 9, letzter Absatz), überzeugt die Kammer nicht. Warum in E1 die Verwendung gerade dieser Granulate implizit sein soll, erschließt sich der Kammer nicht. Zwar werden in E1 Polyolefine und Polyamide als besonders bevorzugt dargestellt (E1, Absatz [0009]), welche Schmelzflussrate das verwendete Granulat haben soll, wird jedoch nicht erwähnt. Alternativen mit einem MFI von über 500 sind technisch nicht unmöglich. Die Verwendung eines Granulats mit einer Schmelzflussrate von unter 500 scheint daher zwar auch für das Verfahren der E1 gängig, es ist jedoch nicht implizit.
Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass das Merkmal M6.5 nicht aus E1 bekannt ist.
6.3 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich daher von jenem aus E1 bekannten durch die folgenden Verfahrensschritte:
- Es wird ein Laufband anstelle einer Rolle verwendet (Teil des Merkmals M6.2),
- es werden Spinndüsen unterschiedlichen Durchmessers verwendet (Teil des Merkmals M6.3),
- wobei für die dünneren Fasern der Durchmesser der Spinndüsen < 0,2 mm und für die Fasern größerer Dicke > 0,2 mm ist (nicht-optionale Teile des Merkmals M6.4),
- wobei hochviskose Polymerschmelzen mit einer Schmelzflussrate nach ISO 1133 von unter 500 g/10 min verwendet werden (Merkmal M6.5 gemäß der oben genannten Auslegung),
- wobei ein erster Spinnbalken Düsen größeren Durchmessers und ein zweiter Spinnbalken Düsen geringeren Durchmessers aufweist (Merkmal M6.6).
6.4 Das Argument der Patentinhaberin, dass die Unterscheidungsmerkmale einen Synergieeffekt aufwiesen, überzeugt die Kammer jedoch nicht.
6.4.1 Die Verwendung eines Laufbands anstelle einer Rolle hat keinen Synergieeffekt mit den anderen Unterscheidungsmerkmalen. Das Argument der Patentinhaberin, dass aufgrund der hohen Zähigkeit der erfindungsgemäßen Polymerschmelzen ein horizontales Schmelzblasverfahren, wie es in E1 gezeigt ist, nicht zum Einsatz kommen kann (Beschwerdeerwiderung, Seite 8, vierter Absatz), ändert diese Schlussfolgerung der Kammer nicht. Ob ein Band oder eine Rolle verwendet wird, ist, wie von der Einsprechenden argumentiert, eine reine Designfrage und unabhängig von der räumlichen Anordnung der Spinnbalken.
6.4.2 Die Merkmale M6.3, M6.4 und M6.6 beziehen sich alle auf die Durchmesser und Anordnung der Spinndüsen und werden daher als ein gemeinsames Merkmal betrachtet (analog der Gliederung durch die Patentinhaberin in ihrer Beschwerdeerwiderung, Seite 4). Die Betrachtung einer Synergie innerhalb dieser Merkmalsgruppe scheidet daher von vornherein aus.
6.4.3 Die Verwendung von hochviskosen Polymerschmelzen (Merkmal M6.5) hat keinen Synergieeffekt mit den anderen beiden Gruppen an Unterscheidungsmerkmalen. Die Viskosität der verwendeten Polymerschmelze hat zwar zweifellos eine Wechselwirkung mit dem Durchmesser der Spinndüsen. Im Grunde wirkt sich jedes der Unterscheidungsmerkmale M6.3 bis M6.6 auf den Durchmesser der entstehenden Fasern aus. Dies stellt jedoch noch keinen Synergieeffekt dar, denn diese Unterscheidungsmerkmale wirken nicht so zusammen, dass dadurch eine zusätzliche, über die Effekte der Einzelmerkmale hinausgehende Wirkung entstünde.
Das Argument der Patentinhaberin, dass sich die relativ zähen Polymerschmelzen vergleichsweise schlecht durch Prozessluft strecken ließen, und dass Spinndüsen mit unterschiedlichen Durchmessern verwendet würden, um dennoch Fasern mit substanziell unterschiedlichen Durchmessern zu erhalten, kann diese Schlussfolgerung nicht ändern. Es ist noch nicht von vorn herein eine Synergie anzuerkennen, wenn ein Verfahren, den Faserdurchmesser zu ändern, besser funktioniert als ein anderes. Eine neue, über die einzelnen Effekte hinausgehende Wirkung entsteht jedoch auch bei der Kombination von zähen Polymerschmelzen mit verschiedenen Düsendurchmessern nicht.
6.5 Da zwischen den Unterscheidungsmerkmalen kein Synergieeffekt erkennbar ist, sind im Rahmen des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes einzelne Teilaufgaben zu formulieren. Die von der Patentinhaberin genannte Aufgabe, nämlich die Filtereffizienz zu erhöhen, kann in diesem Zusammenhang nicht die mit den Unterscheidungsmerkmalen gelöste, objektive technische Aufgabe darstellen. Eine Verbesserung der Filtereffizienz ergibt sich weder aus einer Synergie (diese ist ja nicht vorhanden) noch über die gesamte Anspruchsbreite aus den Einzelunterscheidungsmerkmalen.
6.5.1 Hinsichtlich Merkmal M6.2 ("Laufband") anerkennt die Kammer keine erkennbare technische Wirkung über die gesamte Breite des Anspruchs. Die damit zu lösende, objektive technische Aufgabe besteht daher lediglich darin, eine Alternative für die in E1 verwendete Rolle zu finden. Ein Laufband ist eine dem Fachmann bekannte Alternative und daher für diesen Zweck naheliegend.
Das Argument der Patentinhaberin, anders als bei einer Rolle bewirke das Laufband, dass das Faservlies eben ausgebildet werde und keine Wölbung aufweise, vermag die Meinung der Kammer nicht zu ändern. Wie in Figur 3 der E1 dargestellt, verbleibt das Faservlies nicht auf der Rolle, sondern wird unmittelbar nach dessen Entstehung gerade abgezogen, während es noch biegsam ist. Weil anzunehmen ist, dass dabei keine bleibende Krümmung entsteht, muss es auch nicht geradegebogen werden, wie von der Patentinhaberin behauptet. Darüber hinaus ist der Anspruch auch nicht auf ein "flaches" Faservlies eingeschränkt, sodass diese Eigenschaft ohnehin nicht über die gesamte Anspruchsbreite erreicht wäre.
Das weitere Argument der Patentinhaberin, dass sich einzelne, bereits verschmolzene Verbindungsstellen wieder lösen würden, wenn das Faservlies wieder gerade gerichtet würde, überzeugt daher ebenfalls nicht. Zusätzlich verlangt der Anspruch keine verschmolzenen Verbindungsstellen.
Das Merkmal M6.2 kann somit keine erfinderische Tätigkeit begründen.
6.5.2 Hinsichtlich der Merkmale M6.3 und M6.6 ("Spinnbalken mit Spinndüsen unterschiedlichen Durchmessers") stellt dies eine Möglichkeit dar, in einem Schritt Fasern mit unterschiedlichen Durchmessern zu erzeugen und abzulegen. Eine erfinderische Tätigkeit wird dadurch jedoch nicht begründet.
Wie von den Parteien außer Streit gestellt erklärt E1, dass mit dem Düsendurchmesser der Faserdurchmesser beeinflussbar ist (siehe Absatz [0017]). In den Ausführungsbeispielen wird diese Lehre jedoch nicht umgesetzt. Wie oben ausgeführt (siehe Randziffer 6.1.3) offenbart E1 daher nicht eindeutig, an einem Spinnbalken erste Düsendurchmesser und am anderen Spinnbalken zweite, davon unterschiedliche Düsendurchmesser zu verwenden.
In den Ausführungsbeispielen 1 bis 3 der E1 werden die unterschiedlichen Faserdurchmesser über unterschiedliche Ausstoßmengen der Polymerschmelze eingestellt (siehe Absatz [0025] sowie Tabelle 1). E1 erreicht damit dasselbe Ergebnis (unterschiedliche Faserdurchmesser) wie das Streitpatent mit den Merkmalen M6.3 und M6.6, jedoch mit anderen Mitteln.
Die mit diesen Merkmalen zu lösende objektive, technische Aufgabe ist es daher, eine alternative Möglichkeit der Herstellung von Faservliesen mit Fasern von unterschiedlichen Durchmessern anzugeben.
Wie von der Einsprechenden vorgetragen (siehe Beschwerdebegründung, Seite 11, zweiter Absatz) beschreibt D2 in Spalte 1, Zeilen 39-54, dass zwei Spinnbalken mit unterschiedlichen Düsendurchmessern im Stand der Technik bekannt sind. D2 beschreibt weiter, dass diese Produktionsverfahren jedoch teuer seien und eine sorgfältige Verfahrenssteuerung benötigten. D2 schlägt daher als Alternativlösung die Verwendung eines Spinnbalkens mit unterschiedlichen Düsendurchmessern am selben Spinnbalken vor (siehe das Lochmuster in Figur 2). Dennoch ist aus D2 zu entnehmen, dass zwei Spinnbalken mit Spinndüsen bekannt sind, bei denen am selben Spinnbalken alle Spinndüsen denselben Durchmesser aufweisen, welcher sich jedoch von dem Durchmesser der Spinndüsen am anderen Spinnbalken unterscheidet. Dies war somit bereits vor Anmeldung der D2 bekannter Stand der Technik.
Zusammen mit der Information in Absatz [0017] der E1, dass mit der Auswahl der Düsendurchmesser der Faserdurchmesser beeinflusst werden kann, ist dies genug Anregung für den Fachmann, diese bekannte Technik als Alternative zur Variation der Prozessparameter anzuwenden, um gleichzeitig dünnere und dickere Fasern zu erzeugen und abzulegen.
Die Merkmale M6.3 und M6.6 können daher ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit begründen.
6.5.3 Hinsichtlich Merkmal M6.4 (Düsendurchmesser größer bzw. kleiner als 0,2 mm am jeweiligen Spinnbalken) erkennt die Kammer keine spezifische technische Wirkung, die auf diesem Grenzwert beruhen würde. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Routineauswahl bei der Bemessung der Düsendurchmesser, welche abhängig von den gewünschten Faserdurchmessern sind. Es handelt sich bei den beiden Bereichen (größer als 0,2 mm und kleiner als 0,2 mm) daher um Bereiche von geeigneten Zahlenwerten, die der Fachmann je nach gewünschten, zu erreichenden Faserdurchmessern sowie weiterer Vorgaben wählen würde. In dieser Hinsicht ist auch anzumerken, dass Absatz [0017] der E1Ü Düsendurchmesserwerte von "0,1 bis 3 mm, insbesondere 0,2 bis 2 mm" für die ersten und zweiten Düsen angibt, so dass die im Merkmal 6.4 beanspruchten Werte auch im für das Verfahren gemäß E1 üblichen Bereich liegen, auch wenn die Durchmesser gemäß den Ausführungsbeispielen in E1Ü 0,3 mm waren.
Das Argument der Patentinhaberin, wonach es mit Spinndüsen mit einem Durchmesser von weniger als 0,2 mm besonders gut möglich sei, Fasern mit einem geringen Durchmesser zu erzeugen (siehe Beschwerdeerwiderung, die Seiten 6 und 7 überbrückender Absatz), überzeugt die Kammer nicht. Der Düsendurchmesser ist nur ein Parameter von vielen, die auf den Faserdurchmesser Einfluss haben. Der Zahlenbereich in Merkmal 6.4 erzielt daher nicht in jedem Fall dieselbe technische Wirkung, insbesondere wird damit nicht derselbe Faserdurchmesser erreicht. Darüber hinaus ist ein konkreter zu erreichender Faserdurchmesser auch nicht beansprucht, sodass der Anspruch in diesem Punkt überhaupt nicht eingeschränkt ist.
Das Merkmal M6.4 kann daher ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit begründen.
6.5.4 Hinsichtlich Merkmal M6.5 ("MFI < 500") stellt die Kammer fest, dass sich dieser Wertebereich mit dem aus dem Stand der Technik bekannten überschneidet. Auch ist der Überschneidungsbereich nicht eng im Vergleich zum bekannten Bereich. Die Verwendung von Polymerschmelzen mit einer Schmelzflussrate von unter 500 g/10 min ist an sich bekannt, auch bei der Herstellung von Vliesen im "Meltblown"-Verfahren (siehe WRST 1, Seite 187, Angabe "100-1600 g/10 min").
Darüber hinaus hat der Wert der Schmelzflussrate kaum Relevanz für das beanspruchte Verfahren, da es (anders als etwa Anspruch 1 des Hauptantrags) keinen Durchmesserverteilungsgradienten, keine Verwirbelung, keine Vermengung, kein Verkleben durch Erstarren und auch keine homogene Verteilung in Längsrichtung verlangt. Das an sich bekannte Meltblown-Verfahren wird lediglich mit einer Polymerschmelze von höherer Viskosität durchgeführt. Dabei werden unter anderem die Düsendurchmesser wie beansprucht angepasst. In der Praxis werden allerdings auch noch zahlreiche andere Parameter anzupassen sein, darunter die Ausstoßmenge, Temperatur, Druck, etc. Da gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 9, anders als im Hauptantrag, kein Produkt mit bestimmten Eigenschaften erzielt werden muss, liegt all dies im Bereich des fachmännischen Handelns, ohne dass es dazu einer erfinderischen Tätigkeit bedürfte.
Das Merkmal M6.5 kann daher ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit begründen.
6.6 Zusammenfassend handelt es sich bei den Unterscheidungsmerkmalen daher entweder um naheliegende, dem Fachmann bekannte Alternativen, oder um die Auswahl geeigneter Parameter zur Durchführung eines Meltblown-Verfahrens, bei welchem eine viskose Polymerschmelze verwendet wird.
7. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Da somit das Erfordernis des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt ist, ist der Hilfsantrag 9 nicht gewährbar.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.