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T 2340/17 21-09-2022
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Heizplatte mit einer Vielzahl von Heizpatronen
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung im Einspruchsverfahren, dass das europäische Patent Nr. 2 073 970 unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen gemäß dem Hilfsantrag 2, eingereicht am 29. Juni 2017, den Erfordernissen des Übereinkommens genügt.
II. Der Einspruch war gegen das Streitpatent in vollem Umfang eingelegt und auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 54 EPÜ (fehlende Neuheit) und Artikel 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) gestützt worden.
III. Am 21. September 2022 hat die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer stattgefunden.
IV. Anträge
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Der Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2, der der angefochtenen Entscheidung zu Grunde lag, hat den folgenden Wortlaut:
"Verpackungsmaschine (4) mit einer Formstation (43), die Mulden (3) in eine Folienbahn (42, 55) einformt, wobei ein Heizelement (1) die Folienbahn (42) vor dem Verformen erwärmt, wobei das Heizelement eine Vielzahl von diskreten Heizmitteln (2, 2', 2") aufweist, die einzeln oder gruppenweise ansteuerbar sind, wobei die Heizmittel (2, 2', 2") so angesteuert sind, dass sie ein ganz bestimmtes den jeweiligen Tiefziehanforderungen entsprechendes Temperaturprofil in der Folienbahn erzeugen, so dass die Temperatur in Eckbereichen der Mulde geringer und in anderen Bereichen der Folienbahn höher ist, wobei die Verpackungsmaschine einen Computer aufweist, der die Heizmittel (2, 2', 2") steuert und wobei sie Mittel aufweist, um die Wärmeübertragung zwischen Folienbahn (42) und Heizelement (1) zu verbessern."
VI. In der vorliegenden Entscheidung werden folgende Dokumente zitiert:
E3 GB 1 405 753;
E15 DE 102 52 019 A1.
VII. Der Vortrag der Beteiligten zu Hilfsantrag 2 bezüglich erfinderischer Tätigkeit lässt sich wie folgt zusammenfassen:
i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 sei durch eine Kombination der Dokumente E15 und E3 nahegelegt. Als nächstliegender Stand der Technik werde das Dokument E15 angesehen, das nach den Absätzen [0010] bis [0012] eine Verpackungsmaschine offenbare mit einer Formstation, die Mulden in eine Folienbahn einforme, wobei ein Heizelement die Folienbahn vor dem Verformen erwärme, wobei das Heizelement eine Vielzahl von diskreten Heizmitteln aufweise, die einzeln oder gruppenweise ansteuerbar seien, und wobei die Heizmittel so angesteuert seien, dass sie ein ganz bestimmtes, den jeweiligen Tiefziehanforderungen entsprechendes Temperaturprofil in der Folienbahn erzeugten.
Im Punkt 6.6.1 der Entscheidungsgründe habe die Einspruchsabteilung dargelegt, weshalb durch die Absätze [0006] (letzter Satz) und [0023] des Dokuments E15 durch den Temperaturregler auch ein Computer offenbart sei, der die Heizmittel steuere. Der Computer übernehme hier eine Regelfunktion.
Ferner habe die Einspruchsabteilung im Punkt 6.6.2 der Entscheidungsgründe festgestellt, dass das Merkmal der "Mittel, welche die Wärmeübertragung zwischen Folienbahn und Heizelement verbessern", im Absatz [0022] des Dokuments E15 als Bohrungen zum Anlegen eines Unterdrucks offenbart sei. Dies sei nicht nur für eine Tiefziehmatrize offenbart, sondern auch für eine Heizplatte. Denn Absatz [0022] beziehe sich auf die Figur 2 des Dokuments E15, die eine Heizplatte zeige. Das Anlegen von Unterdruck sei unabhängig von der Anzahl der Heizmittel und daher auch für die Absätze [0006] bis [0013] des Dokuments E15 gültig.
Entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung seien diese aus Dokument E15 bekannten Merkmale nicht unterschiedlichen Ausführungsformen zuzuordnen. Die Absätze [0006] bis [0013] des Dokuments E15 bildeten gemeinsam den allgemeinen Beschreibungsteil. Die darin jeweils mit "bevorzugt" gekennzeichneten einzelnen Merkmale beschrieben bevorzugte Details der Erfindung, die sich ergänzten, und somit auch in Kombination miteinander als zur selben Erfindung gehörig offenbart seien.
Damit verbleibe als einziges Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2, dass "die Temperatur in Eckbereichen der Mulde geringer und in anderen Bereichen der Folienbahn höher ist". Wie in Punkt 9.2 der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung angegeben, liege der technische Effekt dieses Unterscheidungsmerkmals in der Vermeidung von Schwachstellen in den herzustellenden Verpackungsmulden (siehe Streitpatent, Absatz [0006], dritter Satz). Dieses Merkmal sei aus Dokument E3 bekannt, wo in der einleitenden Hinweisstelle auf Seite 1, Zeilen 36 bis 43 die Anleitung an den Fachmann angegeben sei, dass es wünschenswert sei, dass die Bereiche der Bahn, die dem höchsten Ausmaß an Dehnung ausgesetzt seien, weniger erhitzt würden als die Bereiche der Bahn, die am wenigsten gedehnt würden, um eine Ausdünnung der Bahn und somit Schwachstellen an den Stellen stärkster Dehnung zu verhindern. Der Fachmann hätte zur Lösung der objektiven Aufgabe auch auf das Dokument E3 zurückgegriffen. Entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung seien die Übereinstimmungen zwischen den beiden Dokumenten so deutlich und die Unterschiede unerheblich, so dass ein Fachmann die Dokumente zwangsläufig kombinieren würde. Zunächst betreffe auch das Dokument E3 das Tiefziehen von Folienbahnen nach vorheriger Erwärmung (siehe Dokument E3, Titel "vacuum forming of sheeting of plastics material" und Seite 1, Zeilen 9 bis 10). Der Begriff "sheeting" sei im Bereich von Kunststoffen eindeutig mit dem deutschen Begriff "Folienbahn" oder "Folie" gleichzusetzen. Im Anspruch 1 und auf Seite 1, Zeilen 59 bis 71 des Dokuments E3 sei außerdem ganz allgemein eine unabhängige Ansteuerung einzelner Heizvorrichtungen hin zu unterschiedlichen Arbeitstemperaturen beschrieben, was ebenfalls eine Übereinstimmung mit dem Dokument E15 sei. Der Fachmann könne dieses im Dokument E3 offenbarte Grundprinzip beim Warmformen von Mulden in Folienbahnen problemlos mit den Mitteln der Vorrichtung gemäß Dokument E15 umsetzen. Eine Übernahme der konkreten Art von Heizmitteln, wie sie in einer Ausführungsform des Dokuments E3 beschrieben seien, sei nicht notwendig. Die im Dokument E15 beschriebenen Stege würden sich ohne konstruktive Modifikation für die Umsetzung der im Dokument E3 allgemein beschriebenen Lehre eignen. Die im Dokument E15 ohnehin bereits offenbarten verschiedenen Muster und die unterschiedliche Ansteuerung der Stege müssten durch den Fachmann nur so adaptiert werden, dass die gewünschte Temperaturverteilung nach den Vorgaben aus dem Dokument E3 erzielt würde. Da Dokument E15 eine beliebige Einstellung der Temperaturverteilung offenbare (siehe Dokument E15, Absatz [0012]), erhielte der Fachmann aus Dokument E15 bereits die Anregung, ein Temperaturprofil in der Folienbahn zu erzeugen.
Das Argument der Einspruchsabteilung, eine zu erwärmende Folienfläche von 90 cm auf 150 cm sei für Lebensmittelverpackungen ungeeignet, sei falsch. Tiefziehwerkzeuge würden in der Regel mit einer möglichst großen Arbeitsfläche versehen, um in einem Arbeitstakt gleichzeitig mehrere, üblicherweise in Zeilen und Spalten angeordnete Mulden mit der Arbeitsfläche des Werkzeugs ausformen zu können.
ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 sei erfinderisch ausgehend von Dokument E15 in Kombination mit dem Dokument E3. Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich vom Dokument E15 darin, dass die Verpackungsmaschine einen Computer aufweise, der ein Heizmittel steuere, dass sie Mittel aufweise, um die Wärmeübertragung zwischen der Folienbahn und dem Heizmittel zu verbessern, und dass die Temperatur in Eckbereichen der Mulde geringer und in anderen Bereichen der Folienbahn höher sei.
Im Dokument E15 sei lediglich ein Temperaturregler offenbart. Die Steuerung der Heizelemente erfolge elektrisch (siehe Dokument E15, Absatz [0006], Seite 2, rechte Spalte, Zeilen 15 bis 17 und letzter Satz von Absatz [0006]). Ein Temperaturregler könne auch ein normales Wohnraumthermostat mit einem Bimetallstreifen sein. Ein derartiges Thermostat bzw. ein solcher Temperaturregler würde aber keinen Computer darstellen mit einem Speicher, einer Ein- und Ausgabeeinheit und einer CPU für eine Programmiermöglichkeit. Absatz [0011] des Streitpatents definiere einen Computer und dessen Merkmale näher.
Das Anlegen von Unterdruck im Absatz [0022] des Dokuments E15 sei nicht im Zusammenhang mit einer verbesserten Wärmeübertragung genannt. Ferner beziehe sich das Anlegen von Unterdruck auf eine Tiefziehmatrize und sei ein übliches Vorgehen bei Vakuumumformung. Dass sich das Anlegen von Unterdruck für eine verbesserte Wärmeübertragung eigne, sei nur aus dem Streitpatent (siehe Streitpatent, Absatz [0009]) bekannt, weshalb hier eine rückschauende Betrachtungsweise vorliege. Dieses Merkmal sei daher aus Dokument E15 nicht nahegelegt.
Die Unterscheidungsmerkmale würden einen Synergieeffekt aufweisen. Ein technischer Effekt aller Unterscheidungsmerkmale sei die Vermeidung von Schwachstellen in den herzustellenden Verpackungsmulden. Dies werde dadurch erreicht, dass der Computer die Heizelemente exakt so ansteuere, dass diese die Folienbahn in den Eckbereichen der herzustellenden Mulde weniger aufheize als in anderen Bereichen. Die Verbesserung der Wärmeübertragung ermögliche einen guten Kontakt zwischen der Folienbahn und den Heizelementen, so dass die Temperaturverteilung der Heizelemente exakt auf die Folienbahn übertragen werde. Ausgehend vom Dokument E15 sei es deshalb die objektive technische Aufgabe, eine Verpackungsmaschine zur Verfügung zu stellen, bei der beim Tiefziehen in der resultierenden Mulde keine Schwachstellen entstünden.
Diese Aufgabe werde im Dokument E3 weder angesprochen noch gelöst, weil zum einen das Merkmal "Verpackungsmaschine" nicht offenbart werde, und zum anderen nicht offenbart sei, was mit der Maschine gemäß Dokument E3 hergestellt werde. Es werde lediglich erwähnt, dass ein "sheeting" tiefgezogen werden solle, aber in welche Form bleibe unklar. Dem Fachmann sei es überhaupt nicht ersichtlich, ob bei der Ausführungsform gemäß Dokument E3 überhaupt Mulden erzeugt würden. Der Fachmann erfahre nur, dass eine sehr große Fläche, nämlich 90 x 150 cm erhitzt werden solle, was für Verpackungen ungeeignet erscheine. Die Annahme der Beschwerdeführerin, dass es sich dabei um ein Format mit mehreren Mulden handeln könnte, sei reine Spekulation.
Ferner würden sich die Lehren der Dokumente E15 und E3 gegenseitig ausschließen. Nach Absatz [0003] des Dokuments E15 werde die Verwendung von Heizpatronen kritisiert und eine ungleichmäßige Temperaturverteilung als unerwünscht hingestellt. Dokument E15 weise speziell darauf hin, dass die Temperaturunterschiede weniger als 1°C betrügen (siehe Dokument E15, Absatz [0022], vorletzter Satz).
Der Fachmann würde das Dokument E3 folglich bei der Lösung der Aufgabe nicht zurate ziehen. Selbst wenn er es täte, müsste er erfinderisch tätig werden, um zu erkennen, dass das Heizmittel gemäß Dokument E3 auf das Heizsystem gemäß Dokument E15 anwendbar sei. Dokument E3 sei eine Patentschrift und stelle als solche kein allgemeines Fachwissen dar. Schließlich offenbare eine Kombination aus den beiden Dokumenten E15 und E3 nicht alle Merkmale von Anspruch 1, weil keines der Dokumente einen Computer und Mittel zur Verbesserung der Wärmeübertragung offenbare.
1. Hilfsantrag 2, erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
1.1 Die Beteiligten stimmen darin überein, dass eine Verpackungsmaschine mit einer Formstation, die Mulden in eine Folienbahn einformt, wobei ein Heizelement die Folienbahn vor dem Verformen erwärmt, wobei das Heizelement eine Vielzahl von diskreten Heizmitteln aufweist, die einzeln oder gruppenweise ansteuerbar sind, wobei die Heizmittel so angesteuert sind, dass sie ein ganz bestimmtes, den jeweiligen Tiefziehanforderungen entsprechendes Temperaturprofil in der Folienbahn erzeugen, im Dokument E15 offenbart ist (siehe Dokument E15, Absätze [0006] bis [0013]), so dass insbesondere das Ausführungsbeispiel gemäß den Absätzen [0006] bis [0013] dieses Dokuments einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bildet. Dem schließt sich die Kammer an.
1.2 Auch besteht Einigkeit, dass das Ausführungsbeispiel gemäß den Absätzen [0006] bis [0013] des Dokuments E15 das folgende Merkmal des Anspruchs 1 nicht offenbart: "so dass die Temperatur in Eckbereichen der Mulde geringer und in anderen Bereichen der Folienbahn höher ist".
1.3 Das Merkmal "wobei sie [die Verpackungsmaschine] Mittel aufweist, um die Wärmeübertragung zwischen Folienbahn und Heizelement zu verbessern" sieht die Beschwerdeführerin durch die Bohrungen zum Anlegen eines Unterdrucks im Beispiel der Figur 2 des Dokuments E15 offenbart (siehe Dokument E15, Absatz [0022]). Die Kammer kann jedoch keinen unmittelbaren und eindeutigen Zusammenhang mit den Absätzen [0006] bis [0013] des Dokuments E15 erkennen, insbesondere weil bei dieser Ausführungsform nur "ein Steg, der möglichst gleichmäßig über die gesamte Platte verteilt ist", eingesetzt wird.
1.4 Strittig ist auch, ob das Merkmal "wobei die Verpackungsmaschine einen Computer aufweist, der die Heizmittel steuert" aus dem Dokument E15 bekannt ist. Aus folgenden Gründen teilt die Kammer die Sichtweise der Beschwerdeführerin, dass das der Fall ist.
Dokument E15 offenbart eine Temperaturregelung in Form einer Regelung der Spannung, die an den Heizstegen anliegt. Diese Regelung erfolgt z.B. über einen Temperatursensor und einen Temperaturregler (siehe Dokument E15, die letzten beiden Sätze von Absatz [0006]). Im Absatz [0022] von Dokument E15 wird beispielsweise ein PT100 Temperatursensor und ein Temperaturregler von M.K. Juchheim offenbart.
Der Computer ist im Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 nicht näher spezifiziert. Es wird lediglich gefordert, dass er die Heizmittel steuert. Ein Computer mit dieser Funktion ist im Dokument E15 durch den Temperaturregler verwirklicht. Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass die Stege im Dokument E15 lediglich "elektrisch individuell ansteuerbar" seien (siehe Dokument E15, Absatz [0006], Seite 2, rechte Spalte, Zeilen 15 bis 17). Es sei jedoch keine elektronische Steuerung offenbart, auch nicht implizit. Denn jedes Wohnraumheizungsthermostat, z.B. mit bimetallischen Streifen, könne als Temperaturregler im Sinne von Dokument E15 verstanden werden. Ein solches weise keinen Computer auf.
Dem kann sich die Kammer nicht anschließen. Die im Dokument E15 offenbarte Temperaturregelung entstammt einem industriellen Kontext und ist nicht mit einem Wohnraumheizungsthermostat vergleichbar. In der Verpackungsmaschine nach dem Dokument E15 werden die Stege mit unterschiedlichen Spannungen betrieben und die Spannung individuell geregelt. Dies erfolgt mittels eines industriellen Temperaturreglers (siehe Dokument E15, Absatz [0006], vorletzter Satz und Absatz [0023]), der, wie von der Einspruchsabteilung richtig festgestellt wurde (siehe angefochtene Entscheidung, Gründe, Punkt 6.6.1), ein Eingabemittel, ein Ausgabemittel, einen Datenspeicher und eine CPU aufweist, und somit nicht mit einem Wohnraumheizungsthermostat mit Bimetallstreifen gleichgesetzt werden kann. Vor diesem Hintergrund offenbart das Dokument E15 mit dem Temperaturregler implizit einen Computer gemäß Anspruch 1, der die Heizmittel steuert. Die Beschwerdegegnerin verweist hinsichtlich der Definition eines Computers auf Absatz [0011] des Streitpatents, in dem eine konkrete Ausgestaltung des beanspruchten Computers beschrieben ist, die im Dokument E15 nicht offenbart ist. Die Kammer betont, dass Anspruch 1 allgemein auf einen Computer gerichtet ist, der die Heizmittel steuert, weshalb die breitere Auslegung des Begriffs "Computer" durch die Einspruchsabteilung zutreffend ist. Generell können die Ansprüche und die Beschreibung nicht als gewissermaßen kommunizierende Gefäße betrachtet werden, indem man z.B. einschränkende Merkmale, die zwar in der Beschreibung beschrieben sind, aber nicht in den Ansprüchen definiert sind, in letztere hineinliest (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 10. Auflage, Juli 2022, II.A.6.3.4). Folglich kann Absatz [0011] des Streitpatents nicht herangezogen werden, um dem beanspruchten Computer weitere Merkmale zuzuschreiben.
1.5 Aufgrund dieser Überlegungen schlussfolgert die Kammer, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 von der aus dem Dokument E15 bekannten Verpackungsmaschine nur durch die beiden oben im Punkt 1.2 und 1.3 genannten Merkmale unterscheidet.
1.6 Die technische Wirkung dieser Merkmale ist nicht strittig. Das funktionelle Merkmal "wobei sie [die Verpackungsmaschine] Mittel aufweist, um die Wärmeübertragung zwischen Folienbahn und Heizmittel zu verbessern" trägt zur Verbesserung der Wärmeübertragung bei. Der technische Effekt des Merkmals "so dass die Temperatur in Eckbereichen der Mulde geringer und in anderen Bereichen der Folienbahn höher ist" liegt darin, Schwachstellen in den herzustellenden Verpackungsmulden zu vermeiden (siehe Streitpatent, Absatz [0006]). Nach Ansicht der Kammer weisen diese beiden Merkmale keine synergistische Wirkung auf, die über die Summe ihrer Einzelwirkungen hinausgeht. Die generelle Verbesserung der Wärmeübertragung auf die Folienbahn hat keine Auswirkung darauf, dass die Heizmittel so gesteuert werden, dass die Temperatur in der Folienbahn in den Eckbereichen der Mulde geringer sein soll. Es geht hier nur um relative Temperaturunterschiede in der Folienbahn und nicht um die absolute Temperatur. Daher kann der Argumentation der Beschwerdegegnerin nicht gefolgt werden, dass die beiden Unterscheidungsmerkmale einen Synergieeffekt aufwiesen.
1.7 Somit ergeben sich zwei zu lösende objektive technische Teilaufgaben, einerseits die Bereitstellung einer Verpackungsmaschine mit verbesserter Wärmeübertragung und andererseits die Bereitstellung einer Verpackungsmaschine, bei der beim Tiefziehen in der resultierenden Mulde keine Schwachstellen entstehen.
1.8 Die Mittel, um die Wärmeübertragung zwischen Folienbahn und Heizelement zu verbessern, sind im Anspruch 1 nur funktionell angegeben. Es liegt keine nähere Spezifikation vor. Die Lösung der ersten Teilaufgabe ist nahegelegt durch das Dokument E15. Der vorletzte Satz von Absatz [0022] dieses Dokuments offenbart, dass "[d]ie Platten 1, 5 und 6 sowie die Schichten 7 [...] Bohrungen aufweisen [können], damit ein Unterdruck angelegt werden kann." Dies führt zu einem engen Kontakt zwischen der Platte und der Folie, wodurch ein Wärmeübergang verbessert wird.
Dem Argument der Beschwerdegegnerin, dass sich diese Ausführungsform nicht auf eine Platte sondern eine Tiefziehmatrize beziehe (siehe Dokument E15, Absatz [0022], letzter Satz), kann die Kammer nicht folgen. Absatz [0022] des Dokuments E15 beschreibt ein Werkzeug der Figur 2. Am Anfang dieses Absatzes wird darauf hingewiesen, dass das Werkzeug in dem vorliegenden Fall eine Heizplatte ist, wie sie beispielsweise in der Tiefziehstation, der Vorheizung und/oder der Siegelung eingesetzt wird. Damit bezieht sich die Ausführungsform mit den Bohrungen für den Unterdruck auch auf eine Heizplatte wie in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2. Die von der Beschwerdegegnerin zitierte Passage (siehe Dokument E15, Absatz [0022], letzter Satz) schließt übrigens diese Ausführungsform für eine Heizplatte nicht aus, sondern offenbart, dass sie insbesondere für eine Tiefziehmatrize interessant ist.
Auch das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, dass die Ausführungsform mit den Bohrungen für den Unterdruck im Dokument E15 nicht im Zusammenhang mit einem verbesserten Wärmeübergang offenbart sei, kann nicht überzeugen. Ein derartiger Zusammenhang ist für den Fachmann offensichtlich. Der Wärmeübergang zwischen Folienbahn und Heizplatte hängt wesentlich davon ab, dass diese miteinander in Kontakt sind. Ohne Kontakt wäre der Wärmeübergang schlechter; siehe auch Absatz [0007] des Dokuments E15, wonach der Steg in möglichst unmittelbaren Kontakt zu dem beheizenden Objekt sein soll.
Daher ist das Vorsehen von Mitteln, um die Wärmeübertragung zwischen Folienbahn und Heizmittel zu verbessern, durch das Dokument E15 selbst nahegelegt.
1.9 Die zweite zu lösende objektive technische Teilaufgabe und deren Lösung ist explizit im Dokument E3 genannt (siehe Dokument E3, Seite 1, Zeilen 31 bis 43). Dort steht:
"Naturally some areas of the sheeting are stretched more than other areas in the shaping operation and accordingly thinned. Also it is generally undesirable to heat the sheeting to any higher temperature than necessary. Accordingly it is desirable to heat those regions of the sheeting which are to receive the largest degree of stretch less than those regions of the sheeting which are to be stretched the least in an attempt to even out the amount of stretching and consequential thinning of the sheet over the entire area of the sheet."
Die Tatsache, dass einige Bereiche der Folienbahn beim Verformen mehr gedehnt werden und dadurch ausgedünnt werden, betrifft das Entstehen von Schwachstellen. Mulden werden beim Verformen besonders stark gedehnt, so dass die Schwachstellen im vorliegenden Fall dort entstehen werden. Dokument E3 offenbart das allgemein bekannte und auch von den Beteiligten nicht bestrittene Grundprinzip, dass jene Bereiche, die besonders stark gedehnt werden, weniger stark erhitzt werden sollten als die Bereiche, die weniger gedehnt werden.
1.10 Der Fachmann hätte ausgehend von der Verpackungsmaschine mit einer Tiefziehstation für eine Folienbahn nach dem Dokument E15 zur Lösung der zweiten objektiven technischen Teilaufgabe das Dokument E3 herangezogen, da es sich ebenfalls mit dem Tiefziehen einer Kunststofffolienbahn beschäftigt (siehe Dokument E3, Seite 1, Zeilen 9 bis 15).
"This invention relates to the vacuum forming of sheeting of thermoplastics material, and is particularly concerned with a machine for this vacuum forming and heating panels for heating the sheeting in such machines prior to shaping."
Es geht also in beiden Dokumenten E15 und E3 um das Beheizen der Kunststofffolienbahn vor dem Tiefziehen. Beide Dokumente gehören somit zum selben technischen Gebiet wie das Streitpatent. Ferner offenbart das Dokument E3 ein allgemein gültiges Grundprinzip unabhängig von der apparatetechnischen Umsetzung. Der Fachmann hätte also im Dokument E3 sowohl die Problemstellung gefunden, nämlich Schwachstellen zu vermeiden, als auch deren Lösung, die er ohne Modifikation direkt auf das Ausführungsbeispiel der Absätze [0006] bis [0013] des Dokuments E15 nicht nur übertragen hätte können, sondern auch tatsächlich übertragen hätte. Der Stand der Technik hätte hierfür nämlich auch eine konkrete Veranlassung geboten, da Dokument E15 sowohl unterschiedlich beheizbare Bereiche als auch Bereiche mit tatsächlich unterschiedlicher Beheizung offenbart (siehe Dokument E15, Absatz [0006], Seite 2, rechte Spalte, Zeilen 6 bis 7: "Dies kann insbesondere beim Siegeln von Vorteil sein, bei dem lediglich der Bereich der Siegelnaht beheizt werden muss.").
1.11 Die Beschwerdegegnerin bestreitet nicht, dass Dokument E3 sowohl die zweite objektive technische Teilaufgabe als auch deren Lösung offenbart. Sie argumentiert jedoch, dass der Fachmann ausgehend von Dokument E15 die Lehre des Dokuments E3 nicht in Betracht gezogen hätte. Die Kammer ist davon und von den in der angefochtenen Entscheidung unter Punkt 9.4 aufgeführten weiteren Argumenten der Einspruchsabteilung aus folgenden Gründen nicht überzeugt.
Das Dokument E3 ist zwar nicht wie Dokument E15 auf Lebensmittelverpackungen gerichtet und offenbart auch keine Verpackungsmaschine, jedoch beschäftigt sich sowohl das Dokument E15 als auch das Dokument E3 mit einer Tiefzieh- oder Siegelstation (siehe Dokument E15, Absatz [0001] und Dokument E3, Seite 1, Zeilen 9 bis 14). Auch wenn sich nur Dokument E15 auf Lebensmittelverpackungen, die gemäß Absatz [0002] des Dokuments E15 aus Kunststoff hergestellt werden, bezieht, wobei die Verpackungsmulden aus einer Kunststofffolienbahn tiefgezogen werden, so offenbart Dokument E3 doch die Vakuumumformung von erwärmten Kunststofffolien (siehe Dokument E3, Titel und Seite 1, Zeilen 9 bis 14) in eine dreidimensionale Form (siehe Dokument E3, Seite 1, Zeilen 22 bis 30). Daher hätte der Fachmann für die Weiterentwicklung einer Verpackungsmaschine mit Tiefziehstation sehr wohl das Dokument E3 in Betracht gezogen.
Auch das Argument, dass die im Dokument E3 zu erwärmende Folienfläche zu groß für Lebensmittelverpackungen sei, kann die Kammer nicht überzeugen. Es ist, wie die Beschwerdeführerin anmerkt, üblich, in einem Arbeitstakt mehrere in Zeilen und Spalten angeordnete Mulden mit der Arbeitsfläche des Werkzeugs herzustellen. Anspruch 1 ist ferner nicht beschränkt auf eine Größe der Folie oder eine Muldenanzahl. Auch im Streitpatent erfolgt eine Vereinzelung der Verpackungen erst am Ende in der Schneidstation 51 (siehe Streitpatent, Absatz [0013], vorletzter Satz).
Die Dokumente E3 und E15 offenbaren unterschiedliche apparatetechnische Umsetzungen, weshalb laut der Einspruchsabteilung eine Inkompatibilität vorliege (siehe angefochtene Entscheidung, Gründe, Punkt 9.4). Nach Auffassung der Kammer hätte die unterschiedliche apparatetechnische Umsetzung den Fachmann jedoch nicht davon abgehalten, das in Dokument E3 offenbarte allgemeine Grundprinzip, dass Bereiche, die beim Tiefziehen besonders stark gedehnt werden, weniger stark erhitzt werden, zu berücksichtigen, da aus dem Ausgangsdokument E15 die apparatetechnische Umsetzung bereits bekannt ist. Dokument E15 muss strukturell in keinerlei Hinsicht geändert werden, es ist lediglich ein dem obigen Merkmal entsprechendes Temperaturprofil einzustellen. Daher spielt es keine Rolle, dass in den Dokumenten E3 und E15 z.B. verschiedene Heizungstypen und -regelungen offenbart sind.
Auch die Tatsache, dass in Dokument E15 eine ungleichmäßige Temperaturverteilung als unerwünscht bezeichnet wird (siehe Dokument E15, Absatz [0003]), kann das Naheliegen der Lösung der zweiten Teilaufgabe nicht in Frage stellen, da diese Aussage ein anderes Ausführungsbeispiel des Dokuments E15 betrifft als jenes der Absätze [0006] bis [0013], das den Startpunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bildet und das bereits einzeln ansteuerbare Heizelemente, die individuell geregelt sind, und damit unterschiedliche Temperaturen offenbart (siehe Dokument E15, Absatz [0006], Seite 2, rechte Spalte, Zeilen 12 bis 14: "Weiterhin bevorzugt sind mehrere Stege auf oder in dem Formkörper angeordnet.", Zeilen 15 bis 17: "Vorzugsweise ist jeder Stege [sic] elektrisch individuell ansteuerbar.", Zeilen 35 bis 37: "Ganz besonders bevorzugt werden die Stege mit jeweils unterschiedlichen Spannungen betrieben und die Spannung individuell geregelt."). Daher widerspricht die in Dokument E3 vorgeschlagene Lösung nicht dem Kern der Lehre des nächstliegenden Standes der Technik, wo bereits von unterschiedlichen Temperaturen ausgegangen wird. Absatz [0012] des Dokuments E15 offenbart explizit, dass die Temperaturverteilung durch das Muster der Stege und/oder eine entsprechende Steuerung der elektrischen Spannung beliebig eingestellt werden kann. Der von der Beschwerdegegnerin zitierte Absatz [0022] des Dokuments E15, wonach der Temperaturunterschied weniger als 1°C betrage, bezieht sich auf ein anderes Ausführungsbeispiel des Dokuments E15 und ist daher für die vorliegende Betrachtung nicht relevant.
1.12 Folglich ist auch das zweite Unterscheidungsmerkmal von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 durch den Stand der Technik nahegelegt.
1.13 Aus den oben genannten Gründen beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
2. Da kein gewährbarer Antrag vorliegt, muss das Patent widerrufen werden.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.