T 1893/18 14-03-2023
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Bogenverarbeitende Maschine mit einem oder mehreren Trocknern
Koenig & Bauer AG
manroland sheetfed GmbH
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
I. Die Einsprechende 2 legte Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung ein, wonach das europäische Patent Nr. 2 404 758 in der geänderten Fassung gemäß Hilfsantrag 1 die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.
II. Im Einspruchsverfahren hatte sowohl die Einsprechende 1 als auch die Einsprechende 2 die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 54 EPÜ (fehlende Neuheit) und i.V.m. Artikel 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) geltend gemacht.
III. Im Beschwerdeverfahren wurde unter anderem auf folgende Dokumente Bezug genommen:
K1:|US 3,208,158; |
D2:|EP 1 864 800 A2.|
IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 2) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Die Einsprechende 1, die nach Artikel 107 Satz 2 EPÜ am Beschwerdeverfahren beteiligt ist, beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
V. Anspruch 1 gemäß dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrag 1 wurde in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht. Sein Wortlaut ist wie folgt:
"1. [1.1] Bogenverarbeitende Maschine, insbesondere Bogendruckmaschine mit einem oder mehreren Trocknern (10a, b; 11a-d; 21; 31), [1.2] Luftzuführungseinrichtungen für die Trockner, [1.3] mindestens einer Luftabführungseinrichtung (12; 13) für die erwärmte Abluft, [1.4] einer Mischeinrichtung (29a, b; 39a, b) für das Zumischen von warmer Trocknerabluft zur Trocknerzuluft sowie [1.5] eine Steuer- oder Regeleinrichtung (28; 38), [1.6] die das Ausmaß der Zumischung der Trocknerabluft zur Trocknerzuluft anhand von Messgrößen oder Einstellwerten steuert oder regelt, [1.7] die mit dem Feuchtegehalt der Abluft korreliert sind, [1.8] wobei die Steuer- oder Regeleinrichtung (28; 38) mit Sensoren zur Messung der Feuchte (rF) der Trocknerabluft verbunden ist [1.9] und die Steuerung das Ausmaß der zugemischten Trocknerabluft anhand von Messwerten und/oder Kennlinien bestimmt, die die Dampfsättigung bzw. Feuchteaufnahmefähigkeit der Abluft beschreiben, dadurch gekennzeichnet, [1.10] dass die Steuer- oder Regeleinrichtung (28; 38) zusätzlich mit Sensoren zur Messung der Temperatur (T) der Trocknerabluft verbunden ist, [1.11] und dass zusätzlich Sensoren (26b; 36b) mit der Steuer- oder Regeleinrichtung (28; 38) verbunden sind, die die Luftfeuchte (rF) und/oder Temperatur (T) der Trocknerzuluft messen."
Anspruch 10 dieses Hilfsantrags 1 lautet wie folgt:
"10. [10.1] Verfahren zur Trocknung von bedruckten und/oder lackierten Bögen in einer bogenverarbeitenden Maschine [10.2] mit einer Einrichtung für das Zumischen von warmer Trocknerabluft zur Trocknerzuluft, [10.3]
wobei das Ausmaß der Zumischung der Trocknerabluft zur Trocknerzuluft anhand von Messgrößen oder Einstellwerten [10.4] über eine Steuer- oder Regeleinrichtung erfolgt, [10.5] die mit dem Feuchtegehalt der Trocknerabluft korreliert sind, dadurch gekennzeichnet, [10.6] dass es sich bei den Messgrößen um relative Feuchtemesswerte und Temperaturmesswerte der Trocknerabluft sowie zusätzlich um relative Feuchtemesswerte und Temperaturwerte der Trocknerzuluft handelt, [10.7] und dass die Einstellwerte aus einem oder mehreren der folgenden Parametern berechnet sind: Bogenformat, Lackauftrag, Infrarotleistung der Trocknerstrahlung, Heizluft des Heizregisters, Maschinengeschwindigkeit, Farbbelegung des bedruckten Bogens."
Die von der Beschwerdeführerin verwendete Merkmalsgliederung wurde jeweils in eckigen Klammern eingefügt.
VI. Die Beschwerdeführerin und die Einsprechende 1 haben im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Neuheit gegenüber dem Dokument K1
Das Dokument K1 offenbare eine Druckmaschine, die gemäß Merkmal 1.1 für die Verarbeitung von Bögen geeignet sei. Dies folge einerseits aus Spalte 1, Zeile 13 des Dokuments K1, wo "webs of paper and other materials" genannt seien, andererseits aus der Bezeichnung "sheet surface" in Figur 5. Die Druckmaschine weise Trockner 10, Luftzuführungseinrichtungen 22, 78 für die Trockner, mindestens einer Luftabführungseinrichtung 24 für die erwärmte Abluft sowie einer Mischeinrichtung 32, 120, 126, 20, 122, 124, 128 für das Zumischen von warmer Trocknerabluft zur Trocknerzuluft auf. Diesbezüglich werde darauf hingewiesen, dass die Darstellung in Figur 1 des Dokuments K1 vielleicht auf ein geschlossenes Trocknungssystem schließen lasse. Es sei insofern aber ein ganz normaler Trockner offenbart, als dass die Feuchte, die ständig von der Trocknerluft aufgenommen werde, abgeführt werden müsse, um den Feuchteanteil möglichst konstant zu halten. Dazu werde in Figur 1 die Entlüftungsöffnung 122 gezeigt, welche in Figur 7 als "exhaust air" bezeichnet werde und die nach dem zweiten Absatz in Spalte 7 des Dokuments K1 mit der Steuereinrichtung 130 verbunden sei. Das Umluftsystem des Dokuments K1 sei daher im Sinne des Merkmals 1.4 dazu geeignet, die warme Trocknerabluft zur Trocknerzuluft zuzumischen. Diesbezüglich werde auch auf Absatz [0025] des Patents verwiesen, wonach der Umluftanteil von 0 bis 100 % eingestellt werden könne. Nach Figur 1 i.V.m. Spalte 7, Zeilen 1 bis 14 des Dokuments K1 sei auch eine Steuer- oder Regeleinrichtung 130 offenbart, die im Sinne der Merkmale 1.5, 1.6 und 1.7 das Ausmaß der Zumischung der Trocknerabluft zur Trocknerzuluft anhand von Messgrößen oder Einstellwerten steuere oder regele, welche mit dem Feuchtegehalt der Abluft korreliert seien. Weiterhin sei die Steuer- oder Regeleinrichtung mit einem Sensor "120" zur Messung der Feuchte der Trocknerabluft verbunden (Merkmal 1.8). Gemäß Merkmal 1.9 bestimme die Steuerung das Ausmaß der zugemischten Trocknerabluft anhand von Messwerten und/oder Kennlinien, die die Dampfsättigung bzw. Feuchteaufnahmefähigkeit der Abluft beschrieben. Auch die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 seien in Dokument K1 offenbart. Denn die Steuer- oder Regeleinrichtung 130 sei zusätzlich mit Sensoren zur Messung der Temperatur der Trocknerabluft verbunden, da ein entsprechender Sensor 60 zumindest in der die Trocknerabluft enthaltenden Mischluft vorgesehen und mit der Steuer- oder Regeleinrichtung verbunden sei. Weiterhin sei ein zusätzlicher Sensor "122" mit der Steuer- oder Regeleinrichtung verbunden. Dieser sei angeordnet, um die Luftfeuchte (und/oder Temperatur) im Bereich der Trocknerzuluft zu messen. Hinsichtlich der Offenbarung der Merkmale 1.5 bis 1.7, 1.9 und 1.11 werde auf die Figuren 1 und 7 in Verbindung mit Spalte 7, Zeilen 1 bis 34, sowie auf die Figuren 5 bis 9 in Verbindung mit Spalte 7, Zeile 70 bis Spalte 8, Zeile 58 des Dokuments K1 verwiesen.
Entsprechend der zuvor nachgewiesenen Offenbarung sei aus dem Dokument K1 auch ein Verfahren zur Trocknung von bedruckten Bögen in einer Druckmaschine mit einer Einrichtung für das Zumischen von warmer Trocknerabluft zur Trocknerzuluft gemäß Anspruch 10 bekannt.
Daher offenbare das Dokument K1 alle Merkmale der Ansprüche 1 und 10 des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrags 1 und stehe dem Gegenstand dieser Ansprüche neuheitsschädlich entgegen.
Erfinderische Tätigkeit
Ausgehend von Dokument K1 und angenommen, es seien nur die Merkmale 1.10 und 1.11 als Unterscheidungsmerkmale zu betrachten, wäre die objektive technische Aufgabe darin zu sehen, die Trocknerwirkung zu verbessern.
Zur Lösung dieser Aufgabe hätte der Fachmann das Dokument D2, das ein Verfahren zur Ermittlung von Betriebsparametern einer Bogenoffsetdruckmaschine mit mindestens einer Steuereinrichtung zu mehreren Druckwerken sowie mindestens einem Lackierwerk und mindestens einer Trocknereinrichtung beschreibe, herangezogen. Gemäß der Offenbarung des Dokuments D2 seien den Trocknungsgrad des Bedruckstoffs bestimmende Größen zu ermitteln und zur Optimierung des Trocknungsprozesses zu verwenden. Die den Trocknungsprozess beeinflussenden wesentlichen Stoffströme seien mindestens für den Bereich der Druckmaschine zu ermitteln, der die Trocknereinrichtung enthalte. Dazu seien nach den Figuren 3 und 6 des Dokuments D2 zu den Trocknern einer Druckmaschine alle Temperatur- und Feuchtemesswerte an der Trocknerzuluft und der Trocknerabluft zu erfassen. Diesbezüglich werde auf die Absätze [0022] bis [0024], [0040] und [0041] des Dokuments D2 verwiesen. Außerdem seien in den Absätzen [0003], [0011] und [0012] des Dokuments D2 nähere Hinweise zur Berücksichtigung der Feuchte der Luftströme für das Trocknungsverhalten gegeben. Diese Zusammenhänge seien in einem Rechner zur Bilanzierung der Feuchte in der Trocknerluft verwendet worden und sollten weiterhin möglichst direkt auf die Steuerung der Druckmaschine Einfluss nehmen. Das Dokument D2 zeige also, dass die Feuchte in der Trocknerluft erfasst und durch eine Weiterverarbeitung für die Trocknersteuerung verwendet werde. Somit gebe die Offenbarung von Dokument D2 dem Fachmann viele Hinweise zur Optimierung der Energieverwendung eines Trocknersystems in einer Bogendruckmaschine, wobei hierzu die notwendigen Messwerte und Messpunkte von Eigenschaften des Trocknersystems erläutert und deren Verarbeitbarkeit dargestellt werde. Zwar seien die Abluft und die Zuluft in Dokument D2 komplett getrennt, sodass eine Zumischung nicht offenbart sei, das daraus bekannte Verfahren beabsichtige jedoch, genauso wie das Dokument K1, die eingesetzte Energie zur Erreichung eines bestmöglichen Trocknungsgrads des Druckgutes zu nutzen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Steuereinrichtung des Merkmals 1.8 lediglich mit den Sensoren verbunden sei. Der Anspruchswortlaut erfordere nicht, dass eine Interaktion mit der Steuereinrichtung stattfinde. Demzufolge könnte die zu lösende Aufgabe auch dahingehend formuliert werden, den Bediener mit weiteren Informationen zu versorgen. Die Tatsache, dass die Trocknerwirkung in Dokument D2 nicht gesteuert werde, habe daher keine Bedeutung.
Zudem belege das Dokument D2 das allgemeine Fachwissen zum Zeitpunkt der Anmeldung bezüglich der Anordnung von Temperatur- und Feuchtesensoren in den Abluft- bzw. Zuluftströmen eines Trockners.
Somit seien die Merkmale 1.10 und 1.11 des Anspruchs 1 durch die Lehre des Dokuments D2, zumindest aber durch das darin enthaltene Fachwissen, für den Fachmann nahegelegt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrags 1 beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Gleiches gelte für Anspruch 10 dieses Hilfsantrags, wobei hinsichtlich des Merkmals 10.1 betont werde, dass der Fachmann im Kontext des Dokuments K1, insbesondere im Hinblick auf den Begriff "sheet surface" in Figur 5, keinen funktionellen Unterschied zwischen einem Bogen und einer durchgängigen Bahn gesehen hätte. Außerdem verstünde der Fachmann den in der Beschreibung des Dokuments K1 verwendeten Begriff "coated" im Sinne von bedrucken und/oder lackieren.
VII. Der Vortrag der Beschwerdegegnerin lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
Neuheit gegenüber dem Dokument K1
Der in Figur 5 des Dokuments K1 offenbarte Begriff "sheet surface" beziehe sich auf die Oberfläche der in der Beschreibung genannten "webs of paper", d.h. Papierbahnen. Die aus dem Dokument K1 bekannte Maschine sei daher nicht für die Trocknung von Bögen geeignet, sodass bereits das Merkmal 1.1 als Unterscheidungsmerkmal zu betrachten sei. Hinsichtlich des Merkmals 1.4 werde darauf hingewiesen, dass das Dokument K1 ein Zirkulationssystem aufweise, bei dem die warme Trocknerabluft nicht zur Trocknerzuluft zugemischt werde. Dies ergebe sich auch aus der Funktion der in Figur 7 dargestellten Steuerung, wonach das Abluftventil 128 nicht kontinuierlich betrieben werde, sondern nur dann, wenn bestimmte Grenzwerte überschritten worden seien. Mit dem Bezugszeichen 122 sei in Dokument K1 ein Entlüftungsauslass und kein Sensor bezeichnet. Aus der Textstelle in Spalte 7, Zeile 70 bis Spalte 8, Zeile 58 des Dokuments K1 gehe hervor, dass ein Sensor zur Messung der Luftfeuchte der Trocknerabluft und nicht der Trocknerzuluft vorhanden sei. Die Beschwerdeführerin habe die Trocknerzuluft mit der Trocknerabluft verwechselt. Somit gehe ihre Argumentation ins Leere. Außerdem werde in Dokument K1 nicht in Abhängigkeit von einer Temperatur gesteuert. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrags 1 sei deshalb neu.
Gleiches gelte für Anspruch 10 dieses Hilfsantrags, in dessen kennzeichnendem Teil stehe, dass es sich bei den Messgrößen um relative Feuchtemesswerte und Temperaturmesswerte der Trocknerzuluft handle. Außerdem seien dort Parameter genannt, aus denen die Einstellwerte berechnet worden seien. Es werde bestritten, dass die Bezugnahme bei der Einstellung z.B. auf die Maschinengeschwindigkeit selbstverständlich sei.
Erfinderische Tätigkeit
Der Fachmann hätte keine Veranlassung gehabt, die aus dem Dokument K1 bekannte Maschine gemäß der Lehre des Dokuments D2 anzupassen, zumal letzteres weder ein Zirkulationssystem noch eine Mischung von Trocknerluft offenbare. Eine solche Anpassung hätte bedeutet, dass das ganze Wesen der im Ausgangspunkt K1 offenbarten Maschine hätte verändert werden müssen. Überdies bestünde bei der Maschine des Dokuments K1 keine Notwendigkeit, eine Temperaturmessung im Abluftkanal durchzuführen. Eine Kombination der völlig unterschiedlichen Maschinen gemäß den Dokumenten K1 und D2 beruhe auf einer rückschauenden Betrachtungsweise. Dem Argument der Einsprechenden 1, dass Anspruch 1 nicht verlange, dass eine Interaktion zwischen den Sensoren und der Steuereinrichtung stattfinde, könne schon deshalb nicht gefolgt werden, da die beanspruchten Sensoren einen bestimmten Zweck aufwiesen, nämlich die Steuerung vorzunehmen. Genau das offenbare das Dokument D2 jedoch nicht.
Der Behauptung der Beschwerdeführerin, das Dokument D2 belege das allgemeine Fachwissen, könne nicht zugestimmt werden. Patentschriften gehörten in der Regel nicht zum allgemeinen Fachwissen.
Bezüglich des Verfahrens nach Anspruch 10 sei zu beachten, dass es bei der Trocknung von Bedruckstoffen beträchtliche Unterschiede zwischen Papierbahnen und Papierbögen gebe. Außerdem seien im Bereich der Papierherstellung zwar unterschiedliche Beschichtungsverfahren bekannt. Das bedeute jedoch nicht, dass das Dokument K1 einen Druck- bzw. Lackiervorgang offenbare.
Der Gegenstand sowohl des Anspruchs 1 als auch des Anspruchs 10 des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrags 1 beruhe somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Neuheit gegenüber dem Dokument K1
1. Der einzige Neuheitseinwand beruht auf dem Dokument K1, welches nach Auffassung der Beschwerdeführerin alle Merkmale der Ansprüche 1 und 10 gemäß dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrag 1 offenbare.
2. Gemäß Spalte 1, Zeilen 11 bis 18 betrifft das Dokument K1 Trockner für die Trocknung von kontinuierlich bewegten (Papier)bahnen ("dryers [...] for drying continuously moving webs of paper and other materials"), insbesondere im technischen Bereich der Papierherstellung oder Beschichtung ("papermaking and coating"). Dementsprechend enthält jeder der unabhängigen Ansprüche des Dokuments K1 einen Verweis auf kontinuierlich bewegte Materialbahnen ("continuously moving webs of material"). Ein Hinweis darauf, dass die in der unten wiedergegebenen Figur 1 des Dokuments K1 zusammen mit einer Materialbahn 26 dargestellte Maschine auch für die Verarbeitung von Bögen geeignet wäre, lässt sich dem Dokument K1 nicht entnehmen. Auch aus der Bezeichnung "sheet surface temp.-fahr." bzw. "sheet surface temp." in Figur 5 des Dokuments K1 ergibt sich kein Bezug auf Bögen. Vielmehr folgt aus Spalte 4, Zeilen 6 bis 14 ("the surface of a web of material 26"), dass damit die Temperatur an der Oberfläche der kontinuierlich bewegten Materialbahn gemeint ist. Die Kammer stimmt daher der Beschwerdegegnerin darin zu, dass das Dokument K1 keine bogenverarbeitende Maschine offenbart, sodass weder das Merkmal 1.1 des Vorrichtungsanspruchs 1 noch das Merkmal 10.1 des Verfahrensanspruchs 10 aus dem Dokument K1 bekannt sind.
3. Hinsichtlich der einzelnen Merkmale der beanspruchten Maschine hat die Beschwerdeführerin insbesondere auf die Figuren 1 und 7 in Verbindung mit Spalte 7, Zeilen 1 bis 34, sowie auf die Figuren 5 bis 9 in Verbindung mit Spalte 7, Zeile 70 bis Spalte 8, Zeile 58 des Dokuments K1 verwiesen. Diesen Textpassagen entnimmt die Kammer,
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
dass der vom Abluftkanal 32 zurückgeführten Luft über ein erstes Ventil 126 Frischluft mit niedriger Feuchtigkeit zugemischt werden kann. Gleichzeitig kann
die Luft über ein als Entlüftungsklappe betriebenes zweites Ventil 128 zwischen dem Gebläse 20 und dem Wärmetauscher 16 entweichen (s. Figur 1 des Dokuments K1 oben). Damit die spezifische Feuchtigkeit der im Zuluftkanal 22 zu den Düsen 84 strömenden Luft unverändert bleibt, wird
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
der Antrieb 136 der Ventile 126 und 128 nach Spalte 7, Zeilen 15 bis 33 des Dokuments K1 in Funktion des Messwerts eines im Abluftkanal 32 angeordneten Feuchtigkeitssensors 132 von einer Steuerung 130 angesteuert (s. die oben wiedergegebene Figur 7 des Dokuments K1).
4. Damit weist die aus dem Dokument K1 bekannte Maschine einen bzw. mehrere Trockner einschließlich Luftzuführungs- und Luftabführungseinrichtungen auf, sowie eine Steuereinrichtung, die mit einem Sensor zur Messung der Feuchte der Trocknerabluft verbunden ist und daher anhand von Messgrößen steuert, welche mit dem Feuchtegehalt der Abluft korreliert sind (Merkmale 1.2, 1.3, 1.5, 1.7 und 1.8 des Anspruchs 1; Merkmale 10.4 und 10.5 des Anspruchs 10).
5. Seitens der Beschwerdeführerin und der Einsprechenden 1 ist jedoch nicht überzeugend dargelegt worden, dass die Ventile 126 und 128 als Mischeinrichtung im Sinne von Merkmal 1.4 zu betrachten sind. Anders als in Figur 2 des Streitpatents weist der aus dem Dokument K1 bekannte Trockner ein im Wesentlichen geschlossenes Belüftungssystem auf. Das oben in Figur 1 dargestellte Gebläse 20 zirkuliert dabei die warme Trocknerabluft vom Abluftkanal 32 über den (in Figur 7 als 'oven' bezeichneten) Wärmetauscher 16 zum Zuluftkanal 22. Die Tatsache, dass an einer Stelle 120 des Abluftkanals 32 Frischluft beigemischt werden kann, bedeutet nicht, dass der Trocknerzuluft warme Trocknerabluft zugemischt wird. Auch das Argument, dass die Zumischung gemäß Absatz [0025] des Patents in extremis auch einen Umluftanteil von 0 oder 100 % abdecken kann, bedeutet nach Auffassung der Kammer nicht, dass ein im Wesentlichen geschlossenes Belüftungssystem, wie es aus dem Dokument K1 bekannt ist, als eine Mischeinrichtung mit Umluftanteil von 100 % zu betrachten ist. Folglich ist nicht nur das Merkmal 1.4, sondern auch der Bezug auf "Zumischung" bzw. "zugemischten" oder "Zumischen" in den Merkmalen 1.6 und 1.9 des Anspruchs 1 und in den Merkmalen 10.2 und 10.3 des Anspruchs 10 nicht aus dem Dokument K1 bekannt.
6. Auch sind im Dokument K1 keine Sensoren erwähnt, welche die Temperatur der Trocknerabluft, d.h. die Temperatur im Abluftkanal 32, messen und sie an die Steuereinrichtung 130 übermitteln. Ähnliches gilt für Sensoren, welche die Steuereinrichtung 130 mit Messwerten der Luftfeuchte und/oder der Temperatur der Trocknerzuluft versorgen. Mit dem in Figur 1 des Dokuments K1 dargestellten Temperatursensor 62 wird zwar die Lufttemperatur stromabwärts des Wärmetauschers 16 erfasst, dieser Sensor ist jedoch mit einer separaten Steuerung 60 verbunden, die über das Dreiwegeventil 58 die Zuflussmenge der Flüssigkeit zum Wärmetauscher regelt. Eine Verbindung des Sensors 62 mit der Steuereinrichtung 130 ist nicht offenbart. Folglich sind auch die Merkmale 1.10 und 1.11 des Anspruchs 1 und das Merkmal 10.6 des Anspruchs 10 nicht aus dem Dokument K1 bekannt.
7. Daher ist der Gegenstand sowohl des Anspruchs 1 als auch des Anspruchs 10 gemäß dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrag 1 neu gegenüber dem Dokument K1 (Artikel 54 (1) und (2) EPÜ).
Erfinderische Tätigkeit
8. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin und der Einsprechenden 1 beruht der Gegenstand der Ansprüche 1 und 10 gemäß dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrag 1 ausgehend vom Dokument K1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
9. Angesichts der oben zur Neuheit festgestellten Unterschiede, insbesondere des Fehlens einer bogenverarbeitenden Maschine mit Mischeinrichtung, ist es fraglich, ob das Dokument K1 überhaupt einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellt. Da die Kammer aus den nachfolgenden Gründen zum Schluss gekommen ist, dass der beanspruchte Gegenstand ausgehend vom Dokument K1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, kann diese Frage jedoch dahingestellt bleiben.
10. Die Beschwerdeführerin hat die zu lösende objektive technische Aufgabe ausgehend vom Dokument K1 dahingehend formuliert, die Trocknerwirkung zu verbessern. Dies wurde von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten. Die Kammer sieht keinen Grund, von dieser Formulierung abzuweichen, zumal die von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung formulierte Aufgabe - ähnlich wie die in Absatz [0005] des Patents dargelegte Aufgabe - auf eine Energieeffizienzsteigerung bzw. eine Optimierung des Energieverbrauchs abzielt, welche aber schon von dem im Wesentlichen geschlossenen Belüftungssystem des Dokuments K1 verwirklicht ist.
11. Zur Frage des Naheliegens der beanspruchten Lösung wurde einerseits auf das Dokument D2 verwiesen, demzufolge es üblich sein soll, die den Trocknungsgrad des Bedruckstoffs bestimmenden Größen zu ermitteln und zur Optimierung des Trocknungsprozesses zu verwenden. Seitens der Beschwerdeführerin ist ferner argumentiert worden, dass das Dokument D2 dem Fachmann die Lehre vermittelt hätte, die Trocknerluftsteuerung des Dokuments K1 auch in Abhängigkeit von der Feuchtigkeit und der Temperatur sowohl der Zuluft als auch der Abluft des Trockners durchzuführen.
12. Anders als das Dokument K1 offenbart das Dokument D2 eindeutig eine Bogendruckmaschine, insbesondere eine Bogenoffsetdruckmaschine. In Figur 1 des Dokuments D2 sind zwei Trockner 10a, 10b abgebildet, die nach der Darstellung in Figur 3 mit einem teilweise gemeinsamen Zuluftkanal 121 und einem teilweise gemeinsamen Abluftkanal 131 versehen sind. Im gemeinsamen Teil der Zuluftkanäle sind ein Feuchtigkeitssensor 120a und ein Temperatursensor 120b angeordnet (s. Absatz [0022] des Dokuments D2). In den Abluftkanälen sind jeweils ein Feuchtigkeitssensor 130c und ein Temperatursensor 130d angeordnet (s. Absatz [0024] des Dokuments D2). Die von diesen Sensoren ermittelten Sensordaten werden in einer in Figur 5 schematisch dargestellten Recheneinheit 301 gesammelt und zur Bestimmung der Stoffströme bzw. zur Erstellung einer Feuchtebilanz weiterverarbeitet (s. Absätze [0011], [0012], [0027], [0028] und [0048] des Dokuments D2). Das Ergebnis wird dann als Einstellhilfe für das Druckpersonal auf einem Bildschirm graphisch aufbereitet visuell dargestellt (s. Absatz [0029] und auch Absatz [0011] des Dokuments D2). Weder eine Mischung der warmen Trocknerabluft zur Trocknerzuluft noch eine Steuerung des Ausmaßes einer solchen Zumischung sind in Dokument D2 offenbart. Zwar gibt Absatz [0041] an, dass eine Datenleitung 307 den Rechner 301 mit der Maschinensteuerung der Bogendruckmaschine verbindet. Allerdings dient nach dem Wortlaut dieses Absatzes diese Datenleitung lediglich dazu, die am Bildschirm interaktiv vorgenommenen Änderungen, beispielsweise des Luftvolumenstroms der Trockner, direkt an die Maschinensteuerung zu übergeben. Es ist nicht vorgesehen, dass die Maschinensteuerung die Trockner unmittelbar in Funktion der ermittelten Feuchte- und Temperaturdaten steuert.
13. Im Lichte dieser Offenbarung hätte es für den Fachmann keine Anregung gegeben, die Lehre des Dokuments D2 heranzuziehen, um die Trocknerwirkung der Maschine bzw. des Verfahrens des Dokuments K1 zu verbessern. Aber selbst wenn er dies getan hätte, wäre er nicht zum beanspruchten Gegenstand gelangt, denn das Zumischen von Trocknerabluft zur Trocknerzuluft und die Steuerung des Ausmaßes einer solchen Zumischung sind durch das Dokument D2 nicht nahegelegt.
14. Die Einsprechende 1 hat ferner argumentiert, dass der Wortlaut des Anspruchs 1 nicht verlange, dass eine Interaktion zwischen der Steuereinrichtung und den damit verbundenen Sensoren stattfinde. Dieser Ansicht kann sich die Kammer nicht anschließen. Entgegen der Auffassung der Einsprechenden 1 ist die Sensorverbindung im Sinne der Merkmale 1.8, 1.10 und 1.11 nicht darauf beschränkt, dass die Sensoren mechanisch, beispielsweise mit einem Kabel, an die Steuer- oder Regeleinrichtung angebunden sind. Vielmehr soll die Verbindung die Übertragung der Sensordaten an die Steuer- oder Regeleinrichtung ermöglichen, sodass letztere auch dafür konzipiert sein muss, diese Sensordaten zu verarbeiten.
15. In einer weiteren Argumentationslinie hat die Beschwerdeführerin das Naheliegen des beanspruchten Gegenstands ausgehend vom Dokument K1 in Kombination mit dem durch das Dokument D2 belegten allgemeinen Fachwissen begründet. Insbesondere wurde argumentiert, dass die Merkmale der Temperaturmessung und der Feuchtigkeitsmessung in den Zu- und Abluftströmen für den Fachmann auf der Hand gelegen hätten.
16. Die Kammer schließt sich der Auffassung der Beschwerdegegnerin an, dass Patentschriften in der Regel nicht zum allgemeinen Fachwissen gehören (s. "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 10. Auflage, Juli 2022, I.D.8.3). Darüber hinaus betrifft dieser Einwand das Naheliegen der Merkmale 1.10 und 1.11. Auch wenn es für den Fachmann naheliegend gewesen wäre, Temperatur und Feuchte in den Zu- und Abluftströmen eines Trockners zu messen, wurde seitens der Beschwerdeführerin nicht dargelegt, aus welchen Gründen der Fachmann die im Dokument K1 offenbarte Lösung unter Zuhilfenahme seines Fachwissens dahingehend geändert hätte, dass die warme Trocknerabluft zur Trocknerzuluft zugemischt und das Ausmaß dieser Zumischung gesteuert worden wäre.
17. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrag 1 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ. Gleiches gilt für das Verfahren des Anspruchs 10 dieses Hilfsantrags, dessen Merkmale 10.3 und 10.5, ähnlich wie die Merkmale 1.5 und 1.6 des Anspruchs 1, verlangen, dass das Ausmaß der Zumischung der Trocknerabluft zur Trocknerzuluft anhand von Messgrößen oder Einstellwerten über eine Steuer- oder Regeleinrichtung erfolgt.
Ergebnis
18. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Hilfsantrag 1 die Erfordernisse des EPÜ erfüllt. Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.