T 1693/19 29-06-2022
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Steckverbinder
Neuheit - Hauptantrag (nein), Hilfsanträge 1 und 6 (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge 2 und 7 (nein)
Hilfsanträge 8 bis 10 - nicht begründet - Zulassung (nein)
I. Die Patentinhaberin und die Einsprechende legten Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit der das Patent in der Fassung des damaligen Hilfsantrags 2 aufrechterhalten wurde.
II. Am 29. Juni 2022 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
III. Die für diese Entscheidung relevanten Anträge der Parteien lauten wie folgt.
Die Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt aufrecht zu erhalten (Hauptantrag) oder hilfsweise ein Patent auf Grundlage eines der Hilfsanträge 1 oder 2 oder 6 bis 10 aufrecht zu erhalten, wobei die Hilfsanträge 6 bis 10 mit der Beschwerdeerwiderung vom 30. Dezember 2019 eingereicht wurden.
Die Beschwerdeführerin 2 (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1983140.
IV. Es wird die folgende Entgegenhaltung verwendet:
E1: DE 20 2004 017 182 U1
V. Gegenstand des Patents
Anspruch 1 des erteilten Patents (Hauptantrag) lautet (mit hinzugefügter Merkmalsgliederung):
"(M1) Steckverbinder(1) aus Kunststoff zum Verbinden von Abstandhalter-Hohlprofilen aus Metall, Kunststoff od. dgl. für Mehrscheibenisoliergläser,
(M2) wobei der Steckverbinder(1) an seinen Seitenstegen(3) mit nach außen gerichteten, entgegen der Einsteckrichtung nach hinten geneigten Lamellen(6) versehen ist
(M3) und im Bereich seiner Bodenfläche(2) und im Bereich seiner Seitenstege(3) derart ausgebildet ist, daß er wenigstens annähernd formschlüssig in ein Hohlprofil eingesetzt werden kann,
dadurch gekennzeichnet, daß
(M2-1) die nach hinten geneigten Lamellen(6) elastisch am Steckverbinder(1) angelenkt sind."
Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch Streichung von Merkmal M3 und durch Hinzunahme des Merkmals
"(M2-2) und daß zwischen Seitensteg(3) und Lamelle(6) eine Ausnehmung(10) vorgesehen ist, die in die Lamelle(6) hineinragt."
Anspruch 1 von Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch Streichung von Merkmal M3 und durch Hinzunahme des Merkmals
"(M4) und daß die Lamellen(6) mit der Steckverbinderlängsachse einen Winkel von 20 bis 40°, vorzugsweise von etwa 30° einschließen."
Anspruch 1 der Hilfsanträge 6 und 7 unterscheiden sich von Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 jeweils durch die Aufnahme von Merkmal M3 des erteilten Anspruchs 1.
Die Hilfsanträge 8 bis 10 entsprechen den im Einspruchsverfahren vorgelegten Hilfsanträgen 3 bis 5, wobei in Anspruch 1 das Merkmal M3 des erteilten Anspruchs 1 ergänzt wurde.
VI. Die Argumente der Beschwerdeführerin 2 können wie folgt zusammengefasst werden.
Hauptantrag - Neuheit gegenüber E1
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber dem Steckverbinder der E1, da dieser alle Merkmale einschließlich einer elastisch beweglichen Anbringung der Lamellen am Steckverbinder offenbare.
Hilfsanträge 1 und 6 - Neuheit gegenüber E1
Der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 6 sei nicht neu gegenüber dem Steckverbinder der E1, welcher auch eine Ausnehmung zwischen Seitensteg und Lamelle aufweise.
Hilfsanträge 2 und 7 - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E1 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen
Der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 und 7 sei zwar neu gegenüber dem Steckverbinder der E1, da E1 keine Angaben zum Wert des Winkels zwischen den Lamellen und der Steckverbinderlängsachse mache. Die Auswahl eines konkreten Winkels im beanspruchten Bereich sei jedoch für den Fachmann naheliegend gewesen. Der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 und 7 beruhe daher ausgehend von E1 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Hilfsanträge 8 bis 10 - Zulassung
Die Beschwerdeführerin 1 habe es versäumt, vorzutragen, aus welchen Gründen die Hilfsanträge 8 bis 10 gegenüber dem Beschwerdevorbringen der Beschwerdeführerin 2 gewährbar sein sollten. Daher sei eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Anträgen nicht möglich und nicht erforderlich gewesen. Die Hilfsanträge 8 bis 10 seien daher nicht zu berücksichtigen.
VII. Die Argumente der Beschwerdeführerin 1 lauteten im Wesentlichen wie folgt.
Hauptantrag - Neuheit gegenüber E1
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei neu gegenüber dem Steckverbinder der E1, da dieser keine elastisch am Steckverbinder angelenkten Lamellen aufweise.
Hilfsanträge 1 und 6 - Neuheit gegenüber E1
Der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 6 sei neu gegenüber dem Steckverbinder der E1, da E1 keine Ausnehmung zwischen Seitensteg und Lamelle im Sinne des Patents offenbare.
Hilfsanträge 2 und 7 - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E1 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen
Der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 und 7 beruhe ausgehend von E1 auf einer erfinderischen Tätigkeit, da der Fachmann nicht auf naheliegende Weise zum Winkelbereich von Merkmal M4 gelangt wäre.
Hilfsanträge 8 bis 10 - Zulassung
Die Hilfsanträge 8 bis 10 seien rechtzeitig eingereicht worden. Es handele sich um einfache Konkretisierungen, die keiner großen Erklärungen bedurft hätten, zumal keine Angriffe gegen sie vorgelegen hätten. Die Notwendigkeit, auf diese Hilfsanträge zurückgreifen zu müssen, sei nicht abzusehen gewesen und habe sich erst während der mündlichen Verhandlung ergeben. Die Hilfsanträge seien daher zumindest als Reaktion auf das Geschehen in der mündlichen Verhandlung zuzulassen.
1. Hauptantrag - Neuheit gegenüber E1
1.1 E1 offenbart unstreitig einen Steckverbinder gemäß dem Oberbegriff von Anspruch 1 des Hauptantrags, also mit den Merkmalen M1, M2 und M3.
1.2 Streitig war, ob die in E1 gezeigten, entgegen der Einsteckrichtung nach hinten geneigten Lamellen "elastisch am Steckverbinder angelenkt" sind, wie von Merkmal M2-1 verlangt.
1.3 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin 1 stelle der Begriff "elastisch" eine Abgrenzung zu herkömmlichen Lamellen dar, bei denen eine Überlagerung von plastischer und elastischer Verformung auftrete. Da die Anlenkung als "elastisch" bezeichnet sei, schließe sie plastische Verformungen aus und sei als "rein elastisch" zu verstehen. Dass die Bewegung in E1 nicht "rein elastisch" stattfinde gehöre zum Fachwissen und sei in E1 in Absatz [0038] ausdrücklich angesprochen.
1.4 Der Wortlaut von Merkmal M2-1 fordert jedoch keine "rein elastische" Beweglichkeit. Es gibt auch in den übrigen Merkmalen von Anspruch 1 keinen Hinweis darauf, dass das Merkmal M2-1 derart eingeschränkt zu verstehen ist. Selbst der Beschreibung des Patents ist eine solche Definition nicht zu entnehmen. Anspruch 1 verlangt folglich keine "rein" elastische Beweglichkeit der Lamellen.
1.5 E1 offenbart, dass die an den Außenseiten der Seitenstege angeordneten Lamellen "federnd", also "elastisch", ausgebildet sein können (Absatz [0032]). Folglich offenbart E1 Lamellen, die, wie von Merkmal M2-1 verlangt, "elastisch am Steckverbinder angelenkt" sind.
E1 erwähnt zwar im letzten Absatz (Absatz [0038]), dass "auch eine plastische Verformbarkeit [...] der Lamellen [...] denkbar" ist. Dies ist aber als optionale Weiterbildung oder als Alternative zur vorangegangenen Offenbarung zu verstehen und bedeutet daher nicht, dass die Verformung der Lamellen in E1 immer auch plastisch ist. Absatz [0038] widerspricht daher nicht der Offenbarung einer elastisch federnden Beweglichkeit der Lamellen in Absatz [0032].
1.6 E1 offenbart somit alle Merkmale des erteilten Anspruchs 1. Der Gegenstand von Anspruch 1 ist daher nicht neu.
2. Hilfsantrag 1 - Neuheit gegenüber E1
2.1 In Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 wurde das Merkmal M3 gestrichen und Merkmal M2-2 hinzugefügt, wonach "zwischen Seitensteg und Lamelle eine Ausnehmung vorgesehen ist, die in die Lamelle hineinragt".
2.2 Die Beschwerdeführerin 1 vertrat die Ansicht, dass als Seitensteg der abgesenkte Bereich der Bodenfläche des Steckverbinders aus Figur 5 der E1 zu betrachten sei und dass die darauf vorgesehenen Erhebungen 10 nicht zum Seitensteg gehörten. Es gebe daher zwar einen Höhenunterschied zwischen Lamellen und Seitenstegen, aber keine Ausnehmungen, die in die Lamelle hineinragten, so dass das Merkmal M2-2 nicht offenbart sei.
Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin 1 insoweit zu, dass die Bodenfläche des Steckverbinders der E1 zu den Seiten hin bereichsweise gegenüber dem mittleren Teil abgesenkt ist und dass sich zwischen diesen Bereichen Erhebungen befinden. Weiter stimmt es auch, dass einige Lamellen an den abgesenkten Bereichen angelenkt sind und diese Lamellen keine Ausnehmung aufweisen, die in die Lamelle hineinragt.
Merkmal M2-2 verlangt jedoch nicht ausdrücklich, dass zwischen Seitensteg und jeder Lamelle des Steckverbinders eine Ausnehmung vorgesehen sein muss, die in die Lamelle hineinragt. Selbst wenn dieses Merkmal im Zusammenhang mit Merkmal M2 gelesen wird, kann dieser Interpretation der Beschwerdeführerin 1 nicht gefolgt werden. Merkmal M2 verlangt nämlich lediglich eine Mehrzahl, also mindestens zwei, nach außen gerichtete, entgegen der Einsteckrichtung nach hinten geneigte Lamellen an den Seitenstegen des Steckverbinders. Merkmal M2-2 bezieht sich auf diese Lamellen. Um das Merkmal M2-2 zu verwirklichen genügt es folglich, wenn es zwei solche Lamellen gibt, die eine Ausnehmung zwischen Seitensteg und Lamelle aufweisen.
Wie von den Parteien vorgetragen, stellt die Figur 3 der E1 einen Querschnitt an einer Stelle dar, wo die Bodenfläche durch eine Erhebung auf derselben Höhe wie die Lamellen liegt. Dabei werden dort die Seitenstege 3 und die Bodenfläche 2 schraffiert als durchgehendes Vollmaterial dargestellt.
Es ist daher nur eine Frage der Benennung, ob man die mit dem Referenzzeichen 10 gekennzeichneten Teile wie in E1 als "Erhebungen" (gegenüber der abgesenkten Bodenfläche) bezeichnet oder ob man stattdessen die abgesenkten Bereiche als "Vertiefungen" in den Seitenstegen ansieht. Da die Seitenstege und die "Erhebungen", wie oben ausgeführt, aus einem durchgehenden Vollmaterial bestehen, sind die "Erhebungen" als Bestandteile der Seitenstege zu betrachten.
Folglich zeigt Figur 3 der E1 im dargestellten Querschnitt "zwischen Seitensteg und Lamelle" auf beiden Seiten je einen Einschnitt, der in die Lamelle hineinragt.
2.3 Die Beschwerdeführerin 1 trug vor, dass diese Einschnitte keine Ausnehmungen im Sinne des Streitpatents darstellten, da sich die gezeichneten Einschnitte in Figur 3 des Streitpatents und Figur 3 der E1 in der Höhe und Breite unterschieden. Die in E1 dargestellten Einschnitte könnten die Verbindung zwischen Seitensteg und Lamelle nämlich nicht so schwächen, dass - wie im Streitpatent - eine rein elastische Anlenkung erzielt werde.
Merkmal M2-2 verlangt jedoch lediglich eine Ausnehmung ohne Angabe ihrer Größe oder ihres Zwecks. Eine rein elastische Verformung ist zudem, wie unter Punkt 1.5 erläutert, nicht beansprucht, so dass auch dies nicht die Größe der Ausnehmung einschränkt. Folglich stellen der in Figur 3 gezeigte Einschnitte Ausnehmungen im Sinne des Merkmals M2-2 dar.
2.4 Somit ist der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 nicht neu gegenüber E1.
3. Hilfsantrag 2 - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E1 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen
3.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von dem des Hilfsantrags 1 dadurch, dass Merkmal M2-2 durch das Merkmal M4 ersetzt wurde, wonach die Lamellen mit der Steckverbinderlängsachse einen Winkel von 20 bis 40° einschließen.
3.2 In E1 schließen die Lamellen mit der Steckverbinderlängsachse einen Winkel ein. Dass also ein solcher Winkel vorhanden ist, ist in E1 offenbart. Allerdings ist in der Beschreibung kein konkreter Wert für den Winkel genannt und ein konkreter Wert kann den - lediglich schematischen - Figuren der E1 auch nicht unmittelbar und eindeutig entnommen werden.
Daher unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 vom Steckverbinder der E1 durch das Merkmal M4.
3.3 Um den Steckverbinder der E1 herstellen zu können, muss der Fachmann einen konkreten Wert für den Winkel festlegen. Anders als von der Beschwerdeführerin 1 vorgetragen liegt die gestellte Aufgabe ausgehend von E1 also nicht darin, einen anderen, besser geeigneten Winkel zu finden.
Daher liegt die durch das Unterscheidungsmerkmal zu lösende Aufgabe lediglich darin, überhaupt einen - geeigneten - Wert für den Winkel zwischen Lamellen und Steckverbinder festzulegen.
3.4 Vor die angegebene Aufgabe gestellt hatte der Fachmann daher den zwingenden Anlass, dem in E1 gezeigten Winkel einen geeigneten Wert zu geben.
3.5 Bei der Wahl des Winkels hätte der Fachmann die für Steckverbinder generell erforderlichen Eigenschaften wie eine leichte Einführbarkeit, einen guten Sitz und eine gute Anpassbarkeit an die Abmessungen der Hohlprofile berücksichtigt.
Diese Eigenschaften erfordern einen Kompromiss bei der Winkelwahl: ein kleiner Winkel erleichtert zwar das Einführen und erschwert das Herausziehen, resultiert aber in einem Steckverbinder, der sich weniger gut an die Abmessungen der Hohlprofile anpassen kann.
Es gibt somit keine Anhaltspunkte dafür, dass die Wahl des speziellen Winkelbereichs von 20° bis 40° einen besonderen Effekt mit sich bringen würde, der über einen fachüblichen Kompromiss zwischen den für Steckverbinder generell erforderlichen Eigenschaften hinausgeht. Also ging es bei der Festlegung des Winkels darum, einen geeigneten Kompromiss zwischen verschiedenen Eigenschaften des Steckverbinders zu finden, die auf fachbekannte Weise vom Neigungswinkel der Lamellen abhängen.
3.6 Einen solchen Kompromiss zu finden, kann durch routinemäßige Versuche erreicht werden. Diese hätten den Fachmann auf naheliegende Weise in den beanspruchten Winkelbereich geführt.
3.7 Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4. Hilfsantrag 6 - Neuheit gegenüber E1
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 dadurch, dass das Merkmal M3 aus Anspruch 1 des Hauptantrags erneut eingefügt wurde. Die Ausführungen zur Neuheit des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 treffen folglich auch auf diesen Antrag zu. Somit ist auch der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 gegenüber E1 nicht neu.
5. Hilfsantrag 7 - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E1 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen
Der Hilfsantrag 7 unterscheidet sich von Hilfsantrag 2 ebenfalls nur dadurch, dass in Anspruch 1 das Merkmal M3 des Hauptantrags wieder aufgenommen wurde. Da dieses Merkmal bereits aus E1 bekannt ist (siehe Hauptantrag),
gelten dieselben Ausführungen wie für den Hilfsantrag 2. Folglich beruht auch der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
6. Hilfsanträge 8 bis 10 - Zulassung
6.1 Die Hilfsanträge 8 bis 10 wurden erstmals mit der Beschwerdeerwiderung der Beschwerdeführerin 1 vorgelegt.
6.2 Da die Beschwerdebegründungen vor dem 1. Januar 2020 eingereicht wurden, ist auf sie und die jeweiligen Beschwerdeerwiderungen Artikel 12 (4) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern 2007 anzuwenden (siehe Artikel 25 (2) VOBK 2020). Demzufolge "[...] wird das gesamte Vorbringen der Beteiligten nach Absatz 1 von der Kammer berücksichtigt, wenn und soweit es sich auf die Beschwerdesache bezieht und die Erfordernisse nach Absatz 2 erfüllt".
6.3 Mit dem Verweis auf "Absatz 2" nimmt Artikel 12 (4) VOBK 2007 ausdrücklich Bezug auf Artikel 12 (2) VOBK 2007. Demnach müssen die Beschwerdebegründung und die Erwiderung den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten. Sie müssen deutlich und knapp angeben, aus welchen Gründen beantragt wird, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, abzuändern oder zu bestätigen, und sollen ausdrücklich und spezifisch alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel anführen.
6.4 Der inhaltliche schriftliche Vortrag in der Beschwerdeerwiderung zu den Hilfsanträgen 8 bis 10 beschränkt sich auf den Satz auf Seite 2 der Beschwerdeerwiderung, wonach "beiliegend die Hilfsanträge 6 bis 10, entsprechend den Hilfsanträgen 1 bis 5 vorgelegt" würden, in denen das unbeabsichtigt weggelassene Merkmal M3 von Anspruch 1 des Hauptantrags ergänzt sei. Dieser Satz allein stellt für die Einreichung der Hilfsanträge 8 bis 10 keine ausreichenden "Gründe" im Sinne von Artikel 12 (2) VOBK 2007 dar.
6.5 Die Hilfsanträge 1 und 2 wurden in der angefochtenen Entscheidung und in der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin 1 ausführlich behandelt. Daher sind auch die ihnen entsprechenden Hilfsanträge 6 und 7, in denen lediglich das versehentlich weggelassene Merkmal M3 wieder hinzugefügt wurde, ausreichend begründet.
6.6 Es ist richtig, dass die Hilfsanträge 3 bis 5 bereits im Einspruchsverfahren vorgelegt worden waren. Sie sind aber nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung (anders als Hilfsanträge 1 und 2). Die Beschwerdeführerin 1 beantragte im Beschwerdeverfahren nicht die Aufrechterhaltung des Patents auf Grundlage der Hilfsanträge 3 bis 5 und trug zu ihnen auch nicht vor.
6.7 Das Vorbringen zu den Hilfsanträge 8 bis 10 genügt daher nicht den Erfordernissen von Artikel 12 (2) VOBK 2007. Die mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 8 bis 10 bleiben daher gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 unberücksichtigt.
6.8 In der mündlichen Verhandlung trug die Beschwerdeführerin 1 vor, die Notwendigkeit, auf die Hilfsanträge 8 bis 10 zurückgreifen zu müssen, habe sich für sie erst in der mündlichen Verhandlung herausgestellt. Daher seien diese Hilfsanträge zumindest als Reaktion auf das Geschehen in der mündlichen Verhandlung zuzulassen.
Sämtliche in der mündlichen Verhandlung behandelten Angriffe waren jedoch bereits in der vorläufigen Stellungnahme der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 enthalten. In der mündlichen Verhandlung ergab sich darüber hinaus keine neue Sachlage. Der Verlauf der mündlichen Verhandlung konnte daher nicht überraschend gewesen sein. Dass die Beschwerdeführerin 1 dennoch nicht mit dem Scheitern ihrer höherrangigen Anträge gerechnet hatte und sich die Notwendigkeit, auf die Hilfsanträge 8 bis 10 zurückzugreifen, für sie erst in der mündlichen Verhandlung herausstellte, stellt ebenfalls kein überzeugendes Argument für die Zulassung der Hilfsanträge 8 bis 10 dar.
6.9 Die Hilfsanträge 8-10 waren daher nicht in das Verfahren zuzulassen.
7. Da keiner der im Verfahren befindlichen Anträge den Erfordernissen des EPÜ genügt, ist das Patent gemäß Artikel 101 (3) b) EPÜ zu widerrufen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Das Patent wird widerrufen.