T 1985/19 22-09-2022
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Elektrooptischer Distanzmesser und Distanzmessverfahren
Hauptantrag: Neuheit (nein)
Hilfsantrag: Neuheit und erfinderische Tätigkeit (ja)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) vorgenommenen Änderungen das europäische Patent Nr. 2998700 in geänderter Fassung gemäß dem damals ersten Hilfsantrag aufrechterhalten worden ist.
Mit dem Einspruch war das Streitpatent in vollem Umfang und gestützt auf die Einspruchsgründe mangelnder Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikeln 52 (1), 54 (1) und 56 EPÜ) angegriffen worden.
II. Folgende Dokumente wurden u.a. im erstinstanzlichen Verfahren herangezogen und von den Beteiligten im Beschwerdeverfahren wieder aufgegriffen:
D1: EP 1 879 044 A1
D4: DE 10 2007 053 852 A1
D5: EP 2 182 377 A1
D6: US 5 311 353 A
D7: DE 10 2006 013 290 A1.
III. In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung in Bezug auf Anspruch 1 gemäß dem damaligen ersten Hilfsantrag die Auffassung, dass der beanspruchte Gegenstand gegenüber der Druckschrift D1 neu sei und gegenüber jeder der Druckschriften D1, D4 und D7 als nächstliegendem Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
IV. Mit der Beschwerdeerwiderung vom 13. Januar 2020 reichte die Beschwerdegegnerin Ansprüche gemäß Hilfsanträgen 2 bis 8 ein.
V. In einer Mitteilung, die als Anlage der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war, teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Auffassung zu der Sache mit.
VI. Mit Schreiben vom 17. August 2022 reichte die Beschwerdegegnerin geänderte Absätze [0021] bis [0024], [0035] und [0039] der Beschreibung ein.
VII. Die mündliche Verhandlung fand am 22. September 2022 statt.
Während der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdegegnerin einen geänderten Absatz [0097] der Beschreibung ein.
Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Patentinhaberin beantragte
- die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag),
hilfsweise
- die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 15 des als "Hilfsantrag 2" mit Schreiben vom 13. Januar 2020 eingereichten Hilfsantrags, mit geänderten Absätzen der Beschreibung [0021] bis [0024], [0035] und [0039] eingereicht mit Schreiben vom 17. August 2022 sowie geändertem Absatz [0097] der Beschreibung eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 22. September 2022 und den Zeichnungen auf Seiten 24 bis 35 der Patentschrift,
weiter hilfsweise
- die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage der Ansprüche gemäß einem der Hilfsanträge 3 bis 8 eingereicht mit Schreiben vom 13. Januar 2020.
Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
VIII. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"Elektrooptischer Distanzmesser, insbesondere für einen Laserscanner (1'), Lasertracker, Profiler, Theodolit oder eine Totalstation (1), mit wenigstens
· einer Lichtquelle (6) zum Aussenden wenigstens eines Lichtsignals als Sendelichtstrahl (13), insbesondere von Laserlicht, auf ein Zielobjekt (20),
· einer Empfangsschaltung mit einem Detektor, insbesondere eine PIN-Diode oder Avalanche-Photodiode APD (8S), mit einem photosensitiven Empfangsbauteil zum Empfangen des vom Zielobjekt zurückgestreuten Lichtsignals als Empfangslichtstrahl (12), und
· einer Steuer- und Auswertekomponente zum Ableiten einer Distanz zum Zielobjekt (20),
wobei
· das Empfangsbauteil mindestens zwei voneinander unabhängige Empfangssegmente (S1, S2, S3, S4, S5, S1i, S2a, S2al, S2ar, Sj) zum voneinander unabhängigen Erzeugen je eines resultierenden elektrischen Signals aufweist, wobei die Empfangssegmente (S1, S2, S3, S4, S5, S1i, S2a, S2al, S2ar, Sj) vordefinierten, unterschiedlichen, zu vermessenden Distanzbereichen zugeordnet sind,
dadurch gekennzeichnet, dass
· im Rahmen der Empfangsschaltung für die mindestens zwei Empfangssegmente (S1, S2, S3, S4, S5, S1i, S2a, S2al, S2ar, Sj) mindestens zwei unabhängige, unterschiedliche Verstärkungsfaktoren aufweisende Verstärker vorgesehen sind."
Die unabhängigen Ansprüche 1 und 14 gemäß dem geltenden ersten Hilfsantrag, d.h. gemäß dem als "Hilfsantrag 2" mit Schreiben vom 13. Januar 2020 eingereichten Hilfsantrag, lauten wie folgt:
1. "Elektrooptischer Distanzmesser, insbesondere für einen Laserscanner (1'), Lasertracker, Profiler, Theodolit oder eine Totalstation (1), mit wenigstens
· einer Lichtquelle (6) zum Aussenden wenigstens eines Lichtsignals als Sendelichtstrahl (13), insbesondere von Laserlicht, auf ein Zielobjekt (20),
· einer Empfangsschaltung mit einem Detektor mit einem photosensitiven Empfangsbauteil zum Empfangen des vom Zielobjekt zurückgestreuten Lichtsignals als Empfangslichtstrahl (12), und
· einer Steuer- und Auswertekomponente zum Ableiten einer Distanz zum Zielobjekt (20),
wobei
· der Detektor eine segmentierte Avalanche-Photodiode APD (8S) ist und das Empfangsbauteil mindestens zwei voneinander unabhängige APD-Segmente als Empfangssegmente (S1, S2, S3, S4, S5, S1i, S2a, S2al, S2ar, Sj) zum voneinander unabhängigen Erzeugen je eines resultierenden elektrischen Signals aufweist, wobei die Empfangssegmente (S1, S2, S3, S4, S5, S1i, S2a, S2al, S2ar, Sj) vordefinierten, unterschiedlichen, zu vermessenden Distanzbereichen zugeordnet sind,
dadurch gekennzeichnet, dass
· im Rahmen der Empfangsschaltung für die mindestens zwei Empfangssegmente (S1, S2, S3, S4, S5, S1i, S2a, S2al, S2ar, Sj) mindestens zwei unabhängige, unterschiedliche Verstärkungsfaktoren aufweisende Verstärker vorgesehen sind."
14. "Elektrooptisches Distanzmessverfahren mit wenigstens einem
· Aussenden eines Lichtsignals als Sendelichtstrahl (13), insbesondere von Laserlicht, auf ein Zielobjekt (20),
· Empfangen und Detektieren eines vom Zielobjekt (20) zurückkommenden Anteils (42) des ausgesandten Lichtsignals als Empfangslichtstrahl (12), und
· Bestimmen einer Distanz zum Zielobjekt (20), insbesondere im Millimeter- oder Submillimeterbereich,
wobei
· das Empfangen und Detektieren innerhalb mindestens zweier voneinander unabhängiger Empfangssegmente (S1, S2, S3, S4, S5, S1i, S2a, S2al, S2ar, Sj) zum voneinander unabhängigen Erzeugen je eines resultierenden elektrischen Signals erfolgt, wobei die Empfangssegmente (S1, S2, S3, S4, S5, S1i, S2a, S2al, S2ar, Sj) vordefinierten, unterschiedlichen, zu vermessenden Distanzbereichen zugeordnet sind,
dadurch gekennzeichnet, dass
· die voneinander unabhängig erzeugten elektrischen Signale unabhängig voneinander, mit unterschiedlichen Verstärkungsfaktoren verstärkt werden, und
· das Empfangen und Detektieren mit einer Empfangsschaltung mit einem Detektor mit einem photosensitiven Empfangsbauteil erfolgt, wobei der Detektor eine segmentierte Avalanche-Photodiode APD (8S) ist und das Empfangsbauteil die mindestens zwei voneinander unabhängigen Empfangssegmente (S1, S2, S3, S4, S5, S1i, S2a, S2al, S2ar, Sj), welche APD-Segmente sind, aufweist, und wobei im Rahmen der Empfangsschaltung für die mindestens zwei Empfangssegmente (S1, S2, S3, S4, S5, S1i, S2a, S2al, S2ar, Sj) mindestens zwei unabhängige, die unterschiedlichen Verstärkungsfaktoren aufweisende Verstärker vorgesehen sind."
Der Anspruchssatz gemäß dem ersten Hilfsantrag beinhaltet auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 13 und 15, die sich auf bevorzugte Ausführungen des Distanzmessers nach Anspruch 1 bzw. des Distanzmessverfahrens nach dem unabhängigen Anspruch 14 richten.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag - Anspruch 1 - Neuheit - Druckschrift D1
2.1 In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung die Auffassung vertreten, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden ersten Hilfsantrag, d.h. gemäß dem geltenden Hauptantrag, neu sei und er sich von dem elektrooptischen Distanzmesser der Druckschrift D1 nur dadurch unterscheide, dass
a) die Empfangssegmente "vordefinierten, unterschiedlichen, zu vermessenden Distanzbereichen zugeordnet" seien.
Die Beschwerdeführerin hat dieser Auffassung der Einspruchsabteilung widersprochen und geltend gemacht, dass die Druckschrift D1 die Kombination aus Abstand und Reflexivität des Zielobjekts berücksichtige und dass das Merkmal a) in der Druckschrift D1 implizit offenbart sei, sodass der beanspruchte Gegenstand gegenüber der Druckschrift D1 nicht neu sei.
Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, dass sich der beanspruchte Gegenstand von dem Distanzmesser der Druckschrift D1 durch das Merkmal a) sowie durch folgende Merkmale unterscheide:
b) der Detektor "mit einem photosensitiven Empfangsbauteil" versehen sei, "wobei das Empfangsbauteil mindestens zwei voneinander unabhängige Empfangssegmente [...] aufweist", und
c) die Verstärker wiesen "mindestens zwei unabhängige, unterschiedliche Verstärkungsfaktoren" auf.
2.2 Hinsichtlich des Merkmals a) ist die Kammer der Auffassung, dass in der Druckschrift D1 die Messung - wie von der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung vertreten - allein basierend auf der Intensität des vom Zielobjekt zurückgestreuten Lichtsignals erfolgt, aber dass die Intensität - wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht - in direktem funktionalen Zusammenhang mit der Entfernung des Zielobjekts steht und somit eine Zuordnung der Photodioden zu unterschiedlichen zu vermessenden Distanzbereichen aufgrund der unterschiedlichen Merkmale der Photodioden in der Druckschrift D1 implizit offenbart ist. Es wird in dieser Hinsicht auf Folgendes hingewiesen:
Die Druckschrift D1 offenbart einen elektrooptischen Distanzmesser mit einer PIN-Photodiode (im Folgenden "Photodiode PD") und einer Avalanche-Photodiode (im Folgenden "Photodiode APD") (Fig. 1A und die entsprechende Beschreibung) zum Empfang des vom Zielobjekt zurückgestreuten Lichtsignals als Empfangslichtstrahl. Die Photodioden PD und APD sind derart eingestellt bzw. gesteuert (Absatz [0027], [0028], [0032] und [0038]), dass sie eine unterschiedliche Empfindlichkeit im Hinblick auf die darauf einfallende Lichtmenge aufweisen (siehe z.B. Absatz [0012], [0021] und [0054]). Insbesondere erzeugen die Photodioden PD und APD für eine bestimmte empfangene Lichtmenge unterschiedliche elektrische Signale (Fig. 2A), und zwar nur wenn die empfangene Lichtmenge einen bestimmten Minimalwert ("min(PD)" für die Photodiode PD und "min(APD)" für die Photodiode APD, siehe Fig. 2A und 2B i.V.m. Absatz [0036], [0037], [0039] und [0054]) überschreitet. Die vom Zielobjekt zurückgestreute empfangene Lichtmenge hängt aber von der Entfernung des Zielobjekts (siehe z.B. Absatz [0041], letzter Satz) und von der Helligkeit und somit von der Reflektivität des Zielobjekts ab (siehe z.B. Absatz [0042] bis [0046]), und der Minimalwert der Photodiode APD ist kleiner als der Minimalwert der Photodiode PD (siehe Fig. 2A, und Absatz [0039] und [0054]). Daraus folgt, dass ab einer bestimmten, relativ größeren Entfernung des Zielobjekts die Photodiode PD keine Lichtmenge detektiert - und zwar unabhängig von der Reflektivität des Zielobjekts, d.h. auch für Zielobjekte mit einer Reflektivität von 100% -, während die Photodiode APD noch bestimmte Zielobjekte - insbesondere Zielobjekte mit einer Reflektivität von 100% -, die in einer noch größeren Entfernung liegen, detektiert, sodass die Photodioden PD und APD zu vermessenden Distanzbereichen implizit zugeordnet sind, die - wie beansprucht - vordefiniert sind und sich voneinander unterscheiden.
2.2.1 Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, dass, während in der Druckschrift D1 eine Auswahl des Empfangskanals allein auf der Grundlage der Intensität erfolge, die beanspruchte Erfindung auf ein aktives Ausnutzen der entfernungsabhängigen Änderung der Position bzw. der Größe des Empfangslichtflecks am Empfänger basiere, wobei der Distanzmesser derart konfiguriert sei, dass für die Distanzbestimmung den unterschiedlichen Segmenten aufgrund ihrer Anordnung jeweils eine Distanzinformation zugeordnet sei.
Die Kammer weist darauf hin, dass in der Beschreibung der Patentschrift die Zuordnung der Empfangssegmente zu den entsprechenden zu vermessenden Distanzbereichen durch ein spezifisches Zusammenwirken der optischen und geometrischen Merkmale der Komponenten des Distanzmessers - siehe z.B. Fig. 3a, 3b, 4b, 6a und 6b der Patentschrift und die entsprechende Beschreibung - erzielt wird. Solche Merkmale sind aber im Anspruch 1 nicht vorhanden, sodass die Argumente der Beschwerdegegnerin auf Merkmalen basieren, die durch die Beschreibung, aber nicht durch den tatsächlich beanspruchten Gegenstand gestützt werden. Somit schließt die breite Formulierung des Anspruchs 1 nicht aus, dass die beanspruchte Zuordnung, wie oben unter Nr. 2.2 dargelegt, durch die in der Druckschrift D1 offenbarte unterschiedliche Lichtempfindlichkeit der Photodioden erzielt wird.
Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin vorgetragen, dass in dem Distanzmesser der Druckschrift D1 die Messung der Distanz zum Zielobjekt nur auf Basis der Detektion von Intensitäten durch die beiden Photodioden und daher auf Basis einer Zuordnung zwischen Lichtintensitäten und Photodioden erfolge und dass dabei eine bestimmte Korrelation zwischen den zu vermessenden Distanzbereichen und den Photodioden zwar vorhanden sei, diese Korrelation aber keine "vordefinierte" Zuordnung im Sinne des Anspruchs 1 darstelle.
Auch diesem Argument vermag die Kammer nicht zu folgen, weil die im Anspruch 1 angesprochene Zuordnung breit definiert ist und die unter Nr. 2.2 oben angesprochene Zuordnung der Photodioden PD und APD der Druckschrift D1 zu unterschiedlichen zu vermessenden Distanzbereichen durch die unterschiedliche Empfindlichkeit der Photodioden bestimmt wird und sie daher eine "vordefinierte" Zuordnung im Sinne des Anspruchs 1 darstellt.
2.2.2 Aus diesen Gründen ist die Kammer der Auffassung, dass das Merkmal a) in der Druckschrift D1 - entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung - unmittelbar und eindeutig offenbart ist.
2.3 Hinsichtlich des Merkmals b) hat die Beschwerdegegnerin geltend gemacht, dass, während der Distanzmesser der Druckschrift D1 zwei unabhängige Detektoren (die Photodioden PD und APD) mit jeweils einem Empfangsbauteil mit genau einer Empfangsfläche aufweise, der beanspruchte Gegenstand sich auf "einen Detektor mit einem photosensitiven Empfangsbauteil" beziehe, "wobei das Empfangsbauteil mindestens zwei voneinander unabhängige Empfangssegmente [...] aufweist". Daher fordere der Anspruchswortlaut eine spezifische Ausgestaltung einer einzelnen Bau-Komponente "Empfangsbauteil", welche in mehrere Segmente aufgeteilt sei, d.h. einen Detektor, bei dem ein Empfangsbauteil zwei voneinander unabhängige Empfangssegmente aufweise. Das Merkmal b) sei daher - entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung - neu gegenüber der Druckschrift D1.
Diese Argumente hält die Kammer für nicht überzeugend. Das Empfangsbauteil des Distanzmessers der Druckschrift D1 (siehe Fig. 1A) kann als Detektor oder zumindest als Komponente eines einzigen Detektors im Sinne des Anspruchs 1 betrachtet werden. Außerdem stellen die Photodioden PD und APD der Druckschrift D1 zwei voneinander unabhängige "Empfangssegmente" dar, die zusammen als ein gemeinsames Empfangsbauteil oder zumindest als zwei Komponenten eines Empfangsbauteils betrachtet werden können, und die breite Formulierung des Anspruchs 1 schließt - wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht - nicht aus, dass das Empfangsbauteil aus verschiedenen Komponenten bzw. Teilbauteilen besteht.
Daher ist die Kammer der Auffassung, dass das Merkmal b) kein Unterscheidungsmerkmal des beanspruchten Gegenstands gegenüber der Druckschrift D1 darstellt.
2.4 Hinsichtlich des Merkmals c) hat die Beschwerdegegnerin geltend gemacht, dass die Druckschrift D1 zwar zwei einstellbare Verstärker für die zwei Photodioden offenbare, nicht aber dass die entsprechenden Verstärkungsfaktoren unterschiedlich seien.
Der Argumentation der Beschwerdegegnerin kann aber von der Kammer nicht gefolgt werden. Der Distanzmesser der Druckschrift D1 weist zwei unabhängige Verstärker für die Photodioden PD und APD auf, wobei die jeweiligen Verstärkungsfaktoren unabhängig voneinander einstellbar sind (siehe Fig. 2A i.V.m. den Verstärkern 16A und 16B in Fig. 1A und Absatz [0029] und [0038]). Außerdem basiert der Distanzmesser der Druckschrift D1 auf den grundsätzlich unterschiedlichen Eigenschaften, insbesondere auf den unterschiedlichen Lichtempfindlichkeiten, der beiden Photodioden (Absatz [0010] bis [0012], siehe auch Nr. 2.2 oben, zweiter Absatz), wobei die unabhängig voneinander einstellbaren Verstärkungsfaktoren von der CPU in Abhängigkeit dieser unterschiedlichen Eigenschaften eingestellt werden (Fig. 2A und 2B und die entsprechende Beschreibung i.V.m. Absatz [0038]). In diesem Kontext ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die eingestellte Verstärkungsfaktoren - wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht - unterschiedlich sind. Jedenfalls ist es für die Kammer unrealistisch bzw. nicht plausibel anzunehmen, dass in dem angegebenen technischen Kontext der Druckschrift D1 gleichwertige Verstärkungsfaktoren durch die CPU eingestellt werden.
Somit ist die Kammer der Auffassung, dass auch das Merkmal c) kein Unterscheidungsmerkmal des beanspruchten Gegenstands gegenüber der Druckschrift D1 darstellt.
2.5 Aus diesen Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gegenüber der Druckschrift D1 nicht neu ist (Artikel 52 (1) und 54 (1) EPÜ). Somit ist der Hauptantrag nicht gewährbar.
3. Erster Hilfsantrag
3.1 Änderungen
Anspruch 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag - d.h. dem als "Hilfsantrag 2" mit Schreiben vom 13. Januar 2020 eingereichten Hilfsantrag - basiert auf dem erteilten Anspruch 1, insbesondere auf im erteilten Anspruch 1 nur als fakultativ beanspruchten Varianten, und auf den Passagen der Beschreibung der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht betreffend die Ausgestaltung des Detektors als segmentierte Avalanche-Photodiode APD (siehe z.B. Seite 6, Zeile 28, bis Seite 7, Zeile 3, Seite 11, Zeile 3 bis 8, und Seite 15, Zeile 1 bis 4). Der unabhängige Anspruch 14 gemäß dem ersten Hilfsantrag basiert auf dem erteilten unabhängigen Anspruch 14, zusammen mit Merkmalen des Anspruchs 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 13 und 15 entsprechen den erteilten abhängigen Ansprüchen 2 bis 13 und 15. Die Beschreibung wurde entsprechend angepasst (Artikel 84 EPÜ i.V.m. Regel 42 (1) c) EPÜ).
Die Änderungen gemäß dem ersten Hilfsantrag erfüllen somit die Anforderungen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.
3.2 Neuheit
3.2.1 Während der Detektor der Druckschrift D1 aus zwei Photodioden PD und APD besteht (vgl. Nr. 2.2 oben, zweiter Absatz), besteht der Detektor des Distanzmessers gemäß Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags aus einer segmentierten Avalanche-Photodiode APD, sodass das Empfangsbauteil zwei voneinander unabhängige APD-Segmente als Empfangssegmente aufweist.
Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, dass das erwähnte beanspruchte Merkmal in der Druckschrift D1 bereits offenbart sei. Diese Druckschrift sei auf einen Distanzmesser gerichtet, der im Allgemeinen eine erste und eine zweite Lichtempfangsschaltung aufweise (siehe z.B. Anspruch 1). Die Druckschrift D1 offenbare zwar, dass die erste und die zweite Lichtempfangsschaltung eine Photodiode PD bzw. eine Photodiode APD aufwiesen, die entsprechende Offenbarung betreffe aber nur eine konkrete Ausführungsform (siehe z.B. Absätze [0012] und [0018]), und die Druckschrift D1 offenbare im Absatz [0027] ("The light receiving circuits [...] each include a PD 15A or an APD 15B [...].") auch, dass jede der Lichtempfangsschaltungen entweder eine Photodiode PD oder eine Photodiode APD aufweise, wobei die Empfindlichkeit der jeweiligen Lichtempfangsschaltung entsprechend eingestellt werden könne (Absatz [0032]). Daher sei die beanspruchte Verwendung von zwei Photodioden APD der Offenbarung der Druckschrift D1 ohne Weiteres entnehmbar.
Dieser Argumentation der Beschwerdeführerin vermag die Kammer nicht zu folgen. Der erste Satz des Absatzes [0027] der Druckschrift D1 lautet "The light receiving circuits 20A and 20B each include a PD 15A or an APD 15B, an amplifier 16A or 16B and an A/D converter 17A or 17B, respectively." [Hervorhebung durch die Kammer]. Der Fachmann wird den Ausdruck "include a PD 15A or an APD 15B" nicht isoliert betrachten und in dem Sinne auslegen, dass jede der Lichtempfangsschaltungen 20A und 20B entweder eine Photodiode PD oder eine Photodiode APD aufweist. Vielmehr wird er diesen Ausdruck in seinem Kontext sowohl aus sprachlicher (siehe Ausdruck "respectively") als auch aus technischer (vgl. Fig. 1A) Sicht in dem Sinne verstehen, dass eine erste der beiden Lichtempfangsschaltungen eine Photodiode PD und die zweite Lichtempfangsschaltung eine Photodiode aufweist.
Die Kammer ist daher der Auffassung, dass der Distanzmesser des Anspruchs 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag sich von dem Distanzmesser der Druckschrift D1 dadurch unterscheidet, dass der Detektor eine segmentierte Avalanche-Photodiode APD ist, wobei das Empfangsbauteil mindestens zwei voneinander unabhängige APD-Segmente als Empfangssegmente aufweist.
3.2.2 Die übrigen vorhandenen Entgegenhaltungen sind weniger relevant als die Druckschrift D1. Insbesondere offenbaren die Druckschriften D4, D6 und D7 Distanzmesser mit einem Detektor mit mehreren lichtempfindlichen Flächen (D4, Zusammenfassung und Fig. 1, 2 und 6 bis 8, zusammen mit der entsprechenden Beschreibung; D6, Zusammenfassung und Fig. 3b, zusammen mit der entsprechenden Beschreibung; und D7, Fig. 1 bis 8, zusammen mit der entsprechenden Beschreibung), aber keinen Unterschied bei der Verstärkung der Signale der lichtempfindlichen Flächen; und die Druckschrift D5 offenbart einen Distanzmesser mit einer Lichtempfangsschaltung mit unterschiedlichen Verstärkungspfaden für ein und dasselbe Lichtempfangselement (Fig. 2 i.V.m. der Zusammenfassung und den Absätzen [0010] und [0030]).
Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 auch neu gegenüber den Dokumenten D4, D6 und D7.
3.2.3 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag neu ist (Artikel 52 (1) und 54 (1) EPÜ).
3.3 Erfinderische Tätigkeit
3.3.1 Der Distanzmesser der Druckschrift D1 stellt, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, den nächstliegenden Stand der Technik dar.
Die objektive technische Aufgabe kann - wie von der Beschwerdeführerin auch vorgetragen - darin gesehen werden, eine Alternative zu dem Distanzmesser der Druckschrift D1 zu finden.
3.3.2 Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass die Druckschrift D1 auf der Verwendung eines Detektors mit einer Photodiode PD und einer Photodiode APD mit unterschiedlicher Lichtempfindlichkeit basiere. Die entsprechenden Verstärker der Photodioden hätten aber unterschiedliche Verstärkungsfaktoren, und der Fachmann werde aufgrund seines Fachwissens und der bereits vorhandenen Verwendung unterschiedlicher Verstärkungsfaktoren für die beiden Photodioden in Betracht ziehen, diese als Photodioden mit der gleichen Lichtempfindlichkeit, insbesondere als Photodioden APD, auszugestalten, um die objektive technische Aufgabe zu lösen.
Die Kammer weist diesbezüglich daraufhin, dass der Distanzmesser der Druckschrift D1 auf der grundlegenden Idee basiert, die unterschiedlichen Eigenschaften, insbesondere die unterschiedlichen Lichtempfindlichkeiten (Absatz [0010] bis [0012]), zweier Photodioden auszunutzen, um die Distanz eines lichtreflektierenden Objekts zu messen (Fig. 3 i.V.m. Fig. 2A und 2B und der entsprechenden Beschreibung), wobei die Verarbeitung der entsprechenden Signale aufgrund der unterschiedlichen Lichtempfindlichkeit der Photodioden eine unterschiedliche Verstärkungsanpassung zwecks Bestimmung der Distanz des Objekts erfordert (Absatz [0038]). In diesem technischen Kontext hat der Fachmann nach Auffassung der Kammer selbst unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens keine Veranlassung, in Betracht zu ziehen, gerade auf die Verwendung zweier Photodioden mit unterschiedlicher Lichtempfindlichkeit zu verzichten, geschweige denn die beiden Photodioden PD und APD mit unterschiedlichen Lichtempfindlichkeiten der Druckschrift D1 durch zwei Photodioden mit der gleichen Lichtempfindlichkeit zu ersetzen. Das gilt u.a. deswegen, weil sich der Fachmann dann unweigerlich mit der Frage konfrontiert sehen würde, welche technischen Anpassungen des Distanzmessers der Druckschrift D1 dann erforderlich wären, damit der Distanzmesser funktionsfähig bleiben würde.
Daher ist die Kammer der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der Druckschrift D1 und unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
3.3.3 Die Beschwerdeführerin hat auch geltend gemacht, dass der beanspruchte Distanzmesser gegenüber einer Kombination der Druckschrift D1 mit der Druckschrift D7 naheliegend sei. Die Druckschrift D7 betreffe das gleiche technische Gebiet wie die Druckschrift D1, basiere auf der Detektion der Intensität von aus dem Objekt reflektierten Licht, und der Detektor bestehe aus einem Avalanche-Photodiode APD (Absatz [0056]) mit mehreren APD-Empfangssegmenten (Fig. 3 bis 8), die eine unterschiedliche Geometrie aufwiesen und elektrisch voneinander getrennt seien (Absatz [0065]). Der Fachmann würde daher in Betracht ziehen, den Detektor der Druckschrift D1 durch den Detektor der Druckschrift D7 zu ersetzen, um die objektive technische Aufgabe zu lösen. Auf diese Weise würde er zu dem Distanzmesser des Anspruchs 1 gelangen, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden.
Die Kammer vermag dieser Argumentation nicht zu folgen. Die Druckschrift D1 und die Druckschrift D7 (Zusammenfassung und Fig. 1 bis 8, zusammen mit der entsprechenden Beschreibung) betreffen zwar das gleiche technische Gebiet, d.h. das Gebiet der optischen Distanzmessung von Objekten, und sie weisen strukturelle Ähnlichkeiten auf, insbesondere in Bezug auf die Verwendung eines photodiodenbasierten Detektors mit unterschiedlichen lichtempfindlichen Flächen (d.h. die lichtempfindlichen Flächen der Photodioden PD und APD in der Druckschrift D1 und die lichtempfindlichen Flächen der APD-Segmente der Photodiode APD in der Druckschrift D7). Allerdings basieren die Distanzmesser der Druckschriften D1 und D7 auf unterschiedlichen optischen Detektions-Grundprinzipien, nämlich in der Druckschrift D1 auf den unterschiedlichen Lichtempfindlichkeiten zweier Photodioden (d.h. der Photodioden PD und APD) gegenüber dem Empfangslichtstrahl aus einem Objekt (siehe Nr. 2.2. oben, zweiter Absatz) und in der Druckschrift D7 auf dem Wandern des Empfangslichtflecks mit der Objektdistanz in lateraler Richtung von einer zu einer anderen der lichtempfindlichen Flächen einer segmentierten APD Photodiode (Fig. 1 bis 8 und die entsprechende Beschreibung), ohne dass dabei die Signale aus den lichtempfindlichen Flächen zusammen und unabhängig voneinander, insbesondere mit unterschiedlichen Verstärkungsfaktoren, verarbeitet werden (D7, Absatz [0066]). Angesichts der unterschiedlichen Funktionsweise der Detektoren der Druckschriften D1 und D7, insbesondere der grundsätzlich unterschiedlichen Funktionalität der Photodioden PD und APD in dem Detektor der Druckschrift D1 und der segmentierten Photodiode APD der Druckschrift D7, bestand für den Fachmann keine Veranlassung, sich in der Druckschrift D7 nach Lösungen für die ihm gestellte Aufgabe umzusehen, geschweige denn in Betracht zu ziehen, die zwei Photodioden PD und APD des Detektors der Druckschrift D1 - unter Beibehaltung, wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, der unterschiedlichen Verstärkungsfaktoren - durch eine segmentierte APD-Photodiode zu ersetzen und sich dann mit der Frage zu beschäftigen, wie die entsprechenden Signale zwecks Ableitung der Distanz zu Objekten zu verarbeiten bzw. auszuwerten wären.
Aus diesen Gründen ist die Kammer der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber einer Zusammenschau der Druckschriften D1 und D7 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
3.3.4 Die übrigen vorhandenen Entgegenhaltungen sind weniger relevant als die obengenannten Druckschriften D1 und D7. Insbesondere basieren
- der in der Druckschrift D4 offenbarte Distanzmesser auf dem gleichen optischen Detektionsprinzip wie derjenige der Druckschrift D7 (D4, Zusammenfassung und Fig. 1, 2, 6 und 8 i.V.m. der entsprechenden Beschreibung, insbesondere Absätze [0051], [0056], [0084] und [0097]),
- der Distanzmesser der Druckschrift D5 auf zwei unterschiedlichen Verstärkungspfaden für ein und dasselbe Lichtempfangselement (Fig. 2 i.V.m. der Zusammenfassung und den Absätzen [0010] und [0030]), und
- die in der Druckschrift D6 offenbarte Lichtempfangsschaltung ebenfalls auf dem Wandern eines Empfangslichtflecks von einer zu einer anderen der lichtempfindlichen Flächen eines Detektors (Zusammenfassung, und Fig. 3b i.V.m. der entsprechenden Beschreibung) - wobei mit der Lichtempfangsschaltung nur die relative Ausrichtung des Detektors zum Objekt bestimmt wird (Spalte 10, Zeilen 3 bis 20).
3.3.5 Die Kammer gelangt daher zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag gegenüber den vorhandenen Dokumenten des Stands der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).
3.4 Die oben dargestellten Überlegungen zur Neuheit und zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Vorrichtungsanspruchs 1 gelten entsprechend auch für das Distanzmessverfahren des unabhängigen Anspruchs 14, weil die Merkmale des Distanzmessers des Anspruchs 1 eine Voraussetzung für die Ausführung dieses Verfahrens sind, und für den Gegenstand der abhängigen Ansprüche 2 bis 13 und 15 gemäß dem ersten Hilfsantrag (Artikel 52 (1), 54 (1) und 56 EPÜ).
4. Aus den oben dargelegten Gründen ist die Kammer der Auffassung, dass das Patent in geändertem Umfang gemäß dem ersten Hilfsantrag nach Artikel 101 (3) a) EPÜ aufrechterhalten werden kann.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrecht zu erhalten:
- Ansprüche: 1 bis 15 eingereicht als "Hilfsantrag 2" mit Schreiben vom 13. Januar 2020,
- Beschreibung: Seiten 2 bis 16 der Patentschrift, wobei Absätze [0021] bis [0024], [0035] und [0039] ersetzt sind durch die entsprechend nummerierten Absätze eingereicht mit Schreiben vom 17. August 2022 und wobei Absatz [0097] ersetzt ist durch den entsprechend nummerierten Absatz eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 22. September 2022, und
- Zeichnungen: Seiten 24 bis 35 der Patentschrift.