T 2213/19 08-12-2022
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Halteschiene zur Aufnahme einer Glasscheibe, Glasscheibe und Befestigungsverfahren
ehemals: dormakaba Deutschland GmbH; nun: Dorma-Glas GmbH,
gemäß Abtretungsvertrag vom 28.1.2021
Hauptantrag: Neuheit (nein)
Hilfsantrag 1: Neuheit (nein)
Hilfsantrag 2: Patentansprüche - Klarheit (nein)
Hilfsanträge 3-9: Ermessen Vorbringen nicht zuzulassen - Voraussetzungen des Art. 12 (3) VOBK 2020 erfüllt (nein)
I. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, das Streitpatent zu widerrufen.
II. Die Einspruchsabteilung hatte unter anderem entschieden, dass der Gegenstand der Ansprüche in der erteilten Fassung nicht neu ist, und die im Einspruchsverfahren geänderten Fassungen gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 5 die Erfordernisse der Artikel 123 (2) und 84 EPÜ nicht erfüllen.
III. Es fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, zu der die Beschwerdeführerin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschien.
IV. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte im schriftlichen Verfahren die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des europäischen Patents wie erteilt, oder auf der Grundlage der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 9.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Der Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt (Merkmalsgliederung in eckigen Klammern hinzugefügt):
[1.1] Halteschiene (2)
[1.2] mit einer Nut (3) zur Aufnahme einer Glasscheibe (6) zwischen zwei innere, einander gegenüberliegende Seitenwände (3a, 3b) der Nut (3) und
[1.3] mit einer Zwischenlage (5a, 5b, 5c, 5d), die zwischen einer der inneren Seitenwände (3a, 3b) der Nut (3) und der Glasscheibe (6) angeordnet ist,
[1.4] wobei die Zwischenlage (5a, 5b, 5c, 5d) im Einbauzustand der Glasscheibe (6) mit der Glasscheibe (6) verklebt und in der Nut (3) befestigt ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
[1.5] die Zwischenlage (5a, 5b, 5c, 5d) mit einer zumindest teilweise zu der Glasscheibe (6) gerichteten Aussparung (9, 10, 11, 12) versehen ist,
[1.6] die von einem Äußeren der Nut (3) zugänglich ist, derart, dass nach der Montage der Zwischenlage (5a, 5b, 5c, 5d) und der Glasscheibe (6) in die Nut (3) ein Klebstoff in die Aussparung (9, 10, 11, 12) einbringbar ist,
[1.7] sodass mittels des Klebstoffs die Glasscheibe (6) mit der Zwischenlage (5a, 5b, 5c, 5d) verklebbar ist,
[1.8] wobei insbesondere an der Stelle einer Aussparung (9, 10, 11, 12) der Zwischenlage (5a, 5b, 5c, 5d) die Halteschiene (2) von der Nut (3) bis zu ihrem Äußeren durchbrochen ist.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 entspricht dem des Hauptantrags mit dem Unterschied, dass in Merkmal [1.8] das Wort "insbesondere" gestrichen ist.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 lautet wie folgt (Änderungen gegenüber dem Hauptantrag hervorgehoben; Merkmalsgliederung in eckigen Klammern hinzugefügt):
[1.1] Halteschiene (2)
[1.2] mit einer Nut (3) zur Aufnahme einer Glasscheibe (6) zwischen zwei innere, einander gegenüberliegende Seitenwände (3a, 3b) der Nut (3) und
[1.3*] mit zwei Zwischenlagen (5b, 5c, 5d), wobei jeweils eine [deleted: einer] Zwischenlage (5a, 5b, 5c, 5d)[deleted: , die] zwischen einer der inneren Seitenwände (3a, 3b) der Nut (3) und der Glasscheibe (6) angeordnet ist, wobei jede Zwischenlage (5b, 5c, 5d) als flaches und langgestrecktes Element ausgebildet ist,
[1.4] wobei die Zwischenlage (5a, 5b, 5c, 5d) im Einbauzustand der Glasscheibe (6) mit der Glasscheibe (6) verklebt und in der Nut (3) befestigt ist,
[deleted: dadurch gekennzeichnet, dass]
[1.5*] wobei jede [deleted: die] Zwischenlage ([deleted: 5a,] 5b, 5c, 5d) mit einer zumindest teilweise zu der Glasscheibe (6) gerichteten Aussparung (9, 10, 11, 12) versehen ist,
[1.6*] die von einem Äußeren der Nut (3) zugänglich ist, derart, dass nach der Montage jeder [deleted: der ]Zwischenlage ([deleted: 5a,] 5b, 5c, 5d) und der Glasscheibe (6) in die Nut (3) ein Klebstoff in die Aussparung (9, 10, 11, 12) einbringbar ist,
[1.7] sodass mittels des Klebstoffs die Glasscheibe (6) mit der Zwischenlage ([deleted: 5a,] 5b, 5c, 5d) verklebbar ist,
[1.8*] wobei [deleted: insbesondere] an der Stelle einer Aussparung (9, 10, 11, 12) der Zwischenlage ([deleted: 5a, ]5b, 5c, 5d) die Halteschiene (2) im Bereich jeder Seitenwand (3a, 3b) von der Nut (3) bis zu ihrem Äußeren durchbrochen ist,
[1.9] wobei die Zwischenlage (5b, 5c, 5d) von der Aussparung (9, 10, 11, 12) durchbrochen ist, wobei an einer Aussparung (9, 10, 11, 12) der Zwischenlage (5b, 5c, 5d), die die Zwischenlage (5b, 5c, 5d) durchbricht, auch die Halteschiene (2) von der Nut (3) bis zu ihrem Äußeren durchbrochen ist.
VI. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende Entgegenhaltung Bezug genommen:
E1: EP 2 136 026 B1
VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, soweit für die Entscheidung relevant, lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Hauptantrag und Hilfsantrag 1 - Neuheit
Die E1 offenbare kein Verkleben der Zwischenlage mit der Glasscheibe gemäß Merkmal [1.7]. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei deshalb neu gegenüber der Offenbarung der E1.
Hilfsantrag 2 - Klarheit
Die Verwendung des Singulars stelle klar, dass (zumindest) eine der beanspruchten zwei Zwischenlagen die beanspruchte Aussparung aufweisen müsse.
Hilfsanträge 3 bis 9 - Zulässigkeit
Die Beschwerdeführerin trug nichts zur mangelnden Substantiierung dieser Anträge vor.
VIII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, soweit für die Entscheidung relevant, lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Hauptantrag und Hilfsantrag 1 - Neuheit
Die E1 offenbare sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 sowohl gemäß dem Hauptantrag als auch gemäß Hilfsantrag 1. Dessen jeweiliger Gegenstand sei deshalb nicht neu gegenüber der Offenbarung der E1.
Hilfsantrag 2 - Klarheit
Es sei unklar, ob sich das Merkmal [1.4], das geänderte Merkmal [1.8] und das hinzugenommene Merkmal [1.9] auf lediglich eine Zwischenlage oder auf beide Zwischen-lagen beziehen.
Hilfsanträge 3 bis 9 - Zulässigkeit
Die Hilfsanträge 3 bis 9 seien nicht substantiiert und daher nicht in das Verfahren zuzulassen.
1. Nichterscheinen in mündlicher Verhandlung
1.1 Die Beschwerdeführerin war trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht anwesend, wie durch Email vom 7. Dezember 2022 angekündigt.
1.2 Die Beschwerdeführerin wurde daher so behandelt, als stütze sie sich lediglich auf ihr schriftliches Vorbringen (Artikel 15 (3) und (6) VOBK 2020).
2. Hauptantrag - Neuheit
2.1 Die Entgegenhaltung E1 offenbart insbesondere in den Figuren 1, 2, 6 und 7 eine (Bezugnahmen in runden Klammern beziehen sich auf E1)
[1.1] Halteschiene (100)
[1.2] mit einer Nut (130) zur Aufnahme einer Glasscheibe (200) zwischen zwei innere, einander gegenüberliegende Seitenwände (110, 120) der Nut (130) und
[1.3] mit einer Zwischenlage (400), die zwischen einer der inneren Seitenwände (110, 120) der Nut (130) und der Glasscheibe (200) angeordnet ist (Figur 6),
[1.4] wobei die Zwischenlage (400) im Einbauzustand der Glasscheibe (200) mit der Glasscheibe (200) verklebt und in der Nut (130) befestigt ist (Spalte 4, Zeilen 1 bis 6),
[1.5] wobei die Zwischenlage (400) mit einer zumindest teilweise zu der Glasscheibe (200) gerichteten Aussparung (450) versehen ist,
[1.6] die von einem Äußeren (über 121) der Nut (130) zugänglich ist, derart, dass nach der Montage der Zwischenlage (400) und der Glasscheibe (200) in die Nut (130) ein Klebstoff in die Aussparung (450) einbringbar ist (Absatz [0022]; Figuren 2 und 7),
[1.7] sodass mittels des Klebstoffs die Glasscheibe (200) mit der Zwischenlage (400) verklebbar ist,
[1.8] wobei insbesondere an der Stelle einer Aussparung (450) der Zwischenlage (400) die Halteschiene (100) von der Nut (130) bis zu ihrem Äußeren durchbrochen (121) ist.
2.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte, in der E1 sei gemäß dem dortigen Anspruch 1 ein Klebestück 400 vorgesehen, um als Zwischenstück zwischen dem Rand des Paares von Glasscheiben 210 und 220 und dem Profil des Rahmens 100 zu dienen und zwischen der Verglasung 200 und dem Profil 100 eine geschlossene Kammer 410 zu schaffen, in die ein Klebekitt M eingeführt wird. Dies bedeute, dass nicht das Klebestück 400, das der beanspruchten Zwischenlage entspreche, mit der Glasscheibe 200 verklebt werde, sondern das Profil 100, das der beanspruchten Halteschiene entspreche. Die E1 offenbare daher kein Verkleben der Zwischenlage mit der Glasscheibe gemäß Merkmal [1.7].
2.3 Bei dem in E1 offenbarten Fenster verklebt jedoch der Kleber M sehr wohl die Glasscheibe 200 (auch) mit dem Klebestück 400, wie aus Figur 7 ersichtlich ist. Zwar verklebt der Kleber M zusätzlich die Glasscheibe 200 mit dem Profil 100, wie ebenfalls in Figur 7 zu sehen ist. Dies ist aber vom Anspruch nicht ausgeschlossen.
2.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist daher nicht neu gegenüber der Offenbarung der E1, sodass der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ der Aufrechterhaltung des Streitpatents entgegensteht.
3. Hilfsantrag 1 - Neuheit
3.1 In Hilfsantrag 1 wurde in Merkmal [1.8] das Wort "insbesondere" gestrichen.
3.2 Da es bei der obigen Diskussion der Neuheit des Hauptantrags keine Rolle gespielt hat, ob und gegebenenfalls welche Teile des Merkmals [1.8] fakultativ sind, gelten obige Überlegungen zu fehlender Neuheit gegenüber E1 unverändert für Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 (siehe Punkt 2.). So offenbart die E1 insbesondere in Absatz [0022] und den Figuren 1 und 2 eine Öffnung 121, die bewirkt, dass an der Stelle einer Aussparung 450 der Zwischenlage 400 die Halteschiene 100 von der Nut 130 bis zu ihrem Äußeren durchbrochen ist.
3.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 ist daher nicht neu gegenüber der Offenbarung der E1.
4. Hilfsantrag 2 - Klarheit
4.1 In Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ist zumindest unklar, ob sich das Merkmal [1.4] auf lediglich eine Zwischenlage oder auf beide Zwischenlagen bezieht. Gleiches gilt für das geänderte Merkmal [1.8] und das hinzugenommene Merkmal [1.9].
4.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte, die Verwendung des Singulars stelle klar, dass (zumindest) eine der beanspruchten zwei Zwischenlagen die beanspruchte Aussparung aufweisen müsse.
Tatsächlich definiert aber das geänderte Merkmal [1.5*], dass jede Zwischenlage mit einer Aussparung versehen ist. Allerdings geht aus dem geänderten Anspruchswortlaut nicht klar hervor, ob jede Zwischenlage von der Aussparung gemäß Merkmal [1.9] durchbrochen ist, oder ob dies nur für eine der Zwischenlagen bzw. Aussparungen gilt. Demgemäß bleibt auch unklar, an welchen Stellen die Halteschiene von der Nut bis zu ihrem Äußeren durchbrochen ist.
4.3 Der Hilfsantrag 2 erfüllt deshalb nicht das Klarheitserfordernis des Artikels 84 EPÜ.
5. Hilfsanträge 3 bis 9 - Zulassung
5.1 In der Beschwerdebegründung wurde nicht dargelegt, aus welchen Gründen beantragt wird, die angefochtene Entscheidung in Bezug auf die damaligen Hilfsanträge 2, 4 und 5 (jetzt Hilfsanträge 3, 5 und 6) aufzuheben.
5.2 Bezüglich der übrigen Hilfsanträge 4 und 7 bis 9 hat die Beschwerdeführerin weder eine Basis für die jeweiligen Änderungen angegeben noch deren Sinn und Zweck dargelegt.
5.3 Da die Beschwerde folglich in Bezug auf die Hilfsanträge 3 bis 9 nicht substantiiert ist (Artikel 12 (3) VOBK 2020), werden diese Hilfsanträge nicht in das Verfahren zugelassen (Artikel 12 (5) VOBK 2020).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.