T 2249/19 22-11-2022
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KUPPLUNGSAGGREGAT
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nicht in Frage gestellt
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
I. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung ein, das Streitpatent in der Fassung des damaligen Hilfsantrags 4A, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, aufrechtzuerhalten.
II. Die Einspruchsabteilung hatte unter anderem befunden, dass der Gegenstand von Anspruch 1 wie erteilt gegenüber den Entgegenhaltungen V4 (US 5 536 208 A) sowie Z7 (DE 38 16 902 C2) nicht neu ist.
III. Mit Schreiben vom 10. Oktober 2022 teilte die Einsprechende 2 (Beschwerdegegnerin) mit, dass sie an der für den 22. November 2022 anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde.
IV. Daraufhin sagte die Kammer die mündliche Verhandlung ab.
V. Die Anträge der Parteien lauteten wie folgt.
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung oder auf Grundlage eines der Hilfsanträge I oder II, eingereicht am 8. Februar 2019.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 2) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
VI. Die folgenden Entgegenhaltungen wurden verwendet:
V4: (US 5 536 208 A)
Z7: (DE 38 16 902 C2)
VII. Anspruch 1 wie erteilt (Hauptantrag) lautet (mit hinzugefügter Merkmalsgliederung):
"[1.1] Kupplungsaggregat das aus wenigstens zwei Untereinheiten (2, 3) besteht,
[1.2] wobei die eine Untereinheit (2) mit der Abtriebswelle eines Motors verbindbar
[1.3] und die andere Untereinheit (3) getriebeseitig vormontierbar ist
[1.4] und beide Untereinheiten (2, 3) über eine axiale Steckverbindung (1a),
[1.5] die ineinander greifende Profilierungen und Gegenprofilierungen (5, 6) umfasst,
miteinander koppelbar sind,
dadurch gekennzeichnet, dass
[1.6] zumindest einzelne der die Profilierungen und Gegenprofilierungen (5, 6) bildenden zahnförmigen Profile mittels eines Verspannungselementes (8) in Umfangsrichtung verspannt sind,
[1.7] wobei das Verspannungselement (8) zumindest einzelne Pröfilierungen [sic] (11) aufweist
[1.8] und von einem der die Profilierungen oder Gegenprofilierungen (5, 6) der Steckverbindung (1a) bildenden Bauteile (7, 10) getragen ist
[1.9] und gegenüber diesem in Umfangsrichtung mittels zumindest eines Energiespeichers (9) verspannt ist
[1.10] und weiterhin mit seinen Profilierungen (11) in Profilierungen oder Gegenprofilierungen (5, 6) des Bauteiles (7, 10) eingreift, von dem es nicht getragen ist,
[1.11] wobei zumindest nach Herstellung der axialen Steckverbindung (1a) die Profilierungen (11) des Verspannungselementes (8) und die Profilierungen oder Gegenprofilierungen (5, 6) des dieses tragenden Bauteiles (7, 10) in Umfangsrichtung entgegengerichtet verspannt sind."
VIII. Die Beschwerdeführerin vertrat die Auffassung, der erteilte Anspruch 1 sei neu, da das Kupplungsaggregat in Z7 und der inhaltsgleichen V4 keine an einem Getriebe vormontierbare Untereinheit offenbare.
IX. Die Beschwerdegegnerin argumentierte, der Gegenstand von Anspruch 1 sei aus Z7 und V4 bekannt und daher nicht neu.
1. Hauptantrag
1.1 Neuheit gegenüber Z7
1.1.1 Die Parteien waren sich einig, dass Z7 die Merkmale M1.1, M1.2 und M1.4 bis M1.11 von Anspruch 1 offenbart.
1.1.2 Streitig war lediglich die Bedeutung des Merkmals M1.3, wonach die andere Untereinheit "getriebeseitig vormontierbar ist" sowie, ob dies in Z7 offenbart ist.
Die Beschwerdeführerin vertrat die Ansicht, Merkmal M1.3 verlange, dass die "andere" Untereinheit dazu geeignet sein müsse, an einem Getriebe vormontiert zu werden. Z7 offenbare zwar ein Kupplungsaggregat mit axialer Steckverbindung 42 zwischen den Schwungradelementen 3 und 4. Der in Figur 1 gezeigte Aufbau erlaube aber keine Vormontage des Schwungradelements 4 an einem Getriebe vor der Steckverbindung zwischen den Untereinheiten.
Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin beziehe sich "getriebeseitig" lediglich auf die räumliche Anordnung der Untereinheiten zueinander. Merkmal M1.3 verlange daher nur, dass die "getriebeseitig" angeordnete Untereinheit "vormontierbar" sei. Das bedeute, dass die Vormontage einzelner Bauteile zur anderen Untereinheit vor dem Zusammenstecken des Kupplungsaggregats möglich sein müsse. Dies treffe auf das Schwungradelement 4 in Z7 zu.
1.1.3 In dem Ausdruck "getriebeseitig vormontierbar" bezieht sich "getriebeseitig" als Adverb auf "vormontierbar". Merkmal M1.3 verlangt daher, anders als von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, keine getriebeseitige und vormontierbare "andere" Untereinheit, sondern dass die Vormontierbarkeit "getriebeseitig" sein muss.
Auch wenn "getriebeseitig" nicht gleichbedeutend mit "an einem Getriebe" ist, ergibt sich dies im vorliegenden Fall aus dem Kontext von Anspruch 1.
Die Merkmale M1.1 bis M1.3 definieren ein Kupplungsaggregat mit wenigstens zwei Untereinheiten, wobei die eine mit der Antriebswelle eines Motors verbindbar und die andere getriebeseitig vormontierbar ist. Gemäß den Merkmalen M1.4 und M1.5 sind die Untereinheiten über eine axiale Steckverbindung miteinander koppelbar. Der Anspruchsgegenstand bezieht sich somit auf die Untereinheiten im noch nicht gekoppelten Zustand. Für den Fachmann ist deshalb ersichtlich, dass die Zweiteilung des Kupplungsaggregats in zwei Untereinheiten seiner Integration in den nicht zum Anspruchsgegenstand gehörenden Antriebsstrang dient, dass sich "getriebeseitig" auf die Verbindung mit einem Getriebe bezieht und mit "vormontierbar" die Montage vor der Kopplung der Untereinheiten miteinander gemeint ist.
Merkmal M1.3 ist folglich so zu verstehen, dass die "andere" Untereinheit geeignet sein muss, "an einem Getriebe" vormontiert zu werden, bevor die Untereinheiten über die axiale Steckverbindung miteinander gekoppelt werden.
1.1.4 Z7 offenbart ein Kupplungsaggregat mit einem Torsionsschwingungsdämpfer zwischen zwei Schwungradelementen 3 und 4 (Figur 1). Zwischen dem Ausgangsflansch 41 der Dämpfer 13 und 14 und dem Schwungradelement 4 befindet sich eine axiale Steckverbindung 42. Es ist unstreitig, dass das Schwungradelement 3, welches an der Kurbelwelle verschraubt wird, der "einen" Untereinheit gemäß Merkmal M1.2 zuzurechnen ist, während das Schwungradelement 4 zur "anderen" Untereinheit gehört.
Dass die "andere" Untereinheit der Z7 nicht geeignet ist, an einem Getriebe vormontiert zu werden, wurde von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten.
Somit offenbart Z7 zumindest nicht das Merkmal M1.3.
1.1.5 Daher ist der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 neu gegenüber Z7.
1.2 Neuheit gegenüber V4
V4 und Z7 gehen auf dieselben Prioritätsdokumente zurück. Sie werden von den Parteien als inhaltsgleich betrachtet. V4 enthält dieselben Figuren wie Z7. Folglich offenbart auch V4 nicht das Merkmal M1.3. Der erteilte Anspruch 1 ist daher neu gegenüber V4.
1.3 Erfinderische Tätigkeit
Das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit wurde von der Beschwerdegegnerin im Beschwerdeverfahren nicht in Frage gestellt. Auch die Kammer sieht auf der Grundlage des Vortrags der Parteien und der im Beschwerdeverfahren verwendeten Entgegenhaltungen hierfür keinen Anlass.
1.4 Folglich steht der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form nichts entgegen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird in der erteilten Fassung
aufrechterhalten.