T 2357/19 18-01-2023
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Verfahren zur Steuerung von elektrischen Verbrauchern und entsprechende Schaltungsanordnung
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Zurückverweisung - besondere Gründe für Zurückverweisung
I. Die Beschwerde der Patentanmelderin betrifft die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 05 707 577.2 aufgrund von Artikel 97 (2) EPÜ zurückgewiesen worden ist.
Die Prüfungsabteilung war zu der Auffassung gelangt, dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 3 des einzigen Antrags der Beschwerdeführerin gegenüber der Offenbarung des Dokuments D1 (US 5,151,631) nicht neu im Sinne des Artikels 54 (2) EPÜ ist.
II. Die Beschwerdeführerin beantragte mit ihrer Beschwerdeschrift, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Antrags zu erteilen (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
III. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung unter Artikel 15 (1) VOBK 2020 hatte die Kammer der Beschwerdeführerin mitgeteilt, sie neige dazu, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückzuverweisen.
IV. Mit Schreiben vom 19. September 2022 nahm die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und beantragte die Zurückverweisung an die erste Instanz zur weiteren Prüfung der Patentfähigkeit.
V. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:
"Verfahren zur Überwachung und Steuerung eines einem Leuchtmittel vorgeschalteten elektronischen Vorschaltgerätes ,EVG,(6) mittels eines Überwachungs-und Steuermoduls (15) mit einer Schaltungsanordnung (1), mit den folgenden Schritten:
-Verbinden des Moduls (15) eingangsseitig mit einer Spannungsversorgung (2) und ausgangsseitig mit dem EVG (6);
-Messen der Versorgungsspannung mittels einer Spannungsüberwachungseinrichtung (11) der Schaltungsanordnung (1);
-Messen eines Ist-Stromverbrauchs des EVG (6) mittels einer Strommesseinrichtung (13) der Schaltungsanordnung (1);
-Vergleichen des Ist-Stromverbrauchs mit einem Soll-Stromverbrauch mittels einer Vergleichseinrichtung der Schaltungsanordnung (1), und
-Aus- und anschliessendes Wiedereinschalten der Versorgungsspannung zum Reset des EVG (6) mittels einer Schalteinrichtung (12) der Schaltungsanordnung (1) bei einem Abweichen des Ist-Stromverbrauchs vom Soll-Stromverbrauch um mehr als eine vorgegebene Differenz."
Der Anspruch 2 ist von Anspruch 1 abhängig.
VI. Der unabhängige Anspruch 3 des Hauptantrags lautet:
"Überwachungs- und Steuermodul (15} mit einer Schaltungsanordnung (1) zur Überwachung und Steuerung eines einem Leuchtmittel vorgeschalteten elektronischen Vorschaltgerätes,EVG, (6),wobei das Modul(15) eingangsseitig mit einer Spannungsversorgung (2) und ausgangsseitig mit dem EVG verbindbar ist, und die Schaltungsanordnung (1) eine Spannungsüberwachungseinrichtung (11) zur Messung der Versorgungsspannung, eine Strommesseinrichtung (13) zur Messung des Ist-Stromverbrauchs des EVG (6) ,eine Vergleichseinrichtung (14) zum Vergleich des Ist-Stromverbrauch [sic] mit einem Soll-Stromverbrauch und eine Schalteinrichtung (12) zum Aus-und anschliessendem [sic] Wiedereinschalten der Versorgungsspannung zum Reset des EVG (6) bei einem Abweichen des Ist-Stromverbrauchs vom Soll-Stromverbrauch um mehr als eine vorgegebene Differenz aufweist."
Die Ansprüche 4 bis 10 sind von Anspruch 3 abhängig.
VII. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 3 des Hauptantrags sei neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D1. Laut D1 erfolge eine Unterbrechung der Spannungsversorgung des Vorschaltgeräts stets erst dann, wenn ein Signal anzeige, dass sich die Lampe bereits in einem Aus-Zustand befinde. Das erfindungsgemäße Aus- und Wiedereinschalten des Vorschaltgeräts nach Abweichen des Ist-Stromverbrauchs des Vorschaltgeräts von einem Soll-Stromverbrauch um mehr als eine vorgegebene Differenz sei D1 daher nicht zu entnehmen.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingereicht sowie ausreichend substantiiert. Daher ist die Beschwerde im Sinne des Artikels 108 EPÜ sowie der Regel 99 EPÜ zulässig.
2. Neuheit - Artikel 54 (2) EPÜ
2.1 Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 3 des Hauptantrags ist neu gegenüber Dokument D1. Die Kammer ist zu dem Schluss gelangt, dass jedenfalls das jeweils letztgenannte Merkmal der Ansprüche 1 und 3 aus der Offenbarung des Dokuments D1 nicht bekannt ist.
Die Kammer stimmt der Prüfungsabteilung daher nicht zu, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 3 gegenüber der Offenbarung des Dokuments D1 nicht neu im Sinne des Artikels 54 (2) EPÜ sei.
2.2 D1 offenbart, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, eine Überwachung der Versorgungsspannung einer Fahrzeug-Entladungslampe, bei welcher bereits vor dem Abschalten der Versorgungsspannung der Entladungslampe geprüft wird, ob die Entladungslampe ausgeschaltet ist. Siehe beispielsweise Spalte 5, oben, wonach die Schritte gemäß D1 nur durchgeführt werden, wenn der Resetschaltkreis informiert wurde, dass ein Signal von einer Ein/Aus-Erfassungseinheit empfangen wurde, welches angibt, dass die Entladungslampe bereits ausgeschaltet ist. Dies impliziert nach Ansicht der Kammer, dass das EVG bereits abgeschaltet ist, denn zwischen EVG, welches die Prüfungsabteilung durch den "high frequency booster 8" und den "igniter circuit 9" offenbart sah, und Entladungslampe befindet sich gemäß Figur 1 kein Schalter. Zudem wird gemäß D1 nicht wie beansprucht der Stromverbrauch des Steuergeräts, sondern die an der Batterie anliegende Versorgungsspannung überwacht.
Die Beschwerdeführerin hat darüber hinaus zutreffend festgestellt, dass D1 in Spalte 5, Zeile 34 bis Spalte 6, Zeile 2 lediglich in außergewöhnlichen Betriebszuständen bei Überschreiten einer vorbestimmten Schwelle für den Ausgangsstrom offenbart, das der Entladungslampe vorgeschaltete Steuergerät (8, 9) auszuschalten. In diesem Fall bleibt das Steuergerät jedoch ausgeschaltet. D1 offenbart in diesem Fall folglich keinen Reset des EVG basierend auf dessen Stromverbrauch.
Jedenfalls das letzte Anspruchsmerkmal der Ansprüche 1 bzw. 3 ist daher aus D1 nicht bekannt.
2.3 Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin folglich dahingehend zu, dass D1 eine anspruchsgemäße Schalteinrichtung bzw. ein Verfahren zum Aus- und anschließenden Wiedereinschalten der Versorgungsspannung zum Reset des EVG bei Abweichen des Ist-Stromverbrauchs vom Soll-Stromverbrauch um mehr als eine vorgegebene Differenz nicht offenbart.
Weitere Angriffe gegen die unabhängigen Ansprüche 1 und 3 des Hauptantrags enthält die angefochtene Entscheidung nicht.
2.4 Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben.
3. Zurückverweisung - Artikel 111 (1) EPÜ sowie Artikel 11 VOBK 2020
Angesichts der Tatsache, dass die Patentierbarkeit des Gegenstands des Hauptantrags von der Prüfungsabteilung noch nicht abschließend beurteilt worden ist, verweist die Kammer die Angelegenheit gemäß Artikel 111 (1) EPÜ an die erste Instanz zur weiteren Prüfung zurück.
Hierbei ist die Kammer der Ansicht, dass besondere Gründe im Sinne des Artikels 11 VOBK 2020 vorliegen. Insbesondere ist die Prüfung auf Patentierbarkeit durch die erste Instanz noch nicht abgeschlossen worden, da in der angefochtenen Entscheidung lediglich die Neuheit des Gegenstands der Ansprüche 1 und 3 gemäß Hauptantrag geprüft worden ist.
4. Entscheidung im schriftlichen Verfahren
Nachdem die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen hat und sie die Gelegenheit hatte, zu den Entscheidungsgründen Stellung zu nehmen, kann die Entscheidung der Kammer im schriftlichen Verfahren ergehen, Artikel 116 (1) EPÜ.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückverwiesen.