T 3166/19 30-09-2022
Download und weitere Informationen:
Beleimung von Materialstreifen der Tabak verarbeitenden Industrie
Spät eingereichte Tatsachen - zugelassen (nein)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) legte form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit welcher der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 110 181 zurückgewiesen wurde.
II. Der Einspruch richtete sich gegen das erteilte Patent im gesamten Umfang und stütze sich auf die Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit nach Artikel 100 a) EPÜ sowie der unzulässigen Erweiterung nach Artikel 100 c) EPÜ.
III. Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020, datiert auf den 16. Februar 2022, teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, wonach die Beschwerde voraussichtlich erfolglos sein werde.
IV. Am 30. September 2022 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Zu den Einzelheiten des Verlaufs wird auf das Protokoll verwiesen.
V. Die Beschwerdeführerin beantragte zuletzt:
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und
den vollständigen Widerruf des Patents.
VI. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte zuletzt:
die Zurückweisung der Beschwerde, d.h. die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung (Hauptantrag),
sowie hilfsweise, bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung,
die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Basis eines der Anspruchssätze gemäß Hilfsanträgen I bis III, die den im Einspruchsverfahren vorgelegten Hilfsanträgen I bis III entsprechen und mit der Beschwerdeerwiderung erneut eingereicht wurden.
VII. In der vorliegenden Entscheidung wird auf die folgenden Dokumente Bezug genommen:
D1: EP 0 476 328 A1;
D2: JP 2001-224995 A;
D3: JP 2004-313955 A;
D4: EP 0 616 854 A1;
D5: DE 103 05 918 A1;
D6: US 6,024,015 A;
D9: US 3,991,708 A.
VIII. Der unabhängige Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) lautet gemäß der Merkmalsanalyse der Beschwerdeführerin:
"Leimauftragungsvorrichtung der Tabak verarbeitenden Industrie zum Auftragen von Leim (20) auf einen Materialstreifen (10) der Tabak verarbeitenden Industrie mittels einer, vorzugsweise Näpfchen aufweisenden, Rasterwalze (5), [Merkmal 1a)]
wobei an der Rasterwalze (5) eine Leimverteilungskammer (7) angeordnet ist, aus der Leim (20) mittels der Rasterwalze (5) entnommen wird, [Merkmal 1b)]
eine externe Förderleitung (12) an eine interne Versorgungsleitung (13) der Leimverteilungskammer (7) angeschlossen ist, [Merkmal 1c)]
und der Leim (20) über die Förderleitung (12) und die Versorgungsleitung (13) der Leimverteilungskammer (7) zugefördert wird, [Merkmal 1d)]
dadurch gekennzeichnet, dass
in der externen Förderleitung (12) oder in der internen Versorgungsleitung (13) ein Sensor (15) vorgesehen ist, [Merkmal 1e)]
so dass die geförderte Menge des Leims in Abhängigkeit der vom Sensor (15) erfassten Messdaten, insbesondere Druck und/oder Leimmenge, geregelt wird, [Merkmal 1f)]
wobei eine, vorzugsweise steuerbare oder regelbare, Förderpumpe (14) an die externe Förderleitung (12) angeschlossen ist und/oder an der externen Förderleitung (12) eine, vorzugsweise steuerbare oder regelbare, Drossel (17) angeordnet ist, [Merkmal 1g)]
so dass Leim aus einem externen Leimvorrat über die externe Förderleitung (12) in die Versorgungsleitung (13) gefördert wird,
[Merkmal 1h)]
wobei der Leim nicht in Kontakt mit Sauerstoff gerät [Merkmal 1i)]."
IX. Der unabhängige Anspruch 5 des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) lautet gemäß der Merkmalsanalyse der Beschwerdeführerin:
"Verfahren zum Auftragen von Leim auf einen Materialstreifen der Tabak verarbeitenden Industrie [Merkmal 5a)]
mittels einer, vorzugsweise Näpfchen aufweisenden, Rasterwalze (5), [Merkmal 5b)]
wobei Leim (20) aus einer an der Rasterwalze (5) angeordneten Leimverteilungskammer (7) entnommen wird, [Merkmal 5c)]
und wobei der Leim (20) aus einem externen Leimvorrat über eine externe Förderleitung (12) und eine an die externe Förderleitung (12) unmittelbar angeschlossene interne Verteilungsleitung (13) der Leimverteilungskammer (7) zugefördert wird, [Merkmal 5d)]
wobei der Leim nicht in Kontakt mit Sauerstoff gerät, [Merkmal 5e)]
dadurch gekennzeichnet, dass
in der externen Förderleitung (12) oder in der internen Versorgungsleitung (13) ein Sensor (15) vorgesehen ist [Merkmal 5f)]
und die geförderte Menge des Leims in Abhängigkeit der vom Sensor (15) erfassten Messdaten, insbesondere Druck- und/oder Leimmenge, geregelt wird. [Merkmal 5g)]"
X. Im Hinblick auf den Entscheidungsausspruch der Kammer bedarf es keiner Wiedergabe der Hilfsanträge.
XI. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
1. Zulassung des Dokuments D9 ins Verfahren
1.1 Die Einspruchsabteilung entschied in Punkt 4. der Entscheidungsgründe begründet, dass das im Einspruchsverfahren verspätet vorgebrachte Dokument D9 nicht ins Verfahren zuzulassen ist.
1.2 Die Beschwerdeführerin legte das Dokument D9 im Beschwerdeverfahren erneut vor und führte aus, dass dieses Dokument darlege, dass das dort gezeigte Reservoir 23 mit Leim gefüllt und derart abgeschlossen sei, dass der enthaltene Leim nicht mit Sauerstoff in Kontakt stehe. Es sei damit prima facie hochrelevant für das Verfahren (vgl. Beschwerdebegründung, Punkte II. sowie Seite 18, vorletztes Auflistungszeichen).
1.3 In Punkt 7. der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung mit, dass das Dokument D9 voraussichtlich in Anwendung von Artikel 12 (6) Satz 1 VOBK 2020 nicht ins Beschwerdeverfahren zuzulassen ist.
1.4 Nachdem diese vorläufige Auffassung von beiden Parteien weder weiter kommentiert noch bestritten wurde, sondern beide Parteien in der mündlichen Verhandlung unter Verzicht auf weiteren mündlichen Vortrag auf das jeweilige schriftsätzliche Vorbringen verwiesen, sieht die Kammer - nachdem sie erneut alle relevanten Aspekte in Bezug auf diese Frage berücksichtigt hat - keinen Grund, von ihren in der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 getroffenen Feststellungen abzuweichen und bestätigt diese, wie im folgenden näher dargestellt.
1.5 Gemäß Artikel 12 (6) Satz 1 VOBK 2020, der unbeschadet der Übergangsbestimmung von Artikel 25 (2) VOBK 2020 nach Artikel 24 und 25 (1) VOBK 2020 auf den vorliegenden Fall anwendbar ist, lässt die Kammer Tatsachen oder Beweismittel nicht zu, die im Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, nicht zugelassen wurden, es sei denn, dass die Entscheidung über die Nichtzulassung ermessensfehlerhaft war oder die Umstände der Beschwerdesache eine Zulassung rechtfertigen.
1.6 Das Dokument D9 ist entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin auf Seite 2, Absatz 2, der Beschwerdebegründung nicht prima facie hochrelevant für das Verfahren. Wie die Einspruchsabteilung zu Recht feststellte, ist der in Dokument D9 dargestellte abgeschlossene Behälter nicht gleichwertig zu einem einen Kontakt mit Sauerstoff ausschließenden Reservoir (vgl. Punkt 4. der Entscheidungsgründe, letzter Absatz).
1.7 Daher war die Entscheidung der Einspruchsabteilung zur Nichtzulassung des Dokuments D9 nicht ermessensfehlerhaft.
1.8 Es wurden keine sonstigen Umstände vorgetragen, oder lägen offenkundig vor, die eine Zulassung des Dokuments in das Verfahren rechtfertigten.
1.9 In Anwendung von Artikel 12 (6) Satz 1 VOBK 2020 wird das Dokument D9 folglich nicht ins Beschwerdeverfahren zugelassen.
2. Unzulässige Änderungen (Artikel 100 c) EPÜ)
2.1 Die Beschwerdeführerin trug zu ihren Einwand gegen die Feststellungen der Einspruchsabteilung zum Einspruchgrund nach Artikel 100 c) EPÜ in Punkt 2. der Entscheidungsgründe vor, dass das Merkmal 1h) des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, wonach eine, vorzugsweise steuerbare oder regelbare, Förderpumpe an die externe Förderleitung angeschlossen ist und/oder an der externen Förderleitung eine, vorzugsweise steuerbare oder regelbare, Drossel angeordnet ist,
"so dass Leim aus einem externen Leimvorrat über die externe Förderleitung (12) in die Versorgungsleitung (13) gefördert wird,"
seine Grundlage in dem Absatz auf Seite 20, Zeilen 13 bis 18, der ursprünglich eingereichten Unterlagen (Absatz [0055] der A2-Schrift) finde, dort aber allein in Zusammenhang mit der Alternative offenbart sei, in der sowohl eine Förderpumpe als auch eine Drossel vorgesehen ist (Ziffer IV.1.1.1 der Beschwerdebegründung).
2.2 Das Merkmal, das Leim über die externe Förderleitung (12) in die Versorgungsleitung (13) gefördert wird, war bereits Merkmal des Anspruchs 1 der ursprünglich eingereichten Unterlagen. Das Merkmal 1h) stellt nunmehr eine Präzisierung dahingehend dar, dass Leim aus einem externen Leimvorrat gefördert wird.
2.3 Eine explizite Offenbarung einer Förderung aus einem externen Leimvorrat ist lediglich dem Absatz auf Seite 20, Zeilen 13 bis 18, der ursprünglich eingereichten Unterlagen (Absatz [0055] der A2-Schrift) zu entnehmen.
2.4 Die Kammer ist von den Argumenten der Beschwerdeführerin nicht überzeugt. Die Einspruchsabteilung stellte in Punkt 2. der Entscheidungsgründe richtigerweise fest, dass die Präzisierung des Merkmals 1h) gleichfalls in Seite 4, Absatz 2, der ursprünglichen Unterlagen (Absatz [0010] der A2-Schrift) implizit offenbart ist. Diesem Absatz ist wörtlich zu entnehmen, dass die Erfindung auf dem Grundgedanken beruht, "den Leim direkt und von extern der Leimverteilungskammer zuzufördern". Aus dieser Passage der ursprünglichen Offenbarung ist zweifelsfrei für die Fachperson eindeutig und unmittelbar erkennbar, dass der Leim aus einem externen Leimvorrat kommt.
2.5 Die Fachperson findet daher für das Merkmal 1h) nicht nur mit Bezug auf das konkrete Ausführungsbeispiel des Absatzes [0055] der A2-Schrift, sondern auch im allgemeinen Beschreibungsteil des Absatzes [0010] eine implizite Offenbarung des Merkmals 1h). Damit war für die Fachperson auch eine Kombination des um den externen Leimvorrat präzisierten Merkmals 1h) mit den Varianten des ursprünglichen Anspruchs 2 in den Anmeldungsunterlagen unmittelbar und eindeutig zu entnehmen.
2.6 Zu dem Merkmal 1i):
"wobei der Leim nicht in Kontakt mit Sauerstoff gerät"
schien die Beschwerdeführerin der Feststellung in der angefochtenen Entscheidung zuzustimmen, dass dieses Merkmal eine Offenbarung in Seite 4, Absatz 2, der ursprünglich eingereichten Unterlagen (Absatz [0010] der A2-Schrift) findet (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 8, letzter Absatz).
2.7 Jedoch trug die Beschwerdeführerin vor, dass das Merkmal 1i) lediglich einen technischen Effekt darstelle und sehr breit formuliert sei. Das Merkmal könne daher nicht von der korrespondieren Struktur getrennt in den Anspruch aufgenommen werden, zumal unklar bliebe, in welchen Strukturen des anspruchsgemäßen Gegenstands ein Sauerstoffkontakt verhindert werde. Die ursprüngliche Offenbarung in Absatz [0017] der A2-Schrift zeige, dass die Leimverteilungskammer an den lateralen Stirnseiten abgedichtet sei, so dass die Leimverteilungskammer unter Druck gehalten werden könne. Ferner sei dem Absatz [0023] der A2-Schrift zu entnehmen, dass die Versorgungsleitung unmittelbar an die interne Versorgungsleitung angeschlossen sei.
2.8 Die Kammer schließt sich jedoch der Auffassung der Beschwerdegegnerin an, dass in den angegebenen Absätzen der ursprünglichen Offenbarung weitere, für sich selbstständige Lösungen der erfindungsgemäßen Aufgabe, nämlich des Erzeugens eines einwandfreie Leimbilds auf den Umhüllungsstreifen bei höheren Produktionsgeschwindigkeiten, angegeben sind. Der Absatz [0017] der A2-Schrift betrifft "eine gute Beleimung bzw. Aufnahme von Leim in den Randbereichen der Rasterwalze". Der Absatz [0023] wiederholt im allgemeinen Beschreibungsteil den Wortlaut des ursprünglichen unabhängigen Verfahrensanspruchs 7.
2.9 Zwischen dem Merkmal 1i) und den von der Beschwerdeführerin genannten Elementen besteht daher kein notwendiger Bezug. Entsprechendes gilt für das Merkmal 5e) im Anspruch 5.
2.10 Die Argumente der Beschwerdeführerin sind daher nicht überzeugend und es ist keine Unrichtigkeit der Feststellungen der Einspruchsabteilung zu Artikel 100 c) EPÜ erkennbar.
3. Einwände gemäß Artikel 100 a) EPÜ
3.1 Zu den im übrigen von der Beschwerdeführerin auf den Einspruchsgründen nach Artikel 100 a) EPÜ beruhenden Einwänden mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit teilte die Kammer in den Punkten 9. und 10. der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 den Parteien ihre vorläufige Auffassung mit, dass diese teilweise nicht ins Beschwerdeverfahren zuzulassen sind und die Kammer im übrigen nicht von der Unrichtigkeit der in der angefochtenen Entscheidung getroffenen Feststellungen überzeugten.
3.2 Nachdem diese vorläufige Auffassung von beiden Parteien weder weiter kommentiert noch bestritten wurde, sondern beide Parteien in der mündlichen Verhandlung zu diesen Einwänden unter Verzicht auf weiteren mündlichen Vortrag auf das jeweilige schriftsätzliche Vorbringen verwiesen, sieht die Kammer nach erneuter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte in Bezug auf diese Frage keinen Grund, von ihren in der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 getroffenen Feststellungen abzuweichen und bestätigt diese, wie im folgenden näher in Punkten 4. und 5. dargestellt.
4. Neuheit (Artikel 100 a) und 54 EPÜ)
4.1 In der angefochtenen Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ausdrücklich einen externen Leimvorrat umfasst (vgl. Entscheidungsgründe, Punkt 3.1). Die Einspruchabteilung stellte weiter im Punkt 3.2.3 der Entscheidungsgründen begründet fest, dass
"eine ausdrückliche Lehre zur Verwendung des in Figur 13 [des Dokuments D1] gezeigten Durchflusssensors bei der mit Merkmal 1f) (siehe unten) vorgesehenen Fördermengenregelung [...] nicht vorhanden" ist,
dass also das Merkmal 1f), wonach in der externen Förderleitung oder in der internen Versorgungsleitung ein Sensor vorgesehen ist,
"so dass die geförderte Menge des Leims in Abhängigkeit der vom Sensor (15) erfassten Messdaten, insbesondere Druck und/oder Leimmenge, geregelt wird,"
der Offenbarung des Dokuments D1 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist (vgl. Entscheidungsgründe, Punkt 3.2).
4.2 Die Beschwerdeführerin trug im gesamten Verfahren nicht dazu vor, weshalb die mit Gründen versehene Feststellung in der angefochtenen Entscheidung zur fehlenden Offenbarung des Merkmals 1f) fehlerhaft gewesen sein sollte, sondern wiederholte lediglich, ohne weitere Erläuterungen, ihre Behauptung aus dem Einspruchsverfahren, dass sich das Merkmal 1f) aus der Figur 13 ergebe (vgl. Beschwerdebegründung, Punkt 2.1.5).
4.3 Der Vortrag der Beschwerdeführerin setzt sich damit zum Einwand mangelnder Neuheit gegenüber dem Dokument D1 nicht mit sämtlichen in der angefochtenen Entscheidung angegebenen Gründen auseinander, so dass er nicht hinreichend substantiiert bzw. vollständig im Sinne der Regel 99 (2) EPÜ und von Artikel 12 (3) VOBK 2020 und daher in Anwendung von Artikel 12 (3) und 12 (5) VOBK 2020 im vorliegenden Verfahren nicht zu berücksichtigen ist.
4.4 Der in Punkt 2.2.3 der Beschwerdebegründung implizit erhobene Einwand angeblich mangelnder Neuheit des Gegenstands von Anspruch 5 gemäß Hauptantrag war nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens und damit auch nicht der angefochtenen Entscheidung. Die Beschwerdeführerin machte keine Gründe geltend, die das verspätete Vorbringen dieses Einwands erst im Beschwerdeverfahren rechtfertigten. Solche rechtfertigenden Gründe sind auch nicht zu erkennen, so dass dieser Einwand wegen Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK 2020 nicht ins Verfahren zuzulassen ist.
5. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
5.1 Die Beschwerdeführerin rügte die Feststellungen der Einspruchsabteilung in Punkt 3.2 der angefochtenen Entscheidung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gegenüber einer Kombination der Lehren eines der Dokumente D2 bis D5 mit der vom Dokument D1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (vgl. Punkt 2.2.1 der Beschwerdebegründung).
5.2 Die Beschwerdeführerin bemängelte die Feststellung der Einspruchsabteilung, dass das Dokumente D2 nicht das Merkmal 1h) zeigt und trug vor, dass die Figur 1 in Dokument D2 einen Tank 5 zeige, der an der Oberseite geschlossen sei, und dass ferner durch das Merkmal 1h) kein technischer Unterschied angegeben werde. Es komme nämlich nicht darauf an, ob das in Figur 1 gezeigte externe Behälter 5 einen Kontakt der enthaltenden Flüssigkeit mit Luft zulasse oder nicht (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 16, Absätze 2 und 3).
5.3 Die Merkmale 1h) und 1i) sind jedoch in Gesamtheit so zu verstehen, dass anspruchsgemäß Leim weder im Bereich des externen Leimvorrats, noch in der externen Förderleitung, noch in der internen Versorgungsleitung in Kontakt mit Sauerstoff gerät. Zudem ist der in der Figur 1 des Dokuments D2 dargestellte Behälter 5 eine schematische Darstellung, der nicht entnommen werden kann, ob bei dem Behälter 5 ein Kontakt der enthaltenen Flüssigkeit mit Luft oder Sauerstoff möglich ist, oder nicht.
5.4 Die technische Lehre des Dokuments D2 offenbart daher weder - unbestritten - das weitere Merkmal 1e), wonach
"in der externen Förderleitung (12) oder in der internen Versorgungsleitung (13) ein Sensor (15) vorgesehen ist",
noch die Merkmale 1h) und 1i).
5.5 Das Merkmal 1i) beschreibt dabei nicht nur lediglich einen technischen Effekt oder lediglich eine Eignung, so dass es nicht als technisches Merkmal zu betrachten wäre (vgl. Beschwerdeerwiderung , Seite 17, letztes Auflistungszeichen, und Seite 18, letztes Auflistungszeichen). Es ist vielmehr, obwohl es als funktionelles Merkmal formuliert sein mag, seiner Bedeutung nach als ein strukturelles Merkmal zu verstehen (vgl. Beschwerdeerwiderung, Seite 19, Absatz 3). Dies gilt um so mehr, weil die Merkmale 1h) und 1i) zusammenhängen, wie bereits in Punkt 5.3 oben festgestellt wurde.
5.6 Das Merkmal 1i) ist entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin auch nicht dem Dokument D1 zu entnehmen. Die Figur 13 in Dokument D1 stellt das Reservoir nicht als vollständig geschlossen dar. Weder eine Zufuhr frischer Tinte über das dort dargestellte Ventil 24 noch der ebenfalls dargestellte Füllsensor 128 geben ausdrücklich oder implizit Grund dazu, das Reservoir luft- bzw. sauerstoffdicht zu gestalten (vgl. Punkt 3.2.3 der Entscheidungsgründe).
5.7 Dem Vortrag der Beschwerdeführerin, dass die Fachperson angesichts der Darstellungen in den Figuren 12 und 13 des Dokuments D1 erkenne, dass alle Elemente von Behälter 112 bis zur mit Flüssigkeit gefüllte Kammer 44 unter Druck stehen, so dass sie nicht für Luft zugänglich seien, kann gleichfalls nicht gefolgt werden.
5.8 Die Konstruktionen der Figuren 12 und 13 betreffen eine gezielte Druckbeaufschlagung der mit Flüssigkeit gefüllten Kammer 44 (so Dokument D1 in Spalte 10, Zeile 50, bis Spalte 11, Zeile 25). Daraus lässt sich jedoch nicht notwendigerweise folgern, dass der Behälter 112 ebenfalls unter Druck steht. Die Kammer weist hierzu auch auf die Existenz des Ventils 111 in der Figur 12 hin.
5.9 Die Merkmalskombination 1h) und 1i) kann der Offenbarung des Dokuments D1 folglich nicht entnommen werden.
5.10 Es ist damit nicht ersichtlich, weshalb die Fachperson aus einer Zusammenschau der Dokumente D2 und D1 zum Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gelangen könnte.
5.11 Die Beschwerdeführerin wendete weiter ein, dass entgegen der begründeten Feststellung der Einspruchsabteilung in Punkt 3.2 der Entscheidungsgründe, insbesondere in Punkt 3.2.4, der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag auch gegenüber einer Kombination der Lehre eines der Dokumente D2 bis D5 mit der vom Dokument D6 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
5.12 Dazu trug die Beschwerdeführerin vor, dass in Dokument D6 das Merkmal 1e) offenbart sei, weil der Sensor 17 in einer Leitung untergebracht sei, die im Inneren des die mit Flüssigkeit gefüllte Kammer definierenden Körpers verlaufe und daher Teil einer internen Versorgungsleitung sei (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 20, erstes Auflistungszeichen).
5.13 Dieses Argument überzeugt nicht. Vielmehr stellte die Einspruchsabteilung richtigerweise fest, dass der in Dokument D6 gezeigte Recyclingkreislauf, der die Pumpe 11 und die Leitung 12 umfasst, die an die den Sensor 17 enthaltende Leitung im Inneren des die mit Flüssigkeit gefüllte Kammer definierenden Körpers anschließt, die Förderleitung und die Versorgungsleitung des Merkmals 1e) nicht einschließt.
5.14 Das Merkmal 1e) ist der Lehre des Dokuments D6 daher nicht zu entnehmen, so dass die Fachperson aus einer Zusammenschau der Dokumente D2 und D6 nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gelangen konnte.
5.15 Soweit die Beschwerdeführerin weiter einwendete, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag auch gegenüber einer Kombination der Dokumente D2 und D6 und weiter mit D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Punkt 2.2.2 der Beschwerdebegründung), wurde dieser Einwand lediglich pauschal erhoben, ohne dass substantiiert vorgetragen ist, weshalb die Fachperson angesichts der Dokumente D2, D6 und D1 in naheliegender Weise zu dem Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gelangen würde.
5.16 Insbesondere äußerte sich die Beschwerdeführerin weder dazu, welche Merkmale welchem der drei Dokumente zu entnehmen wären, noch weshalb die Fachperson veranlasst gewesen wäre, die verschiedenen technischen Lehren der drei Dokumente zu kombinieren.
5.17 Der Vortrag der Beschwerdeführerin zur angeblich mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gegenüber der Kombination der Dokumente D2 und D6 und weiter mit D1 erfüllt somit nicht die Voraussetzungen des Artikels 12 (3) VOBK 2020 und ist daher nach Artikel 12 (5) VOBK 2020 nicht zuzulassen.
5.18 Die obigen Erwägungen gelten gleichermaßen für die Einwände der Beschwerdeführerin, soweit sie die Dokumente D3 bis D5 als Ausgangspunkt betreffen, denn - wie die Beschwerdeführerin auf Seite 16, erste Zeile, der Beschwerdebegründung selber einräumte - zeigt auch keines der Dokumente D3 bis D5 die Merkmale 1e) und 1i).
5.19 Soweit die Beschwerdeführerin in Punkt 2.2.3 der Beschwerdebegründung ferner Einwände mangelnder erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 5 gemäß Hauptantrag erhob, verwies sie lediglich pauschal auf ihr Vorbringen zur Patentfähigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, so dass die obigen Erwägungen in den Punkten 5.3 bis 5.18 dieser Entscheidung entsprechend zutreffen.
5.20 Im Ergebnis ist folglich keiner von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Einwände geeignet, die Unrichtigkeit der Feststellungen der Einspruchsabteilung zur erfinderischen Tätigkeit überzeugend darzulegen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.