T 0898/20 20-07-2022
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BREMSSTEUERUNG FÜR EIN FAHRZEUG
I. KNORR-BREMSE Systeme für Schienenfahrzeuge GmbH
II. Siemens Aktiengesellschaft
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge 1 und 2 (nein)
I. Gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 2 741 944 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, haben die Einsprechenden 1 und 2 (Beschwerdeführerinnen I und II) Beschwerde eingelegt.
II. Die Einspruchsabteilung war unter anderem der Auffassung, dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des am 26. November 2018 eingereichten Hauptantrags neu sei gegenüber der Lehre des Dokuments D7 (WO 2007/134889 A1) und erfinderisch gegenüber D7 in Kombination mit dem Fachwissen.
III. Am 20. Juli 2022 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerinnen I und II (Einsprechende 1 und 2) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents in vollem Umfang.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerden (Hauptantrag), hilfsweise das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche des Hilfsantrags 1 oder des Hilfsantrags 2, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung, aufrechtzuerhalten.
IV. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (gegenüber der erteilten Fassung nicht mehr allgemein auf ein "Verfahren zur Ansteuerung einer Bremseinrichtung eines Fahrzeugs" gerichtet) lautet in der der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Merkmalsgliederung wie folgt:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
V. Das für die vorliegende Entscheidung relevante Vorbringen der Beschwerdeführerinnen I und II in Bezug auf Anspruch 1 lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Hauptantrag - Neuheit gegenüber Dokument D7
Die Beschwerdeführerin I argumentierte, dass D7 eine Verzögerungsregelung gemäß Oberbegriff des Anspruchs 1 offenbare, wobei der Kern der beanspruchten Lösung in den Merkmalen M1-5 und M1-6 zu sehen sei. Dem Ausdruck "unabhängiger" Teilsignale komme dabei die Bedeutung zu, dass diese redundant zueinander seien (und gemäß Hauptantrag auch aus gleichen Quellen stammen könnten). Der abstrahierende Ausdruck "repräsentativ" im Zusammenhang mit der Fahrzeuglängsverzögerung bedeute, dass der Ist-Wert entweder durch direkte Messung (per Beschleunigungssensor) oder aber durch Umrechnung aus anderen Messwerten ermittelt werde (im Streitpatent aus Drehzahlsignalen oder z. B. dem Geschwindigkeitssignal eines GPS oder Zugleitsystems). Merkmal M1-2 bedeute lediglich, dass direkt die Fahrzeuglängsverzögerung ermittelt werde und nicht ein über den Betriebszustand der Bremsmittel Auskunft gebender Parameter. Merkmal M1-2 verlange nicht, die Fahrzeuglängsverzögerung unabhängig vom gesamten Bremssystem zu ermitteln, sondern nur unabhängig vom Betriebszustand der Bremseinrichtung. Das Streitpatent (Ansprüche 2 und 3) lasse im Rahmen des Verständnisses von Merkmal M1-2 auch Raddrehzahlsensoren zu, d. h. die Unabhängigkeit sei nur hinsichtlich der Aktuatorik zu verstehen und Merkmal M1-2 somit breit auszulegen. Die technische Lehre der vermeintlichen Erfindung liege also lediglich darin, für einen Verzögerungs-Bremsregelkreis mehrere redundante Ist-Werte zu verwenden, die jeweils die Ist-Verzögerung des Fahrzeugs repräsentierten.
Zu Merkmal M1-5 sei in D7 hinreichend offenbart, wie die Teilsignale aus Anspruch 3 der D7 kombinierbar seien. Dies gehe implizit aus Anspruch 3 der D7 hervor, der eine Aufzählung einzelner - für die Verzögerung des Fahrzeugs repräsentativer - Ist-Werte offenbare ("Messung der Verzögerung durch geeignete Sensoren", im Plural; "Messung der Nulldurchgänge der Motorspannungen und Ermittlung der Verzögerung"; "Messung der Drehzahlen", gemäß S. 3, Z. 24 als "Betriebsgrößen des Fahrzeuges" zu verstehen, also z. B. als Raddrehzahlen oder Drehzahlen des Antriebsstrangs) und in diesem Zusammenhang auch einen Verzögerungs-Bremsregelkreis (siehe auch Anspruch 4). Für den Leser der D7 sei klar, dass gleichartige Werte miteinander verglichen würden. Laut Anspruch 3 der D7 würden "mehrere" der Teilsignale zur Bestimmung eines Soll-Ist-Vergleichs verwendet. Auch fordere Anspruch 4 der D7 bereits, dass "anhand der erfassten Betriebswerte" (im Plural) eine Ist-Kennlinie gebildet werde. Damit seien - im Sinne einer impliziten Offenbarung - beliebige Kombinationen und Teilauswahlen aus allen möglichen Kombinationen offenbart, darunter auch eine Kombination wie mit Merkmal M1-5 gefordert. Die Offenbarung einer Messung der Verzögerung durch "geeignete Sensoren" (im Plural) gemäß Anspruch 3 der D7 sei sogar schon hinreichend neuheitsschädlich. D7 offenbare zudem (S. 4, Z. 10-11) "eine aus der Drehzahl der Motoren und der Beschleunigung des Fahrzeugs gebildete Ist-Kennlinie". Die in D7 angegebenen "Betriebsverhältnisse" bzw. "Betriebsgrößen" (Anspruch 3 bzw. Beschreibung) seien jene "des Fahrzeuges" und vom Bremssystem unabhängig.
Die Beschwerdeführerin II bemerkte zur angefochtenen Entscheidung, dass auch im Streitpatent nirgendwo von einem "Vergleich" oder "Kombinieren" der Werte die Rede sei, d. h. der Begriff "unter Verwendung" (einer Mehrzahl unabhängiger Teilsignale) aus Anspruch 1 sei breit auszulegen (und umfasse wie im Streitpatent z. B. auch eine Mittelwertbildung). In ähnlicher Weise sei dies in D7 ausgedrückt (Seite 4 oben), wenn (anhand der erfassten Betriebswerte) eine Ist-Kennlinie "gebildet" werde. Die explizite Nennung in D7 (Anspruch 3 oder S. 3, Z. 22-37) von mehreren Betriebsverhältnissen als Eingangsgrößen vermittele dem Fachmann bereits, dass zur Bildung einer Ist-Kennlinie eine beliebige Auswahl und Kombination der genannten Betriebsverhältnisse (Messung der Verzögerung; Messung mehrerer Drehzahlen, und zwar der Motoren nach S. 4, Z. 10) verwendet werden könne. Daher sei D7 neuheitsschädlich für Merkmal M1-5 und M1-6. Bei Betrachtung einer Bremsverzögerung (siehe S. 2, Z. 11-18) bzw. eines Bremsverlaufs (S. 4, Z. 31) gemäß Dokument D7 beschreibe die Ist-Kennlinie eine Änderung der Verzögerung über der Zeit. Messungen an einer Motoreinheit in D7 seien - wie mit Merkmal M1-2 gefordert - dabei solange unabhängig vom Bremssystem, wie diese nicht mit dem Bremssystem verschaltet seien. D7 gehe davon aus, dass anfangs keine Bremsung vorliege und dann entschieden werde, vorwiegend Motoren (wie im Streitpatent) nacheinander zur Bremsung "zuzuschalten". Motorbremsen seien also zumindest zeitweise während des Bremsvorgangs nicht Teil des Bremssystems (solange sie passiv mitdrehten und nur Strom in die Oberleitung rückspeisten) und geeignet, die Ist-Verzögerung unabhängig vom Bremssystem zu messen. Auch im Streitpatent (Absatz [0017]) werde die Motordrehzahl als repräsentatives Geschwindigkeitssignal verwendet.
Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit ausgehend von D7
Laut der Beschwerdeführerin I stelle der Fachmann zumindest auf Basis seines Fachwissens die vorstehend diskutierten Zusammenhänge her. Ausgehend von D7 sei die Aufgabe, eine höhere Sicherheit des Regelkreises zu ermöglichen. Bei sicherheitskritischen Systemen denke der Fachmann an Redundanzen, z. B. falls ein Sensor ausfalle. D7 gebe bereits einen Hinweis auf eine redundante Ausbildung durch den Begriff "mehrere" in Anspruch 3. Dem Fachmann erschließe sich daraus die technische Lehre, dass eine beliebige Kombination der in Anspruch 3 genannten Betriebsgrößen herangezogen werden könne (siehe auch S. 3 und 4 der Beschreibung: Bildung einer Ist-Kennlinie aus diesen Betriebsgrößen und Vergleich mit einer Soll-Kennlinie zur Einhaltung der geforderten Bremswerte). Aus der Aufzählung der Teilsignale in Anspruch 3 der D7 würde er die erforderliche Auswahl bei Bestimmung der Ist-Kennlinie treffen. Dabei sei selbstverständlich, dass ein Soll-Ist-Vergleich nur mit gleichartigen Werten, also einer Ist-Verzögerungs-Kennlinie mit einer Soll-Verzögerungs-Kennlinie, möglich sei. Insofern handele es sich sowohl bei den Betriebswerten wie auch bei der resultierenden Ist-Kennlinie um Kennwerte, die für die Ist-Verzögerung des Fahrzeugs repräsentativ seien. Es sei naheliegend, Teilsignale, die eine Ist-Verzögerung repräsentierten, zusammen zur Ermittlung der Ist-Verzögerung zu verwenden. Um ein Ist-Verzögerungssignal aus mehreren Teilsignalen zu bilden, wende der Fachmann bekannte Methoden wie Mittelwertbildung oder Gewichtung an.
Laut Beschwerdeführerin II offenbare D7 sogar eine diversitäre Redundanz, und zwar neben Sensoren zur Messung der Verzögerung die Messung der Nulldurchgänge der Motorspannungen zur Ermittlung der Verzögerung.
Hilfsantrag 1 - erfinderische Tätigkeit gegenüber D7
Die Beschwerdeführerin I argumentierte, eine Verschiedenartigkeit unterschiedlicher Quellen, aus denen die Teilsignale der Ist-Verzögerung stammen könnten, gehe bereits aus der D7 hervor. Bei der Lesart "mehrere" Teilsignale in Anspruch 3 würden Teilsignale z. B. durch geeignete Sensoren bereitgestellt, andere Teilsignale aber durch Messung der Nulldurchgänge der Motorspannung und Messung von Drehzahlen.
Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit gegenüber D7
Die beanspruchte Mittelwertbildung basiere laut der Beschwerdeführerin I auf dem bloßen Fachwissen eines Fachmanns der Steuerungs- und Regelungstechnik, der sich mit Grundlagen messtechnischer Methoden auskenne. Im Fall verschiedener gleichartiger Signale für dieselbe physikalische Größe sei eine Mittelwertbildung zwecks Signalverarbeitung sogar die naheliegende Methode, um Messunterschiede zu eliminieren.
Die Beschwerdeführerin II ergänzte, dass aus D7 schon mehrere Parameter zur Bestimmung der Ist-Verzögerung bekannt seien und diese in naheliegender Weise mittels Mittelwertbildung zu kombinieren seien, um falsche Ausschläge von Signalen zu korrigieren. Es sei allgemeiner Kenntnisstand und nicht erfinderisch, mit mehreren gleichartigen Werten eine Größe zu bestimmen.
VI. Die Beschwerdegegnerin entgegnete dem wie folgt:
Hauptantrag - Neuheit gegenüber Dokument D7
Zur Erfassung des Systemzustandes (allgemein, nicht der Verzögerung alleine) könne in D7 eine Reihe von Betriebsgrößen des Fahrzeugs ermittelt werden, unter anderem eine Messung der Verzögerung durch geeignete Sensoren sowie die Messung der Nulldurchgänge der Motorspannungen und Ermittlung der Verzögerung durch Varianzbestimmung (S. 3, Z. 21-37; Anspruch 3). D7 offenbare weiterhin, zur Bremssteuerung eine aus der Drehzahl der Motoren und der gemessenen Beschleunigung gebildete Ist-Kennlinie mit einer Soll-Kennlinie zu vergleichen und bei negativer Abweichung einzelne Motorbremsen bzw. Reibbremsen zuzuschalten (siehe S. 4, Z. 10-15; Anspruch 4). Wie in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, finde sich in D7 keine Lehre, ein (für die Ist-Kennlinie verwendetes) Ist-Verzögerungssignal unter Verwendung mehrerer unabhängiger Teilsignale, die jeweils selbst für die Ist-Verzögerung entlang der Fahrzeuglängsrichtung repräsentativ seien, zu ermitteln (Merkmal M1-5, M1-6). D7 offenbare lediglich unterschiedliche Optionen zur Bestimmung der Ist-Verzögerung, die auf nicht näher spezifizierte Weise im Zusammenhang mit der Bestimmung des Systemzustandes des Fahrzeugs verwendet würden. Aus D7 sei nicht klar, wie die Ist-Kennlinie gebildet werde und dass immer eine Verzögerungsregelung vorliege. D7 zähle zwar eine Reihe von Betriebsgrößen des Fahrzeugs bzw. Teilsignale auf, die aber entweder nicht alle (wie Temperaturerfassungen) für die aktuelle Ist-Verzögerung in Fahrzeuglängsrichtung repräsentativ seien, oder (wie die sich auf die Motordrehzahl beziehende "Messung der Drehzahlen") nicht unabhängig vom Betriebszustand der Bremseinrichtung seien (in Anspruch 3 des Streitpatents seien nur nicht gebremste mitlaufende oder als zusätzlicher Antrieb genützte Motoreinheiten gemeint, was in D7 nicht explizit bzw. eindeutig offenbart sei). Anspruch 1 sei (anders als bei Raddrehzahlen) in Bezug auf die Messung der Motordrehzahl derart limitierend zu verstehen, da das mit dem Streitpatent angestrebte Ziel (Absätze [0012] und [0064]: hohe Ausfallsicherheit und hoher Sicherheitsintegritätslevel) sonst nicht erreicht werde. Auch der Ausdruck "Messung der Verzögerung durch geeignete Sensoren" in D7 lasse nicht eindeutig auf die Verwendung mehrerer Sensoren schließen; er könne auch ausdrücken, dass es mehrere geeignete Sensoren gebe.
Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit ausgehend von D7
Die unterscheidenden Merkmalen M1-5 und M1-6 lösten die Aufgabe, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, das auf einfache Weise eine zuverlässige Schnellbremsung bei hohem Sicherheitsintegritätslevel ermögliche. Von einem Sicherheitsintegritätslevel sei in D7 nicht die Rede. D7 stelle sich eine andere Aufgabe, und zwar zunächst die sukzessive Zuschaltung der Elektromotoren ohne Einsatz der Reibbremse, unter Berücksichtigung vieler Betriebsparameter (z. B. der Temperatur) der Bremse. Erst anschließend erfolge die Zuschaltung der Reibbremse. D7 liefere schon keinen Hinweis, mehrere oder gar mehrere voneinander unabhängige Teilsignale zu verwenden, um das Ist-Verzögerungssignal zu ermitteln.
Selbst wenn der Fachmann trotz eines in D7 fehlenden Hinweises eine Kombination der in D7 zitierten Ist-Verzögerungssignale (aus einem Beschleunigungssensor und der Messung der Nulldurchgänge der Motorspannungen) in Betracht ziehe, gelange er nicht zu einem von dem Betriebszustand der Bremseinrichtung des Fahrzeugs unabhängigen Ist-Verzögerungssignal (Merkmal M1-2). Die in D7 beschriebene Ermittlung eines Verzögerungswerts anhand der Nulldurchgänge der Motorspannungen (auch die Messung der Motordrehzahlen, siehe oben) sei gerade nicht von dem Bremssystem unabhängig, da der Motor zentraler Bestandteil des elektrischen Bremssystems des Schienenfahrzeugs sei. Ein solches Verzögerungssignal könne in Kombination mit einem anderen Signal kein Ist-Verzögerungssignal im Sinne von Merkmal M1-2 liefern. Im Lichte der Beschreibung des Streitpatents sei Merkmal M1-2 dahingehend beschränkend, dass diejenigen Verfahren ausgeklammert seien, in denen die Ermittlung des Ist-Verzögerungssignals innerhalb des Bremssystems erfolge. Die für das Ist-Verzögerungssignal zu ermittelnden Teilsignale seien derart zu wählen, dass ihre Erfassung von der Funktionsweise des Bremssystems nicht beeinflusst würden und also offensichtlich vom Betriebszustand des Bremssystems unabhängig seien, aber nicht von dessen Wirkung auf die Fahrzeugverzögerung (siehe Streitpatent, Absätze [0011] und [0012]). Zwar finde sich im Streitpatent keine Definition des Begriffs "Betriebszustand" (nur für den Begriff "Betriebssituationen", der einen Betriebsbremsmodus umfasse), aber Merkmal M1-2 mache klar, dass im Einsatz befindliche, als Bremse fungierende Teile der Bremseinrichtung nicht zu berücksichtigen seien.
Hilfsantrag 1 - erfinderische Tätigkeit gegenüber D7
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 sei aus den bereits zum Hauptantrag dargelegten Gründen erfinderisch. D7 lehre keine Ermittlung von Ist-Verzögerungssignalen, die aus unterschiedlichen Quellen unterschiedlicher Art stammten und als Teilsignale für ein daraus ermitteltes Ist-Verzögerungssignal dienten.
Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit gegenüber D7
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 sei aus denselben Gründen wie zum Hauptantrag und zu Hilfsantrag 1 dargelegt erfinderisch. Aus keinem der zitierten Dokumente sei ein Hinweis zu entnehmen, zur Ermittlung des Ist-Verzögerungssignals einen Mittelwert der verwendeten unabhängigen Teilsignale aus unterschiedlichen Quellen zu verwenden. D7 lasse offen, was die Ist-Kennlinie sei. D7 sei auch die Bildung eines Mittelwerts aus verschiedenen Parametern (gemäß Absatz [0057] des Streitpatents) nicht zu entnehmen.
Hauptantrag
1. Neuheit gegenüber Dokument D7
1.1 Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist neu gegenüber der Lehre der D7 (Artikel 54 (1) EPÜ).
1.2 D7 offenbart (Anspruch 1) ein Verfahren zur Ansteuerung einer Bremseinrichtung eines Schienenfahrzeugs, bei dem
- in einem Ermittlungsschritt wenigstens ein für eine aktuelle Ist-Verzögerung des Fahrzeugs entlang einer Fahrzeuglängsrichtung repräsentatives, von einem Betriebszustand der Bremseinrichtung des Fahrzeugs unabhängiges Ist-Verzögerungssignal ermittelt wird (Ansprüche 3 und 4: die "Messung der Verzögerung durch geeignete Sensoren" dient z. B. als Eingangsgröße zur Steuerung/Regelung der Gesamtbremsleistung des Fahrzeugs, wobei "anhand der erfassten Betriebswerte eine Ist-Kennlinie gebildet" wird; bei Steuerung/Regelung der Bremsung eines spurgebundenen Schienenfahrzeugs - also der Längskraft - wird dabei ein für die aktuelle Fahrzeuglängsverzögerung repräsentatives Ist-Verzögerungssignal erfasst),
- welches in einem Vergleichsschritt mit einem, für eine aktuell vorgegebene Soll-Verzögerung des Fahrzeugs repräsentativen, vorgebbaren Soll-Verzögerungssignal verglichen wird (Anspruch 3: die Eingangsgröße der Steuerung/Regelung wird zur Bestimmung eines Soll-Ist-Vergleiches verwendet, wobei gleichartige Werte miteinander zu vergleichen sind, also eine Ist-Verzögerung mit einer vorgegebenen Soll-Verzögerung), und
- in einem Betätigungsschritt in Abhängigkeit vom Ergebnis des Vergleichsschritts wenigstens eine Bremseinheit der Bremseinrichtung zur Unterstützung einer Bremswirkung der Bremseinrichtung angesteuert wird (Anspruch 4: bei einer Soll-Ist-Abweichung werden z. B. weitere Motorbremsen zugeschaltet),
wie mit den Merkmalen M1-1 bis M1-4 spezifiziert.
Insbesondere ist festzustellen, dass Merkmal M1-2 durch die "Messung der Verzögerung durch geeignete Sensoren" (also eines Beschleunigungssensors) aus D7 bekannt ist, was unstrittig war (siehe dazu auch die angefochtene Entscheidung, Punkt 5.2, mit Verweis auf den im Streitpatent - Absatz [0007] - gewürdigten Stand der Technik, bei dem eine aktuelle Ist-Verzögerung des Fahrzeugs unabhängig von der Bremseinrichtung mittels eines Beschleunigungssensors erfasst wird).
Der von der Beschwerdegegnerin vorgebrachte Einwand, dass D7 nicht eindeutig und unmittelbar eine Verzögerungsregelung zeige und wie die Ist-Kennlinie gebildet werde, kann nicht überzeugen. D7 offenbart in Anspruch 3 zwar eine Vielzahl von Betriebsverhältnissen des Fahrzeugs, die als Eingangsgröße zur Steuerung/Regelung erfasst werden können. Aufgrund der Formulierung "eine ... der folgenden Betriebsverhältnisse" offenbart D7 aber explizit Ausführungsbeispiele unter Verwendung jeweils nur einer der erfassten Größen, darunter auch ein Ausführungsbeispiel, in dem ein Betriebsverhältnis des Fahrzeugs mittels z. B. "Messung der Verzögerung durch geeignete Sensoren" erfasst wird und gemäß Anspruch 3 als Eingangsgröße "zur Steuerung/Regelung ... mit einer hinterlegten Kennlinie zur Bestimmung eines Soll-Ist-Vergleiches verwendet" wird. Wird wie offenbart eine Verzögerung als Eingangsgröße und damit als Ist-Wert einer Regelung erfasst, impliziert dies bereits eine Verzögerungsregelung unter Verwendung eines Ist-Verzögerungssignals. Im Übrigen verlangt Anspruch 1 keine Bildung einer Ist-Kennlinie, sondern lediglich die Ermittlung eines Ist-Verzögerungssignals.
1.3 Die Merkmale M1-5 und M1-6 des Anspruchs 1 fordern, dass das Ist-Verzögerungssignal im Ermittlungsschritt unter Verwendung einer Mehrzahl voneinander unabhängiger, jeweils für die aktuelle Ist-Verzögerung des Fahrzeugs entlang der Fahrzeuglängsrichtung repräsentativer Teilsignale ermittelt wird.
1.3.1 Die Beschwerdeführerinnen sahen insbesondere in der Aufzählung mehrerer Betriebsverhältnisse in Anspruch 3 der D7 sowie der Bildung einer Ist-Kennlinie "anhand der erfassten Betriebswerte" gemäß Anspruch 4 der D7 beliebige Kombinationen und auch daraus getroffene Teilauswahlen in D7 offenbart, darunter auch eine Kombination wie mit Merkmalen M1-5 und M1-6 gefordert.
1.3.2 Dem kann die Kammer nicht folgen, da die in Anspruch 3 und auch auf S. 3, Z. 27-37 der Beschreibung der D7 offenbarte Aufzählung von gemessenen oder ermittelten Betriebsverhältnissen bzw. Betriebsgrößen des Fahrzeugs auch Größen wie Temperaturerfassungen enthält, die nicht für die aktuelle Ist-Fahrzeuglängsverzögerung repräsentativ sind. Auch wenn D7 die Bildung einer Ist-Kennlinie offenbart, die "mehrere" der in Anspruch 3 oder auf Seite 3 der Beschreibung aufgezählten Größen verwendet, bleibt offen, welche dieser Größen gemeinsam zur Ermittlung der Ist-Kennlinie verwendet werden. D7 offenbart also nicht unmittelbar und eindeutig die Verwendung von zumindest zwei und somit - wie mit den Merkmalen M1-5 und M1-6 gefordert - einer Mehrzahl von für die aktuelle Ist-Fahrzeuglängsverzögerung repräsentativer Teilsignale zur Ermittlung des Ist-Verzögerungssignals. Die allgemeine Offenbarung möglicher Kombinationen in D7, die offen lässt, welche Kombinationen dabei tatsächlich berücksichtigt werden, kann die mit den Merkmalen M1-5 und M1-6 getroffene Auswahl einer spezifischen Kombination nicht neuheitsschädlich treffen.
1.3.3 Auch die "Messung der Verzögerung durch geeignete Sensoren" (im Plural) in Anspruch 3 der D7 (erster Aufzählungspunkt) kann nicht - wie behauptet - klar und eindeutig offenbaren, dass mehrere Sensoren und damit eine Mehrzahl von Teilsignalen zur Messung der Verzögerung verwendet werden (Merkmale M1-5 und M1-6). Diese Offenbarungsstelle in D7 kann auch dahingehend verstanden werden, dass lediglich eine Auswahl eines einzigen, zur Messung der Verzögerung geeigneten Sensors erfolgt. Dies gilt gleichermaßen für die von Beschwerdeführerin I angeführte Offenbarungsstelle auf S. 4, Z. 10-11 ("aus der Drehzahl der Motoren und der Beschleunigung des Fahrzeugs gebildete Ist-Kennlinie") der D7, die auch so verstanden werden kann, dass die Motordrehzahl lediglich als Parameter zur Bildung drehzahlabhängiger Kennlinien oder Kennlinienbereiche der Ist-Beschleunigung bzw. Ist-Verzögerung, also nicht notwendigerweise als für die Ist-Verzögerung entlang der Fahrzeuglängsrichtung repräsentative Eingangsgröße herangezogen werden soll.
1.3.4 Die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gegenüber D7 beruht somit bereits allein darauf, dass aus D7 nicht unmittelbar und eindeutig die Merkmale M1-5 und M1-6 hervorgehen. Die Frage, ob D7 neben der direkten Messung der Verzögerung noch weitere, für die aktuelle Ist-Fahrzeuglängsverzögerung repräsentative Teilsignale zeigt, die im Sinne von Merkmal M1-2 unabhängig vom Betriebszustand der Bremseinrichtung des Fahrzeugs sind, ist für die Frage der Neuheit unerheblich.
2. Erfinderische Tätigkeit ausgehend von Dokument D7
2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht ausgehend von D7 als nächstliegendem Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
2.2 Wie zur Neuheit ausgeführt, unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der Lehre des Dokuments D7 in den Merkmalen M1-5 und M1-6. Die Ermittlung des für die Verzögerungsregelung gemäß Anspruch 1 relevanten Ist-Verzögerungssignals unter Verwendung einer Mehrzahl voneinander unabhängiger Teilsignale für die aktuelle Ist-Verzögerung gemäß dieses Unterschieds bedeutet eine redundante Ermittlung der für die Regelung verwendeten Eingangssignale, was zu einer höheren Sicherheit des beanspruchten Verfahrens z. B. gegenüber Ausfall eines Sensorsignals führt.
Ausgehend von D7 stellt sich damit nach Auffassung der Kammer die objektive technische Aufgabe, ein Verfahren zur Ansteuerung einer Bremseinrichtung eines Schienenfahrzeugs mit erhöhter Sicherheit zur Verfügung zu stellen.
Die von der Beschwerdegegnerin formulierte Aufgabenstellung, auf einfache Weise eine zuverlässige Schnellbremsung bei hohem Sicherheitsintegritätslevel zu ermöglichen, ist aus den Unterschiedsmerkmalen im Kontext von Anspruch 1 nicht abzuleiten. Zum einen ist Anspruch 1 nicht auf den spezifischen Fall einer Schnellbremsung bei Betätigung der Bremseinrichtung eingeschränkt. Zum anderen kann ohne genauere Definition der Ausführung der Bremseinrichtung in Anspruch 1 nicht davon ausgegangen werden, dass die unterscheidenden Merkmale zu einem hohen Sicherheitsintegritätslevel der Bremseinrichtung führen (gemäß Absatz [0006] des Streitpatents ist ein hoher Sicherheitsintegritätslevel bei alleiniger Erfassung der Ist-Bremswirkung anhand von internen Signalen der Bremseinheit nur mit hohem Aufwand zu erreichen).
2.3 Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin enthält D7 bereits einen Hinweis darauf, mehrere Teilsignale zu verwenden, da gemäß einer der in Anspruch 3 aufzählten Optionen explizit "als Eingangsgröße zur Steuerung/Regelung der Gesamtbremsleistung ... mehrere der folgenden Betriebsverhältnisse des Fahrzeuges erfasst oder ausgewertet oder mit einer hinterlegten Kennlinie zur Bestimmung eines Soll-Ist-Vergleiches verwendet werden". Zudem offenbart Anspruch 4 der D7, dass "anhand der erfassten Betriebswerte eine Ist-Kennlinie gebildet und mit einer zur Einhaltung der geforderten Bremswerte gültigen Soll-Kennlinie verglichen wird".
Vor der Aufgabe stehend, die Sicherheit des aus D7 bekannten Verfahrens z. B. gegen Ausfall zu erhöhen, ist es für den Fachmann daher im Falle einer Verzögerungsregelung (also für eine - wie weiter oben zur Neuheit ausgeführt - in D7 offenbarte Option) naheliegend, die Ist-Verzögerung als Eingangsgröße der Regelung redundant zu erfassen und zumindest zwei der aus D7 bekannten, für eine Verzögerung repräsentativen Betriebsgrößen bzw. Betriebsverhältnisse des Fahrzeugs (siehe Seite 3 bzw. Anspruch 3 der D7) zu verwenden. Er würde so z. B. in naheliegender Weise eine Kombination der Messung der Verzögerung durch einen geeigneten Sensor (eines Beschleunigungssensors) und eine über die Messung der Nulldurchgänge der Motorspannungen ermittelte Verzögerung gemäß Anspruch 3 der D7 in Betracht ziehen. Alternativ wäre es für den Fachmann auch naheliegend, wegen des Hinweises auf S.4, Z. 10-11 der D7 auf "eine aus der Drehzahl der Motoren und der Beschleunigung des Fahrzeugs gebildete Ist-Kennlinie", als zweites Teilsignal eine redundante Beschleunigung nach bekannten physikalischen Gesetzen aus der Motordrehzahl zu ermitteln (als einfache zeitliche Ableitung, wie in Absatz [0015] im Streitpatent selbst ausgeführt; mit der bekannten Getriebeübersetzung folgt daraus die Raddrehzahl bzw. Radgeschwindigkeit). In beiden Fällen gelangt der Fachmann in naheliegender Weise zu einer Mehrzahl unabhängiger, für die Ist-Verzögerung repräsentativer Teilsignale, wie mit den Merkmalen M1-5 und M1-6 gefordert.
2.4 Die Beschwerdegegnerin argumentierte noch, dass bei Kombination des in D7 zitierten Ist-Verzögerungssignals
aus einem Beschleunigungssensor mit einer anhand der Messung der Nulldurchgänge der Motorspannungen bzw. auch mit einer aus der Messung der Motordrehzahlen ermittelten Ist-Verzögerung das Merkmal M1-2 nicht erfüllt sei. Dies liefere kein vom Betriebszustand der Bremseinrichtung unabhängiges Ist-Verzögerungssignal im Sinne von Merkmal M1-2, da der Motor in D7 zentraler Bestandteil des Bremssystems des Schienenfahrzeugs sei. Insbesondere seien die für das Ist-Verzögerungssignal zu ermittelnden Teilsignale derart zu wählen, dass ihre Erfassung von der Funktionsweise des Bremssystems nicht beeinflusst werde und auch nicht innerhalb des Bremssystems erfolge. Zwar könne laut Anspruch 3 des Streitpatents als Teilsignal auch ein aus der Drehzahl einer Motoreinheit abgeleitetes Signal verwendet werden. Jedoch sei Merkmal M1-2 dahingehend auszulegen, dass nur nicht gebremste mitlaufende oder als zusätzlicher Antrieb genützte Motoreinheiten gemeint seien, was D7 nicht explizit zeige.
Diese Sichtweise teilt die Kammer nicht, da - wie von der Beschwerdegegnerin eingeräumt - das Streitpatent den Begriff "Betriebszustand" nicht definiert und daher keine derart einschränkende Auslegung des Begriffs "von einem Betriebszustand der Bremseinrichtung unabhängiges Ist-Verzögerungssignal" (Merkmal M1-2) zulässt. Mangels näherer Definition im Streitpatent ist dieser Ausdruck in seiner gesamten Bedeutungsbreite auszulegen und fordert nach Auffassung der Kammer lediglich, dass unabhängig davon, ob die Bremseinrichtung betätigt ist oder nicht (also unabhängig vom "Betriebszustand" der Aktuatorik, wie die Beschwerdeführerin I argumentiert) das Ist-Verzögerungssignal ermittelt wird. Teilsignale im Sinne von Merkmal M1-2 müssen - wie von der Beschwerdegegnerin zugestanden - nicht unabhängig von der Wirkung auf die Fahrzeugverzögerung sein.
Dies trifft auch zu, wenn das Ist-Verzögerungssignal unter Verwendung der - wie bereits ausgeführt - durch D7 nahegelegten Mehrzahl unabhängiger Teilsignale, also der durch einen Sensor gemessenen Verzögerung sowie der über Messung der Nulldurchgänge der Motorspannungen oder Motordrehzahlen ermittelten Verzögerung ermittelt wird. Die Messung der Motorspannungen oder -drehzahlen in D7 erfolgt nämlich unabhängig vom Betriebszustand der Motoren als "Bremse", da gemäß Anspruch 1 der D7 erst "in Abhängigkeit von den Betriebsverhältnissen des Fahrzeugs und den geforderten Bremswerten die Bremsung der vorhandenen Motoren ... einzeln und nacheinander" zugeschaltet wird, wobei gemäß Beschreibung (S. 4, Z. 10-15) vorgesehen ist, "eine aus der Drehzahl der Motoren und der Beschleunigung des Fahrzeugs gebildete Ist-Kennlinie mit einer ... Soll-Kennlinie zu vergleichen und bei negativer Soll-Ist-Abweichung die Bremsung der Motoren ... zuzuschalten" (siehe auch D7, Anspruch 4). Die Zuschaltung bzw. Aktivierung der Motoren als Bremse erfolgt also in D7 erst, nachdem eine Ist-Kennlinie unter Berücksichtigung der Messungen von Motorspannungen oder Motordrehzahlen bestimmt wurde. Die Ist-Kennlinie aus D7, die den Verlauf des Ist-Verzögerungswerts gemäß Merkmal M1-2 über die Zeit widerspiegelt, wird also unabhängig vom Betriebszustand der Bremseinrichtung bestimmt, da sie erst die Voraussetzung dafür bietet, eine Bremsung bei entsprechender Soll-Ist-Abweichung (gemäß Anspruch 4 der D7) "unter Berücksichtigung eines Toleranzbandes" einzuleiten.
Hilfsanträge 1 und 2
3. Erfinderische Tätigkeit gegenüber Dokument D7
3.1 Der Gegenstand der Ansprüche 1 gemäß den eingereichten Hilfsanträgen 1 und 2 beruht ausgehend von D7 als nächstliegendem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
3.2 Die zusätzlichen Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 verlangen wenigstens zwei Teilsignale aus unterschiedlichen Quellen unterschiedlicher Art.
Wie zum Hauptantrag ausgeführt, legt D7 bereits die Verwendung von zwei Teilsignalen aus unterschiedlichen Quellen unterschiedlicher Art zur Ermittlung des Ist-Verzögerungssignals nahe, und zwar die Messung der Verzögerung mittels geeigneter Sensoren und z. B. die Messung der Nulldurchgänge der Motorspannungen zur Ermittlung der Verzögerung. Die zusätzlichen Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 können somit - mit gleicher Begründung wie zum Hauptantrag - keinen erfinderischen Beitrag leisten.
3.3 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 spezifiziert zusätzlich, dass zur Ermittlung des Ist-Verzögerungssignals ein Mittelwert der verwendeten Teilsignale verwendet wird.
Die Kammer kann nicht erkennen, dass die Verwendung eines Mittelwerts einen erfinderischen Schritt erfordert, wenn wie zum Hauptantrag ausgeführt bereits die Ermittlung eines Ist-Verzögerungssignals als Eingangsgröße für eine Verzögerungsregelung unter Verwendung einer Mehrzahl voneinander unabhängiger Teilsignale als durch D7 nahegelegt angesehen wird.
In diesem Fall ist es für den zuständigen Fachmann auf dem Gebiet der Regelungstechnik naheliegend, entweder einen (arithmetischen oder gewichteten) Mittelwert der Teilsignale zu bilden, um Messtoleranzen oder Ungenauigkeiten in den Messsignalen zu kompensieren, oder aber unplausible Signale im Zuge einer Plausibilitätsprüfung auszuschließen. Diese auch im Streitpatent (siehe z. B. Absatz [0057]) genannten Möglichkeiten sind dem Fachmann der Regelungstechnik bei Lösung der sich bereits zum Hauptantrag stellenden Aufgabe vertraut, so dass die in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 getroffene Auswahl einer dieser bekannten Möglichkeiten nicht als erfinderisch anzusehen ist.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.