T 1513/20 (Steuerung eines Flash-Speichers/Unify) 07-09-2022
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VERFAHREN ZUR STEUERUNG EINES FLASH-SPEICHERS ZUR MASSENSPEICHERUNG, DER VON EINEM AN EINEN HOST ANSCHLIEßBAREN KOMMUNIKATIONSGERÄT UMFASST IST, UND COMPUTERPROGRAMMPRODUKT ZUR AUSFÜHRUNG DES VERFAHRENS
Patentansprüche - Klarheit nach Änderung (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nach Änderung (ja)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Anmeldung zurückzuweisen.
II. Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag weder klar noch erfinderisch und Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags nicht klar sei. Daher entschied die Einspruchsabteilung, die Anmeldung zurückzuweisen.
III. Im Prüfungsverfahren wurden unter anderem die folgenden Dokumente betrachtet:
D1 US 2007/061504 A1
D2 GB 2 251 323 A
IV. In der Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des Hauptantrags zu erteilen, hilfsweise auf Grundlage des ersten oder zweiten Hilfsantrags (alle Anträge wie mit der Beschwerdebegründung eingereicht).
V. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer ihre vorläufige Auffassung mit.
Die Kammer war der Auffassung, dass Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen nicht die Erfordernisse der Artikel 84, 123(2) und 56 EPÜ erfülle. Hinsichtlich Anspruch 1 gemäß dem ersten Hilfsantrag war die Kammer der Ansicht, dass dieser zusätzlich nicht Artikel 83 EPÜ genüge.
VI. Mit ihrem Schreiben vom 10. August 2022 reichte die Beschwerdeführerin eine geänderte Beschreibung, geänderte Ansprüche und weitere Argumente ein.
VII. Die mündliche Verhandlung fand am 7. September 2022 als Videokonferenz statt. In der Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin einen geänderten Hauptantrag, sowie einen geänderten ersten Hilfsantrag und einen geänderten zweiten Hilfsantrag ein. Sie beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des Hauptantrags zu erteilen, hilfsweise auf Grundlage des ersten oder zweiten Hilfsantrages (alle Anträge mit Ansprüchen wie während der Verhandlung eingereicht).
VIII. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:
Verfahren zur Steuerung eines Flash-Speichers (9), der von einem Kommunikationsgerät (2) eines Benutzers, das an einen Host (1) anschließbar ist, umfasst ist und zur Massenspeicherung mit zu speichernden Daten (SS1, SSN, SS1N, SA, BE, S1N, S1ML) beschrieben wird, bei dem
- der Flash-Speicher (9) in Blöcke (10), die jeweils Speichereinheiten (S1-SN) umfassen, unterteilt ist,
- eine beschriebene Speichereinheit (SS1) erneut beschreibbar ist, wenn vor dem Beschreiben der Speichereinheit (SS1) sämtliche Speichereinheiten (S1, S2, SS1, SN) des Blocks (10) der zu beschreibenden Speichereinheit (SS1) gelöscht werden,
dadurch gekennzeichnet, dass
- gelöschte und nicht wieder beschriebene Speichereinheiten des Flash-Speichers (9) einen Wert 0xFF aufweisen,
- wobei das Kommunikationsgerät (2) über eine Schnittstelle (5) an den Host (1) angeschlossen ist und von dem Kommunikationsgerät (2) eine Information (IN1, IN2) über die Anzahl von aufeinander folgenden zu beschreibenden Speichereinheiten, in die zu übertragende Daten geschrieben werden sollen, als Informationen über die Menge der von dem Host (1) an den Flash-Speicher (9) zu übertragenden Daten aus der Schnittstelle (5) abgerufen und zur Steuerung des Flash-Speichers (9) ausgewertet wird,
- wobei der Flash-Speicher (9) weiterhin derart gesteuert wird, dass er die Werte der Daten des Flash-Speichers (9) mit denen der zu schreibenden Daten vergleicht, basierend auf einer Unterscheidung, ob sich der Wert eines jeden Bytes der zu schreibenden Daten von dem Wert eines jeden Bytes der zu beschreibenden gelöschten Speichereinheiten unterscheidet,
- wobei der Flash-Speicher (9) derart gesteuert wird, dass im Falle, dass sich die zu schreibenden Daten von den Werten der einzelnen Bytes der Daten der gelöschten Speichereinheiten unterscheiden, keine erneute Löschung der Speichereinheiten durchgeführt wird,
- wobei der Flash-Speicher (9) derart gesteuert wird, dass zumindest ein Teil von zu beschreibenden Speichereinheiten (S1-SN), deren Daten (SG, SS1N, SAI, BEI, S1MLG) nach dem Beschreiben im Vergleich zu vor dem Beschreiben unverändert sind, weder gelöscht noch beschrieben wird,
- wobei bei den zu beschreibenden gelöschten Speichereinheiten oder einem Teil hiervon eine erneute Löschung unterbleibt und lediglich Daten eingeschrieben werden, die sich von den Daten gelöschter Speichereinheiten oder einem Teil hiervon unterscheiden, und
- wobei die Information (IN1, IN2) unabhängig von einem Zwischenspeicher oder einem Speichercontroller in der Schnittstelle (5) zu dem Host (1) vorliegt.
IX. Die unabhängigen Ansprüche 12 und 13 beziehen sich auf ein korrespondierendes Computerprogrammprodukt bzw. auf ein korrespondierendes Kommunikationsgerät.
X. Der Wortlaut der Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen ist für die Entscheidung nicht relevant.
1. Die vorliegende Anmeldung hat eine effiziente Steuerung von Schreibvorgängen in Flash-Speichern zum Gegenstand, wobei Löschvorgänge vermieden werden.
2. Hauptantrag
2.1 Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
2.1.1 In Abschnitt 1.1.1 der angefochtenen Entscheidung beanstandete die Prüfungsabteilung, dass die Formulierung dass "eine Information[ ... ] aus der Schnittstelle (5) abgerufen" werde, unklar sei. Üblicherweise würden Daten "via (und nicht aus einer) Schnittstelle abgerufen" [Hervorhebungen durch die Prüfungsabteilung]. Die Prüfungsabteilung verwies dabei auf Seite 12, Zeilen 1 - 8 und Seite 19, Zeilen 24 -25 der Beschreibung.
Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass gemäß der Beschreibung (Seite 11, Zeilen 23 - 29; Seite 12, Zeilen 21 - 23) die Schnittstelle als eine Hardware-Einheit ausgeführt sei, aus welcher sehr wohl eine Information abgerufen werden könne.
Die Kammer stellt zunächst fest, dass in einem Anspruch auch technische Sachverhalte beansprucht werden können, die von dem Üblichen abweichen. Gemäß der Beschreibung, insbesondere Seite 11, Zeilen 27-29, "liegen in der Schnittstelle zu dem Host Informationen über die Menge der von dem Host an den Flash-Speicher zu übertragenden Daten vor". Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass das beanstandete Merkmal nicht im Widerspruch zur Beschreibung steht und keine Zweifel am Gegenstand des Anspruchs 1 weckt.
2.1.2 Außerdem beanstandete die Prüfungsabteilung in Abschnitt 1.1.2, dass die "Daten des Flash-Speichers nicht notwendigerweise [mit den] auf dem Flash-Speicher abgespeicherten Daten gleichgesetzt" [Hervorhebung durch die Prüfungsabteilung] werden könnten.
Die Beschwerdeführerin stimmte der Interpretation dieses Merkmals durch die Prüfungsabteilung zu, verneinte jedoch das Vorliegen eines Klarheitsmangels.
Die Kammer ist der Auffassung, dass dieser Einwand der Prüfungsabteilung auf einer isolierten Betrachtung des betreffenden Merkmals beruht. Unmittelbar nach dem beanstandeten Merkmal wird spezifiziert, dass verglichen wird "ob sich der Wert eines jeden Bytes der zu schreibenden Daten von dem Wert eines jeden Bytes der zu beschreibenden gelöschten Speichereinheiten unterscheidet". Somit ist aus dem Zusammenhang eindeutig erkennbar, dass es sich bei den "Daten des Flash-Speichers" um die auf dem Flash-Speicher abgespeicherten Daten handelt. Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass hier kein Klarheitsmangel vorliegt.
2.1.3 Ferner beanstandete die Prüfungsabteilung in Abschnitt 1.1.3, dass der Ausdruck
"dadurch gekennzeichnet, dass [...] als Informationen über die Menge der von dem Host (1) an den Flash-Speicher (9) zu übertragenden Daten [...] abgerufen und zur Steuerung des Flash-Speichers (9) ausgewertet wird, wobei der Flash-Speicher (9) weiterhin derart gesteuert wird, dass er die Werte der [auf dem] Flash-Speicher (9) [gespeicherten Daten] mit denen der zu schreibenden Daten vergleicht" [Einfügungen und Hervorhebung durch die Prüfungsabteilung]
impliziere, dass die "Information über die Anzahl von aufeinander folgenden zu beschreibenden Speichereinheiten" ausreichend sei, um dem Flash-Speicher zu ermöglichen, den Inhalt der zu schreibenden Daten zu kennen. Folglich fehle ein wesentliches Merkmal.
Die Beschwerdeführerin verwies hierzu auf die Beschreibung, Seite 9, Zeilen 28 - 35 und Seite 10, Zeilen 1 - 9.
Die Kammer interpretiert dieses Merkmal so, dass der Ausdruck "Informationen über die Menge der von dem Host (1) an den Flash-Speicher (9) zu übertragenden Daten" klarstellt, dass eine Information über die Datenmenge abgerufen wird. Diese wird anschließend für die Steuerung des Flash-Speichers ausgewertet. Dabei werden auch gespeicherte und zu schreibende Daten verglichen. Dass letztere dafür vorliegen müssen, ist dabei durch das Wort "vergleichen" impliziert. Ob die "zu schreibenden Daten" auch identisch mit den "zu übertragenden Daten" sind, lässt der Anspruchswortlaut offen, was jedoch für die Erfindung nicht von Belang ist. Da sich das betreffende Merkmal eindeutig interpretieren lässt, liegt ein Mangel an Klarheit nicht vor.
2.1.4 Ferner beanstandete die Prüfungsabteilung in Abschnitt 1.1.4, dass der Begriff "erneute Löschung der Speichereinheiten" unklar sei. Insbesondere könne dieser implizieren, dass eine individualisierte Löschung der Speicherblöcke möglich sei, was der Limitierung der Löschung lediglich ganzer Blöcke von Speichereinheiten widerspreche.
Die Beschwerdeführerin verwies hierzu auf die Beschreibung, Seite 7, Zeilen 9 - 20.
Die Kammer stellt fest, dass das betreffende Merkmal sich auf das Schreiben von Daten in "gelöschte Speichereinheiten" bezieht. Anspruch 1 legt jedoch gleich zu Beginn fest, dass "eine beschriebene Speichereinheit (SS1) erneut beschreibbar ist, wenn vor dem Beschreiben der Speichereinheit (SS1) sämtliche Speichereinheiten (S1, S2, SS1, SN) des Blocks (10) der zu beschreibenden Speichereinheit (SS1) gelöscht werden". Daher ist die Kammer der Auffassung, dass das beanstandete Merkmal im Kontext mit den übrigen Anspruchsmerkmalen nur so verstanden werden kann, dass zunächst ein ganzer Block von Speichereinheiten gelöscht wird und dieser dann für die zu schreibenden Daten zur Verfügung steht. Somit gibt das betreffende Merkmal keinen Anlass für einen Klarheitsmangel.
2.1.5 In Abschnitt 1.1.5 beanstandete die Prüfungsabteilung, dass der Ausdruck "wobei [...] zumindest ein Teil von zu beschreibenden Speichereinheiten [...] weder gelöscht noch beschrieben wird" unklar sei. Es werde nicht beschrieben "in welchem Verhältnis genannter Teil mit einem Block steht, da die Löschung notwendigerweise immer den ganzen Block umfasst". Zur Interpretation dieses Merkmal verwies die Prüfungsabteilung auf Seite 10, Zeilen 6 - 26.
Die Kammer stellt fest, dass das betreffende Merkmal sich darauf bezieht, dass unter den genannten Umständen "weder gelöscht noch beschrieben wird". Da also der Fall des Nicht-Löschens betrachtet wird, ist es unerheblich, dass das Löschen nur blockweise möglich ist. Folglich kommt die Kammer zu dem Schluss, dass dieses Merkmal keine Unklarheit begründen kann.
2.1.6 Ferner beanstandete die Prüfungsabteilung in Abschnitt 1.1.6, dass "das Attribut 'als gelöschte Einheiten' offen lässt, ob eine Löschung bereits stattgefunden hat oder nicht, da vorhergehend in Anspruch 1 ein Fall beansprucht wird, dass überhaupt keine Löschung stattfinden muss."
Die Kammer stellt fest, dass das betreffende Merkmal aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 entfernt und der diesbezügliche Einwand somit behoben wurde.
2.1.7 Folglich kommt die Kammer zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 klar ist.
2.2 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
2.2.1 Die Anmelderin brachte vor, dass das aus dem vormaligen abhängigen Anspruch 5 hinzugefügte Merkmal
"wobei die Information (IN1, IN2) unabhängig von einem Zwischenspeicher oder einem Speichercontroller in der Schnittstelle (5) zu dem Host (1) vorliegt"
neu gegenüber Dokument D1 sei. Dokument D1 offenbare in den Absätzen [0029] und [0030], dass die Vorrichtung zum Verwalten von Daten eines Flash-Speichers einen Controller (100) und einen Flash-Speicher (110) umfasse, wobei der Flash-Speicher 110 Daten speichere und der Controller 100 die Daten des Flash-Speichers 110 verwalte.
Die mit dem hinzugefügten Merkmal verbundene objektive technische Aufgabe bestünde darin, ein Verfahren zur Steuerung eines Flash-Speichers zur Verfügung zu stellen, mit dem Daten eines Hostes einfach und effizient in dem Flash-Speicher abgespeichert werden könnten, wobei die Anzahl der zur Speicherung erforderlichen Lösch- und Schreiboperationen ohne das Erfordernis einer Verwendung eines Zwischenspeichers und/oder eines separaten Speichercontrollers mit einer Übersetzungstabelle verringert werden sollte (siehe ursprüngliche Beschreibung, Seite 8, Zeilen 27 bis 32).
Das hinzugefügte Merkmal sei nicht naheliegend, da Dokument D1 eine Lösung mit einem Speichercontroller offenbare und der Fachmann keine Veranlassung hätte, dies zu ändern.
2.2.2 Die Kammer stellt fest, dass Dokument D1 tatsächlich die Verwendung eines Speichercontrollers offenbart. In Absatz [0030] ist erwähnt, dass der Speichercontroller überprüft, ob die neuen Daten ohne vorheriges Löschen geschrieben werden können ("controller 100 determines whether or not the new generated data can be written without erasing data already stored in the flash memory 110"). Dies impliziert, dass die neuen Daten und die Information über die Anzahl von aufeinanderfolgenden zu beschreibenden Speichereinheiten im Speichercontroller zwischengespeichert werden. Somit liegt die Information nicht unabhängig von einem Speichercontroller vor. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich somit von der Offenbarung des Dokuments D1 zumindest hinsichtlich dieses Unterschiedsmerkmals.
Dieses Unterschiedsmerkmal bewirkt die Vereinfachung der Steuerung des Flash-Speichers. Die damit verbundene objektive technische Aufgabe besteht darin, das aus Dokument D1 bekannte Verfahren zur Steuerung des Flash-Speichers zu vereinfachen.
In Dokument D1 ist in Absatz [0033] impliziert, dass die Anzahl von aufeinanderfolgenden zu beschreibenden Speichereinheiten direkt aus den zu speichernden Daten ermittelt wird. Folglich ist nicht vorgesehen, dass die Information unabhängig vom Speichercontroller vorliegt. Auch besteht für den Fachmann keine Veranlassung, über die Schnittstelle zusätzlich die Information über die Anzahl von aufeinanderfolgenden zu beschreibenden Speichereinheiten zu übermitteln, was jedoch eine Voraussetzung für die im Unterschiedsmerkmal spezifizierte Unabhängigkeit dieser Information vom Speichercontroller ist. Der Fachmann würde daher nicht in naheliegender Weise zum Unterschiedsmerkmal und mithin zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.
2.2.3 Folglich kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 erfinderisch gegenüber dem betrachteten Stand der Technik ist.
Die obigen Betrachtungen gelten mutatis mutandis auch für das Computerprogrammprodukt und das Kommunikationsgerät gemäß den unabhängigen Ansprüchen 12 bzw. 13, welche zum Ausführen des Verfahrens nach Anspruch 1 ausgestaltet sind.
2.3 Der Hauptantrag ist somit gewährbar.
3. Die Beschwerde ist daher begründet.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Die Sache wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Ansprüche 1 - 14, eingereicht als Hauptantrag in der mündlichen Verhandlung am 7. September 2022;
Beschreibung Seiten 1 - 29, eingereicht am 10. August 2022;
Zeichnungsblätter 1/12 - 12/12, wie veröffentlicht.