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T 1329/21 (Verwendung von Pulvercellulose in Kosmetika / EVONIK) 19-09-2023
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VERWENDUNG VON PULVERCELLULOSE IN KOSMETIKA
Mayr Kotsch Patentanwalt Rechtsanwältin
Partnerschaftsgesellschaft mbB
Spät eingereichte Eingabe - Zulassung im Beschwerdeverfahren
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Das Europäische Patent Nr. 2 819 640 wurde mit 14 Ansprüchen erteilt. Anspruch 1 des Patents lautet wie folgt:
"1.Kosmetische Formulierung enthaltend
Glycerin und feste Partikel mit einer mittleren Partikelgröße von 3 mym bis 15 mym, besonders bevorzugt von 4 mym bis 10 mym,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Partikel mindestens 95 Gew.-%, bevorzugt mindestens 97 Gew.-%, besonders bevorzugt mindestens 99 Gew.-% native, aus Pflanzenfasern gewonnene Cellulose enthalten, wobei sich die Gewichtsprozente auf das trockene Partikelgesamtgewicht beziehen, und
dass sie eine Emulsion ist."
II. Gegen die Erteilung des Patents wurde Einspruch eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ), unzureichende Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ) sowie unzulässige Erweiterung des Inhalts (Artikel 100 c) EPÜ) angeführt.
III. Die Einspruchsabteilung kam zu der Entscheidung, das Patent zu widerrufen. Dieser Entscheidung lag das erteilte Patent als Hauptantrag zugrunde.
IV. Folgende Dokumente wurden inter alia in der Entscheidung der Einspruchsabteilung zitiert:
D1: US 2005/0002996 A1
D3: US 2007/0062009 A1
D7: US 3530 217 A
D11: EP 1 057 477 A1
D14: Merkblatt "Cellulobeads"
D19: Webseiten des Herstellers zu Cellulon CP Kelco
V. Insbesondere führte die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung aus, dass das erteilte Patent die Erfordernisse der Artikel 123(2), 83 und 54 EPÜ erfülle, jedoch nicht die des Artikels 56 EPÜ.
VI. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die obige Entscheidung ein.
VII. Folgende für die Entscheidung relevanten Beweismittel wurden von den Parteien im Laufe des Beschwerdeverfahrens eingereicht:
a) seitens der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung:
D21: US Congress, Office of Technology Assessment, Biopolymers: Making Materials Nature's Way - Background Paper, 1993, 28-30
D22: Schmitt et al., Journal of the American College of Toxicology, Vol. 10, No. 5, 1991, 541-554
D23: Encyclopedia of Polymer Science and Technology, Concise Third Edition, Wiley, 2007, 160
D24: Gums and Stabilisers for the Food Industry 11, "Corporate Changes", 8
D25: Vergleichsversuche des Einspruchsverfahrens
b) seitens der Beschwerdegegnerin mit der Beschwerdeerwiderung:
D26: "Comparative Test Table"
D27 : FR 2 794 466 Bl
D28: Ougiya et al., Biosci. Biotech. Biochem., 61(9) 1997, 1541-1545
c) seitens der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 29. Juni 2023:
D29: Versuchsergebnisse
VIII. Am 19. September 2023 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
IX. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung (Hauptantrag). Ferner beantragte sie, dass die mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Dokumente D26 bis D28 nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen werden. Außerdem beantragte sie die Zulassung des Dokuments D29.
X. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Außerdem beantragte sie weder den Schriftsatz vom 29. Juni 2023, noch das mit diesem Schriftsatz eingereichte Dokument D29 in das Verfahren zuzulassen.
XI. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Die Eingabe vom 29. Juni 2023 sei in das Verfahren zuzulassen, da sie in direkter Erwiderung auf die vorläufige Meinung der Kammer eingereicht wurde.
b) Der Gegenstand des erteilten Patents unterscheide sich vom Gegenstand des nächstliegenden Standes der Technik D11 durch die Art der Cellulose-Partikel. Der als D25 eingereichte Vergleichsversuch beweise, dass durch die Verwendung der beanspruchten aus Pflanzenfasern gewonnenen Cellulose eine verbesserte Sensorik beim Auftragen auf die Haut erzielt werde. Die zu lösende technische Aufgabe bestehe folglich in der Bereitstellung mechanisch stabiler kosmetischer Formulierungen mit guter Hautsensorik. Eine Verwendung einer anspruchsgemäßen Cellulose werde in keiner Weise durch die Kombination von D11 mit der Lehre irgendeines anderen Standes der Technik nahegelegt. Folglich sei der Gegenstand des erteilten Patents erfinderisch.
XII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Die Eingabe vom 29. Juni 2023 sei nicht in das Verfahren zuzulassen. Die Eingabe sei eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin, für deren Einreichung im Beschwerdeverfahren keine Gründe genannt wurden. Die Eingabe erfülle nicht die Erfordernisse des Artikels 12 (4) VOBK. Insbesondere sei die Offensichtlichkeit eines Fehlers und seiner Berichtigung nicht überzeugend gezeigt worden.
b) Der Gegenstand des erteilten Patents unterscheide sich vom Gegenstand des nächstliegenden Standes der Technik D11 durch die Art der Cellulose-Partikel. Ein technischer Effekt wurde durch angemessene Vergleichsversuche nicht gezeigt, insbesondere nicht über die gesamte Breite des Anspruchs 1. Die zu lösende technische Aufgabe bestehe folglich in der Bereitstellung einer alternativen, stabilen Glycerin enthaltenden kosmetischen Emulsion, die gute sensorische Eigenschaften aufweist, einschließlich der Bereitstellung einer annehmbaren Feuchtigkeit auf der Haut, ohne klebrig zu sein oder einen rutschigen Restfilm zu hinterlassen. Die Verwendung einer anspruchsgemäßen Cellulose für kosmetische Anwendung unter anderem in Emulsionen werde in D1, D3, D7, D14 und D19 vorgeschlagen. Folglich beruhe der Gegenstand des erteilten Patents auf keiner erfinderischen Tätigkeit.
1. Zulassung neuer Beweismittel und Argumente
1.1 Da die vorliegende Begründung der Entscheidung die Dokumente D26 bis D28 sowie D29, und die Eingabe vom 29. Juni 2023, sofern sie sich auf D29 bezieht, nicht heranzieht, ist die Frage der Zulassung dieser Dokumente sowie des entsprechenden Vorbringens für die vorliegende Entscheidung nicht relevant.
1.2 Die übrige Eingabe vom 29. Juni 2023 bezieht sich auf die in D25 angegebenen Gewichtsprozente und die Bewertung des Vergleichsversuchs in D25 (s. Schriftsatz vom 29. Juni 2023 Seite 1, letzter Absatz, und Seite 2, erster und zweiter Absatz). Wie seitens der Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 29. Juni 2023 erwähnt, ist diese Eingabe eine direkte und geeignete Erwiderung auf in der vorläufigen Meinung aufgeworfenen Fragen (s. Punkte 3.2.5 bis 3.2.7 a) der vorläufigen Meinung). Das Aufwerfen von zum Teil neuen Fragen in der vorläufigen Meinung der Beschwerdekammer (insbesondere Punkt 3.2.7 der vorläufigen Meinung) stellt außergewöhnliche Umstände im Sinne des Artikels 13 (2) VOBK dar. Darüber hinaus enthält die Eingabe keinen Vortrag, der als komplex angesehen werden kann.
Die diesbezüglichen Argumente der Beschwerdegegnerin betreffen eher die Frage, ob der Vortrag der Beschwerdeführerin überzeugend ist oder nicht, als die Frage der Zulassung. Die tatsächliche Offensichtlichkeit des angeblichen Fehlers und dessen Berichtigung sowie die wiederholten Fehler in den Angaben der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren sind für die Frage der Zulassung der Eingabe der Beschwerdeführerin gemäß Artikel 13 (1) und 13 (2) VOBK 2020 nicht relevant.
Die übrige Eingabe vom 29. Juni 2023 (s. Schriftsatz vom 29. Juni 2023 Seite 1 letzter Absatz und Seite 2 erster und zweiter Absatz) wird somit in das Verfahren zugelassen (Artikel 13 (1) und 13 (2) VOBK 2020).
2. Änderungen, ausreichende Offenbarung und Neuheit
2.1 Die Beschwerdegegnerin verfolgte ihre Einwände unter Artikel 100 (a) EPÜ im Zusammenhang mit Artikel 54 EPÜ, sowie unter Artikel 100 (b) EPÜ und Artikel 100 (c) EPÜ im Beschwerdeverfahren nicht weiter.
2.2 Die Kammer ist der Auffassung, dass diese Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des erteilten Patents nicht entgegen stehen.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 Nächstliegender Stand der Technik
3.1.1 Das Patent betrifft eine kosmetische Emulsion, die Glycerin und feste Partikel mit einer bestimmten Partikelgröße enthält. Diese festen Partikel enthalten mindestens 95 Gew.% aus Pflanzenfasern gewonnene Cellulose. Diese Emulsion soll stabil sein und beim Auftragen auf der Haut verbesserte sensorische Eigenschaften aufweisen (s. Absätze [0003], [0004], [0006] bis [0008] des Patents).
3.1.2 Beide Parteien betrachteten D11, Beispiel 2 als nächstliegenden Stand der Technik. Die Kammer sieht keinen Grund, hiervon abzuweichen.
3.1.3 D11 bezieht sich auf Emulsionen, die statt Emulgatoren fibrilläre Cellulose als Stabilisierungsagenten enthalten. Die Beschreibung der eingesetzten fibrillären Cellulose-Partikel (s. Absätze [0014] bis[0021]) umfassen allgemein die im Streitpatent beanspruchten Partikel. Beispiel 2 beschreibt eine stabile kosmetische Emulsion, die 5 Gew.% Glycerin, 10 Gew.% Aprikosenkern-Öl und als Partikel 1,7 Gew.%Cellulose-Mikrofibrillen sowie 0,3 Gew.% Carboxymethylcellulose (CMC) enthält.
3.2 Unterschied und Effekt
3.2.1 Es war unbestritten, dass sich die patentgemäße Formulierung von der Formulierung aus Beispiel 2 von D11 durch die Art der Cellulose-Partikel unterscheidet. Anstatt der mikrofibrillären Cellulose-Partikel (5-40 mym Länge bei 0,002-1 mym Durchmesser) in Mischung mit CMC aus D11 enthält die beanspruchte Formulierung feste Partikel mit einer mittleren Größe von 3-15 mym enthaltend mindestens 95 Gew.% native aus Pflanzenfasern gewonnene Cellulose.
3.2.2 Die Parteien waren sich bezüglich des daraus resultierenden Effekts nicht einig. Laut der Beschwerdeführerin würden die patentgemäßen Formulierungen eine verbesserte Sensorik beim Auftragen auf der Haut zeigen. Diese verbesserte Eigenschaft sei durch den als D25 eingereichten Vergleichsversuch belegt.
Berücksichtigung des Vergleichsversuchs
3.2.3 Der besagte Vergleichsversuch (als D25 mit der Beschwerdebegründung eingereicht) wurde erstmals im Einspruchsverfahren im Februar 2021, d.h. nach dem Prioritätsdatum des Patents, eingereicht. Im schriftlichen Verfahren erwähnte die Beschwerdegegnerin die Berücksichtigung des nachveröffentlichten Vergleichsversuchs im Zusammenhang mit der Entscheidung G 2/21.
3.2.4 Die Kammer merkt an, dass das Erreichen einer verbesserten Sensorik in der ursprünglichen Anmeldung bereits als Zielsetzung offenbart wurde (s. Seiten 2 bis 3). Außerdem wurden verschiedene sensorische Eigenschaften - unter anderem die Absorption, die Klebrigkeit und die Öligkeit - beanspruchter Formulierungen im Vergleich zu Formulierungen ohne Cellulose oder mit MCC in den ursprünglichen Beispielen bewertet (s. Beispiele 1 bis 4 der ursprünglichen Anmeldung). Der im nachveröffentlichten Vergleichsversuch berichtete Effekt ist somit von der in der ursprünglichen Anmeldung offenbarten technischen Lehre eindeutig umfasst.
Im Lichte der Entscheidung G 2/21 ist die Kammer folglich der Meinung, dass der nachveröffentlichte Versuch (s. D25) zu berücksichtigen ist.
Aussagekraft des Vergleichsversuchs
3.2.5 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass die im erstinstanzlichen Verfahren eingereichten Vergleichsversuche (siehe Vergleichsversuche im Schreiben der Beschwerdeführerin vom 25. Februar 2021 und 26. Februar 2021 und Zusammenfassung in D25) nicht aussagekräftig seien.
Die Vergleichsformulierung 1 sei keine genaue Wiedergabe der in Beispiel 2 von D11 offenbarten Formulierung, weil (i) die Art der Cellulose-Partikel und (ii) die Wassermenge unterschiedlich seien.
Dieser Unterschied zwischen der Formulierung des Beispiels 2 von D11 und der Vergleichsformulierung (FU01/21-1) von D25 würde sich in den jeweiligen in D11 und D25 berichteten unterschiedlichen Ergebnissen widerspiegeln.
3.2.6 Bezüglich der Art der verwendeten Cellulose-Partikel bemerkt die Kammer, dass die Bezeichnung der Partikel in Beispiel 2 von D11 nicht eindeutig ist.
Einerseits werden "Cellulose Mikrofibrillen" erwähnt. Die Beschwerdegegnerin schien diese als aus pflanzlichen Cellulose Fasern mechanisch hergestellte mikrofibrilläre Cellulose zu betrachten. Andererseits werden die Cellulose Mikrofibrillen in Beispiel 2 von D11 als "Cellulon PC der Firma Kelco" bezeichnet (Betonung hinzugefügt). Basierend auf dieser Bezeichnung argumentierte die Beschwerdeführerin, dass es sich bei den verwendeten Partikeln lediglich um das kommerzielle Produkt Cellulon**(TM) der Firma CP Kelco (früher Produkt der Firma Weyerhaueser, s. D24) handeln dürfte. Dieses Produkt besteht aus bakterieller, fermentativ hergestellter Cellulose (s. D19, D21 Seite 29 Bildunterschrift, D22 e.g. Introduction und D23 Seite 160, linke Spalte).
Die Kammer merkt an, dass es keine Angabe in D11 gibt, wonach die verwendeten Cellulose-Partikel (einschließlich der Partikel aus Beispiel 2) keine bakteriellen Partikel sein könnten (s. insbesondere Absatz [0016]). Im Absatz [0019] von D11 wird lediglich auf das Produkt "Cellulon der Firma Kelco" (statt "Cellulon PC") verwiesen und zwar im Zusammenhang mit "Cellulose Fibrillen" (und nicht "Mikrofibrillen"). Ferner liegt kein Beweis vor, dass die Firma Kelco andere Cellulose als die bakterielle Cellulose Cellulon**(TM) produzierte oder produziert hatte. Die Beschwerdegegnerin legte ferner keinen Beweis dafür vor, dass "Cellulon PC" tatsächlich ein anderes Produkt sei und wie es erhalten werden könne. Außerdem scheint gemäß D21 bis D23 bakterielle Cellulose eine fibrilläre Struktur zu haben und lediglich die gleichen Eigenschaften wie mikrokristalline Cellulose (MCC) aufzuweisen ohne dabei eine echte mikrokristalline Struktur zu haben.
Nach Abwägung der Wahrscheinlichkeit ist die Kammer somit der Auffassung, dass das im Vergleichsversuch verwendete Produkt "Cellulon CP Kelco" den im Beispiel 2 von D11 beschriebenen Cellulose-Partikeln entspricht.
3.2.7 Bezüglich der unterschiedlichen Wassermengen wurden in den Formulierungen des Vergleichsversuchs (FU01/21-1 und FU01/21-2) 73,7 Gew.% Wasser eingesetzt, während in der Formulierung des Beispiels 2 von D11 76,7 Gew.% Wasser eingesetzt wurden. Ferner addieren sich die angegebenen Mengen der verschiedenen Komponenten beider Formulierungen des Vergleichsversuchs auf Grund dieser unterschiedlichen Wassermengen lediglich auf 97 Gew.% statt 100 Gew.%. Die Beschwerdeführerin erklärte diesbezüglich, dass es sich bei den Wassermengen um einen offensichtlichen Fehler handelte. Die eingesetzten Wassermengen würden den benötigten Mengen, um insgesamt auf 100 Gew.% zu gelangen, entsprechen.
Die Kammer bemerkt, dass der Verweis in D25 auf "die Formulierung des Beispiels 2 der D11 FU01/21-1" (Hervorhebung hinzugefügt) eine direkte Identitätsverknüpfung zwischen der Formulierung FU01/21-1 in D25 und der Formulierung aus Beispiel 2 von D1 festlegt. Die Kammer ist daher der Auffassung, dass der Fachmann tatsächlich die Wasserangabe in D25 als einen offensichtlichen Fehler, dessen Berichtigung ebenfalls offensichtlich sei, betrachten würde.
Unabhängig davon enthält die Formulierung gemäß der Erfindung (FU01/21-2) im Vergleichsversuch die gleiche Wassermenge wie die Vergleichsformulierung (FU01/21-1), sodass sich beide Formulierungen ausschließlich durch das Unterscheidungsmerkmal, d.h. die Art der Cellulose-Partikel, unterscheiden.
3.2.8 Das Argument der Beschwerdegegnerin bezüglich einer unterschiedlichen Homogenität der in Beispiel 2 von D11 und in dem Vergleichsversuch beschriebenen Formulierungen ist nicht überzeugend. Die Vergleichsformulierung von D25 wird als "weiß, homogen" beschrieben, was der seitens der Beschwerdegegnerin vorgebrachten Homogenität der Formulierung aus Beispiel 2 von D11 eigentlich entspricht. Wie seitens der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung erklärt, erfolgt eine Phasentrennung der Vergleichsformulierung erst beim Auftragen auf die Haut. Diese Eigenschaft wurde in Beispiel 2 von D11 nicht bewertet.
Ferner stehen entgegen der Meinung der Beschwerdegegnerin die in Beispiel 2 von D11 und in dem Vergleichsversuch (s. D25) erhaltenen Ergebnisse nicht im Gegensatz zueinander. In D11 wird lediglich angegeben, dass die Creme auch bei empfindlicher Haut gut vertragen wird. Die Sensorik beim Verteilen der Creme auf der Haut wird nicht beschrieben. Im Vergleichsversuch werden hingegen die Rutschigkeit beim Verteilen, das Hautgefühl und die Absorption beurteilt. Auch wenn in D11 als allgemeine Zielsetzung das Vermeiden von bekannten Nachteilen, wie Klebrigkeit oder Restfilm beschrieben wird (s. Absätze [0005] bis [0007]), bedeutet dies nicht, dass die spezifische in Beispiel 2 hergestellte Creme diese Eigenschaften zwangsläufig erfüllt.
3.2.9 Die Kammer ist folglich der Meinung, dass das Vergleichsbeispiel von D25 einen Effekt des Unterscheidungsmerkmals, nämlich eine verbesserte Sensorik, für die getestete Formulierung überzeugend darstellt.
3.2.10 Im schriftlichen Verfahren machte die Beschwerdegegnerin auch geltend, dass die Viskosität beider Formulierungen im Vergleichsversuch (s. D25) ähnlich ist. Folglich würden die beanspruchten Cellulose-Partikel keinen besonderen Effekt aufweisen.
Dieses Argument ist nicht überzeugend. Die Tatsache, dass beide Emulsionen eine ähnliche Viskosität haben, verhindert nicht, dass sich beide Emulsionen beim Verteilen auf der Haut unterschiedlich verhalten.
Glaubhaftmachung des Effekts über die gesamte Breite des Anspruchs 1
3.2.11 Die Beschwerdegegnerin brachte während der mündlichen Verhandlung außerdem vor, dass der erteilte Anspruch 1 breit formuliert sei. Insbesondere seien Partikel mit unterschiedlichen Größen sowie Cellulose aus einer sehr breiten Vielfalt an Quellen beansprucht. Jede holzartige Pflanze würde tatsächlich als Quelle gemäß Anspruch 1 geeignet sein. Im Gegensatz zu dieser Vielfalt von beanspruchten Partikeln sei nur eine Art von Partikeln in D25 getestet worden, nämlich "Ultrafeine Cellulose Arbocel M8". Ein einziges Beispiel sei demnach nicht ausreichend, um den vermeintlichen Effekt für die gesamte Breite des Anspruchs 1 glaubhaft zu machen.
3.2.12 Während der mündlichen Verhandlung entgegnete die Beschwerdeführerin, dass bakterielle, fermentativ hergestellte Cellulosen wie die aus Beispiel 2 von D11, eine fibrilläre "am Strang wachsende" Struktur aufweisen würden. Die Fibrillen würden dann MCC-ähnliche Netzwerke bilden. Im Gegensatz hierzu würden aus Pflanzenfasern gewonnene native Cellulosen eine quervernetzte Struktur aufweisen. Somit hätten die beanspruchten Cellulosen eine einheitliche Struktur, die sie von bakteriellen Cellulosen und MCC unterscheiden würden.
3.2.13 Wie seitens der Beschwerdeführerin vorgetragen, ist es folglich glaubhaft, dass der in D25 bewiesene Effekt für die beanspruchten Partikel unabhängig von der Art der Pflanze, aus der die Cellulose gewonnen wird, und somit über die gesamte Breite des erteilten Anspruchs 1 gegenüber der bakteriellen, fermentativ hergestellten Cellulose aus Beispiel 2 von D11 auftreten wird.
3.2.14 Die seitens der Beschwerdegegnerin vorgebrachte Gegenargumentation basierend auf der hohen Anzahl an verschiedenen Cellulose enthaltenden Pflanzen ist nicht ausreichend, um diese strukturelle Erklärung zu bezweifeln. In diesem Zusammenhang ist ferner die Frage des beanspruchten Partikelgrößenbereichs nicht relevant, da dieser nicht das Unterscheidungsmerkmal zum nächstliegenden Stand der Technik darstellt und die besagte einheitliche Struktur der beanspruchten Cellulosen nicht von der Partikelgröße abhängig zu sein scheint.
3.3 Objektive technische Aufgabe
Die objektive technische Aufgabe ausgehend von D11 besteht dementsprechend in der Bereitstellung einer weiteren Glycerin- und Cellulose-haltigen kosmetischen Formulierung mit verbesserter Sensorik beim Verteilen auf der Haut.
3.4 Naheliegen der vorgeschlagenen Lösung
Keines der von der Beschwerdegegnerin zitierten Dokumente Dl, D3, D7, D14 oder D19, weist darauf hin, die Cellulose Komponente aus D11 durch native, aus Pflanzenfasern gewonnene Cellulose zu ersetzen, um die Sensorik beim Verteilen auf der Haut zu verbessern. Die Beschwerdegegnerin brachte kein Argument bezüglich eines Hinweises auf eine solche Verbesserung im Stand der Technik vor. Die zitierten Dokumente beschreiben andere Zielsetzungen. D1 betrifft die Freisetzung eines in Cellulosefasern enthaltenen Wirkstoffes, D3 bezieht sich auf Produkte, die für die Atemwege nicht reizend sind, D7 offenbart Zusammensetzungen, die überschüssigen Talg absorbieren, und D14 und D19 sind lediglich Merkblätter für kommerzielle Cellulose Partikel, die keine der vorliegenden sensorischen Eigenschaften beschreiben.
3.5 Infolgedessen erfüllt der Gegenstand der erteilten Ansprüche die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ und der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 (a) EPÜ im Zusammenhang mit Artikel 56 EPÜ steht der Aufrechterhaltung des erteilten Patents nicht entgegen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.