T 1346/21 25-10-2022
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Fenster oder Tür mit einer Antriebseinrichtung für einen Flügel des Fensters oder der Tür
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, den Einspruch gegen das Streitpatent zurückzuweisen.
II. Die Einspruchsabteilung hatte unter anderem entschieden, dass
1) der Gegenstand der Ansprüche in der erteilten Fassung neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, und
2) der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.
III. Es fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und somit die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung.
V. Der unabhängige Anspruch 1 des Streitpatents lautet wie folgt (Merkmalsgliederung in eckigen Klammern hinzugefügt):
[1] Fenster oder Tür mit einem Blendrahmen (1), einem Flügelrahmen (2) und einer Antriebseinrichtung für einen Flügel des Fensters oder der Tür,
[2] mit einem elektromotorischen Antrieb (3), einer Kette und einem Hebel (8), wobei zum Öffnen des Flügels die Kette (4) durch den Antrieb (3) bewegbar ist,
[3] wobei der Antrieb (3) an dem Hebel (8) verschwenkbar gelagert ist und sich beim Öffnen des Flügels von einem Profil des Flügelrahmens (2) anhebt, und
[4] wobei der Antrieb (3) in einer geschlossene [sic] Position des Flügels von außen nicht sichtbar ist und verdeckt liegend zwischen dem Blendrahmen (1) und dem Flügelrahmen (2) angeordnet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
[5] der Hebel (8) und der Antrieb (3) in der geschlossenen Position des Flügels vollständig in dem Falz zwischen Blendrahmen (1) und Flügelrahmen (2) aufgenommen sind und
[6] eine Drehachse (10) des Hebels (8), an dem der Antrieb (3) festgelegt ist, beabstandet von dem Gehäuse des Antriebes (3) auf der zum Blendrahmen (1) gerichteten Seite angeordnet ist und
[7] der Hebel (8) an einem Ausleger (9) der Antriebseinrichtung angelenkt ist, der an dem Flügelrahmen (2) montiert ist,
[8] wobei der Ausleger (9) einen nach oben hervorstehenden Abschnitt besitzt, der beabstandet von dem Flügelrahmen (2) angeordnet ist und
[9] an dem die Drehachse (10) zur Anlenkung des Hebels (8) vorgesehen ist.
VI. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende Entgegenhaltungen Bezug genommen:
D2 DE 10 2006 013 332 A1
D5 WO 2006/074972 A1
D6 DE 299 16 343 U1
D7 EP 0 534 413 A1
D20 KR 20-0127300 Y1
D20a Übersetzung der D20
VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, soweit für die Entscheidung relevant, lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Änderungen
Der geänderte Anspruch 1 gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und verstoße daher gegen Artikel 123 (2) EPÜ.
Neuheit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber der Offenbarung der D7.
Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nahegelegt durch die D2 in Verbindung mit D6 oder D20/D20a bzw. durch die D5 in Verbindung mit D6 oder D20/D20a.
VIII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, soweit für die Entscheidung relevant, lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Änderungen
Der geänderte Anspruch 1 erfülle die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.
Neuheit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von der Offenbarung der D7 zumindest durch das Merkmal [3] und sei daher neu.
Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei weder durch die D2 in Verbindung mit D6 oder D20/D20a noch durch die D5 in Verbindung mit D6 oder D20/D20a nahegelegt.
1. Änderungen (Artikel 100 c), 123 (2) EPÜ)
1.1 Merkmal [1]: Fenster oder Tür
1.1.1 Der ursprünglich eingereichte Anspruch 1 war gerichtet auf eine (Hervorhebung hinzugefügt)
"Antriebseinrichtung für einen Flügel eines Fensters oder einer Tür".
1.1.2 Dies wurde im Prüfungsverfahren geändert in (Hervorhebung hinzugefügt)
"Fenster oder Tür mit [...] einer Antriebseinrichtung für einen Flügel des Fensters oder der Tür".
1.1.3 Die Beschwerdeführerin argumentierte, der ursprünglich eingereichten Anmeldung sei nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass ein Fenster oder eine Tür geschützt werden sollte bzw. zur Erfindung gehöre. Aufgrund der Änderung in Merkmal [1] des Anspruchs 1 sei die Öffentlichkeit daher mit einem Schutzrecht konfrontiert, mit dem sie nicht hätte rechnen müssen.
1.1.4 Der Einwand der Beschwerdeführerin beruht im Wesentlichen darauf, dass in der ursprünglich eingereichten Anmeldung kein Patentanspruch auf ein Fenster oder eine Tür gerichtet war. Das ist aber nicht der anzulegende Prüfungsmaßstab für die Zulässigkeit von Änderungen unter Artikel 123 (2) EPÜ. Stattdessen ist im vorliegenden Fall zu prüfen, ob der Gegenstand des Patents nach der Änderung über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die ursprünglich eingereichten Unterlagen die Antriebseinrichtung nicht nur als solche offenbaren, sondern stets auch das damit angetriebene Fenster bzw. die damit angetriebene Tür (siehe insbesondere die Figuren und die Figurenbeschreibung auf Seite 4, Zeile 20 bis Seite 6, Zeile 7 der ursprünglichen Beschreibung; Anspruch 1; siehe auch den allgemeinen Teil der Beschreibung auf Seite 1, Zeilen 2 bis 6).
1.1.5 Das geänderte Merkmal [1] ist daher ursprünglich offenbart.
1.2 Merkmal [5]: Der Antrieb vollständig in dem Falz
1.2.1 Das Merkmal [5], wonach der Hebel und der Antrieb in der geschlossenen Position des Flügels vollständig in dem Falz zwischen Blendrahmen und Flügelrahmen aufgenommen sind, wurde während des Prüfungsverfahrens in den Anspruch 1 eingefügt.
1.2.2 Die Beschwerdeführerin beanstandete, dass die ursprünglich eingereichte Anmeldung lediglich offenbare, dass der Hebel in der geschlossenen Position des Flügels vollständig in dem Falz zwischen Blendrahmen und Flügelrahmen aufgenommen ist. Für den Antrieb sei ursprünglich nur offenbart, dass er in besagtem Falz "verdeckt liegend und nicht sichtbar angeordnet" ist, was nicht gleichzusetzen sei mit "vollständig aufgenommen". Auch die Figur 3 erlaube keine Aussage darüber, ob der Antrieb vollständig in dem Falz aufgenommen ist, da sie nur einen Querschnitt zeige und daher keine Aussage über die gesamte Länge des Antriebs erlaube, sodass Teile desselben durchaus über den Falz hinausragen könnten. Die ursprünglich eingereichte Anmeldung enthalte folglich keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung dafür, dass auch der Antrieb vollständig in dem Falz aufgenommen ist.
1.2.3 Bezüglich des Antriebs offenbart die ursprüngliche Beschreibung zunächst im allgemeinen Teil auf Seite 2, Zeilen 30 bis 32, dass
"der Antrieb geschützt zwischen dem Blendrahmen und dem Flügelrahmen aufgenommen und kompakt aufgebaut"
ist. Des Weiteren offenbart sie auf Seite 5, Zeilen 12 bis 14 mit Verweis auf die Figuren 3 bis 5, dass
"in der geschlossenen Position [...] der Antrieb 3 in einem Falz 13 zwischen Blendrahmen 1 und Flügelrahmen 2 verdeckt liegend angeordnet ist."
In Übereinstimmung hiermit zeigen die Figuren 3 bis 5 den Antrieb 3 in dem Falz zwischen dem Blendrahmen 1 und dem Flügelrahmen 2.
1.2.4 Nach fachmännischem Verständnis der genannten Offenbarungsstellen muss es sich dabei jeweils um den gesamten Antrieb handeln. Mit anderen Worten muss der Antrieb vollständig zwischen dem Blendrahmen und dem Flügelrahmen aufgenommen bzw. vollständig in dem Falz zwischen Blendrahmen und Flügelrahmen angeordnet sein. Würden nämlich Teile des Antriebs aus dem Falz herausragen, wie von der Beschwerdeführerin argumentiert, wären weder die Attribute "geschützt" und "verdeckt liegend" erfüllt, denn die herausragenden Teile des Antriebs wären ungeschützt und nicht verdeckt, noch wäre das Fenster (oder die Tür) funktionsfähig. Wie nämlich von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt, bezeichnet ein Fensterfalz komplementäre Formen der beiden Rahmenelemente, um einen passgenauen Anschluss zu erreichen. Daher muss ein sich im Falz befindliches Element auch zwangsläufig dort vollständig aufgenommen sein, um das Schließen des Fensters nicht zu behindern.
1.2.5 Was den von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Wunsch des Fachmanns angeht, dass der Antrieb auch bei geschlossenem Fenster von außen zugänglich sein soll, so findet sich hierauf kein Hinweis in der ursprünglichen Anmeldung. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht dargelegt, dass es sich hierbei um Überlegungen handelt, die der Fachmann zwangsläufig anstellt. Dementsprechend sind die potentiellen Maßnahmen des Fachmanns zur Erreichung dieses Ziels für die Prüfung des Artikels 123 (2) EPÜ unerheblich.
1.2.6 Die ursprünglich eingereichte Anmeldung offenbart folglich unmittelbar und eindeutig, dass nicht nur der Hebel, sondern auch der Antrieb in der geschlossenen Position des Flügels vollständig in dem Falz aufgenommen ist.
1.3 Merkmal [5]: Unzulässige Zwischenverallgemeinerung
1.3.1 Die Beschwerdeführerin argumentierte weiter, dass der besagte Absatz auf Seite 5, Zeilen 12 bis 19 im weiteren Verlauf offenbare, dass der Falzrahmen 13 dabei durch ein Dichtprofil 14 in mehrere Kammern unterteilt ist, wobei der Antrieb 3 mit dem Hebel 8 in einer geschlossenen Kammer angeordnet ist (Seite 5, Zeilen 16 bis 18). Diese zusätzlichen Merkmale seien untrennbar mit der Anordnung des Antriebs im Falz verknüpft. Zum einen seien das Dichtprofil und die Kammern strukturell dafür bereitgestellt, die Anordnung des Antriebs und des Hebels im Falz zu ermöglichen. Zum anderen hätten das Dichtprofil und die Kammern funktional den technischen Zweck, einen negativen Einfluss des Antriebs und des Hebels auf die Wärmedämmung zu verhindern. Da das Dichtprofil nicht in den Anspruch aufgenommen wurde, stelle der geänderte Anspruch eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar.
1.3.2 Der zitierte Absatz auf Seite 5, Zeilen 12 bis 19 befasst sich sowohl mit dem Aspekt einer witterungsgeschützten Anordnung von Antrieb und Hebel als auch mit dem Aspekt der Wärmedämmung.
Der Schutz vor Witterungseinflüssen wird gemäß diesem Absatz dadurch bewirkt, dass der Antrieb und der Hebel von außen nicht sichtbar in dem Falz zwischen Blendrahmen und Flügelrahmen verdeckt liegend angeordnet sind (Seite 5, Zeilen 12 bis 16). Der Schutz vor Witterungseinflüssen ist also unabhängig davon gegeben, ob zusätzlich ein Dichtprofil vorhanden ist.
Die darüber hinausgehende Wärmedämmung wird gemäß diesem Absatz dadurch sichergestellt, dass der Falzrahmen durch ein Dichtprofil in mehrere Kammern unterteilt ist, wobei der Antrieb mit dem Hebel in einer geschlossenen Kammer angeordnet ist. Das Dichtprofil unterteilt also lediglich den bereits vorhandenen Raum im Falz in Kammern und ist daher weder eine Voraussetzung für die Anordnung des Antriebs und des Hebels in dem Falz noch eine Voraussetzung für deren Schutz vor Witterungseinflüssen.
1.3.3 Die beiden Aspekte der witterungsgeschützten Anordnung und der Wärmedämmung sind folglich voneinander unabhängig, sodass die anspruchsgemäße Aufnahme des Antriebs im Falz nicht untrennbar mit der zusätzlichen Bereitstellung eines Dichtprofils verknüpft ist. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Zwischenverallgemeinerung ist daher unter Artikel 123 (2) EPÜ zulässig.
1.4 Aus diesen Gründen erfüllt der geänderte Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.
2. Neuheit (Artikel 100 a), 54 EPÜ)
2.1 Die D7 offenbart in Figur 10 unstreitig ein (Bezugszeichen in runden Klammern beziehen sich auf D7)
[1] Fenster mit einem Blendrahmen (34b), einem Flügelrahmen (22b) und einer Antriebseinrichtung (12b) für einen Flügel des Fensters,
[2] mit einem elektromotorischen Antrieb (12b), einer Kette (14b) und einem Hebel, wobei zum Öffnen des Flügels die Kette (14b) durch den Antrieb (12b) bewegbar ist.
2.2 Bezüglich des Merkmals [3] argumentierte die Beschwerdeführerin, die D7 offenbare zwei Arten der Lagerung des Antriebs, nämlich eine schwenkbare Lagerung einerseits (D7, Spalte 14, Zeilen 15 bis 22) und eine starre Lagerung andererseits (D7, Spalte 14, Zeilen 22 bis 28). Die schwenkbare Lagerung sei dabei das Mittel der Wahl, um größere Öffnungsweiten des Flügels zu ermöglichen (mit Verweis auf Spalte 2, Zeilen 53 bis 57; Spalte 4, Zeilen 7 bis 14 und 19 bis 25; und Figur 2). Der Fachmann verstehe daher bei verständiger Würdigung der Gesamtoffenbarung der D7, dass der Antrieb in Figur 10, jedenfalls der Antrieb 12e zum Drehöffnen des Flügels, schwenkbar gelagert sein soll, da andernfalls die Kette das Rahmenprofil berühre. Daher offenbare Figur 10 auch das Merkmal [3], wonach der Antrieb an dem Hebel verschwenkbar gelagert ist und sich beim Öffnen des Flügels von einem Profil des Flügelrahmens anhebt.
2.3 In der Tat offenbart die D7 die genannten zwei Arten der Lagerung des Antriebs. Der zitierte Absatz in Spalte 14, Zeilen 15 bis 28 stellt die beiden Arten gegenüber (Hervorhebung hinzugefügt):
"Je nach der erforderlichen Maximallänge des Kraftübertragungsglieds 14a zum Öffnen des Fensters und der benötigten maximalen Druckkraft des Kraftübertragungsglieds 14a, erfolgt eine schwenkbare Befestigung von Antriebsvorrichtung 12a und Kraftübertragungsglied 14a am jeweiligen Rahmenholm 172,174 entsprechend Fig. 8 oder eine starre Befestigung zumindest der Antriebsvorrichtung 12a. Letztere Anbringungsweise hat zur Folge, daß das Kraftübertragungsglied bei geöffnetem Flügel kreisbogenartig abgebogen wird, wie in den Anwendungsfällen gemäß Fig. 10 und 12 angedeutet ist."
2.4 Während die Figur 8 also ein Ausführungsbeispiel mit schwenkbarer Lagerung veranschaulicht, zeigt das in Figur 10 dargestellte konkrete Ausführungsbeispiel ausdrücklich eine starre Befestigung der Antriebsvorrichtung, wie in Spalte 9, Zeilen 8 bis 14 nochmals bestätigt (Hervorhebung hinzugefügt):
"Bei einfacher aufgebauten Ausführungsformen, insbesondere bei relativ geringer Öffnungsweite des Flügels und/oder geringen Betätigungskräften, kann auch an eine starre Befestigung zumindest der Antriebsvorrichtung 12 am Rahmen bzw. am Flügel gedacht werden, wie dies in den Fig. 10-12 angedeutet ist."
2.5 Was die in Figur 10 gestrichelt dargestellte optionale Antriebsvorrichtung 12e anbelangt, kann diese gemäß Spalte 14, Zeilen 45 bis 51 zusätzlich vorgesehen sein, um ein Dreh-Öffnen und -Schließen zu ermöglichen. Die Gesamtoffenbarung enthält jedoch keine Angaben dazu, dass hier die Anbringung anders erfolgen soll als bei der Antriebsvorrichtung 12b. Der D7 lässt sich daher nicht unmittelbar und eindeutig entnehmen, dass das in Figur 10 dargestellte Ausführungsbeispiel (auch) eine schwenkbare Lagerung der Antriebsvorrichtung aufweist.
2.6 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich folglich von der Offenbarung der D7 zumindest durch das Merkmal [3] und ist daher neu.
3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a), 56 EPÜ)
3.1 Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D2
3.1.1 Der Stand der Technik gemäß der D2 wird im Streitpatent in Absatz [0004] gewürdigt und Figur 6 gezeigt.
Die D2 offenbart in Absatz [0044] und den Figuren 1 und 2 unstreitig die Merkmale [1], [2] und [4] mit Ausnahme des Hebels. Sie offenbart ferner das Merkmal [5-part1], wonach der Antrieb 3 in der geschlossenen Position des Flügels vollständig in dem Falz zwischen Blendrahmen 1 und Flügelrahmen 2 aufgenommen ist (D2, Figur 1).
Die D2 offenbart unstreitig nicht die Merkmale [3] und [6] bis [9] sowie das Merkmal [5-part2], wonach auch der Hebel in der geschlossenen Position des Flügels vollständig in dem Falz zwischen Blendrahmen und Flügelrahmen aufgenommen ist.
3.1.2 Wie von der Beschwerdeführerin zutreffend ausgeführt, besteht der von diesen Unterscheidungsmerkmalen bewirkte technische Effekt darin, dass eine zu starke Biegung der Kette, insbesondere bei kleinen Fenstern oder großen Öffnungsweiten, vermieden wird. Gleichzeitig wird verhindert, dass die Kette auf den Flügelrahmen aufschlägt und dadurch das Fenster beschädigt.
Die objektive technische Aufgabe besteht folglich darin, ein Fenster bzw. eine Tür mit einer Antriebsvorrichtung zu schaffen, die auch für kleine Flügelrahmen große Öffnungsweiten ermöglicht (siehe auch Streitpatent, Absatz [0005]), während Beschädigungen am Fenster aufgrund eines Aufschlagens der Kette auf das Rahmenprofil vermieden werden.
3.1.3 Die Entgegenhaltung D6 betrifft ebenfalls Fenster mit Kettenantrieb für einen Fensterflügel und erkennt das Problem, dass sich bei kleinen Fenstern die Kette stark biegen muss (D6, Beschreibung, Ziffer 1; Figuren 1 und 2) und dass bei der Lösung dieses Problems gemäß dem Stand der Technik die Kette den Fensterrahmen streift und dadurch beschädigt (D6, Beschreibung, Ziffer 4; Figuren 3 und 4). Der Fachmann würde daher die Lehre der D6 grundsätzlich in Erwägung ziehen, um ausgehend von der D2 die sich ihm stellende objektive technische Aufgabe zu lösen.
Die D6 lehrt als Lösung für die Nachteile des Standes der Technik, den Antrieb an einer Konsole 7 zu befestigen, die folgende Merkmale aufweist (D6, Beschreibung, Ziffern 3 und 4; Anspruch 1; Figur 5):
- einen L-förmigen Ausleger 7a zur Befestigung am Blendrahmen 1,
- einen daran angelenkten Hebel 7b zur Befestigung am Antriebskorpus 5, und
- eine Feder 8, die den Hebel 7b an den Ausleger 7a heranzieht, um die Kette unter Vorspannung zu halten, damit sie nicht am Rahmen streift und diesen beschädigt.
Da sich in dem Fenster der D2 jedoch das Antriebsgehäuse 3 am Flügelrahmen 2 befindet, und nicht wie in der D6 am Blendrahmen 1, lässt sich die Lehre der D6 nicht ohne Weiteres auf die D2 übertragen.
3.1.4 Die Beschwerdeführerin argumentierte, es gebe genau eine Positionierung der Konsole der D6 im Fenster der D2, die technisch Sinn ergibt, nämlich links (Richtungsangaben beziehen sich auf Figur 2 der D2) vom Antriebsgehäuse, wobei der Hebel 7b der Konsole 7 an der linken Wand des Antriebsgehäuses 3 befestigt wird, wo sich auch der Kettenausgang befindet. Bei dieser Positionierung sei dann auch das Merkmal [6] verwirklicht, wonach die Drehachse des Hebels, an dem der Antrieb festgelegt ist, beabstandet von dem Gehäuse des Antriebes auf der zum Blendrahmen gerichteten Seite angeordnet ist.
3.1.5 Tatsächlich könnte man bei dieser Anordnung der Konsole das Merkmal [6] als erfüllt betrachten. Jedoch würde hier beim Öffnen des Fensters der Hebel 7b nicht vom L-förmigen Ausleger 7a weg schwenken, wie in der D6 vorgesehen, sondern er müsste sich in die entgegengesetzte Richtung zum L-förmigen Ausleger hin bewegen.
Diese Bewegung ist aber zum einen sehr begrenzt, weil sie durch die Feder 8 und den L-förmigen Ausleger 7a blockiert wird. Zum anderen würde sich die Kette dem Flügelrahmen nähern anstatt sich davon zu entfernen, so dass ein Kontakt eher begünstigt wäre. Außerdem würde die Feder 8 ihre bestimmungsgemäße Wirkung nicht mehr entfalten können, die Kette unter Vorspannung und damit vom Flügelrahmen weg zu halten, indem sie den Hebel 7b an den Ausleger 7a heranzieht. Die derart positionierte Konsole würde die objektive technische Aufgabe also nicht lösen, sodass der Fachmann diesen Ansatz verwerfen würde.
3.1.6 Eine alternative Positionierung der Konsole der D6 im Fenster der D2, bei der obige Nachteile nicht bestehen und zugleich das Merkmal [6] erfüllt ist, wurde von der Beschwerdeführerin nicht dargelegt.
3.1.7 Die D20/D20a betrifft ebenfalls Fenster mit Kettenantrieb für einen Fensterflügel. Auch sie erkennt das Problem, dass sich bei kleinen Fenstern die Kette stark biegen muss, und dass dies die Kette oder das Fenster beschädigen kann (D20a, Absätze [0009], [0010] und [0030]).
Die D20/D20a adressiert jedoch nicht den Aspekt des Aufschlagens der Kette auf das Rahmenprofil und die daraus resultierenden Beschädigungen am Fenster. Dieses Problem stellt sich bei der D20/D20a gar nicht, weil bei der darin offenbarten Anordnung des Antriebs die Kette beim Öffnen des Fensters in die Fensteröffnung ausweicht. Je weiter der Fensterflügel geöffnet wird, desto größer wird der Abstand zwischen Kette und Blendrahmen (siehe D20/D20a, Figuren 5a und 5b). Die D20/D20a enthält dementsprechend auch keine Lehre, wie ein Aufschlagen der Kette auf das Rahmenprofil und die daraus resultierenden Beschädigungen am Fenster vermieden werden könnten.
3.1.8 Ausgehend von der D2 ist aber die Vermeidung von Beschädigungen am Fenster, die auf ein Aufschlagen der Kette auf das Rahmenprofil zurückgehen, ein zentraler Aspekt der zu lösenden objektiven technischen Aufgabe (siehe oben Punkt 3.1.2).
Weil die D20/D20a diesen Aspekt der zu lösenden objektiven technischen Aufgabe nicht adressiert, würde der Fachmann ausgehend von D2 die Lehre der D20/D20a nicht berücksichtigen.
3.1.9 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D2.
3.2 Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D5
3.2.1 Die Entgegenhaltung D5 offenbart unstreitig die Merkmale [1], [2] und [4] mit Ausnahme des Hebels (D5, Figur 1). Sie offenbart ferner das Merkmal [5-part1], wonach der Antrieb 12 in der geschlossenen Position des Flügels vollständig in dem Falz 15 zwischen Blendrahmen und Flügelrahmen aufgenommen ist (D5, Seite 3, letzter Absatz).
3.2.2 Die D5 offenbart unstreitig nicht die Merkmale [3] und [6] bis [9] sowie das Merkmal [5-part2], wonach auch der Hebel in der geschlossenen Position des Flügels vollständig in dem Falz zwischen Blendrahmen und Flügelrahmen aufgenommen ist.
3.2.3 Das Problem einer sich biegenden Kette bei großen Öffnungswinkeln oder kleinen Fenstern stellt sich bei der D5 konstruktionsbedingt nicht, da die Kette in die Kipprichtung des Fensterflügels gelenkig ausgestaltet ist (D5, Figuren 3 und 4; Seite 4, Zeilen 16 bis 20).
3.2.4 Allerdings umfasse das Fenster der D5 laut Beschwerdeführerin ein kompliziertes Mehrgelenkgetriebe 11, wobei zwingend ein Zusatzlenker 9 vorgesehen werden müsse, um die Kette senkrecht zur Fensterebene zu halten und so ein Verbiegen der Kette zu vermeiden. Der Fachmann stelle sich daher die objektive technische Aufgabe, ein solch kompliziertes Mehrgelenkgetriebe zu vereinfachen und demgemäß ein alternatives Fenster mit einer Antriebseinrichtung für einen Flügel des Fensters bereitzustellen. Der Fachmann erkenne, dass das Mehrgelenkgetriebe 11 überflüssig werde, wenn die Antriebseinrichtung 13 schwenkbar gelagert wird, wie in D6 oder D20/D20a gelehrt.
3.2.5 In der Tat könnte der Fachmann den Beschlag der D5 modifizieren oder das Mehrgelenkgetriebe 11 ganz weglassen. Dabei müsste er aber sicherstellen, dass die Drehkippbewegung des Fensters weiterhin gewährleistet ist. Die Beschwerdeführerin hat nicht dargelegt, wie dies gleichzeitig mit einer Vereinfachung der gesamten Vorrichtung gelingen soll.
Ein "komplett fester Mechanismus", wie von der Beschwerdeführerin als eine mögliche Änderung vorgetragen, würde dazu führen, dass das Fenster sich nicht mehr kippen lässt. Die Kippbewegung des Fensterflügels 3 um die horizontale Drehachse X ist nämlich nur möglich, wenn der Hauptscherenlenker 10, der um eine vertikale Achse schwenkt, im Scherengehäuse 7 der Flügelrahmens 4 schwenkbar und verschiebbar gelagert ist (D5, Seite 3, Zeilen 12 bis 23; Anspruch 7; Figur 1). Auch der Zusatzlenker 9 muss schwenkbar sein, damit sich der Hauptscherenlenker 10 vom Flügelrahmen 4 abheben kann (D5, Figur 1). Eine nicht verschiebbare oder nicht schwenkbare Anbringung des Hauptscherenlenkers 10 am Flügelrahmen scheidet also genauso aus wie eine nicht schwenkbare Lagerung des Zusatzlenkers 9.
Das ebenfalls vorgeschlagene Weglassen des Mehrgelenkgetriebes 11 hätte zur Folge, dass der Flügel 3 nicht mehr ohne Weiteres drehgeöffnet werden kann. Im Fenster der D5 erfüllt das Mehrgelenkgetriebe 11 nämlich die Funktion des oberen Drehbeschlags (D5, Seite 3, Zeilen 25 bis 29; Figur 2). Darüber hinaus ist das Mehrgelenkgetriebe 11 im Fenster der D5 von zentraler Bedeutung, da es das Drehen des Flügels 3 um die vertikale Drehachse ermöglicht, ohne dass der Antrieb entkoppelt werden muss (D5, Seite 2, Zeilen 5 bis 7 und Zeilen 13 bis 20).
Dem Fachmann fehlt daher jede Veranlassung, selbst unter Berücksichtigung der D6 oder der D20/D20a, eine der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Maßnahmen zu ergreifen.
3.2.6 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht folglich auch auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D5.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.