T 0659/22 02-05-2023
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Baumaschine mit einer Sicherheitseinrichtung
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Kombination bekannter Merkmale
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2 378 054 in geändertem Umfang auf der Grundlage von Hilfsantrag 1.
II. In der angefochtenen Entscheidung wird unter anderem von folgenden Entgegenhaltungen ausgegangen, die auch der vorliegenden Entscheidung zugrunde liegen:
D1: DE 89 12 027 U1
D6: EP 1 803 678 A2
III. In ihrer Entscheidung ist die Einspruchsabteilung unter anderem zu der Auffassung gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht gegenüber der Kombination von D1 mit D6.
Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.
IV. Am 2. Mai 2023 fand eine als Videokonferenz durchgeführte mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts statt.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in beschränkter Fassung gemäß einem der Hilfsanträge 1 oder 2 eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung.
V. Anspruch 1 in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung (Hauptantrag) lautet wie folgt (Merkmalsgliederung entsprechend der angefochtenen Entscheidung):
1. Baumaschine (1) mit einer Sicherheitseinrichtung, welche
1.1 eine Trägereinheit (10),
1.2 einen Oberwagen (11), der schwenkbar um eine Hochachse (3) an der Trägereinheit (10) vorgesehen ist,
1.3 einen Mast (14) und
1.12 Maststützen (12), welche an dem Oberwagen (11) angeordnet sind und den Mast (14) tragen und mit dem Oberwagen (11) verbinden, wobei die Maststützen (12) um horizontal verlaufende Achsen schwenkbar sind, und
1.4 eine Betätigungseinheit (18) mit zumindest einem Tiefbauwerkzeug aufweist.
1.5 welche gegenüber der Trägereinheit (10) verstellbar und
1.6 mit einem Schlitten (15) an dem Mast vertikal verschiebbar angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet,
1.7 dass mindestens ein Aufnehmer (28, 29) zum Erfassen der momentanen Lage der Betätigungseinheit (18) relativ zur Trägereinheit (10) vorgesehen ist,
1.8 dass eine Anzeigeeinrichtung (20) vorgesehen ist, mit welcher die momentane Lage der Betätigungseinheit (18) relativ zur Trägereinheit (10) anzeigbar ist, und
1.9 dass eine Auswerteeinheit (22) vorgesehen ist, durch welche abhängig von zumindest einem Eingabewert mindestens ein Verstellbereich der Betätigungseinheit (18) ermittelbar ist, in welchem die Betätigungseinheit (18) bei einer vorgegebenen Kippsicherheit der Baumaschine (1) verstellbar ist,
1.10 wobei der Verstellbereich gemeinsam mit der momentanen Lage der Betätigungseinheit (18) mittels der Anzeigeeinrichtung (20) anzeigbar ist und
1.11 wobei die Anzeigeeinrichtung (20) dafür eingerichtet ist, den Verstellbereich sowie die momentane Lage in einer gemeinsamen Lageskizze (60) darzustellen.
In Hilfsantrag 1 wurden in Anspruch 1 zwischen Merkmal 1.7 und Merkmal 1.8 die folgenden Merkmale ergänzt:
wobei ein Aufnehmer (29) zum Erfassen der momentanen Schwenkposition des Oberwagens (11) und somit der Betätigungseinheit (18) relativ zur Trägereinheit (10) und ein zweiter Aufnehmer (28) zum Erfassen der momentanen Radialposition der Betätigungseinheit (18) relativ zum Oberwagen (11) und somit zur Trägereinheit (10) angeordnet sind,
Hilfsantrag 2 basiert auf Hilfsantrag 1, wobei das in Hilfsantrag 1 hinzugefügte Merkmal wie folgt weiter spezifiziert wurde:
wobei der zweite Aufnehmer (28) als ein Drehwinkelaufnehmer zum Bestimmen des Schwenkwinkels der Maststützen (12) um die horizontale Schwenkachse ausgebildet ist,
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin (Einsprechende) - soweit es für die Entscheidung wesentlich war - lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Der Wortlaut des Merkmals 1.7 erlaube die Auslegung, dass die "momentane Lage der Betätigungseinheit" bereits durch den Messwert von nur einem Aufnehmer erfasst werde. Daher könne die momentane Lage z.B. nur die Schwenkposition um die Hochachse oder nur die Radialposition der Betätigungseinheit zur Hochachse umfassen. So sei es auch in Absatz [0013] ("[...] und die zuvor genannte momentane Lage der Betätigungseinheit umfasst zumindest die Schwenkposition um die Hochachse.") und Absatz [0014] der Streitschrift ("Demgemäß beinhaltet die zuvor genannte momentane Lage zumindest die Radialposition der Betätigungseinheit.") beschrieben.
Die Unterscheidungsmerkmale M1.8 bis M1.11 des Anspruchs 1 gegenüber der D1 lösten die Aufgabe, das in der D1 beschriebene Konzept zur Sicherstellung der Standsicherheit der Baumaschine weiterzuentwickeln.
Der Fachmann würde D6 zur Lösung der Aufgabe berücksichtigen, da sich D1 und D6 beide mit der Kippsicherheit von Kränen aus benachbarten technischen Gebieten beschäftigten. In der D1 werde beim Verschwenken des Kranes von einem Lastbereich in einen kritischen Lastbereich ein Endschalter überfahren, wodurch es zu einem abrupten Abstoppen der Schwenkbewegung komme, ohne dass die Bedienungsperson durch die derzeit übliche Anzeige vorgewarnt werde. Genau dieses Verhalten werde in der D6 als nachteilig dargestellt (Absatz [0003]).
Die in D6 präsentierte Lösung für dieses Problem entspräche genau den Unterscheidungsmerkmalen und sei in Absatz [0004] und Figur 2 offenbart. Die Anwendung der Lehre der D6 auf die D1 führe zu einer Baumaschine, die unter den beanspruchten Gegenstand falle.
Die in den Hilfsanträgen 1 und 2 hinzugefügten Merkmale könnten keine erfinderische Tätigkeit begründen. Das in D1 offenbarte Messelement M1 entspräche dem ersten Aufnehmer zur Erfassung der Schwenkposition, das Messelement M2 entspräche dem zweiten Aufnehmer zur Erfassung der Radialposition, wobei M2 gemäß Seite 7, vierter Absatz, als Drehwinkelaufnehmer ausgebildet sei.
Im übrigen seien die Hilfsanträge 1 und 2 nicht ins Verfahren zuzulassen, da sie bereits erstinstanzlich hätten eingereicht werden können.
Weiterhin habe die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) schriftlich nicht substanziiert, wie die Änderungen in Anspruch 1 den Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausräumen könnten. Der in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Vortrag sei verspätet und unter Artikel 13(2) VOBK 20202 nicht ins Verfahren zuzulassen.
VII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) - soweit es für die Entscheidung wesentlich war - lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Merkmal 1.7 sei nicht in D1 offenbart, da die Messelemente M1 bis M4 in D1 überhaupt keine Lage der Betätigungseinheit ("Kraftdrehkopf 9", Figuren 1 oder 6) erfassten, sondern die Lage des Mastes 4. Wegen des in x- und y-Richtung neigbaren Mastes (Figuren 2, 3 und 5) könne die momentane Lage der Betätigungseinheit nur erfasst werden, wenn zusätzlich die Lage des am Masten entlang verschiebbaren Schlittens 8 gegenüber dem Mast bestimmt werden würde.
Die momentane Lage sei als die hinsichtlich aller Koordinaten zu bestimmende, aktuelle Position der Betätigungseinheit zu verstehen. Der wenigstens eine Aufnehmer müsse laut Merkmal 1.7 die Lage erfassen können und nicht nur an der Lagerfassung mitwirken. In den von der Beschwerdeführerin zitierten Absätzen [0013] und [0014] seien Ausführungen beschrieben, in denen nur jeweils eine Verstellrichtung für die Betätigungseinheit möglich sei. Daher sei in diesen Fällen nur ein Aufnehmer erforderlich, um die momentane Lage zu erfassen.
Wie von der Einspruchsabteilung festgestellt sei die D6 gattungsfremd. Aufgrund der erheblichen konstruktiven Unterschiede der in D1 bzw. D6 offenbarten Maschinen würde der Fachmann die D6 nicht heranziehen.
Weiterhin sei die D6 mit der D1 nicht kompatibel. Der Kran in D6 habe einen Ausleger mit einer Kranspitze, während der Kran in D1 einen Masten mit vertikal bewegbarer Betätigungseinheit zeige. In der Darstellung der Kippsicherheit in D6, Absatz [0010] mit Figur 3, werde der Abstand der Kranspitze zur Hochachse berücksichtigt. D1 zeige keine vergleichbare Kranspitze. D6 wiederum offenbare keine zur D1 vergleichbaren Betätigungseinheit. Somit sei der D6 auch kein Hinweis auf die Erfassung der momentanen Lage einer Betätigungseinheit - und folglich auf die Merkmalen 1.8 bis 1.11 - zu entnehmen.
Selbst wenn der Fachmann die D1 und die D6 kombinieren würde, gelange der Fachmann nicht zum beanspruchten Gegenstand.
D1 und D6 basierten auf einem völlig anderen Grundgedanken als das Streitpatent. Sowohl die D1 als auch die D6 lehrten, ein Ist-Lastmoment zu erfassen, dieses mit einem zulässigen Grenz-Lastmoment zu vergleichen und das Ist-Lastmoment im Verhältnis zum zulässige Grenz-Lastmoment anzuzeigen. Die D1 zeige dieses Verhältnis mithilfe der analogen Anzeige 32 an (Figur 6 mit Seite 8, letzter Absatz), D6 mithilfe eines Bildschirms. Die in D6 abgebildete Kurve 21 zeige jedoch keinen Verstellbereich (Figur 2), sondern das Grenz-Lastmoment. Die Markierung 27 gebe zwar die Kranrichtung an, diese entspräche allerdings nicht der beanspruchten momentanen Lage. Weiterhin gebe der Radialabstand der Markierung 27 zur Achse 14 - wie die D1 - nur das momentane Drehmoment im Maßstab zum Grenz-Lastmoment an (D6, Absatz [0009]).
Das Streitpatent hingegen verzichte auf die Ermittlung eines Ist-Lastmoments. Nirgends werde von einem Lastmoment gesprochen. Stattdessen werde die tatsächliche geometrische Lage der Betätigungseinheit erfasst und in einer geometrischen Lageskizze zusammen mit dem ermittelten räumlichen Verstellbereich dargestellt (Merkmale 1.8 bis 1.11).
Zwar werde in D1 mit den Messelementen M1 und M2 (Seite 7, zweiter und vierter Absatz) auch eine Schwenkposition und eine Radialposition erfasst. Diese Werte bezögen sich jedoch auf den Masten und dienten lediglich dazu, im Rechner 30 das entsprechende Grenz-Lastmoment für die Anzeige 32 auszuwählen (Seite 8, vierter Absatz, Figur 6).
In Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 werde konkretisiert, dass die Lagerfassung der Betätigungseinheit und die Anzeige in der Lageskizze zwei Koordinaten umfasse. Dies werde in D6 nicht nahegelegt, da nur der Schwenkwinkel angezeigt werde.
Weiterhin sei das Messelement M2 in D1 kein Drehwinkelaufnehmer.
1. Hauptantrag - Artikel 56 EPÜ
1.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags wird durch die Kombination der Entgegenhaltungen D1 und D6 nahegelegt.
1.2 D1 wird unumstritten als nächstliegender Stand der Technik angesehen. Weiterhin besteht Einigkeit zwischen den Parteien, dass sich Anspruch 1 zumindest durch die Merkmale 1.8 bis 1.11 von der in D1 offenbarten Baumaschine unterscheidet.
1.3 Die durch die Unterscheidungsmerkmale 1.8 bis 1.11 zu lösende Aufgabe kann - wie von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) formuliert - darin gesehen werden die Betriebssicherheit und der Bedienbarkeit bei einer Tiefbau-Baumaschine mit Mäkleranordnung zu verbessern.
1.4 Merkmal 1.7
1.4.1 Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) sieht auch Merkmal 1.7 nicht in D1 offenbart.
1.4.2 Die Kammer sieht Merkmal 1.7 jedoch dadurch offenbart, dass in D1 (Figur 5) ein Messelement M1 die Drehstellung des Oberwagens 3 relativ zum Unterwagen 1 (Seite 7, zweiter Absatz) und ein weiteres Messelement M2 die Ausladung des Mastes 4, d.h. dessen Abstand von der Hauptachse D, erfasst (Seite 3, vierter Absatz und Seite 7, vierter Absatz). Da die Betätigungseinheit - in D1 als Kraftdrehkopf 9 bezeichnet - am Masten 4 angeordnet ist, wird nicht nur die Position des Mastes, sondern entsprechend auch die der Betätigungseinheit erfasst.
Folglich ist in D1 mindestens ein Aufnehmer zum Erfassen der momentanen Lage der Betätigungseinheit vorgesehen.
1.4.3 Das Argument der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin), dass die momentane Lage als die tatsächliche, sich aus allen Verstellmöglichkeiten ergebende Position der Betätigungseinheit relativ zur Trägereinheit anzusehen sei und daher in D1 ohne zusätzliche Kenntnis der Schlittenhöhe am Masten keine momentane Lage der Betätigungseinheit erfasst werden könne, ist nicht überzeugend.
1.4.4 Dem Wortlaut des Anspruchs ist nicht zu entnehmen, dass genau so viele Aufnehmer zum Erfassen der momentanen Lage der Betätigungseinheit erforderlich sind wie es Verstellmöglichkeiten für die Betätigungseinheit gibt. Wie von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) vorgetragen, definiert Anspruch 1 in Merkmal 1.2 (mögliches Schwenken um die Hochachse zum Ändern der Schwenkposition) und Merkmal 1.12 (mögliches Schwenken der Maststützen zum Ändern der Radialposition) wenigstens zwei Verstellmöglichkeiten.
Gemäß Merkmal 1.7 fallen unter den Anspruchswortlaut jedoch auch Ausführungsformen mit nur einem Aufnehmer zur Erfassung der momentanen Lage.
Somit kann auch im Anspruch die momentane Lage nicht unbedingt hinsichtlich aller möglichen Koordinaten erfasst werden, sondern z.B. nur hinsichtlich des Schwenkwinkels oder nur hinsichtlich der Radialposition.
1.4.5 Auch den Absätzen [0013] und [0014] des Streitpatents ist nicht zu entnehmen, dass die "zumindest die Schwenkposition um die Hochachse" bzw. die "zumindest die Radialposition" umfassende momentane Lage der Betätigungseinheit weitere Verstellmöglichkeiten für die Betätigungseinheit ausschließt.
1.5 Berücksichtigung der D6
1.5.1 Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin (Einsprechende) würde der Fachmann auf der Suche nach einer Lösung der Aufgabe (siehe obigen Punkt 1.3) die D6 berücksichtigen.
1.5.2 Die Unterscheidungsmerkmale 1.8 bis 1.11 beziehen sich alle auf die Darstellung der Kippsicherheit. Diese Darstellung ist jedoch im Wesentlichen unabhängig von der Art des Krans.
Wie von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) vorgetragen, ist es zwar korrekt, dass der in D6 offenbarte Ladekran und die in D1 gezeigte Baumaschine in Aufbau und Belastung im Betrieb nicht vergleichbar sind. Allerdings handelt es sich wie von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) argumentiert, um benachbarte Gebiete, in denen das gleiche Problem der Kippsicherheit eine Rolle spielt. Sowohl die D1 (Seite 1, dritter Absatz) als auch die D6 (Absatz [0002]) nennt die Gefahr des Kippens. Dass bei der Ermittlung des Kippmoments andere geometrische Bedingungen und andere Lastverhältnisse in den beiden Fällen zu berücksichtigen sind, ist dem Fachmann bekannt und wird in beiden Entgegenhaltungen ohnehin als Fachwissen vorausgesetzt.
1.5.3 Die D1 offenbart (Seite 9, letzter Absatz), dass die Schwenkbewegung des Oberwagens abrupt stoppt, "wenn ein Eintreten in einen Lastbereich, etwa den Lastbereich II nach Fig. 4, erfolgen würde, in dem die Standsicherheit des Bohrgeräts nicht mehr gewährleistet ist". Die D1 zeigt mit der Anzeige 32 (Figur 6) nämlich nur an, wie viel Prozent des Grenzlastmoments durch die momentane Last ausgenutzt wird - ohne jeglichen räumlichen Bezug.
1.5.4 Die D6, Absatz [0003], beschreibt genau dieses Verhalten als nachteilig für die Bedienperson und schlägt eine Lösung hierfür vor.
1.5.5 Somit hat der Fachmann entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) durchaus Anlass, bei der Suche nach einer Lösung, wie die Betriebssicherheit und die Bedienbarkeit der aus der D1 bekannten Baumaschine D1 verbessert werden kann, die Lehre der D6 zu berücksichtigen.
1.6 Erfinderische Tätigkeit
1.6.1 Die Kombination der Lehre der D6 mit der D1 führt auf naheliegende Weise zum beanspruchten Gegenstand.
1.6.2 Um einer Bedienperson ein Stoppen des Krans bei Eintritt in einen kritischen Schwenkbereich anzuzeigen, schlägt die D6, Absatz [0004] vor, "dass die Richtung der durch den Kran definierten Ebene bezogen auf eine Horizontalebene (Schwenkwinkel) sowie das momentane Drehmoment zusammen mit einer Kurve darstellbar sind, welche für den gesamten Winkelbereich das höchstzulässige Drehmoment repräsentiert." Die D6 präsentiert damit genau den Lösungsgedanken des Streitpatents für dieselbe technische Aufgabenstellung, im Zusammenhang mit einer eng benachbarten Maschinengattung, bei der identische Probleme eine Rolle spielen.
1.6.3 In der D6 wird die momentane Lage des Krans hinsichtlich des Schwenkwinkels erfasst. Wie unter obigem Punkt 1.4.4 erläutert, kann die momentane Lage entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) auch im Streitpatent z.B. nur den Schwenkwinkel umfassen.
Diese momentane Lage ist in D6 gemäß Figur 2 und Spalte 2, Zeilen 28 bis 30 in einer Anzeigeeinrichtung anzeigbar (Merkmal 1.8). Weiterhin ist eine Auswerteeinheit vorgesehen, mit der ein Verstellbereich ermittelbar ist, dessen Außenkurve 21 das zulässige Drehmoment in Abhängigkeit des Schwenkwinkels angibt (Absatz [0009]). Die Außenkurve 21 gibt eine Kippsicherheit in Abhängigkeit der Winkelposition vor (Merkmal 1.9). Dass für die Ermittlung des Verstellbereich hierzu irgendein Eingabewert erforderlich ist, ist implizit.
Der Verstellbereich ist in D6 z.B. in Figur 2 mittels der Anzeigeeinrichtung gemeinsam mit der momentanen Schwenkwinkelposition des Krans in einer gemeinsamen Lageskizze anzeigbar (Merkmale 1.10, 1.11).
1.6.4 Dabei ist zwischen den Parteien unstrittig, dass die Anzeigeeinrichtung in D6, Figur 2, mit der Markierung 27 die Kranrichtung angibt (ausgehend von der vertikalen Achse 14 hin zur Markierung 27, siehe Absatz [0009]). Weiterhin unstrittig ist, dass die Radialposition der Markierung 27 von der Achse 14 keinen Abstand, sondern das momentane Drehmoment im Verhältnis zum maximal zulässige Drehmoment angibt.
1.6.5 Der Fachmann würde zur Lösung der Aufgabe die in D6 offenbarte Lösung unmittelbar auf die D1 übertragen.
Der Schwenkwinkel der Betätigungseinrichtung relativ zur Trägereinheit wird in der D1 mit dem Messelement M1 ohnehin bereits erfasst (Seite 7, zweiter Absatz, vgl. obigen Punkt 1.4.2). Des weiteren sind in D1 den jeweiligen Messwerten im Rechner 30 die maßgebenden Grenz-Lastmoment bereits zugeordnet (Seite 8, vierter Absatz), so dass auch die Informationen für den Verstellbereich, dessen Außenkurve das zulässige Drehmoment in Abhängigkeit des Schwenkwinkels angibt, bereits vorliegen. Zuletzt wird auch das Verhältnis des momentan ermittelten Lastmoments in D1 bereits prozentual, d.h. im Maßstab zum zugehörigen Grenz-Lastmoment dargestellt (Anzeige 32 in D1, Figur 6 mit dem die Seiten 8 und 9 überbrückenden Absatz).
Es ist daher naheliegend, dieses Lastverhältnis sowie die erfasste Schwenkwinkelposition entsprechend der D6 zusammen mit einem an die Baumaschine der D1 angepassten Verstellbereich in einer gemeinsamen Lageskizze gemäß Figur 2 der D6 darstellen, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.
1.6.6 Wie unter obigem Punkt 1.4.4 festgestellt, fällt eine Richtungsangabe für die Betätigungseinheit bereits unter den Anspruchswortlaut "momentane Lage der Betätigungseinrichtung", da der "mindestens eine Aufnehmer" - entgegen der Argumentation der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) - nicht in Abhängigkeit aller Verstellmöglichkeiten formuliert ist.
1.6.7 Eine sich aus der Kombination von D1 mit D6 ergebende Baumaschine wird von Anspruch 1 nicht ausgeschlossen. Daher beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2. Hilfsanträge 1 und 2 - Artikel 56 EPÜ
2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beider Hilfsanträge wird ebenfalls durch die Kombination der Entgegenhaltungen D1 und D6 nahegelegt.
2.2 Anspruch 1 des Hilfsantrag 1 ergänzt die Merkmale "wobei ein Aufnehmer (29) zum Erfassen der momentanen Schwenkposition des Oberwagens (11) und somit der Betätigungseinheit (18) relativ zur Trägereinheit (10) und ein zweiter Aufnehmer (28) zum Erfassen der momentanen Radialposition der Betätigungseinheit (18) relativ zum Oberwagen (11) und somit zur Trägereinheit (10) angeordnet sind".
2.3 Wie unter obigem Punkt 1.4.2 erläutert, offenbart die D1 beide im Anspruch definierten Aufnehmer. M1 dient der Erfassung der Drehstellung des Oberwagens 3 relativ zum Unterwagen (D1, Seite 7, zweiter Absatz). M2 dient der Erfassung der momentanen Radialposition des Mastes und damit der daran angeordneten Betätigungseinheit (D1, Seite 7, vierter Absatz).
2.4 Dem Wortlaut des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 ist jedoch entgegen der Argumentation der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) nicht zu entnehmen, dass die anzeigbare momentane Lage die Erfassungswerte beider Aufnehmer beinhalten müsse. Stattdessen fällt auch weiterhin eine, wie sich aus der Kombination von D1 mit D6 ergebende Anzeige, in der die dargestellte momentane Lage nur die Schwenkposition umfasst, unter den Anspruchswortlaut.
2.5 Daran ändert auch das in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 zusätzlich aufgenommene Merkmal "wobei der zweite Aufnehmer (28) als ein Drehwinkelaufnehmer zum Bestimmen des Schwenkwinkels der Maststützen (12) um die horizontale Schwenkachse ausgebildet ist," nichts, zumal auch das Messelement M2 der D1 einen Winkelbetrag eines eine Schwenkung ausführenden Teils misst und damit als Drehwinkelaufnehmer angesehen werden kann (D1, Seite 7, vierter Absatz).
2.6 Da die erstmals im Beschwerdeverfahren eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 aus den gleichen Gründen wie der Hauptantrag nicht erfinderisch sind, konnte der von der Beschwerdeführerin (Einsprechende) erhobene Einwand bezüglich der Zulassung dieser Anträge ins Beschwerdeverfahren offen bleiben.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.