T 1074/96 (Chromgerbung/HENKEL) 22-04-1999
Download und weitere Informationen:
Gerbverfahren mit hoher Chromauszehrung der Gerbflotten
I. Auf die europäische Patentanmeldung 89 111 743.4 wurde das europäische Patent Nr. 0 349 892 auf der Grundlage von fünf Ansprüchen erteilt. Der unabhängige Patentanspruch 1 lautet wie folgt:
"Verfahren zur Chromgerbung mit hoher Chromauszehrung der Gerbflotten, dadurch gekennzeichnet, daß man mit Ameisensäure und/oder Schwefelsäure gepickelte Blößen mit 0,5 bis 12 Gew.-% Chrom-III-Salzen, bezogen auf Blößengewicht, gerbt, die Gerbflotte mit Basifizierungsmitteln in Gegenwart von Aldehyd- und/oder Ketosäuren auf einen pH-Wert zwischen 3,6 und 4,3 vorabstumpft und anschließend mit Alkali-Aluminiumsilikaten auf einen pH-Wert zwischen 4,2 und 5,5 abstumpft."
Ansprüche 2 bis 5 sind vom Anspruch 1 abhängig und betreffen besondere Ausführungsformen des Gegenstands des Anspruchs 1.
II. Gegen die Patenterteilung legte die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) aufgrund von Artikel 100 a) und 56 EPÜ Einspruch ein.
III. In ihrer Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents dem Erfordernis des Artikels 56 EPÜ nicht genüge, also nicht erfinderisch sei im Lichte der Offenbarung der Entgegenhaltungen (1) und (2):
(1): Das Leder, Band 34, Juni 1983, Darmstadt, Seiten 89 - 93,
(2): EP-A-0 201 054.
IV. Die Einspruchsabteilung war der Ansicht, daß Entgegenhaltung (2) den nächstliegenden Stand der Technik darstelle und dieselbe Aufgabe zu lösen trachte wie das Streitpatent, nämlich eine verbesserte Chromauszehrung im Prozeß der Lederherstellung zu erreichen. Gemäß Entgegenhaltung (2) werde diese Aufgabe dadurch gelöst, daß man der Gerbflotte vor der Zugabe des Gerbmittels eine Aldehyd- oder Ketocarbonsäure zufügt.
Der Unterschied zwischen Entgegenhaltung (2) und dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents bestehe im wesentlichen darin, daß in dem Verfahren des Streitpatents die Zugabe der Aldehyd- bzw. Ketocarbonsäure nach der Zugabe des Gerbmittels erfolge.
Jenes Beispiel unterscheide sich in der Chromauszehrung lediglich um höchstens den Faktor 2 von den in Entgegenhaltung (2) beschriebenen Werten, und die Menge der Chromauszehrung werde stark von weiteren Verfahrensparametern oder der Einsatzmenge beeinflußt. Diese Einlassung der Beschwerdegegnerin erscheine glaubhaft, zumal bei den Beispielen in Entgegenhaltung (2) auch Abweichungen um den Faktor 2 (0,05 % bzw. 0,1 %) aufträten. Daher sei das Vorhandensein eines technischen Fortschritts, zumindest für den von Anspruch 1 umfaßten Gesamtgegenstand, nicht eindeutig gegeben. Die objektive Aufgabe reduziere sich deshalb darauf, ein alternatives Verfahren zur Verfügung zu stellen.
Es sei daher zu untersuchen gewesen, ob die Verschiebung des Zeitpunkts der Zugabe der Aldehyd- oder Ketocarbonsäuren eine erfinderische Tätigkeit begründen könne. Der Fachmann auf dem Gebiet der Lederfärbung, der das in Entgegenhaltung (2) beschriebene Verfahren analysiert, werde nach einigem Überlegen den der Komplexierung zugrunde liegenden Reaktionsmechanismus erkennen (Hervorhebung durch die Kammer). Gemäß der Beschwerdegegnerin würden die Chromionen durch die freien Carboxylgruppen der an die Haut gebundenen Aldeyd- oder Ketocarbonsäuren komplexiert. Die Bindung beispielsweise der Glyoxylsäure an das Kollagen der Haut erfolge über die Aminoreste der Haut unter Bildung der Schiffschen Base. Diese Reaktion laufe gemäß der Beschwerdegegnerin nur im alkalischen Bereich ab. Das bedeute, daß diese Reaktion während des Gerbverfahrens erst nach Zugabe des alkalischen Gerbmittels erfolgt. Auch die Komplexierung der Chromionen finde erst im alkalischen Medium, also nach der Zugabe des Gerbwirkstoffes statt, weil nur im alkalischen Bereich die freien Carboxylgruppen zur Verfügung stünden. Daher habe der Fachmann annehmen müssen, daß der Zeitpunkt der Zugabe der Aldehyd- oder Ketocarbonsäuren keine Änderung im Verfahrensablauf hinsichtlich der Auszehrung der Gerbflotte bewirkt. Somit könne die erfolgte Umstellung der Verfahrensschritte auch keine erfinderische Tätigkeit gegenüber Entgegenhaltung (2) begründen.
V. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) unter Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde erhoben und eine Beschwerdebegründung zusammen mit zwei Hilfsanträgen eingereicht.
VI. In der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes schriftlich vorgetragen:
Die Einspruchsabteilung habe bei der Formulierung der objektiven Aufgabe im Hinblick auf Entgegenhaltung (2) als nächstliegenden Stand der Technik außer acht gelassen, daß der Unterschied zwischen Entgegenhaltung (2) und dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht nur darin besteht, daß im Verfahren des Streitpatents die Zugabe der Aldehyd- bzw. Ketocarbonsäuren nach der Zugabe des Gerbmittels - in einem ansonsten gleichen Verfahren - erfolgt, sondern daß vielmehr gemäß Entgegenhaltung (2) eine Vorbehandlung gepickelter Blößen (und damit nicht-gegerbten Materials) mit Aldehyd- bzw. Ketosäuren erfolgt, während gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren ein bereits gegerbtes Leder mit Aldehyd- bzw. Ketocarbonsäuren behandelt wird.
Zur Beurteilung des Vorhandenseins eines technischen Fortschritts habe die Einspruchsabteilung auf das im Zuge des Erteilungsverfahrens lediglich ergänzend mitgeteilte Beispiel auf Basis von Lävulinsäure zurückgegriffen und damit die schlechteste Ausführungsform der vorliegenden Erfindung mit der besten Ausführungsform gemäß Entgegenhaltung (2) verglichen. Dieses Vorgehen lasse zweierlei außer acht: Erstens, daß die Bedeutung des festgestellten "Faktors 2" verkannt wird, obwohl ein Faktor 2 eine 100 %ige Verbesserung darstellt; zweitens, daß gemäß geltendem Anspruch 4 des Streitpatents der Einsatz von Glyoxylsäure eine bevorzugte Ausführungsform der vorliegenden Erfindung darstellt, und diese Ausführungsform - wie seitens der Beschwerdeführerin mehrfach dargestellt und der Tabelle auf Seite 5 des Streitpatents zu entnehmen ist - um einen Faktor von 11,4 besser ist als die beste Ausführungsform der herangezogenen Entgegenhaltungen. Ein Faktor von 11,4 bedeute aber eine Steigerung von 1140 %.
Zur Verdeutlichung des Sachverhalts wurde die folgende Tabelle 1 erstellt, die zeige, wie sich der Gegenstand des Streitpatents von der Lehre der Entgegenhaltung (1) und (2) unterscheidet:
.............Streitpatent........D1.................D2
Schritt 1...Pickeln.............Pickeln............Pickeln
.............der Blößen..........der Blößen.........der Blößen
Schritt 2...Gerbung.............Gerbung............Vorbehandlung
....................................................mit Adehyd-/
....................................................Ketosäuren
Schritt 3...Behandlung..........Behandlung mit.....Gerbung
.............mit Aldehyd-/.......Diacarbonsäuren
.............Ketosäuren
Aus dieser Tabelle gehe klar hervor, wie entscheidend die Reihenfolge der Verfahrensstufen sei, wenn es um die Diskussion der Behandlung mit Aldehyd- bzw. Ketocarbonsäuren geht. Gemäß Streitpatent finde diese Behandlung erst nach der Gerbung statt. Das bedeute, daß es hier um die Behandlung von Leder gehe; denn jedem Fachmann auf dem Gebiet der Ledertechnik sei notorisch bekannt, daß man von Leder erst dann sprechen könne, wenn der Schritt der Gerbung erfolgt sei.
Demgegenüber gehe es bei Entgegenhaltung (2) ausdrücklich um eine Vorbehandlung gepickelter Blößen. Gemäß Entgegenhaltung (2) werde also ein Material behandelt - nämlich die Blößen (Tierhäute) -, das noch nicht gegerbt ist und dementsprechend nicht als Leder angesprochen werden könne.
Im Hinblick auf die Beurteilung des Vorhandenseins eines technischen Fortschritts habe die Einspruchsabteilung die vorliegenden Versuchsergebnisse nicht korrekt gewürdigt. Sie habe festgestellt, daß die Chromauszehrung gemäß der vorliegenden Erfindung allenfalls um einen Faktor 2 günstiger sei, als aus Entgegenhaltung (2) bekannt. Bei einem Faktor 2 liege der Auszehrungs-Effekt jedoch lediglich in derselben Größenordnung wie in Entgegenhaltung (2) und ein technischer Fortschritt sei daher nicht gegeben.
Selbst mit der "schlechtesten Ausführungsform" der vorliegenden Erfindung (Einsatz von Lävulinsäure) werde eine Chromauszehrung erzielt, die für das hier betroffene Fachgebiet der Chromauszehrung von Gerbflotten keine Trivialität sei, sondern einen beachtlichen Fortschritt im Hinblick auf die Aufgabe, einen möglichst geringen Chromoxid-Restgehalt der Flotte zu bewirken, darstelle.
Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Verwendung von Prozent-Angaben zur Kennzeichnung des Chromoxid-Gehalts der Restflotten suggeriert, es liege lediglich eine marginale Verbesserung vor. Daß diese Betrachtung am Sachverhalt vorbeiziele, werde möglicherweise dadurch deutlicher, daß man zur Kennzeichnung der Chromoxid-Gehalte der Restflotten die Konzentrationsangabe ppm verwendet.
Daß diese Aufgabe durch die vorliegende Erfindung gelöst wurde, werde durch die experimentellen Ergebnisse klar belegt. Die entsprechenden Daten (Beispiele B1 bis B3 gemäß der Tabelle auf Seite 5 des Streitpatents) seien in der folgenden Tabelle 2 in übersichtlicher Form zusammengestellt:
Chromoxid-Gehalt der Restflotten
................................................Cr2O3-Gehalt
Beispiel Bemerkung Säure g/l % 1) ppm
B1 Vergleich gemäß D1 Dicarbonsäure 0,4 0,04 400
B2 Vergleich gemäß D2 Glyoxylsäure 0,8 0,08 800
B3 erfindungsgemäß Glyoxylsäure 0,07 0,007 70
Aus dieser Tabelle gehe hervor, daß das erfindungsgemäße Beispiel B3 nachweislich einen besseren, d. h. einen geringeren, Chromoxid-Gehalt der Restflotten aufweist als das Vergleichsbeispiel B2 gemäß Entgegenhaltung (2).
VII. Der Beschwerdegegnerin wurde eine Abschrift der Beschwerdebegründung zugestellt mit der Aufforderung, eine eventuelle Erwiderung hierauf innerhalb einer Frist von vier Monaten einzureichen. Sie hat sich jedoch im Beschwerdeverfahren jeglicher Stellungnahme enthalten.
VIII. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in seiner erteilten Fassung oder auf der Grundlage eines der beiden Hilfsanträge (oben Absatz V) aufrechtzuerhalten. Ferner wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragt.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Es ist zu prüfen, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag (d. h. Patentanspruch wie erteilt) im Lichte des Offenbarungsgehalts der Entgegenhaltungen (1) und (2) auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
3. Beiden Verfahren gemäß Entgegenhaltungen (1) und (2) liegt die Aufgabe zugrunde, eine gute Auszehrung der Chromgerbflotten zu erreichen.
Die einzelnen Verfahrensstufen und deren Reihenfolge in den drei Verfahren, nämlich den Verfahren des Streitpatents sowie den Entgegenhaltungen (1) und (2), sind in der Tabelle 1 (siehe Absatz VI oben) angegeben. Die Kammer ist der Auffassung, daß das Verfahren gemäß Entgegenhaltung (2), das sich von dem Verfahren des Streitpatents nur dadurch unterscheidet, daß eine Behandlung mit Aldehyd-/Ketosäuren vor der Gerbung, anstatt nachher, durchgeführt wird, als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten ist.
4. Die Aufgabe des Streitpatents bestand daher in der Entwicklung eines Chromgerbverfahrens, mit dem im Vergleich zu den bekannten Verfahren eine höhere Auszehrung der Gerbflotten erreicht wird.
5. Diese Aufgabe wird gemäß Streitpatent dadurch gelöst, daß nach der Gerbung eine Behandlung mit Aldehyd-/Ketosäuren stattfindet.
6. Es gibt in der Offenbarung der Entgegenhaltung (2) keinen Hinweis, daß eine Nachbehandlung mit Aldehyd-/Ketosäure durchgeführt werden kann. Im Gegenteil schlägt Entgegenhaltung (2) vor, die Aldehyd-/Ketosäure-Behandlung vor der Gerbung oder mit der ersten Verfahrensstufe Pickeln zu kombinieren, d. h. eine ganz andere Lösung dieses Problems.
7. Obwohl dem Verfahren gemäß Entgegenhaltung (1) dieselbe Aufgabe zugrunde liegt wie dem Verfahren gemäß Streitpatent, wird dort eine ganz andere Lösung vorgeschlagen, weil Aldehyd-/Ketosäure keine Erwähnung findet und aliphatische Dicarbonsäure als Nachbehandlungsmittel genannt wird. Alkali-Aluminiumsilikate werden in beiden Fällen als Abstumpfungsmittel gebraucht.
8. Es ist bekannt, daß die Oberfläche des Leders durch die Gerbung sehr verändert wird, und deshalb war die durch die nachgerbliche Behandlung mit Aldehyd-/Ketosäure verursachte Änderung, im Vergleich mit der Änderung gemäß Entgegenhaltung (2), vorher nicht einzuschätzen. Nach Auffassung der Kammer geht es nicht um die Art der gebildeten Chromkomplexe, sondern darum, wieviel von dem Komplex hergestellt wird. Das hängt davon ab, ob mehr oder weniger Säure durch das gegerbte oder nicht-gegerbte Leder absobiert wird.
9. Die Einzelheiten des erzielten Resultats und die Art der chemischen Verbindung zwischen dem Leder und den Chemikalien haben in diesem Zusammenhang keinen Einfluß auf die Reihenfolge der Verfahrensstufen, die zuerst zu bestimmen ist. Vielmehr ist es die Reihenfolge der Verfahrensstufen, die beeinflußt, wieviele chemische Verbindungen zwischen dem Leder und den Chemikalien erzeugt werden.
10. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit hat die Einspruchsabteilung dem technischen Fortschritt eine zu große Bedeutung beigemessen. Obwohl der erste Absatz der Begründung der erfinderischen Tätigkeit sich auf den Stand der Technik und den üblicherweise angewandten Aufgabe-Lösungs-Ansatz bezieht, ist im zweiten Absatz nur von technischem Fortschritt die Rede, wodurch der Eindruck erweckt wird, daß die Anerkennung eines technischen Fortschritts eine Voraussetzung für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit sei. Dies steht jedoch im Widerspruch zu Artikel 56 EPÜ der den technischen Fortschritt nicht einmal erwähnt, geschweige denn bestimmt, daß die erfinderische Tätigkeit einen technischen Fortschritt voraussetzt. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern kommt daher dem technischen Fortschritt nur insofern eine, wenn auch beschränkte, Bedeutung zu, wenn er als Indiz für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit gewertet werden kann.
11. Auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Resultate des schlechtesten Beispiels (das im Erteilungsverfahren mit Schreiben vom 2. September 1993 eingereicht wurde) ist die Einspruchsabteilung aber obendrein auch noch zur Verneinung des technischen Fortschritts gelangt, ohne Beispiel 3 und das Gerbungsverfahren des Streitpatents in Betracht zu ziehen. Beispiel 3 zeigt bei Verwendung von Glyoxylsäure (siehe auch Anspruch 4) gegenüber Entgegenhaltung (2) einen Verbesserungsfaktor von ca. 11,4 und kann deshalb nicht ignoriert werden.
12. Das Ergebnis eines Vergleichs (siehe Tabelle 2 in Absatz VI oben) der Beispiele B2 (gemäß Entgegenhaltung (2)) und B3 (gemäß Streitpatent) läßt kein Zweifel, daß das Verfahren des Streitpatents deutlich besser ist. Mindestens eine Verbesserung um 100 % gegenüber dem Stand der Technik ist nämlich sofort erkennbar. Die Kammer ist daher überzeugt, daß das erfindungsgemäße Verfahren die Aufgabe, eine gegenüber den bekannten Verfahren höhere Auszehrung der Gerbflotte zu erreichen (oben Punkt 4), in nicht naheliegender Weise löst. Es war nicht vorhersehbar, daß mit dem Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents ein derart vorteilhaftes Resultat erzielt werden kann.
13. Die Ausführungen der Einspruchsabteilung in dem die Seiten 5 und 6 überbrückenden Absatz der angefochtenen Entscheidung scheinen in einem gewissen Widerspruch zu der getroffenen Entscheidung zu stehen. Der Passus "Der Fachmann (...) wird nach einigem Überlegen (Hervorhebung durch die Kammer) den der Komplexierung zugrundeliegenden Reaktionsmechanismus erkennen" suggeriert bereits eine erfinderische Tätigkeit, da anerkanntermaßen in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern dem Durchschnittsfachmann keine allzugroße gedankliche Tätigkeit abverlangt wird. Die Ausführungen in demselben Absatz: "Daher mußte der Fachmann annehmen, daß der Zeitpunkt der Zugabe .....keine Änderung im Verfahrensablauf hinsichtlich der Auszehrung der Gerbflotte bewirkt", versteht die Kammer so, daß der Durchschnittsfachmann nach Meinung der Einspruchsabteilung gerade annehmen würde, daß eine Änderung des Zeitpunkts der Zugabe der Aldekyd- und/oder Ketosäuren keinerlei Wirkung haben würde. Im Gegensatz dazu hat die Beschwerdeführerin nun aber gerade eine neue Reihenfolge der Verfahrensstufen vorgeschlagen, und damit eine deutliche Verbesserung der Auszehrung der Gerbflotte erreicht (siehe Tabellen 1 und 2, Absatz VI oben).
14. Da somit die Reihenfolge der Verfahrensstufen des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag dem Stand der Technik nicht in naheliegender Weise zu entnehmen war, beruht der Gegenstand dieses Anspruchs auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dasselbe gilt für die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 bis 5 gemäß Hauptantrag, die Ausführungsformen der in Anspruch 1 definierten Erfindung betreffen.
15. Auf die Hilfsanträge muß somit nicht eingegangen werden.
16. Ferner konnte auf die Durchführung der von der Beschwerdeführerin hilfsweise beantragten mündlichen Verhandlung verzichtet werden.
Entscheidungsformel
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent 0 349 892 wird in seiner erteilten Fassung aufrechterhalten.