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T 0525/99 (Fluorkohlenwasserstoffe/LUBRIZOL) 12-09-2002
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(1) Exxon Chemical Patents Inc.
(2) RWE-DEA AG f. Mineralöl u. Chemie/
FUCHS DEA Schmierstoffe GmbH & Co KG
(5) CASTROL LIMITED
(6) ExxonMobil Oil Corporation
I. Disclaimer, die sich ausschließlich auf einen Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ stützen, verstoßen nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ.
II. Da die ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern eine klare Antwort auf diese Frage gibt, erübrigt sich eine Vorlage an die Große Beschwerdekammer.
Neuheit (bejaht): Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ - spezifische Offenbarung durch Disclaimer ausgeklammert - allgemeine Offenbarung nicht neuheitsschädlich-
Vorlage an die Große Beschwerdekammer (verneint)"
I. Die Beschwerde wurde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt, das europäische Patent Nr. 0 422 185 zu widerrufen.
Die Einspruchsabteilung war insbesondere der Auffassung, daß die Disclaimer im Anspruchssatz gemäß dem damals anhängigen Hauptantrag und ersten Hilfsantrag nicht zulässig seien, da sie nicht ausdrücklich den in den Entgegenhaltungen
(5) EP-A-0 378 176 und
(30) EP-A-0 377 122
offenbarten Gegenstand ausschlössen, und der beanspruchte Gegenstand nach dem damals anhängigen zweiten Hilfsantrag gegenüber dem Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltungen (5) und (30) nicht neu sei.
II. Die Beschwerdeführerin reichte mit Schreiben vom 7. August 2002 die Anspruchssätze A, B, C und D ein, die jeweils Ansprüche gemäß einem Hauptantrag und einem ersten bis dritten Hilfsantrag und somit insgesamt 16 verschiedene Anträge enthielten.
Der Hauptantrag des Anspruchssatzes B umfaßte 36 Ansprüche, deren einziger unabhängiger Anspruch wie folgt lautete:
"1. Flüssige Zusammensetzung, umfassend: (A) eine Hauptmenge (mehr als 50 Gew.-%) mindestens eines Fluor enthaltenden Kohlenwasserstoffs mit 1 oder 2 Kohlenstoffatomen, wobei Fluor das einzige Halogenatom in dem Fluor enthaltenden Kohlenwasserstoff ist, und
(B) eine kleinere Menge (weniger als 50 Gew.-%) eines löslichen Schmiermittels, das mindestens ein Carbonsäureester einer Polyhydroxyverbindung mit mindestens 2 Hydroxylgruppen ist und durch die allgemeine Formel
R[OC(O)R1]n (I)
gekennzeichnet ist, in der R ein Kohlenwasserstoffrest mit bis zu 20 Kohlenstoffatomen ist, jeder der Reste R1 unabhängig ein Wasserstoffatom, ein linearer niederer Kohlenwasserstoffrest mit bis zu 7 Kohlenstoffatomen, ein verzweigter Kohlenwasserstoffrest mit bis zu 20 Kohlenstoffatomen oder ein linearer Kohlenwasserstoffrest mit 8 bis 22 Kohlenstoffatomen ist, mit der Maßgabe, daß mindestens einer der Reste R1 ein Wasserstoffatom, ein linearer niederer Kohlenwasserstoffrest mit bis zu 7 Kohlenstoffatomen oder ein verzweigter Kohlenwasserstoffrest mit bis zu 20 Kohlenstoffatomen oder ein eine Carbonsäure oder einen Carbonsäureester enthaltender Kohlenwasserstoffrest ist und n mindestens 2 ist, wobei der Kohlenwasserstoffrest Heteroatome enthalten kann,
unter der Voraussetzung, daß
a) die Komponente (A) nicht 1,1,1,2-Tetrafluorethan ist, wenn die Komponente (B) eine Menge von i) 25 Gew.-% der Zusammensetzung Mobil P51 (des Pentaerythritoltetraesters eines Gemischs von Alkylcarbonsäuren mit 7 bis 9 Kohlenstoffatomen) mit einer Viskosität von 25 x 10-6 m2/s bei 38°C oder ii) 16 Gew.-% des Stoffgemischs Mobil P41 (Trimethylolpropantriheptanoat) mit einer Viskosität von 15 x 10-6 m2/s bei 38°C ist,
b) die Komponente (A) nicht 1,1,1,2-Tetrafluorethan ist, wenn die Komponente (B) eine Menge von i) 13 Gew.-% der Zusammensetzung eines Gemischs aus 70 % P-2000 (Propylenglycol und Propylenoxid mit einem Molekulargewicht von 2 000) und 30 % Mobil P51 mit einer Viskosität von 87 x 10-6 m2/s bei 38°C oder ii) 20 Gew.-% eines Gemischs aus 30 % P-2000 und 70 % Mobil P41 mit einer Viskosität von 4 x 10-5 m2/s bei 38°C ist, und
c) die Komponente (A) nicht 1,1,1,2-Tetrafluorethan ist, wenn die Komponente (B) eine Menge ist von i) 9, 12, 17 oder 22 Gew.-% der Zusammensetzung eines Gemischs aus 90 % CP700 (Glycerin und Propylenoxid mit einem Molekulargewicht von 700) und 10 % Mobil P51 mit einer Viskosität von 89 x 10-6 m2/s bei 38°C, ii) 8, 19 oder 29 Gew.-% eines Gemischs aus 75 % EDA511 (Ethylendiamin und Propylenoxid mit einem Molekulargewicht von 511) und 25 % Mobil P41 mit einer Viskosität von 203 x 10-6 m2/s bei 38°C, iii) 9, 11 oder 20 Gew.-% der Zusammensetzung eines Gemischs aus 75 % EDA511 und 25 % Mobil P51 mit einer Viskosität von 245 x 10-6 m2/s bei 38°C oder iv) 18 Gew.-% der Zusammensetzung eines Gemischs aus 70 % CP1406 (Glycerin und Propylenoxid mit einem Molekulargewicht von 1 406) und 30 % Mobil P51 mit einer Viskosität von 78 x 10-6 m2/s bei 38°C."
"13. Flüssige Zusammenfassung umfassend:
(A) 70 bis 99 Gew.-% 1,1,1,2-Tetrafluorethan und
(B) 1 bis 30 Gew.-% eines löslichen organischen Schmiermittels, das mindestens ein Carbonsäureester einer Polyhydroxyverbindung mit 3 bis 10 Hydroxylgruppen ist, der durch die allgemeine Formel
R[OC(O)R1]n (I)
gekennzeichnet ist, in der R ein Kohlenwasserstoffrest mit bis zu 20 Kohlenstoffatomen ist, jeder der Reste R1 unabhängig ein Wasserstoffatom, ein linearer Alkylrest mit 1 bis 5 Kohlenstoffatomen, ein verzweigter Alkylrest mit 5 bis 20 Kohlenstoffatomen oder ein linearer Alkylrest mit 8 bis 22 Kohlenstoffatomen ist, mit der Maßgabe, daß mindestens einer der Reste R1 ein Wasserstoffatom, ein linearer niederer Alkylrest mit 1 bis 5 Kohlenstoffatomen oder ein verzweigter Alkylrest mit 5 bis 20 Kohlenstoffatomen ist und n eine ganze Zahl zwischen 3 und 10 ist, wobei der Kohlenwasserstoffrest Heteroatome enthalten kann
unter der Voraussetzung, daß
a) die Komponente (A) nicht 1,1,1,2-Tetrafluorethan ist, wenn die Komponente (B) eine Menge von i) 25 Gew.-% der Zusammensetzung Mobil P51 (des Pentaerythritoltetraesters eines Gemischs von Alkylcarbonsäuren mit 7 bis 9 Kohlenstoffatomen) mit einer Viskosität von 25 x 10-6 m2/s bei 38°C oder ii) 16 Gew.-% der Zusammensetzung Mobil P41 (Trimethylolpropantriheptanoat) mit einer Viskosität von 15 x 10-6 m2/s bei 38°C ist,
b) die Komponente (A) nicht 1,1,1,2-Tetrafluorethan ist, wenn die Komponente (B) eine Menge von i) 13 Gew.-% der Zusammensetzung eines Gemischs aus 70 % P-2000 (Propylenglycol und Propylenoxid mit einem Molekulargewicht von 2 000) und 30 % Mobil P51 mit einer Viskosität von 87 x 10-6 m2/s bei 38°C oder ii) 20 Gew.-% der Zusammensetzung eines Gemischs aus 30 % P-2000 und 70 % Mobil P41 mit einer Viskosität von 4 x 10-5 m2/s bei 38°C ist, und
c) die Komponente (A) nicht 1,1,1,2-Tetrafluorethan ist, wenn die Komponente (B) eine Menge ist von i) 9, 12, 17 oder 22 Gew.-% der Zusammensetzung eines Gemischs aus 90 % CP700 (Glycerin und Propylenoxid mit einem Molekulargewicht von 700) und 10 % Mobil P51 mit einer Viskosität von 89 x 10-6 m2/s bei 38°C, ii) 8, 19 oder 29 Gew.-% der Zusammensetzung eines Gemischs aus 75 % EDA511 (Ethylendiamin und Propylenoxid mit einem Molekulargewicht von 511) und 25 % Mobil P41 mit einer Viskosität von 203 x 10-6 m2/s bei 38°C, iii) 9, 11 oder 20 Gew.-% der Zusammensetzung eines Gemischs aus 75 % EDA511 und 25 % Mobil P51 mit einer Viskosität von 245 x 10-6 m2/s bei 38°C oder iv) 18 Gew.-% der Zusammensetzung eines Gemischs aus 70 % CP1406 (Glycerin und Propylenoxid mit einem Molekulargewicht von 1 406) und 30 % Mobil P51 mit einer Viskosität von 78 x 10-6 m2/s bei 38°C."
III. Die mündliche Verhandlung fand am 12. September 2002 statt.
IV. Die Beschwerdegegnerinnen erhoben Einwand wegen mangelnder Klarheit der Ansprüche, da im Streitpatent nicht angegeben sei, wie die in den Disclaimern genannten Viskositätswerte gemessen worden seien, und der Schutzumfang der Ansprüche wegen der in den Disclaimern verwendeten Handelsbezeichnungen nicht eindeutig definiert werden könne.
Sie brachten ferner vor, daß der beanspruchte Gegenstand nicht neu gegenüber den Entgegenhaltungen (5) und (30) sei, da es eine breite Überlappung mit den darin beschriebenen Estern gebe, weil die beanspruchten Zusammensetzungen durch die kombinierte Lehre der Ansprüche 4, 5, 7 und 8 der Entgegenhaltung (5) offenbart würden und in der Entgegenhaltung (5) Zusammensetzungen offenbart seien, die 1,1,1,2-Tetrafluorethan und eine kleinere Menge Pentaerythritoltetraheptanoat enthalten. Diesbezüglich argumentierten die Beschwerdegegnerinnen, daß der Ausschluß bestimmter Beispiele der Entgegenhaltung (5) durch Disclaimer nicht ausreiche, um ihren gesamten Offenbarungsgehalt auszuklammern.
Des weiteren wurde die Neuheit des beanspruchten Gegenstands gegenüber der Entgegenhaltung
(2) US-A-2 807 155
in Kombination mit der Entgegenhaltung
(3) US Reissue-Patent 19 265,
auf die in der Entgegenhaltung (2) Bezug genommen wird, angefochten.
Außerdem wurde die Zulässigkeit des Disclaimers im Lichte der Entscheidung T 323/97 vom 17. September 2001 (ABl. EPA 2002, 476) in Frage gestellt.
V. Die Beschwerdeführerin argumentierte, daß die Ansprüche 4, 5, 7 und 8 der Entgegenhaltung (5) nicht voneinander abhängig seien und ihr Gegenstand daher nicht verknüpft werden dürfe, um die Neuheit anzufechten. Sie berief sich ferner darauf, daß der in den Entgegenhaltungen (5) und (30) offenbarte Gegenstand durch die Disclaimer a), b) und c) ausdrücklich ausgeklammert sei.
Die Beschwerdeführerin legte außerdem in Kopie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 2002 in der Sache T 507/99 vor, aus der hervorgeht, daß die Kammer 3.3.5 der Großen Beschwerdekammer eine Frage zur Zulässigkeit von Disclaimern vorlegen werde.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage des Hauptantrags des mit Schreiben vom 7. August 2002 eingereichten Anspruchssatzes B an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Die Beschwerdegegnerinnen beantragten, die Beschwerde zurückzuweisen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2.1 Änderungen, Disclaimer und Artikel 123 (2) EPÜ
2.1.1 Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern kann es in Ausnahmefällen zulässig und mit Artikel 123 (2) EPÜ vereinbar sein, eine spezifische Offenbarung im Stand der Technik von der in einem bestimmten Anspruch beanspruchten Erfindung durch Aufnahme eines Disclaimers in diesen Anspruch auszuklammern, selbst wenn sich in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung keine Grundlage dafür findet, und zwar unter folgenden Voraussetzungen:
1) Ohne den Disclaimer wäre das Dokument des Stands der Technik neuheitsschädlich für den Anspruch (s. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 4. Aufl. 2001, III.A 1.6.3 und insbesondere die dort angeführte Entscheidung T 1071/97 vom 17. August 2000, Nr. 3.2 der Entscheidungsgründe sowie die Entscheidungen T 934/97, Nr. 2.3 der Entscheidungsgründe und T 25/99 vom 15. Mai 2002, Nr. 2.3 der Entscheidungsgründe).
2) Der Wortlaut des Disclaimers basierte klar und eindeutig auf der Offenbarung im Dokument des Stands der Technik (s. beispielsweise die oben erwähnte Entscheidung T 1071/97).
3) Die Offenbarung im Stand der Technik war zufällig in dem Sinn, daß nach der Aufnahme des Disclaimers der für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit relevante Stand der Technik bedeutungslos wird (s. beispielsweise die Entscheidungen T 170/87, ABl. EPA 1989, 441, Nr. 8.4.4 der Entscheidungsgründe und T 863/96 vom 4. Februar 1999, Nr. 3.2 der Entscheidungsgründe).
4) Durch den Disclaimer wurde kein Merkmal hinzugefügt, das einen technischen Beitrag zum beanspruchten Gegenstand leistet und dem Patentinhaber zu einem ungerechtfertigten Vorteil verhilft, indem es z. B. zu einer erfinderischen Auswahl führt (s. beispielsweise die Entscheidung T 25/99 und insbesondere G 1/93, ABl. EPA 1994, 541).
2.1.2 Disclaimer sind im Europäischen Patentübereinkommen nicht erwähnt, weder in den Artikeln noch in den Regeln. Das Übereinkommen wurde jedoch nicht als starres Regelwerk konzipiert; es sollte vielmehr dem Europäischen Patentamt überlassen bleiben, in Einklang mit dem Europäischen Patentübereinkommen und seiner Auslegung durch die Beschwerdekammern eine eigene Praxis zu entwickeln. Daß die ständige Rechtsprechung, der zufolge Disclaimer zum Ausschluß spezifischer Offenbarungen im Stand der Technik unter den obigen eng definierten besonderen Umständen zugelassen werden, im Einklang mit Artikel 123 (2) EPÜ steht, wurde von der Großen Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung G 1/93 anerkannt, wo es unter den Nummern 16 und 17 der Entscheidungsgründe heißt:
"16. Es hängt von den Umständen ab, ob die Hinzufügung eines nicht offenbarten Merkmals, das den Schutzbereich des Patents in der erteilten Fassung einschränkt, dem Zweck des Artikels 123 (2) EPÜ zuwiderläuft, der verhindern soll, daß ein Anmelder für etwas Patentschutz erhält, das er am Tag der Anmeldung nicht ordnungsgemäß offenbart und vielleicht noch nicht einmal erfunden hatte, und sich dadurch einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft. Ist davon auszugehen, daß ein solches hinzugefügtes Merkmal zwar den Schutzbereich des Patents einschränkt, aber einen technischen Beitrag zum Gegenstand der beanspruchten Erfindung leistet, so würde es dem Patentinhaber nach Auffassung der Großen Beschwerdekammer zu einem ungerechtfertigten Vorteil verhelfen und damit dem vorstehend genannten Zweck zuwiderlaufen. Daher wäre ein solches Merkmal eine Erweiterung im Sinne dieser Bestimmung. Ein typisches Beispiel hierfür dürfte der Fall sein, daß das beschränkende Merkmal zu einer erfinderischen Auswahl führt, die in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht offenbart ist und sich auch sonst nicht daraus ableiten läßt. Schließt das betreffende Merkmal hingegen lediglich den Schutz für einen Teil des Gegenstands der beanspruchten Erfindung gemäß der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung aus, so kann man vernünftigerweise nicht unterstellen, daß seine Hinzufügung dem Anmelder zu einem ungerechtfertigten Vorteil verhilft. Sie beeinträchtigt auch nicht die Interessen Dritter (vgl. Nr. 12). Nach Auffassung der Großen Beschwerdekammer ist ein solches Merkmal bei richtiger Auslegung des Artikels 123 (2) EPÜ deshalb nicht als Gegenstand zu betrachten, der im Sinne dieser Bestimmung über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Folglich kann ein Patent, das ein solches Merkmal in den Ansprüchen enthält, aufrechterhalten werden, ohne daß gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen oder Anlaß für einen Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ gegeben wird. Da das Merkmal in den Ansprüchen beibehalten wird, kann auch kein Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ vorliegen.
17. Ob ein beschränkendes Merkmal als Erweiterung im Sinne des Artikels 123 (2) EPÜ zu betrachten ist, kann natürlich nur nach der Sachlage im Einzelfall entschieden werden."
2.1.3 Diese Kammer schließt sich der ständigen Rechtsprechung in der unter Nummer 2.1.1 dargelegten Form an und hält diese für die angemessene und im vorliegenden Fall zugrundezulegende Auslegung des EPÜ. Die Ausnahmen a), b) und c) im Anspruch 1 sind hier Disclaimer, die spezifische Gegenstände aus dem Schutzbereich ausklammern sollen, die in der Entgegenhaltung (5) offenbart sind, welche lediglich zum Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (3) EPÜ gehört und gemäß Artikel 56 EPÜ zweiter Satz bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht zu ziehen ist. Gerade bei Dokumenten des Stands der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ muß der Anmelder nach Auffassung der Kammer die Möglichkeit haben, die Neuheit des von ihm beanspruchten Gegenstands durch die Aufnahme eines Disclaimers wiederherzustellen, der sich lediglich auf das Dokument des Stands der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ und nicht auf den ursprünglichen Offenbarungsgehalt seiner Anmeldung stützt. Der spätere Anmelder kennt im Normalfall die als Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ geltende frühere Anmeldung nicht, so daß von ihm nicht erwartet werden kann, daß er seine Anmeldung angemessen gegenüber einem solchen unbekannten als Stand der Technik geltenden Dokument abgrenzt. Wäre der spätere Anmelder gezwungen, sich bei der Abgrenzung gegenüber diesem als Stand der Technik geltenden Dokument auf den Offenbarungsgehalt seiner Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung zu beschränken, so würde das bedeuten, daß er unter Umständen Teile seines ursprünglichen Erfindungsgegenstands nicht beanspruchen kann, obwohl sie gegenüber den als Stand der Technik geltenden Dokumenten neu waren. Disclaimer mögen ein etwas konstruierter Rechtsbehelf sein, doch sie sind offenbar die einzig befriedigende Lösung für das künstliche Problem, das durch die Bestimmungen nach Artikel 54 (3) und (4) EPÜ geschaffen wird, die festlegen, was als Stand der Technik gilt.
2.1.4 Wie bereits in der Entscheidung T 351/98 vom 15. Januar 2002 unter Nummer 45 der Entscheidungsgründe ausgeführt, würde ein zu striktes Beharren auf einer genauen Grundlage in der ursprünglichen Offenbarung im Sinne des Artikels 123 (2) EPÜ, also praktisch ein Verbot sämtlicher allein auf den Stand der Technik gestützter Disclaimer, dazu führen, daß die Bestimmungen zu den als Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ geltenden Veröffentlichungen auf Gegenstände ausgedehnt würden, die in früheren Anmeldungen nicht offenbart waren. Dies scheint nicht im Einklang mit der ausdrücklichen Absicht des Gesetzgebers zu stehen. Die Zulassung von Disclaimern ist in dieser Situation ein ausgewogenerer Kompromiß zwischen den Erfordernissen der Artikel 54 (3) und (4) und 56 EPÜ auf der einen und denen des Artikels 123 (2) EPÜ auf der anderen Seite.
2.2 Vorlage einer Frage an die Große Beschwerdekammer
2.2.1 Die Beschwerdegegnerinnen haben in Anbetracht der Entscheidung T 323/97 die Zulässigkeit der Disclaimer a), b) und c) in Frage gestellt. Leider wird nicht ganz klar, welchen rechtlichen Standpunkt die Kammer in dieser Entscheidung vertritt. Ausgehend vom Sachverhalt, den sie in diesem Fall zu berücksichtigen hatte, war der Stand der Technik, aus dem der Disclaimer herleitbar war, nicht neuheitsschädlich (s. T 323/97, Nr. 2.1 der Entscheidungsgründe) und schied damit nicht aus dem bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigenden Stand der Technik aus. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammern ist ein auf einen solchen Stand der Technik gestützter Disclaimer nicht zulässig (vgl. Nr. 2.1.1). Diese Kammer stimmt der Entscheidung T 323/97 insoweit zu, als diese lediglich darauf abhob, daß ein nur auf einen Stand der Technik gestützter Disclaimer unzulässig ist, wenn dieser Stand der Technik nicht neuheitsschädlich ist und/oder auch noch bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in Betracht zu ziehen ist; für den vorliegenden Fall ist die Entscheidung aber bedeutungslos.
2.2.2 Nummer 2.4 der Entscheidungsgründe in T 323/97 könnte jedoch auch so zu verstehen sein, daß darin die allgemeinere Rechtsauffassung vertreten wird, daß ausschließlich auf den Stand der Technik gestützte Disclaimer in jedem Fall gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen. Ein solch generelles Verbot scheint aber in direktem Widerspruch zu der Entscheidung G 1/93 der Großen Beschwerdekammer (s. die oben zitierten Nrn. 16 und 17 der Entscheidungsgründe) zu stehen, in der diese ganz klar die Möglichkeit vorsah, daß manche Beschränkungen von Ansprüchen, die sich nicht auf den Offenbarungsgehalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung stützen, dennoch nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen.
2.2.3 Die Kammer im Fall T 323/97 sieht in der Stellungnahme G 2/98 der Großen Beschwerdekammer (ABl. EPA 2001, 413) eine Stütze für ihre Auffassung des Begriffs "derselben Erfindung" für die Zwecke der Anerkennung einer Priorität nach Artikel 87 EPÜ. Diese Kammer kann jedoch in der Stellungnahme G 2/98 keine entsprechende Bestätigung erkennen. Dort heißt es unter Nummer 10:
"10. In der Entscheidung G 1/93 "Beschränkendes Merkmal/ADVANCED SEMICONDUCTOR PRODUCTS" (ABl. EPA 1994, 541), in der es um die kollidierenden Erfordernisse von Artikel 123 (2) und (3) EPÜ geht, wird unterschieden zwischen Merkmalen, die einen technischen Beitrag zum Gegenstand der beanspruchten Erfindung leisten, und Merkmalen, die - ohne einen solchen Beitrag zu leisten - lediglich einen Teil des Gegenstands der in der ursprünglichen Anmeldung beanspruchten Erfindung vom Schutz ausschließen. Somit betrifft die Entscheidung G 1/93 einen völlig anderen rechtlichen Sachverhalt."
2.2.4 Die Aussage der Entscheidung G 1/93 wird in der Stellungnahme G 2/98 offensichtlich nicht in Zweifel gezogen, da letztere - wie dort selbst festgestellt wird - einen völlig anderen rechtlichen Sachverhalt betrifft. Obwohl es in G 1/93 vorrangig um eine mögliche Kollision zwischen den Bestimmungen der Absätze 2 und 3 des Artikels 123 EPÜ ging, enthält die Entscheidung dennoch Aussagen (s. die oben zitierten Nrn. 16 und 17 der Entscheidungsgründe) zu aus der ursprünglichen Anmeldung nicht herleitbaren Disclaimern, wohingegen der Stellungnahme G 2/98 ein anderer rechtlicher Sachverhalt zugrunde lag. Es bedarf einer gewagten Verallgemeinerung der Stellungnahme G 2/98, um sie im Hinblick auf Disclaimer für relevant zu erachten und erst recht für relevanter als die Entscheidung G 1/93; diese Kammer ist nicht überzeugt, daß eine solche Auslegung korrekt ist.
2.2.5 Ferner geht die Entscheidung T 323/97 nicht auf Disclaimer ein, die sich auf einen Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ stützen, wodurch jegliche Aussagekraft, die ihr möglicherweise zukommt, noch weiter geschmälert wird. Diese Kammer sieht in der Existenz dieser Entscheidung keinen Grund, die Angemessenheit und Richtigkeit der unter Nummer 2.1.1 dargelegten ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern in Zweifel zu ziehen, deren Anwendbarkeit, wie die Große Beschwerdekammer in G 1/93 festgestellt hat, je nach der Sachlage im Einzelfall zu entscheiden ist. Ein generelles Verbot von Disclaimern wäre nicht billig gegenüber Anmeldern, die sich mit einem Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ konfrontiert sehen. Da sich in der von der Großen Beschwerdekammer gebilligten ständigen Rechtsprechung der Kammern bereits eine klare Antwort auf diese Frage findet, sieht diese Kammer keine Veranlassung, die Große Beschwerdekammer mit der Angelegenheit zu befassen.
2.2.6 Selbst wenn diese Kammer für eine Abkehr von der ständigen Rechtsprechung zu Disclaimern wäre - was sie nicht ist -, hielte sie es für angebrachter, wenn der Gesetzgeber eine solche Abkehr initiierte, da er dann auch regeln könnte, wie im Fall der zahlreichen bestehenden Patente zu verfahren ist, die mit ausschließlich aus dem Stand der Technik herleitbaren Disclaimern gewährt wurden. Um eine längere Phase der Rechtsunsicherheit zu vermeiden, scheint schon die Tatsache an sich, daß es eine Entscheidungspraxis zu dieser Frage gibt, Grund genug zu sein, eine Änderung nur durch den Gesetzgeber anzustreben.
2.2.7 Mehrere, aber nicht alle Beteiligten an diesem Verfahren sprachen sich für die Vorlage einer Rechtsfrage zu Disclaimern an die Große Beschwerdekammer aus. Sie lieferten jedoch weder eine Formulierung für eine solche Frage noch eine Begründung, warum ihre Vorlage nach Artikel 112 EPÜ notwendig sei, geschweige denn eine Analyse der diesbezüglichen Rechtslage.
Auch sonst spricht im jetzigen Verfahrensstadium nichts dafür, die Große Beschwerdekammer mit einer Rechtsfrage zu Disclaimern zu befassen.
2.2.8 Die Beteiligten verwiesen die Kammer auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung in der Sache T 507/99, die vor einer anderen Kammer anhängig ist; dort heißt es: "Die Kammer wird der Großen Beschwerdekammer eine Rechtsfrage zur Zulässigkeit von Disclaimern vorlegen." Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dieser Kammer war im Fall T 507/99 noch keine Entscheidung ergangen, so daß weder der Wortlaut der Vorlagefrage noch die Haltung der zuständigen Kammer bekannt waren. Da die Auffassung dieser Kammer mit der ständigen Rechtsprechung in Einklang steht, sieht sie sich durch diese noch anhängige Sache nicht veranlaßt, ihrerseits die Große Beschwerdekammer mit einer Rechtsfrage zu befassen oder das Verfahren zumindest solange auszusetzen, bis der Wortlaut einer solchen Vorlagefrage feststeht.
3. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag des Anspruchssatzes B
3.1 Klarheit 3.1.1 Die Beschwerdegegnerinnen vertraten die Auffassung, daß Anspruch 1 wegen der verwendeten Handelsbezeichnungen und der angegebenen Viskositätswerte das Erfordernis der Klarheit nach Artikel 84 EPÜ nicht erfülle.
Insbesondere brachten die Beschwerdegegnerinnen vor, daß die Kenntnis des zur Ermittlung der Viskositätswerte eingesetzten Meßverfahrens entscheidend sei, um beurteilen zu können, ob eine bestimmte vorbeschriebene Zusammensetzung in den Bereich des jeweiligen Disclaimers falle. Da das Streitpatent keine Angabe dazu enthalte, wie die Viskosität der durch die Disclaimer ausgeklammerten Zusammensetzungen gemessen worden sei, lasse sich nach Meinung der Beschwerdegegnerinnen der Schutzumfang des beanspruchten Gegenstands nicht abgrenzen.
3.1.2 Diese Viskositätsdaten entsprechen denen, die in der Entgegenhaltung (5) für die Kontrollversuche A, B, I und J sowie die Beispiele 1 bis 11 angegeben sind. Obwohl der Entgegenhaltung (5) nicht zu entnehmen ist, wie die Viskositäten in SI-Einheiten ermittelt wurden, ist die Kammer nicht von der Stichhaltigkeit des Einwands der Beschwerdegegnerinnen überzeugt, denn es blieb unbestritten, daß es sich dabei um in der internationalen Praxis anerkannte Einheiten handelt. Mehr ist in Regel 35 (12) EPÜ nicht gefordert. Zudem blieben die Beschwerdegegnerinnen in der mündlichen Verhandlung den Beweis schuldig, daß der Fachmann mangels einer Angabe, wie die Viskositäten zu messen sind, außerstande ist zu bestimmen, welche Zusammensetzungen ausgeklammert sind und welche nicht. Da es dem jeweiligen Beteiligten obliegt, die Richtigkeit einer von ihm aufgestellten Behauptung zu belegen, ist die Kammer der Auffassung, daß eine solche nicht näher begründete Behauptung nicht zu berücksichtigen ist. In bezug auf die Viskositätsdaten ist der Einwand der mangelnden Klarheit daher zurückzuweisen.
3.1.3 Unter Berufung auf die Entscheidung T 480/98 machten die Beschwerdegegnerinnen ferner geltend, daß die Verwendung von Handelsbezeichnungen im Wortlaut eines Anspruchs unzulässig sei, da er dadurch unklar werde. Insbesondere argumentierten sie, daß Mobil P51 am Anmeldetag des Streitpatents in zwei unterschiedlichen Formen im Handel erhältlich gewesen und der Begriff "Mobil P51" somit nicht eindeutig sei.
3.1.4 Im konkreten Fall der Entscheidung T 480/98 hatte die zuständige Kammer jedoch befunden, daß die verwendete Handelsbezeichnung keine eindeutige technische Bedeutung habe und nicht klar sei, inwieweit sich einige der ausschließlich durch die Handelsbezeichnung definierten Stoffe von anderen Stoffen unterschieden. Da die Handelsbezeichnung somit keine zweifelsfrei klare technische Bedeutung hatte, gelangte die betreffende Kammer zu dem Schluß, daß die Verwendung der Handelsbezeichnung in einem Anspruch unzulässig sei.
Im vorliegenden Fall sind die durch den Disclaimer a) ausgeklammerten Zusammensetzungen nicht nur durch die konkreten Handelsbezeichnungen Mobil P51 und Mobil P41 definiert, sondern auch durch die chemische Natur der darin enthaltenen Ester und die Viskositätsdaten. In den Disclaimern b) und c) sind die ausgenommenen Zusammensetzungen nicht nur durch die konkreten Handelsbezeichnungen Mobil P51 und Mobil P41 und damit implizit durch die chemische Natur der darin enthaltenen Ester und die Viskositätsdaten charakterisiert, sondern auch durch die chemische Natur der als P-2000, CP700, EDA511 und CP1406 bezeichneten Erzeugnisse und die resultierende Viskosität der Gemische von Mobil P51 bzw. Mobil P41 mit P-2000, CP700, EDA511 oder CP1406.
Somit sind die durch die Disclaimer ausgenommenen Zusammensetzungen nicht nur durch ihre Handelsbezeichnungen definiert, sondern zusätzlich noch durch ihre chemische Natur und ihre Viskosität. Indem insbesondere definiert wird, welche der beiden Formen von Mobil P51 durch den Disclaimer ausgeklammert werden soll, nämlich die in der Entgegenhaltung (5) genannte, sind die zugehörigen Angaben zur chemischen Natur und zur Viskosität im Zusammenhang mit der Handelsbezeichnung Mobil P51 zu sehen, so daß die in der Entgegenhaltung (5) offenbarten Zusammensetzungen eindeutig definiert sind.
Die vorliegende Sache ist also nicht mit T 480/98 vergleichbar, sondern eher mit T 623/91, wo die zuständige Kammer zu dem Schluß kam, daß eine Handelsbezeichnung bei der Sachlage in diesem konkreten Fall die Klarheit nicht beeinträchtige. Die Frage, ob Handelsbezeichnungen im Wortlaut eines Anspruchs zulässig sind, kann nur im Einzelfall beantwortet werden.
3.2 Neuheit
3.2.1 In der Entgegenhaltung (5), die unbestritten zum Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ gehörte, sind Schmiermittelzusammensetzungen beschrieben, die mit Fluorkohlenwasserstoff- und Chlorfluorkohlenwasserstoff- Kältemitteln mischbar sind und aus einem Polyetherpolyol und einem durch Veresterung von mehrwertigen Alkoholen mit Alkylcarbonsäuren oder von Alkyldicarbonsäuren mit Alkanolen gewonnenen Ester bestehen (s. Seite 2, Zeilen 32 bis 51).
Mit den Kontrollversuchen A, B, I und J in Tabelle I und den Beispielen 1 bis 11 in Tabelle II sind unbestreitbar Gemische von 1,1,1,2-Tetrafluorethan mit bestimmten Schmiermitteln offenbart, die in den allgemeinen Schutzumfang des Anspruchs 1 fallen, aber durch die Disclaimer a), b) und c) ausdrücklich ausgenommen sind, wie weiter oben ausführlich erläutert. Auf der Grundlage dieser konkreten im Stand der Technik offenbarten Zusammensetzungen ist somit kein Neuheitsangriff möglich.
3.2.1.1 Die Beschwerdegegnerinnen brachten vor, daß bei der Beurteilung der Neuheit die Ansprüche 4, 5, 7 und 8 der Entgegenhaltung (5) in Verbindung miteinander zu betrachten seien und die kombinierte Lehre dieser Ansprüche Zusammensetzungen offenbare, die eine größere Menge 1,1,1,2-Tetrafluorethan (in Anspruch 7 ausdrücklich erwähnt) und eine kleinere Menge eines Pentaerythritoltetraesters eines Gemischs aus Alkylcarbonsäuren mit 7 bis 9 Kohlenstoffatomen (in Anspruch 8 ausdrücklich erwähnt) enthielten.
Entsprechend der ständigen Rechtsprechung umfaßt der Offenbarungsgehalt einer Patentschrift jedoch nicht die Kombination von Einzelmerkmalen, die in separaten abhängigen Ansprüchen beansprucht werden, es sei denn, ihre Kombination findet eine Stütze in der Beschreibung (s. T 42/92, Nr. 3.4 der Entscheidungsgründe).
Im vorliegenden Fall hängen Anspruch 7 und 8 jeweils von Anspruch 4 ab, nehmen aber in keiner Weise Bezug aufeinander, und in der Beschreibung findet sich auf Seite 3, Zeilen 31 bis 33 lediglich ein allgemeiner Hinweis, daß ein Pentaerythritoltetraester eines Gemischs aus Alkylcarbonsäuren mit 7 bis 9 Kohlenstoffatomen zu bevorzugen ist, ohne daß angegeben wäre, ob ein solcher Ester als Schmiermittel für Fluorkohlenwasserstoff- oder für Chlorfluorkohlenwasserstoff- Kältemittel geeignet ist. Da also eine Kombination des Gegenstands des Anspruchs 7 mit dem des Anspruchs 8 keine Stütze in der Beschreibung findet, kann keine der im vorliegenden Fall beanspruchten Zusammensetzungen als in den Ansprüchen 4, 5, 7 und 8 offenbart gelten.
3.2.1.2 Die Beschwerdegegnerinnen argumentierten ferner, daß aus der allgemeinen Lehre auf Seite 2, Zeilen 32 bis 51 der Entgegenhaltung (5) eindeutig hervorgehe, daß jeder durch Veresterung von mehrwertigen Alkoholen mit Alkylcarbonsäuren oder von Alkyldicarbonsäuren mit Alkanolen gewonnene Ester als Schmiermittel für Fluorkohlenwasserstoff-Kältemittel geeignet sei. Da es eine klare Überlappung zwischen den auf Seite 2, Zeile 52 bis Seite 3, Zeile 2 genannten Estern mit jenen der Formel (I) im vorliegenden Anspruch 1 gebe und Trimethylolpropantriheptanoat und Pentaerythritoltetraheptanoat dort ausdrücklich erwähnt seien, sei der vorliegende Anspruch 1 nicht neu.
Nach Auffassung der Kammer muß die Überlappung zwischen den Offenbarungen, um neuheitsschädlich zu sein, das Ergebnis einer Überschneidung desselben Erfindungsgegenstands sein; eine rein hypothetische oder virtuelle Überlappung in dem Sinn, daß eine spezifische Offenbarung lediglich in einer anderen, breiteren Offenbarung enthalten oder durch diese abgedeckt ist, reicht nicht aus. Im vorliegenden Fall ist es daher für die Beurteilung der Neuheit unerheblich, ob es eine hypothetische oder virtuelle Überlappung zwischen der allgemeinen Beschreibung der in der Entgegenhaltung (5) offenbarten Ester und jenen der Formel (I) gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 gibt. Anders ausgedrückt: Die Lehre der Entgegenhaltung (5) wäre nur dann neuheitsschädlich, wenn sämtliche Merkmale in der beanspruchten Kombination unmittelbar und eindeutig aus ihr hervorgingen.
Um jedoch zu den beanspruchten Zusammensetzungen zu gelangen, müssen mehrere unabhängige Entscheidungen zwischen voneinander unabhängigen Möglichkeiten getroffen werden, denn i) aus Fluorkohlenwasserstoffen und Chlorfluorkohlenwasserstoffen ist ein Fluor enthaltender Kohlenwasserstoff mit 1 oder 2 Kohlenstoffatomen auszuwählen, der als einziges Halogen Fluor enthält (vgl. Entgegenhaltung (5), Seite 2, Zeilen 32 und 33), und ii) es ist ein durch Veresterung von mehrwertigen Alkoholen mit Alkylcarbonsäuren mit 4 bis 18 Kohlenstoffatomen gewonnener Ester auszuwählen (s. Entgegenhaltung (5), Seite 2, Zeile 55 bis Seite 3, Zeile 1) und aus der Gruppe dieser in Frage kommenden Ester sind wiederum jene auszuwählen, die das Erfordernis erfüllen, wonach mindestens einer der Reste R1 ein Wasserstoffatom, ein linearer niederer Kohlenwasserstoffrest mit bis zu 7 Kohlenstoffatomen oder ein verzweigter Kohlenwasserstoffrest mit bis zu 20 Kohlenstoffatomen oder ein eine Carbonsäure oder einen Carbonsäureester enthaltender Kohlenwasserstoffrest ist.
Aus diesen Gründen läßt sich die beanspruchte Kombination nicht unmittelbar und eindeutig aus dem allgemeinen Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung (5) ableiten.
3.2.1.3 Mit Bezug auf den in T 188/83 (ABl. EPA 1984, 555) formulierten Grundsatz machten die Beschwerdegegnerinnen ferner geltend, daß Anspruch 1 nicht dadurch neu werde, daß nur die konkret angeführten Stoffgemische durch Disclaimer ausgenommen würden.
In dem der Entscheidung T 188/83 zugrunde liegenden Fall war das beanspruchte chemische Herstellungsverfahren jedoch in allen Merkmalen bis auf die Wahl eines engeren Bereichs für ein Merkmal mit dem in einem Dokument des Stands der Technik beschriebenen Verfahren identisch. Da in dem Dokument des Stands der Technik mehrere in diesen engeren Bereich fallende Verfahren als Beispiele angeführt waren, kam die zuständige Kammer zu dem Schluß, daß dadurch die Neuheit des neu beanspruchten Bereichs zerstört sei.
Dieser Fall ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, in dem sich die beanspruchten Zusammensetzungen nicht nur durch die Wahl eines engeren Bereichs für ein Merkmal unterscheiden, sondern zudem ausgehend von der Entgegenhaltung (5) noch mehrere unabhängige Auswahlentscheidungen zu treffen sind, um zu den beanspruchten Zusammensetzungen zu gelangen (s. Nr. 3.2.1.2). Da sich die beanspruchten Zusammensetzungen in ihrer allgemeinen Definition nicht unmittelbar und eindeutig aus der allgemeinen Lehre der Entgegenhaltung (5) ableiten lassen, kann die Neuheit des Anspruchs 1 gegenüber dieser Lehre hergestellt werden, indem lediglich die konkret als Beispiele angeführten Zusammensetzungen durch Disclaimer ausgenommen werden.
Somit wird im vorliegenden Fall der Anspruch 1 durch die Ausklammerung bestimmter Zusammensetzungen, die in der Entgegenhaltung (5) als Kontrollversuche A, B, I und J in Tabelle I und Beispiele 1 bis 11 in Tabelle II definiert sind, neu gegenüber dem Offenbarungsgehalt dieser Entgegenhaltung.
3.2.2 In der Entgegenhaltung (30), die ebenso unbestritten zum Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ gehört, sind die Schmieröle I bis VI beschrieben, die mit Wasserstoff und Fluor enthaltenden Kohlenwasserstoffen kompatibel sind, wie z. B. 1,1,1,2-Tetrafluorethan, 1,1-Dichlor-2,2,2-trifluorethan, 1-Chlor- 1,1-difluorethan, 1,1-Difluorethan, Chlordifluormethan und Trifluormethan (s. Seite 2, Zeilen 6 bis 12, Seite 3, Zeile 49 und Seite 15, Zeilen 15 bis 19).
3.2.2.1 Obwohl unbestritten war, daß eine beanspruchte Zusammensetzung in keinem dieser Beispiele konkret beschrieben wurde, brachten die Beschwerdegegnerinnen vor, daß die Entgegenhaltung (30) dennoch neuheitsschädlich für den Anspruch 1 sei, weil einige der Schmieröle I bis VI Carbonsäureester der Formel (I) gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 enthielten und beispielsweise aus dem Wortlaut auf Seite 3, Zeilen 39 bis 41, klar hervorgehe, daß jedes der dort beschriebenen Schmieröle mit Wasserstoff enthaltenden Flon-Verbindungen, wie z. B. 1,1,1,2- Tetrafluorethan, kombiniert werden könne.
Die Beschwerdegegnerinnen machten insbesondere geltend, daß sich beanspruchte Zusammensetzungen unmittelbar und eindeutig aus dem Wortlaut auf Seite 14, Zeilen 37 bis 39 ableiten ließen, wo Trimethylolpropancapronsäureester, Pentaerythritolpropionsäureester, Pentaerythritolcapronsäureester und Trimethylolpropanadipinsäureester als geeignete Bestandteile des Schmieröls VI ausdrücklich beschrieben seien.
3.2.2.2 Auf Seite 15, Zeilen 15 bis 20 wird jedoch festgestellt, daß die Schmieröle eine gute Kompatibilität mit Wasserstoff enthaltenden Flon-Verbindungen (Wasserstoff enthaltenden Fluoralkanen) aufweisen, wobei neben Kohlenwasserstoffen, die als einziges Halogen Fluor enthalten, auch solche als Beispiele angeführt sind, die zusätzlich zu Fluor auch Chlor enthalten. Somit ist der Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung (30) nicht auf Schmieröle beschränkt, die für Wasserstoff enthaltende Flon- Verbindungen mit Fluor als einzigem Halogen geeignet sind.
Überdies bedurfte es, um zu der Zusammensetzung nach Anspruch 1 zu gelangen, mehrerer Auswahlentscheidungen, denn i) aus den Fluor enthaltenden Kohlenwasserstoffen mußten solche ausgewählt werden, die als einziges Halogen Fluor enthalten, ii) aus den sechs allgemein definierten Klassen geeigneter Schmieröle mußte das Öl VI ausgewählt werden und iii) aus der allgemein definierten Klasse von Ölen VI mußten wiederum jene ausgewählt werden, die die auf Seite 14, Zeilen 37 bis 39 beschriebenen Ester enthalten.
Da also eine Reihe unabhängiger Auswahlentscheidungen zwischen voneinander unabhängigen Möglichkeiten zu treffen war, ist die beanspruchte Zusammensetzung nicht unmittelbar und eindeutig aus der von den Beschwerdegegnerinnen angezogenen Offenbarung ableitbar.
In diesem Zusammenhang beriefen sich die Beschwerdegegnerinnen auf die in der Entscheidung T 12/90 dargelegten Grundsätze. Dort ging es jedoch im wesentlichen darum, daß die vollständige sich mit den Ansprüchen überschneidende Lehre ausgenommen werden mußte, da die konkrete Kombination von Substituenten, so wie sie in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Anspruch definiert war, in einem Dokument des Stands der Technik offenbart war. Da im vorliegenden Fall die beanspruchten Zusammensetzungen nicht unmittelbar und eindeutig aus der Entgegenhaltung (30) ableitbar sind, ist die in T 12/90 entschiedene Sache mit der vorliegenden nicht vergleichbar.
3.2.2.3 Die Beschwerdegegnerinnen argumentierten ferner, daß die Ester der Formel (I) gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 durch die auf Seite 3, Zeile 54 bis Seite 4, Zeile 2 beschriebenen Polyoxyalkylenglycol-Derivate der Formel (I) im Schmieröl I in Verbindung mit den auf Seite 7, Zeilen 6 bis 9 beschriebenen Polyoxyalkylenglycol-Derivaten der Formel (C2) sowie durch die auf Seite 12, Zeile 51 bis Seite 13, Zeile 45 beschriebenen Polyoxyalkylenglycol-Derivate der Formel (IX) oder (X) offenbart würden.
Aus den bereits unter Nummer 3.2.1.2 genannten Gründen sind jedoch die Ester nach dem vorliegenden Anspruch 1, bei denen mindestens eine R1-Gruppe ein Wasserstoffatom, ein linearer niederer Kohlenwasserstoffrest mit bis zu 7 Kohlenstoffatomen oder ein verzweigter Kohlenwasserstoffrest mit bis zu 20 Kohlenstoffatomen oder ein eine Carbonsäure oder einen Carbonsäureester enthaltender Kohlenwasserstoffrest ist, daraus nicht unmittelbar und eindeutig ableitbar.
Die beanspruchte Kombination geht somit nicht unmittelbar und eindeutig aus dem Offenbarungsgehalt der von den Beschwerdegegnerinnen angezogenen Entgegenhaltung (30) hervor.
3.2.3 Entgegenhaltung (2) beschreibt eine Arbeitsflüssigkeit für eine Kühlanlage, die als Kältemittel einen fluorhalogensubstituierten aliphatischen Kohlenwasserstoff und ein Schmiermittel enthält, das einen organischen Säureester von Pentaerythritol umfaßt (s. Spalte 1, Zeilen 37 bis 43). Außerdem ist in Spalte 2, Zeilen 23 bis 29 angegeben, daß das Kältemittel vorzugsweise ein Fluorhalogenderivat eines aliphatischen Kohlenwasserstoffs der in Entgegenhaltung (3) offenbarten Art enthält, wie z. B. Trichlorfluormethan, Dichlordifluormethan und Difluormonochlorethan.
Bei den im vorliegenden Fall beanspruchten Zusammensetzungen ist Fluor hingegen das einzige Halogen in dem Fluor enthaltenden Kohlenwasserstoff.
Nichtsdestotrotz waren die Beschwerdegegnerinnen der Auffassung, daß die beanspruchten Zusammensetzungen durch die Entgegenhaltung (2) offenbart seien, da sowohl die Ester als auch die Fluor enthaltenden Kohlenwasserstoffe gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 darin offenbart seien. In Spalte 3, Zeilen 24 bis 30 der Entgegenhaltung (2) sei nämlich angegeben, daß die Ester durch Veresterung des Pentaerythritols mit organischen Säuren wie z. B. n-Buttersäure, n-Valeriansäure und Caprylsäure gebildet werden könnten, und aus dem Wortlaut auf Seite 1, Zeilen 31 bis 54 in Verbindung mit den Daten aus den Abbildungen 1 und 2 der Entgegenhaltung (3), auf die in der Entgegenhaltung (2) ausdrücklich Bezug genommen wird, sei bekannt, daß mit Fluorhalogenderivaten eines aliphatischen Kohlenwasserstoffs Derivate gemeint seien, die mehr als ein Fluoratom und möglicherweise weitere Halogene enthielten, und daß Kohlenwasserstoffe, die außer Fluor kein anderes Halogen enthielten, vorteilhafte Eigenschaften hätten.
In der Entgegenhaltung (2) sind jedoch nur Kohlenwasserstoffe erwähnt, die sowohl Fluor als auch Chlor enthalten (s. Spalte 2, Zeilen 23 bis 29 und Spalte 4, Zeilen 15 bis 23), aber keine fluorhalogensubstituierten aliphatischen Kohlenwasserstoffe, die als einziges Halogen Fluor enthalten. Schon allein aus diesem Grund offenbart die Entgegenhaltung (2) keine Zusammensetzungen, die einen Carbonsäureester gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 und einen Fluor enthaltenden Kohlenwasserstoff mit Fluor als einzigem Halogen umfassen, und kann somit nicht als neuheitsschädlich für den vorliegenden Anspruch 1 gelten.
Zudem kann aus der Tatsache, daß in der Entgegenhaltung (3) auch Fluor enthaltende Kohlenwasserstoffe, die als einziges Halogen Fluor enthalten, als eine von mehreren Alternativen beschrieben sind, nicht geschlossen werden, daß die Kombination eines Carbonsäureesters gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 mit einem Fluor enthaltenden Kohlenwasserstoff, der als einziges Halogen Fluor enthält, unmittelbar und eindeutig aus der Lehre der Entgegenhaltung (2) herleitbar ist.
4. Anspruch 13 gemäß dem Hauptantrag des Anspruchssatzes B
Aus denselben Gründen wie den für Anspruch 1 des Hauptantrags angeführten kommt die Kammer zu dem Schluß, daß das Erfordernis der Klarheit erfüllt und der beanspruchte Gegenstand gegenüber den Lehren jeder der Entgegenhaltungen (2), (5) und (30) neu ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage des Hauptantrags des mit Schreiben vom 7. August 2002 eingereichten Anspruchssatzes B an die erste Instanz zurückverwiesen.