Die spanische Wissenschaftlerin Margarita Salas erhält für ihr „Lebenswerk“ den Europäischen Erfinderpreis 2019 und wird zur Gewinnerin des „Publikumspreises“ gewählt
- Das Europäische Patentamt (EPA) überreicht der spanischen Wissenschaftlerin Margarita Salas zwei Auszeichnungen
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Salas erhält den „Publikumspreis“ – nach einer öffentlichen Abstimmung – und wird außerdem in der Kategorie „Lebenswerk“ für ihre Pionierarbeit in den Bereichen Genetik und Molekularbiologie ausgezeichnet
- Salas' Methode der DNA-Amplifikation wurde zu einer Säule der modernen Genetik und führte zur Kommerzialisierung von einfach zu nutzenden Kits zur DNA-Vervielfältigung. Heute werden diese in biowissenschaftlichen Laboren, an archäologischen Fundstätten und in der Forensik auf der ganzen Welt eingesetzt
- In ihrer 50-jährigen Karriere hat sich Salas für Frauen in der Wissenschaft, für Investitionen in die Grundlagenforschung und den Aufbau der Molekulargenetik in Spanien eingesetzt
Wien/München, 20. Juni 2019 - Das Europäische Patentamt (EPA) hat heute auf einer Galaveranstaltung in Wien die spanische Wissenschaftlerin Margarita Salas Falgueras mit zwei Europäischen Erfinderpreisen ausgezeichnet. Die Öffentlichkeit stimmte für sie als Gewinnerin des „Publikumspreises“ und eine internationale Jury wählte Salas als Preisträgerin in der Kategorie „Lebenswerk“. Während ihrer Karriere, die sich über fünf Jahrzehnte erstreckt, erfand Salas einen schnelleren, einfacheren und zuverlässigeren Weg, Spuren von DNA in Mengen zu replizieren, die groß genug für eine vollständige Genomanalyse sind. Ihre Erfindung ist heute in der Onkologie, Forensik und Archäologie weit verbreitet.
„Margarita Salas ist eine Pionierin auf dem Gebiet der Molekulargenetik und eine Vorkämpferin für Frauen in der Wissenschaft", sagte EPA-Präsident António Campinos. „Ihre Arbeit hat die DNA-Sequenzierung für viele Forscher und Wissenschaftler in Reichweite gebracht und den Weg für weitere Durchbrüche in der Genetik geebnet."
An der Verleihung des Europäischen Erfinderpreises in der Wiener Stadthalle nahmen rund 600 Gäste aus den Bereichen geistiges Eigentum, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Lehre teil. Der Preis wird jährlich vom EPA vergeben, um herausragende Erfinder aus Europa und der ganzen Welt auszuzeichnen, die einen außergewöhnlichen Beitrag zu Gesellschaft, technologischem Fortschritt und Wirtschaftswachstum geleistet haben. Die Finalisten und Gewinner in fünf Kategorien (Industrie, Forschung, KMU, Nicht-EPO-Staaten und Lebenswerk) wurden von einer unabhängigen internationalen Jury aus einem Pool von Hunderten von Erfindern und Erfinderteams ausgewählt, die für den diesjährigen Preis vorgeschlagen wurden. Die Öffentlichkeit stimmte über den Empfänger des Publikumspreises bei einem Online-Voting im Vorfeld der Verleihung ab.
Die Geheimnisse der DNA entschlüsseln
Margarita Salas gelang eine Durchbruchserfindung, die DNA-Analysen schnell und zuverlässig machte und ihre Nutzung in einer Vielzahl von Anwendungen ermöglichte. Nach ihrer Promotion in Biochemie 1963 an der Universität Complutense in Madrid arbeitete Salas drei Jahre lang mit dem Nobelpreisträger Severo Ochoa an der New York University zusammen. Danach kehrte sie in ihre spanische Heimat zurück und gründete 1967 die erste Forschungsgruppe des Landes für Molekulargenetik am Obersten Rat für wissenschaftliche Forschung (CSIC) in Madrid. Dort entdeckte sie, dass ein Bakterienvirus namens φ29 ein Enzym, die sogenannte φ29-DNA-Polymerase, erzeugen kann. Das Enzym kann DNA-Moleküle viel schneller und genauer zusammensetzen, als andere Alternativen - mit weniger als einem Fehler in einer Million Basenpaare.
Salas isolierte das Enzym erfolgreich und zeigte, dass es auch bei menschlichen Zellen funktioniert, was zu bahnbrechenden Anwendungen für DNA-Tests führte. Diese hochgenaue Replikation ermöglichte es erstmals, zuverlässige Ergebnisse aus kleinen Mengen genetischen Materials zu erhalten. Die Technik wird heute in der medizinischen Forschung eingesetzt, um Mikroben zu untersuchen, die nicht im Labor kultiviert werden können. Sie ermöglicht es Onkologen, kleine Teilpopulationen von Zellen, die Tumore auslösen könnten, zu vergrößern. Es unterstützt auch Forensiker und Archäologen, da DNA-Spuren, die an Tatorten und historischen Stätten gesammelt wurden, nun durch φ29-DNA-Polymerase vermehrt werden können, um Opfer, Verdächtige und sogar Fossilien zu identifizieren.
Die von Salas eingereichten Patentanmeldungen haben die Kommerzialisierung anwenderfreundlicher Kits zur DNA-Vervielfältigung ermöglicht. Sie und ihr Team beim CSIC reichten 1989 in den USA den Erstantrag auf Patentschutz für die φ29-DNA-Polymerase und ihre Anwendungen ein. Das Patent wurde 1991 erteilt, das europäische Patent folgte 1997. Weitere Patente folgten im Laufe ihrer Karriere. Das Patent für ihr Verfahren zur Nutzung der φ29-DNA-Polymerase blieb jedoch das profitabelste, das je von der CSIC eingereicht wurde: Es machte mehr als die Hälfte der Lizenzeinnahmen der Organisation zwischen 2003 und 2009 aus, erlaubte Investitionen in Millionenhöhe für öffentlich finanzierte Forschung und ermöglichte Salas und ihrem Team weitere Fortschritte in der Genetik.
Die spanische Wissenschaftlerin hat ihre öffentliche Bekanntheit konsequent dafür genutzt, die Grundlagenforschung zu fördern und Frauen zur Teilhabe an der Wissenschaft zu ermutigen. „Als ich 1961 mit meiner Doktorarbeit begann, gab es in Spanien fast keine forschenden Frauen", sagt sie. „Heutzutage beginnen jedoch mehr Frauen als Männer mit ihrer Promotion in unseren Labors."
Heute, im Alter von 80 Jahren, geht Margarita Salas weiterhin jeden Tag in ihr Labor und arbeitet daran, die Fähigkeiten der φ29-DNA-Polymerase weiter auszubauen. „Für mich ist Forschung wirklich eine Leidenschaft; ohne sie könnte ich mir kein Leben vorstellen", sagt sie. „Ich hoffe, dass ich noch viele Jahre lang forschen kann."
Pressematerial zu Margarita Salas
- Kurzvideo über die Erfinderin (YouTube)
- Videos in Übertragungsqualität herunterladen (HD):Deutsche Fassung (vertont), B-roll und clean feed
- Videomaterial und Fotos
- Lesen Sie mehr über die Erfinderin
- Patente anzeigen: EP2450453, EP2450436, EP1970380, EP0527728
Hinweis an die Redaktionen: Verfügbarkeit des Medienmaterials am 20. Juni 2019
- Alle Fotos, Videos und Texte über die Finalisten des Europäischen Erfinderpreises können aus der EPA-Mediathek heruntergeladen werden
- Bilder in Druckqualität von der Preisverleihung sind ab 11:30 MEZ verfügbar
- Lizenz- und kostenfreies Ton- und Bildmaterial von der Galaveranstaltung und den Gewinnern in HD und SD Qualität ist ab 15:30 MEZ verfügbar
- Die Preisverleihung wird live auf der EPA Webseite, der Facebook-Seite des EPA und über die Smart TV-App „Innovation TV" übertragen. Im Anschluss wird die Aufzeichnung der Verleihung ebenfalls auf diesen Kanälen abrufbar sein.
Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische Erfinderpreis ist einer der prestigeträchtigsten Innovationspreise Europas. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben gerufen und ehrt einzelne Erfinder und Erfinderteams, deren Erfindungen Lösungen für einige der drängendsten Probleme unserer Zeit darstellen. Um sich für den Preis zu qualifizieren, müssen alle Bewerbungen spezifische Kriterien erfüllen, wie mindestens ein europäisches Patent vom Europäischen Patentamt auf die Erfindung erhalten zu haben. Die Finalisten und Gewinner in den fünf Kategorien werden von einer unabhängigen Jury bestehend aus internationalen Größen aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Akademie und Forschung ausgewählt, welche die Vorschläge auf deren Beitrag zum technischen Fortschritt, zur gesellschaftlichen Entwicklung, zum wirtschaftlichen Wohlstand und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa hin überprüft. Der Gewinner des Publikumspreises wird von der Öffentlichkeit aus den 15 Finalisten im Vorfeld der Verleihung über ein Online-Voting gewählt. Die diesjährigen 15 Finalisten wurden aus einem Pool von Hunderten Erfindern und Erfinderteams ausgewählt, die von der Öffentlichkeit, nationalen Patentämtern in Europa und EPA-Mitarbeitern vorgeschlagen worden sind.
Über das Europäische Patentamt
Das Europäische Patentamt (EPA) ist mit fast 7 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine der größten europäischen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes. Der Hauptsitz ist in München; Niederlassungen gibt es in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien. Das EPA wurde gegründet, um die Zusammenarbeit europäischer Staaten im Patentwesen zu fördern. Über das zentrale Erteilungsverfahren beim EPA können Erfinder auf der Grundlage einer einzelnen Patentanmeldung Patentschutz in bis zu 44 Ländern (mit einem Markt von rund 700 Millionen Menschen) erlangen. Das EPA gilt überdies als die weltweit bedeutendste Behörde für Patentrecherchen und Patentinformationen.
EPA-Pressekontakt
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Pressesprecher
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