Beseitigung von Weltraumschrott aus der Erdumlaufbahn: italienischer Raumfahrtingenieur als Finalist für den Europäischen Erfinderpreis 2023 nominiert
- Luca Rossettini und sein Team haben ein Gerät entwickelt, das Satelliten in einen ungenutzten Bereich der Umlaufbahn befördert oder sogar kontrolliert wieder zur Erde zurückbringt
- Tausende von Satelliten umkreisen die Erde, was bisher zu mehr als 500 Kollisionen, Explosionen und Unfällen im Weltraum geführt hat
- Das System verringert die gesamten Missionskosten um zehn Prozent und trägt gleichzeitig zu einer Kreislaufwirtschaft im Weltraum bei
München, 9. Mai 2023 – 1957 erreichte der erste Satellit die Erdumlaufbahn. Nach Angaben der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) sind seitdem mehr als 15 000 Satelliten hinzugekommen. Da infolge von über 500 Kollisionen, Explosionen und Unfällen im Weltraum viele dieser Satelliten in ihre Einzelteile zerbrachen, dürften nach Schätzungen der ESA mehr als 36 500 Objekte mit einer Größe von mindestens zehn Zentimetern um die Erde kreisen. Zusammen mit seinem Team arbeitete Luca Rossettini an einer Lösung für dieses Problem und entwickelte ein System, das Satelliten präziser und effizienter auf ihre vorgesehene Position bringt und wieder sicher aus der Erdumlaufbahn entfernt, wenn sie ihren Zweck erfüllt haben. Luca Rossettini und sein Team ziehen beim Europäischen Erfinderpreis 2023 in der Kategorie "KMU" ins Finale ein. Für die diesjährige Ausgabe wurden sie unter mehr als 600 Kandidaten und Kandidatinnen ausgewählt.
Mehrere Lösungen für einen sauberen Himmel
Wenn Weltraumschrott kollidiert, entstehen noch mehr Trümmerteile, wodurch weitere Kollisionen immer wahrscheinlicher werden. Dies stellt nicht nur für Satelliten und Weltraummissionen ein erhebliches Risiko dar, sondern erhöht auch die Anzahl der Fragmente, die auf die Erde fallen könnten. Rossettini und sein Team von D-Orbit haben ein System entwickelt, das Satelliten auf eine andere Position lenkt oder aus der Umlaufbahn entfernt. Nachdem die Satelliten aus der erdnahen Umlaufbahn gebracht werden, verglühen sie in der Atmosphäre, um schließlich über einem als sicher bestimmten Bereich zu verfallen.
Das "D-Orbiter Decommissioning Device (D3)", wie sich die Entwicklung des Unternehmens nennt, ist ein kleiner, unabhängiger und intelligenter Rotor, der vor dem Start am Satelliten angebracht wird. Ausgestattet mit einem eigenen Antrieb, Treibstoff, einer Fernsteuerung und einer Telekommunikationseinheit, spricht das Gerät sofort an, sobald es ein Problem mit einer Funktion des Satelliten feststellt, und schickt eine Warnmeldung an die Betreiber auf der Erde. D-Orbit hat mit ION™ Satellite Carrier zudem eine Lösung für die letzte Weltraummeile entwickelt, die auf der eigens patentierten Methode für sicheres Aussetzen basiert. Das multifunktionale Raumfahrzeug transportiert Satelliten in den Weltraum und bringt sie einzeln an ihre vorgesehene Position, wo sie unter optimalen Betriebsbedingungen ihre Mission starten. Gleichzeitig führt ION mehrere weitere innovative Leistungen aus und testet unter anderem, wie sich die Nutzlasten von Dritten in der Umlaufbahn verhalten.
Angesichts der Tatsache, dass sich die Gesamtkosten für den Schutz der Missionen vor Trümmerteilen und die Außerbetriebnahme eines Satelliten am Ende seiner Lebensdauer auf bis zu zehn Prozent der gesamten Missionskosten belaufen können, ist der D3 für Satellitenunternehmen durchaus eine wirtschaftliche Lösung für die Reduzierung von Weltraumschrott.
Auch beim diesjährigen Europäischen Erfinderpreis werden wieder herausragende Einzelpersonen oder Gruppen für ihre in Europa patentierten Erfindungen gewürdigt, und Rossettini und sein Team haben es in die Endauswahl der Kategorie "KMU" geschafft. Die Gewinner des EPA-Preises 2023 werden im Rahmen einer hybriden Zeremonie am 4. Juli 2023 in Valencia (Spanien) bekanntgegeben. Diese Zeremonie wird online übertragen und ist auch für Publikum geöffnet.
Griff nach den Sternen
Rossettinis Erfindung entspringt seiner langjährigen Leidenschaft für alles rund um Weltraum und Nachhaltigkeit. Im Anschluss an seine Zeit als Offizier in der italienischen Luftlandetruppe absolvierte er am Polytechnikum Mailand seinen Master in Raumfahrttechnik. Nachdem er in einem US-amerikanischen Forschungslabor ein Jahr lang untersucht hatte, wie sich Nanotechnologien auf Raketentreibstoffe auswirken, kehrte er für ein weiteres Masterstudium im Fachbereich "Strategische Führung und Nachhaltigkeitsmanagement" nach Europa zurück. Am Polytechnikum Mailand promovierte er später noch auf dem Gebiet "Innovative Raumfahrtantriebe" und begann danach ein Praktikum am Ames Research Center der NASA. 2011 gründete Rossettini dann zusammen mit anderen D-Orbit.
Das italienische Unternehmen entwickelt nicht nur Lösungen für Weltraumlogistik und -transport, sondern strebt auch den Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur an. So soll es Serviceanbietern möglich sein, Satellitenstarts zu optimieren und die Menge an Weltraumschrott zu verringern. "Beim Aufbau einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft im All stehen wir zwar mehreren Herausforderungen gegenüber, aber das Hauptproblem ist der Weltraumschrott", erklärt Rossettini. "Wir haben heute Hunderte von Fragmenten in der Umlaufbahn. Das ist im Grunde genommen die größte Gefahr für Satelliten. Wir wissen ja nicht, wo sie sind. Jedes Mal, wenn jemand also einen Satelliten ins All schickt, ist es ein Lotteriespiel, ob er von einem dieser Fragmente getroffen wird oder nicht. Und sollten künftig immer mehr Satelliten um die Erde kreisen, liegt es auf der Hand, dass niemand dieses Risiko noch länger eingehen kann – vor allem wenn es darum geht, im Weltraum ein Geschäft aufzubauen."
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Luis Berenguer Giménez
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Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische Erfinderpreis ist einer der renommiertesten Innovationspreise in Europa. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben gerufen und ehrt Einzelpersonen und Teams, die Lösungen für einige der größten Herausforderungen unserer Zeit gefunden haben. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury ausgewählt, die sich aus früheren Finalisten des Preises zusammensetzt. Gemeinsam prüfen sie die Vorschläge hinsichtlich ihres Beitrags zum technischen Fortschritt, zur sozialen und nachhaltigen Entwicklung und zum wirtschaftlichen Wohlstand. Allen Erfindern muss ein europäisches Patent für ihre Erfindung erteilt worden sein. Lesen Sie mehr über die verschiedenen Kategorien, Preise, Auswahlkriterien und die Livestream-Zeremonie, die am 4. Juli 2023 stattfinden wird.
Über das EPA
Mit 6 300 Beschäftigten ist das Europäische Patentamt (EPA) eine der größten Behörden in Europa. Das Amt, das seinen Hauptsitz in München sowie Niederlassungen in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien hat, wurde mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten Europas auf dem Gebiet des Patentwesens zu stärken. Dank des zentralisierten Verfahrens vor dem EPA können Erfinderinnen und Erfinder hochwertigen Patentschutz in bis zu 44 Staaten erlangen, die zusammen einen Markt von rund 700 Millionen Menschen umfassen. Das EPA ist zudem weltweit führend in den Bereichen Patentinformation und Patentrecherche.