Solarbetriebenes Leuchtsystem schützt Nutztiere, Wildtiere und menschliche Existenz: Junger Massai-Unternehmer als Finalist für den Young Inventors Prize nominiert
- Der Kenianer Richard Turere hat ein Leuchtsystem erfunden, das Löwen abschreckt, um Vieh vor Raubtieren zu schützen und gleichzeitig die Löwenpopulation zu erhalten.
- Das innovative und einfache Blinklichtsystem wird mittlerweile erfolgreich in verschiedenen afrikanischen Ländern, in Indien und Südamerika eingesetzt.
- Das System ist anpassungsfähig und kostengünstig. Es wird mit Sonnenenergie oder Windenergie betrieben, ist nachhaltig und vielseitig einsetzbar.
München, 23. Mai 2023 – Der World Wide Fund for Nature (WWF) geht davon aus, dass die Löwenpopulation in Afrika in den letzten 20 Jahren um 43 % zurückgegangen ist und nur noch etwa 20 000 Exemplare auf dem gesamten Kontinent umfasst. Viele Löwen werden getötet, weil sie das für die Menschen so wertvolle Vieh reißen. Für die Massai in Kenia ist das ein großes Problem. Um die Nutztiere seiner Gemeinschaft zu schützen, ohne den bedrohten Löwen zu schaden, hat der Erfinder Richard Turere ein System entwickelt, das Löwen und andere Raubtiere durch Lichtsequenzen davon abhält, sich dem Vieh zu nähern.
Turere hat es damit in die Endausscheidung der zweiten Auflage des Young Inventors Prize geschafft, den das Europäische Patentamt (EPA) als Ansporn für die nächste Generation von Erfinderinnen und Erfindern ins Leben gerufen hat. Mit dem Preis werden innovative junge Menschen im Alter von bis zu 30 Jahren ausgezeichnet, die technische Lösungen zur Bewältigung globaler Probleme entwickelt haben und damit zur Erreichung der Ziele der Vereinten Nationen (SDGs) für nachhaltige Entwicklung beitragen. Tureres Erfindung leistet einen Beitrag zum UN-Nachhaltigkeitsziel 15 (Leben an Land), bei dem es um den Schutz, die Wiederherstellung und die Förderung der nachhaltigen Nutzung von Landökosystemen geht.
Schutz von Jägern und Gejagten
Im Nairobi-Nationalpark, in dessen Nähe Turere aufgewachsen ist, suchen Tiere, die ins Beuteschema von Raubtieren fallen, häufig Schutz auf dem Gelände von Dorfgemeinschaften. Dadurch locken sie aber Löwen in diese von Menschen bewohnten Gebiete, und die Löwen nutzen die Gelegenheit, sich an den dort gehaltenen Nutztieren zu vergreifen, die leichte Beute für sie sind. Das Vieh ist für die lokalen Gemeinschaften meist eine lebenswichtige Nahrungs- und Einkommensquelle. Daher töten die Menschen im Gegenzug viele Löwen – mit erheblichen Auswirkungen auf den Löwenbestand und die Artenvielfalt in den betroffenen Regionen, und damit auch auf den Tourismus. Die kenianische Regierung wollte diesem Problem mit finanziellen Entschädigungen für Farmer, deren Tiere den Löwen zum Opfer gefallen waren, zu Leibe rücken. Dieses Konzept war aber auf Dauer zu teuer und musste daher eingestellt werden. Turere suchte nach Lösungen und tüftelte so lange, bis er schließlich sein System Lion Lights™ entwickelt hatte. Es basiert auf der einfachen Idee, menschliche Präsenz vorzutäuschen, denn diese hält die Löwen fern. Das System arbeitet mit wechselnden Blinksequenzen, sodass die Löwen sich nicht an wiederkehrende Muster gewöhnen können. Turere arbeitet auch jetzt noch ständig an seiner Erfindung weiter, um sicherzustellen, dass sie immer genauso effektiv bleibt wie am Anfang.
Schon bald sprach sich herum, was Turere da erfunden hatte, und so wollten auch andere Mitglieder der Gemeinschaft das System auf ihrem Land einsetzen. Mittlerweile nutzen mehr als 2 000 Viehbesitzer in Kenia Lion Lights. Nach der Installation von Lion Lights wurden in den betreffenden Gegenden keine Löwen mehr getötet, und bei einer kürzlich durchgeführten Zählung des Tierbestands im Nairobi-Nationalpark wurde festgestellt, dass die Löwenpopulation um 15 % gewachsen ist. „Bei Lion Lights haben wir das Motto, dass ohne Koexistenz keine Existenz möglich ist. Damit wir in dieser Welt harmonisch leben können, müssen wir einen Weg finden, wie Menschen und Wildtiere friedlich nebeneinander leben können“, erklärt Turere. Das System wird standardmäßig mit Sonnenenergie betrieben, kann aber bei fehlender Sonneneinstrahlung auch mit Windenergie gekoppelt werden. Die Erfindung hat international Aufmerksamkeit erregt und wird in diversen weiteren Ländern eingesetzt, beispielsweise in Tansania, Botswana, Namibia, Argentinien und Indien, wo es dazu beiträgt, diverse Wildtiere wie Hyänen, Leoparden und Geparden abzuschrecken.
Jeder kann die Welt verändern
Wie viele Massai-Jungen in Kitengela hatte auch Turere die Aufgabe, das Vieh seiner Familie zu schützen. Es gab eine Zeit, in der die Löwen jede Woche durchschnittlich neun seiner Rinder töteten. Das brachte Turere dazu, eine Lösung zu ersinnen. Der junge Massai-Erfinder ist überzeugt, dass sein Weg auch anderen als Ansporn dienen kann. „Ich möchte, dass diese Geschichte junge Menschen inspiriert und ihnen zeigt, dass auch sie etwas bewirken können. Wenn ich das kann, der ich aus diesem Dorf komme und keinerlei Schulbildung und sonstige Mittel hatte, dann kann jeder das schaffen. Jeder kann die Welt verändern”, so sein Credo. 2013 gründete Richard Turere ein Unternehmen, in dem heute mehr als 50 junge Menschen aus seinem Dorf arbeiten.
Auch die von Dr. Paula Kahumbu geleitete Organisation Wildlife-Direct, die sich für den Schutz der afrikanischen Tierwelt einsetzt, wurde auf Tureres Erfindung aufmerksam. Sie verhalf Turere zu einem Stipendium für die Brookhouse School in Nairobi, wo er sein Abitur machte. Anschließend erwarb er an der African Leadership University einen BA „Global Challenges and Wildlife Conservation“. Turere ist inzwischen ein gefragter Redner und hat seine inspirierende Geschichte bereits bei den TED-Talks und bei Veranstaltungen wie der „Ciudad de las Ideas“ erzählt. Er hebt hervor: „Der Konflikt zwischen Mensch und Wildtier stellt noch immer eine große Herausforderung dar. Unsere Arbeit ist noch nicht getan, denn viele Gemeinschaften können sich Lion Lights noch immer nicht leisten. Wir brauchen mehr Hände, die mithelfen, und mehr Ressourcen, um die Zukunft aufzubauen, die wir uns wünschen.“
Wer den Young Inventors Prize 2023 gewonnen hat, wird im Rahmen einer hybriden Preisverleihungszeremonie bekanntgegeben, die am 4. Juli 2023 in Valencia (Spanien) stattfindet und online verfolgt werden kann.
Weitere Informationen über die Erfindung, ihre Auswirkungen und die zugrundeliegende Technologie sowie die Geschichte des Erfinders finden Sie hier.
Pressematerial
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Medienkontakte Europäisches Patentamt
Luis Berenguer Giménez
Hauptdirektor Kommunikation / EPA-Sprecher
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Tel.: +49 89 2399-1833
Über den Young Inventors Prize
Als Ansporn für die kommende Generation von Erfinderinnen und Erfindern hat das Europäische Patentamt 2021 den Young Inventors Prize ins Leben gerufen. Der Preis richtet sich an innovative junge Menschen im Alter von bis zu 30 Jahren aus der ganzen Welt und würdigt Initiativen, bei denen technische Lösungen eingesetzt werden, um zur Erreichung der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung beizutragen. Der erste Platz ist mit 20 000 EUR dotiert, der zweite mit 10 000 und der dritte mit 5 000 EUR. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury ausgewählt, die aus ehemaligen Finalisten und Finalistinnen des Europäischen Erfinderpreises besteht. Die Auszeichnung wird im Rahmen der hybriden Preisverleihungszeremonie des Europäischen Erfinderpreises 2023 am 4. Juli verliehen. Anders als bei den traditionellen Kategorien des Europäischen Erfinderpreises ist die Erteilung eines europäischen Patents keine Teilnahmevoraussetzung. Weitere Informationen zu den Teilnahmebedingungen und Auswahlkriterien für den Young Inventors Prize finden Sie hier.
Über das Europäische Patentamt
Mit 6 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist das Europäische Patentamt (EPA) eine der größten Behörden in Europa. Das EPA, das seinen Hauptsitz in München sowie Niederlassungen in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien hat, wurde mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten Europas auf dem Gebiet des Patentwesens zu stärken. Dank des zentralisierten Verfahrens vor dem EPA können Erfinder hochwertigen Patentschutz in bis zu 44 Staaten erlangen, die zusammen einen Markt von rund 700 Millionen Menschen umfassen. Das EPA ist außerdem weltweit führend in den Bereichen Patentinformation und Patentrecherche.