https://www.epo.org/de/about-us/social-responsibility/art/50-years-epc-exhibition/catalyst-lab-curated-ars-electronica

Catalyst lab & Deep vision

Transformation - Virtual and material realities in transit 

 

Im vergangenen Jahr verwandelte das Europäische Patentamt aus Anlass des 50-Jahr-Jubiläums des Europäischen Patentübereinkommens sein früheres Patentaktenarchiv in einen Ausstellungsraum, in dem Vergangenheit und Zukunft, Heritage und Innovation sowie Kreativität in Form von Erfindungstätigkeit und künstlerischer Arbeit zu einer einzigartigen Synthese verschmelzen. Auf fast 1000qm erstreckt sich heute eine Fläche, die ursprünglich als Registratur für Patentakten genutzt wurde und die mit der Digitalisierung des Patenterteilungsverfahrens ihre Zweckbestimmung verloren hatte. Im Zuge der Neugestaltung des Untergeschosses wurde ein wegweisendes Raumkonzept entwickelt, das die originale DNA des papierenen Patentaktenarchivs referenziert und zugleich einen Lern- und Erlebnisort für MitarbeiterInnen, SchülerInnen und BesucherInnen kreiert. 

Der Wandel vom Archiv zum Kulturraum nahm fast zwei Jahre in Anspruch. Dabei ging es nicht nur darum, möglichst viel von der Atmosphäre des ursprünglichen Orts zu bewahren, sondern auch die charakteristischen Rollregale als Ausstellungsarchitektur für Kunst mit Technologie-Schwerpunkt zu nutzen. So wurden die originalen Patentakten der Anfangszeit bewusst als Heritage in die neue Architektur integriert, um die frühere Arbeitsweise von Patentprüfern zu dokumentieren. Auch sollte das in den Akten offenbarte technische Wissen als immaterielles Kulturgut auf Papier dokumentiert bleiben um die Geschichte und Funktion des EPA auch für künftige Generationen buchstäblich sichtbar zu machen.  

Das aktuelle Ausstellungsthema „Transformation“ macht den Wandel in der Nutzung des Raumes zum Ausgangspunkt für die künstlerische Kuration. Auf einem Parcours von elf Stationen sind verschiedene Positionen der Gegenwartskunst aus der Sammlung des Europäischen Patentamts zu entdecken, die sich an der Schnittstelle von virtuellen und materiellen Realitäten bewegen und Übergangszustände oder Transitzonen technologischer und gesellschaftspolitischer Entwicklung thematisieren. Die Transformation umfasst dabei ökologische, gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen, die infolge zunehmender technologischer Entwicklung sichtbar werden und unsere Werte in Gegenwart und Zukunft prägen: Digitalisierung, Abfallwirtschaft, Klimawandel, Robotik und Automatisierung, Weltraumexpeditionen, Algorithmen, künstliche Intelligenz, Diversität und Inklusion oder Arbeitszeit.  

Dass der Wandel von gesellschaftlichen Werten wiederum umgekehrt auch technische Innovation prägt, wird darin deutlich, dass mehr und mehr technische Erfindungen auf die globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen ausgerichtet sind. Anschaulich wird dies in der digitalen Auftragsproduktion „Pulse of the EPO“, die von dem Künstlerduo Quadrature in Zusammenarbeit mit dem EPA entwickelt wurde und im Deep vision zu sehen ist,  einem immersiven Ausstellungsraum, der in Zusammenarbeit mit Ars electronica (Linz) geschaffen wurde. In einer Reihe von wechselnden Narrativen widerspiegelt diese 3x4k-Projektion auf elf Metern Wandbreite die globale Dynamik von 10 Millionen Patentanmeldungen aus dem Bereich Mitigation or Adaptation against climate change (unter Nutzung eines speziellen Kennzeichnungssystems des EPA für nachhaltige Technologien). Die Berliner Künstler bedienen sich dabei der weltweiten Patentstatistik-Datenbank PATSTAT und lesen in freier Interpretation den enormen Datensatz aus. Dabei wirft die Produktion Schlaglichter auf aktuelle globale Themen und Herausforderungen, untersucht die Auswirkung von Technologien auf unsere Gesellschaft und zeichnet den rasanten Wandel der Welt durch Innovation und Fortschritt nach. Welche technischen Fortschritte auch in der Wahrnehmung von Kunst möglich sind, zeigt „Gigapixel Editions“, eine digitale Auftragsproduktion, die für den immersiven Ausstellungsraum Deep vision entstanden ist und exemplarisch drei Werke aus der EPA-Kunstsammlung in hochauflösender Projektion auf neue Weise erfahrbar macht.  

Der Übergang von analog-materieller und digital-virtueller Realität ist auch Thema der Capsule exhibition über den Schutz geistigen Eigentums, die in ein ehemaliges Patentaktenregal integriert ist. Hier wird in fünf Schritten die Entwicklung von der zunächst abstrakten Idee bis zur konkreten Erfindung anhand von Originaldokumenten, Filmen und Illustrationen skizziert. Am Beispiel des QR-Codes wird eine für jeden verständliche Technologie beleuchtet, die exemplarisch für den digitalen Wandel steht. Zugleich bekommt der Betrachter Akteneinsicht und kann konkret nachvollziehen, wie es zum Patent kam. Das Patenterteilungsverfahren lässt sich ebenfalls als Transformationsprozess begreifen, der auf dem technischen Wissen der Vergangenheit aufbaut und Innovation für alle schafft.  

Durch immerwährendes Streben nach mehr Lebensqualität, gesteigerter Effizienz, höherer Wirtschaftlichkeit und erweiterten Horizonten ist unsere Zivilisation im beständigen Umbruch begriffen. Mit jedem technologischen Fortschritt, mit jeder Überwindung von wissenschaftlichen Grenzen erweitern sich Räume und Möglichkeiten. Damit verändert sich unsere Perspektive auf die Dinge und gleichzeitig auch auf unsere Lebenssituation. Um die neue Dimension rasanter technologischer Einflussnahme auf die Gesellschaft im digitalen Zeitalter zu verstehen, appelliert das Catalyst lab an unsere Fähigkeit, Innovation ganzheitlich auf der Grundlage technologischer, gesellschaftlicher und kultureller Werte zu betrachten.  

Über das Europäische Patentamt (EPA) 

Das EPA ist mit über 6300 Mitarbeitern aus 39 Ländern die zweitgrößte öffentliche Institution in Europa und unterstützt ErfinderInnen, ForscherInnen und Unternehmen in aller Welt beim Schutz ihrer Erfindungen. Aufgabe Amts ist es, durch die Förderung von Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum technologischen Fortschritt in Europa anzukurbeln und zu einer sicheren, intelligenten und nachhaltigen Welt beizutragen. Mit der Unterzeichnung des Europäischen Patentübereinkommens 1973 gegründet, erfüllt das EPA seinen Auftrag nicht nur als Zentralbehörde für Patentschutz, sondern auch durch den freien Zugang zur weltweit größten Datenbank für technische Informationen aus Patenten (derzeit 150 Millionen Patentdokumente).  

Über den Ausstellungsort  

Das Europäische Patentamt eröffnete 2023 auf ca. 3000qm einen Kulturraum im Untergeschoss des Münchner Hauptgebäudes. Mit einem spannenden Mix von permanenten und temporären Ausstellungen und Projekten an der Schnittstelle von zeitgenössischer Kunst, Technologie, Gesellschaft, Architektur und Design, Gastro- und Coworking Space lädt der Raum die BesucherInnen ein, einen neuen Blick auf drängende Fragen und Themen unserer Zeit zu wagen und möglichst viele Menschen zum Nachdenken und Diskutieren anzuregen.