T 0165/00 30-11-2000
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I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 98 104 677.4 (EP-A-0 865 843) wurde mit der am 29. September 1999 zur Post gegebenen Entscheidung mit der Begründung zurückgewiesen, daß die Anmelderin auf den letzten von zwei Bescheiden, in denen ihr die Patenthinderungsgründe mitgeteilt wurden, keine Stellungnahme oder Änderungen eingereicht und Entscheidung nach Lage der Akten beantragt habe.
II. Die Beschwerdeführerin hat gegen diese Entscheidung am 24. November 1999 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt. Der am 14. Januar 2000 eingegangene Schriftsatz enthält unter der Überschrift "Begründung" den folgenden Wortlaut:
"In unseren Schriftsätzen vom 11. Juni 1999 sowie vom 31. August 1999 haben wir unsere zur Prüfungsabteilung unterschiedliche Auffassung dargelegt.
Zur Vermeidung von Wiederholungen bei der Begründung verweisen wir auf diese Schriftsätze."
III. In einer Mitteilung der Beschwerdekammer gemäß Artikel 11 (2) VOBK wurde der Anmelderin mitgeteilt, daß eine Begründung, die lediglich auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Vorinstanz verweist, prinzipiell als nicht ausreichend angesehen werde und daß in der mündlichen Verhandlung demnach die Frage von Bedeutung sein dürfte, ob spezielle Umstände bei dem vorliegenden Verfahren ein Abweichen von der grundlegenden Rechtsprechung der Beschwerdekammern rechtfertigen könnten.
IV. In der mündlichen Verhandlung am 30. November 2000 hat die Beschwerdeführerin beantragt, die innerhalb der Beschwerdefrist eingereichte Begründung als ausreichend zu werten, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und das Patent zu erteilen.
Sie argumentierte, daß die Bescheidserwiderung vom 31. August 1999 nicht als Einverständnis mit einer Entscheidung nach Lage der Akten aufzufassen sei. Ganz im Gegenteil richte sich der dritte Absatz im Schreiben vom 31. August 1999 lediglich gegen den amtsseitigen Vorschlag vom 22. März 1999, einen allzu engen Anspruch durch Kombination der Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1, 7, 12 und 13 zu formulieren.
Weiterhin sei diese Bescheidserwiderung als Bestandteil der Akte öffentlich zugänglich und verfügbar. Eine mittels Kopie beigelegte Begründung gleichen Inhalts hätte deren Informationsgehalt nicht verbessert, weshalb es auf die physische Wiedereinreichung der Bescheidserwiderung nicht ankommen könne.
Außerdem sei in T 140/88 und T 355/86 entschieden worden, daß der Verweis auf einen früher eingereichten Schriftsatz als Neueinreichung desselben im Beschwerdeverfahren auszulegen ist. In T 869/91 habe der Beschwerdeführer pauschal auf einige Dokumente hingewiesen, was als ausreichende Begründung angesehen wurde, da, wie im vorliegenden Fall, ersichtlich war, was der Beschwerdeführer aus diesen Dokumenten herleiten wollte.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 und 107, ferner den Sätzen 1 und 2 des Artikels 108 sowie der Regel 64 EPÜ. Ihre Zulässigkeit hängt daher einzig davon ab, ob der innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung und somit rechtzeitig eingegangene, vorstehend unter Absatz II zitierte Schriftsatz, der im wesentlichen nur auf Eingaben der Beschwerdeführerin aus der Vorinstanz (Prüfungsverfahren) verweist, eine Begründung im Sinne von Artikel 108, Satz 3 darstellt.
2. Der Ansicht der Beschwerdeführerin, daß der Verweis auf einen im vorinstanzlichen Verfahren eingereichten Schriftsatz im Beschwerdeverfahren als Neueinreichung desselben auszulegen und damit eine Beschwerde genügend begründet sei, kann nicht gefolgt werden. Sie steht im Widerspruch zu dem in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern betonten Grundsatz, wonach in der Beschwerdebegründung darzulegen ist, aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die angefochtene Entscheidung aufgehoben und der Beschwerde stattgegeben werden sollte, und es nicht genüge, unter Hinweis auf die unterschiedliche Auffassung zur Vorinstanz auf eine erneute Überprüfung des vorinstanzlich negativ bewerteten Patentierungskriteriums hinzuwirken (vgl. T 220/83, ABl. EPA 1986, 249, Pkt. 4, Abs. 2; T 213/85, ABl. EPA 1987, 482, Pkt. 2; T 145/88, ABl. EPA 1991, 251, Pkt. 2).
3. In zahlreichen Entscheidungen wird eine Begründung, die pauschal auf ein in der ersten Instanz vorgelegtes Vorbringen verweist, prinzipiell als nicht ausreichend im Sinne von Artikel 108, Satz 3 EPÜ angesehen (vgl. T 254/88, Pkt. 1, Satz 2; T 432/88, Pkt. 2 und 3; T 90/90, Pkt. 1, Satz 2; T 154/90, ABl. EPA 1993, 505, Pkt. 1.2.1 und 1.2.2; T 287/90, Pkt. 2 bis 4; T 188/92, Pkt. 2; T 646/92, Pkt. 1.4, alle außer T 154/90 nicht veröffentlicht).
Einige wenige Entscheidungen erkennen die pauschale Verweisung auf ein Vorbringen in der ersten Instanz als mögliche Begründung für eine zulässige Beschwerde an (T 355/86, T 140/88, beide nicht veröffentlicht), wobei es sich allerdings um spezielle Fälle handelt, in denen sich das Vorbringen in der Vorinstanz bereits in ausreichendem Maß mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzte. Dies ist in der vorliegenden Sache gerade nicht der Fall.
Weitere Entscheidungen betreffen Sonderfälle. In T 725/89 wurde ein vor der Absendung der angefochtenen Entscheidung an die Einspruchsabteilung gerichteter Schriftsatz, der zum Ergebnis der der Entscheidung unmittelbar vorausgehenden mündlichen Verhandlung Stellung bezog, als zulässige Beschwerdebegründung angesehen, obwohl in der Beschwerdebegründung selbst nur pauschal auf diesen Schriftsatz verwiesen wurde. In T 869/91 verweist die Beschwerdebegründung zwar pauschal auf einige Dokumente, aus weiteren Ausführungen in der Beschwerdebegründung ist jedoch ersichtlich, was die Beschwerdeführerin daraus herleiten wollte. Diese Begründung wurde als zulässig akzeptiert.
Die genannten Besonderheiten sind jedoch bei der vorliegenden Sache nicht gegeben.
4. Nach Überzeugung der Beschwerdekammer kann die Frage, ob eine Beschwerdebegründung im Einzelfall den Mindestanforderungen des Artikels 108 EPÜ entspricht, nur aus dem jeweiligen Zusammenhang heraus entschieden werden (vgl. J 22/86, ABl. EPA 1987, 280, Pkt. 2, 3. Abs.).
Im vorliegenden Fall geht die angefochtene Entscheidung davon aus, daß in der Eingabe der Anmelderin (Beschwerdeführerin) vom 31. August 1999 (eingegangen am 01.09.1999) Entscheidung nach Lage der Akten beantragt wurde und hat demzufolge als Begründung für die Zurückweisung lediglich auf den Inhalt der Bescheide vom 22. März 1999 und 25. Juni 1999 verwiesen, in denen angegeben ist, daß und warum die Anmeldung die Erfordernisse des EPÜ nicht erfüllt. Auch nach Auffassung der Kammer ist der Schlußsatz in der am 1. September 1999 eingegangenen Eingabe, daß "einem beschwerdefähigen Bescheid" entgegengesehen werde, nur im Sinne eines Antrags auf Entscheidung nach Lage der Akten zu verstehen. Insofern ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden.
5. Die Beschwerde ist somit schon aus dem oben dargelegten Grund als unzulässig zu verwerfen.
Lediglich ergänzend wird darauf verwiesen, daß die Beschwerdeführerin in ihrer letzten Eingabe vom 31. August 1999 (eingegangen am 01.09.1999) nicht zu den Ausführungen in dem zum tragenden Inhalt der Entscheidung zu rechnenden zweiten Bescheid der Prüfungsabteilung vom 25. Juni 1999 sachlich Stellung genommen hat.
Somit betrifft die vorliegende Beschwerde auch nicht den in der J 22/86 entschiedenen Sonderfall, bei dem die zuständige Kammer bei einer formalen Durchsicht im obigen Sinne trotz einer äußert dürftigen Beschwerdebegründung sofort erkennen konnte, daß die angefochtene Entscheidung nicht aufrechterhalten werden kann, und die Zulässigkeit der Beschwerde anerkannt hat.
6. Da aus vorstehenden Gründen der am 14. Januar 2000 eingereichte Schriftsatz nicht als eine schriftliche Beschwerdebegründung nach Artikel 108 Satz 3 EPÜ betrachtet werden kann, ist die Beschwerde gemäß Regel 65 (1) EPÜ als unzulässig zu verwerfen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.