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T 0996/18 (Verbundscheibe/Schott AG) 21-01-2021
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Verbundscheibe
1) SAINT-GOBAIN GLASS FRANCE
2) Etex Building Performance GmbH
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 4A
Niederschrift über mündliche Verhandlung - Antrag auf Aufnahme einer Erklärung in die Niederschrift
Prüfung von Artikel 123 (2) EPÜ von Amts wegen
I. Die Beschwerden der Einsprechenden 1 (Beschwerdeführerin 1) und der Einsprechenden 2 (Beschwerdeführerin 2) richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die Einsprüche gegen das europäische Patent Nr. 2 439 066 zurückzuweisen.
II. Der erteilte Anspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Verbundscheibe (20) mit einer flächenförmigen Brandschutzverglasung (10),
wobei die Brandschutzverglasung (10) aus mehreren zueinander parallelen Glasscheiben (11) besteht,
wobei zwischen den Glasscheiben (11) intumeszierende Schichten (12) angeordnet sind,
wobei auf den beiden gegenüberliegenden Seitenflächen der Brandschutzverglasung (10) mittelbar oder unmittelbar jeweils mindestens ein Kunststoffinterlayer (14) angeordnet ist,
wobei auf den der Brandschutzverglasung (10) abgewandten Seiten der Kunststoffinterlayer (14) jeweils wenigstens eine Glas- oder Glaskeramikscheibe (15, 16) angeordnet ist,
wobei die Kunststoffinterlayer (14) aus Polycarbonat oder Polymethylmethacrylat bestehen, und
wobei die Kunststoffinterlayer (14) eine Dicke im Bereich zwischen 2 mm bis 8 mm aufweisen."
III. Die angefochtene Entscheidung stützt sich unter anderem auf die folgenden Dokumente:
E1 WO 2008/103419 A2
E2 EP 2111977 A1
E5 EP 2090427 A1
E6 WO 2010/091525 A1
E7 US 4243719
E12 WO 2008/084083 A1
E17 WO 2008068744 A1
E16 DE 102008043718 A1
E19 EP 2062862 A1
IV. In ihren Beschwerdebegründungen beantragten die Beschwerdeführerinnen, das Streitpatent vollständig zu widerrufen. Unter anderem beanstandete die Beschwerdeführerin 2, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei gegenüber E5 nicht neu und ferner nicht erfinderisch, ausgehend aus E10 oder E12 als nächstliegendem Stand der Technik. Die Beschwerdeführerin 1 brachte vor, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei naheliegend, ausgehend von E5, E2, E6 oder E13 als nächstliegendem Stand der Technik.
V. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung beantragte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin), die Beschwerden zurückzuweisen und beantragte hilfsweise die Aufrechterhaltung des Streitpatents in geändertem Umfang auf Grundlage der bereits erstinstanzlich eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 und weiter hilfsweise aufgrund der neuen Hilfsanträge 3 - 5.
VI. In ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung dahingehend mit, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 neu gegenüber E5 sei, aber naheliegend gegenüber E2 in der Zusammenschau mit E1. Gleiches gelte für den Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1 bis 3. Den Gegenstand laut Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags hielt die Kammer für erfinderisch.
VII. Die Beschwerdeführerin 2 brachte mit ihrer Erwiderung vom 20. November 2020 auf die Stellungnahme der Kammer unter anderem vor, der Gegenstand laut Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags sei nicht klar. Ferner lege E1 das Merkmal "weiterer Kunststoffinterlayer" nahe.
VIII. Die Beschwerdeführerin 1 brachte in ihrer Erwiderung auf die Stellungnahme der Kammer vom 24. November 2020 weitere Argumente gegen die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands laut Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 vor. Sie trug unter anderem vor, Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags unterscheide sich in zwei Merkmalsgruppen vom nächstliegenden Stand der Technik in E2, wobei diese unterschiedliche Teilaufgaben lösten. Die Lösung der ersten Teilaufgabe werde von der E1 und die der zweiten Teilaufgabe von der E16, E7 oder E17 nahegelegt.
IX. Die Beschwerdegegnerin beantragte mit ihrer Erwiderung vom 12. Januar 2021 auf die Stellungnahme der Kammer und die Eingaben der Beschwerdeführerinnen, den Einwand der Beschwerdeführerin 2 unter Artikel 84 EPÜ gegen den vierten Hilfsantrag als verspätet nicht zuzulassen. Auch in der Sache greife der Einwand nicht durch. Für den Fall, dass die Kammer den Einwand als zulässig und begründet ansehen sollte, reichte die Beschwerdeführerin einen sechsten Hilfsantrag ein. Ferner brachte sie Argumente zur erfinderischen Tätigkeit zum Hauptantrag und zu Hilfsantrag 4 vor.
X. Die mündliche Verhandlung fand am 21. Januar 2021 per Videokonferenz statt. Während der Erörterung der erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands des Hauptantrags präsentierte die Beschwerdegegnerin mittels der Funktion "Share screen" Auszüge der Norm EN 356. Die Beschwerdeführerinnen beantragten, die Norm und den Vortrag hierzu als verspätet nicht zuzulassen.
Im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung beantragten die Beschwerdeführerinnen, die Erklärung der Beschwerdegegnerin und der Kammer in der mündlichen Verhandlung, wonach die Bestimmung Dicke der Kunststoffinterlayer (14) im Bereich zwischen 2 mm bis 8 mm individuell für jeden der Kunststoffinterlayer gelte, in das Protokoll aufzunehmen.
Im Verlauf der Verhandlung änderte die Beschwerdegegnerin die Reihenfolge ihrer Anträge. Im Rahmen der Erörterung des Hilfsantrags 4 äußerte die Kammer Bedenken im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ betreffend das der Beschreibung entnommene Merkmal "als Kunststofffolie ausgebildet". Als Reaktion darauf reichte die Beschwerdegegnerin einen neuen als Hilfsantrag 4A bezeichneten Anspruchssatz ein.
Anspruch 1 dieses Hilfsantrags 4A hat den folgenden Wortlaut:
"1. Verbundscheibe(20) mit einer flächenförmigen Brandschutzverglasung (10) bestehend aus mehreren zueinander parallelen Glasscheiben (11), zwischen denen intumeszierende Schichten (12) angeordnet sind, wobei auf den beiden gegenüberliegenden Seitenflächen der Brandschutzverglasung (10) mittelbar oder unmittelbar jeweils mindestens ein Kunststoffinterlayer (14) angeordnet ist, wobei auf den der Brandschutzverglasung (10) abgewandten Seiten der Kunststoffinterlayer (14) jeweils wenigstens eine Glas- oder Glaskeramikscheibe (15, 16) angeordnet ist, wobei die Kunststoffinterlayer (14) aus Polycarbonat oder Polymethylmethacrylat bestehen, und wobei die Kunststoffinterlayer (14) eine Dicke im Bereich zwischen 2 mm bis 8 mm aufweisen und wobei die Kunststoffinterlayer (14) unter Zwischenlage einer Haftvermittlerschicht (13) stoffschlüssig mit den Seiten der Brandschutzverglasung (10) und die Glas- oder Glaskeramikscheiben (15, 16) unter Zwischenlage einer Haftvermittlerschicht (13) stoffschlüssig mit den Kunststoffinterlayern (14) verbunden sind, und wobei auf der der Brandschutzverglasung (10) abgewandten Seite wenigstens einer der Glas- oder Glaskeramikscheiben (15, 16) ein weiterer Kunststoffinterlayer (14') angeordnet ist."
XI. Die abschließenden Anträge der Parteien am Schluss der mündlichen Verhandlung waren wie folgt:
Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechende 1 und 2) beantragten
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte
die Zurückweisung der Beschwerden,
hilfsweise, die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Grundlage eines der Hilfsanträge 1, 2 oder 4 eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung;
weiter hilfsweise auf Grundlage des "Hilfsantrags 4A", eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
weiter hilfsweise auf der Grundlage der Hilfsanträge 3 oder 5, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung,
weiter hilfsweise, auf der Grundlage des Hilfsantrags 6, eingereicht mit Schriftsatz vom 12. Januar 2021.
Die Beschwerdegegnerin beantragte außerdem, den Einwand der Beschwerdeführerin 2 unter Artikel 84 EPÜ im Hinblick auf Hilfsantrag 4 nicht zuzulassen.
1. Antrag auf Protokollierung
1.1 Die Beschwerdeführerinnen beantragten in der mündlichen Verhandlung, die Erklärung der Beschwerdegegnerin und des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung, wonach die Angabe zur Dicke der Kunststoffinterlayer im Bereich zwischen 2 mm bis 8 mm individuell für jeden der Kunststoffinterlayer gelte, in das Protokoll aufzunehmen.
1.2 Die Kammer hat dem Antrag insoweit stattgeben, als in das Protokoll aufgenommen wurde, dass der Vorsitzende erklärte, dass die Kammer Patentanspruch 1 entsprechend den Ausführungen der Patentinhaberin dahingehend auslege, dass die angegebene Dicke sich auf den jeweiligen Kunststoffinterlayer beziehe.
Die insoweit in der mündlichen Verhandlung getroffenen Aussagen zur Auslegung definieren den beanspruchten Gegenstand und sind daher rechtserheblich im Sinne von Regel 124 (1) EPÜ für die von der Beschwerdekammer vorzunehmende Prüfung, ob der beanspruchte Gegenstand die Vorgaben des EPÜ erfüllt. Weitergehende Erklärungen, die lediglich für andere Verfahren, insbesondere Verletzungsverfahren bedeutsam sein könnten, sind nicht in das Protokoll aufzunehmen, da sie nicht rechtserheblich für die Entscheidung der Kammer sind (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, Juli 2019, III.C.7.10.2 m.w.N.).
2. Hauptantrag
2.1 Anspruch 1
Der erteilte Anspruch 1 in der von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Merkmalsgliederung lautet wie folgt:
1.1 Verbundscheibe (20) mit einer flächenförmigen
Brandschutzverglasung (10),
1.2 wobei die Brandschutzverglasung (10) aus
mehreren zueinander parallelen Glasscheiben
(11) besteht,
1.3 wobei zwischen den Glasscheiben (11)
intumeszierende Schichten (12) angeordnet sind,
1.4 wobei auf den beiden gegenüberliegenden
Seitenflächen der Brandschutzverglasung (10)
mittelbar oder unmittelbar jeweils mindestens
ein Kunststoffinterlayer (14) angeordnet ist,
1.5 wobei auf den der Brandschutzverglasung (10)
abgewandten Seiten der Kunststoffinterlayer
(14) jeweils wenigstens eine Glas- oder
Glaskeramikscheibe (15, 16) angeordnet ist,
1.6 wobei die Kunststoffinterlayer (14) aus
Polycarbonat oder Polymethylmethacrylat
bestehen,
1.7 und wobei die Kunststoffinterlayer (14) eine
Dicke im Bereich zwischen 2 mm bis 8 mm
aufweisen.
2.2 Auslegung
Wie bereits in ihrer Stellungnahme und während der mündlichen Verhandlung dargelegt, versteht die Kammer Anspruch 1 wie folgt:
2.2.1 Bezüglich Merkmal 1.4, supra, ist die Kammer der Meinung, dass der Begriff "Kunststoffinterlayer" lediglich eine Kunststofflage bezeichnet, welche geeignet ist, zwischen zwei weiteren Lagen angeordnet zu werden. Diese Auslegung ergibt sich direkt aus den erteilten Ansprüchen. Aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 folgt zwingend, dass Interlayer 14 zwischen zwei weiteren Lagen angeordnet ist. Für den weiteren Interlayer 14', der in dem abhängigen Anspruch 10 erwähnt wird, ist aber offen, ob er zwischen zwei Schichten angeordnet ist, oder ob er die Außenschicht der Verglasung bildet.
Es besteht keine Veranlassung, weitere Beschränkungen in diesen Begriff hineinzulesen, die sich lediglich aus der Beschreibung ergeben (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, II. A. 6.3.4). Der Begriff impliziert somit weder ein hohes Widerstandsvermögen gegen punktförmige Durchdringung noch das Vorliegen des Interlayers als vorgefertigte Lage.
2.2.2 Weiter merkt die Kammer an, dass Anspruch 1 nicht auf durchbruchhemmende Verglasungen und insbesondere nicht auf durchbruchhemmende Verglasungen im Sinne der EN 356 beschränkt ist. Der Begriff "durchbruchhemmend" ist in Anspruch 1 nicht enthalten, sondern wird lediglich in der Beschreibung genannt, wobei eine explizite Definition des Begriffs fehlt. Da der Anspruch nicht unklar, sondern lediglich breit ist, sieht die Kammer keine Veranlassung, die Beschreibung ergänzend zur Auslegung des Anspruchs heranzuziehen. Rein vorsorglich ist daher anzumerken, dass die Beschreibung auch nicht impliziert, dass eine Scheibe gemäß Anspruch 1 eine Durchbruchshemmung im Sinne der EN 356 von mindestens in Klasse P6B oder höher aufweist. So lehrt Absatz [0010] des Streitpatents lediglich, dass eine hohe Durchbruchshemmung nach EN 356, zum Beispiel eine der Klassifizierung P8B "ohne Weiteres" erreicht werden "könne" - welche Maßnahmen dazu getroffen werden müssen, bzw. ob die Verglasungen gemäß Anspruch 1 eine solche Klassifizierung erreichen, wird jedoch nicht offenbart.
2.2.3 Die Parteien waren unterschiedlicher Auffassung darüber, ob der Fachmann das Merkmal 1.7 ("wobei die Kunststoffinterlayer (14) eine Dicke im Bereich zwischen 2 mm bis 8 mm aufweisen") so versteht, dass es sich auf die Gesamtdicke aller Kunsstoffinterlayer der Verglasung bezieht, oder ob das Merkmal fordert, dass jeder einzelne Interlayer eine Dicke zwischen 2 und 8 mm aufweist.
Für die Kammer geht aus dem sprachlichen Kontext von Anspruch 1 unmissverständlich hervor, dass jeder einzelne Kunststoffinterlayer eine Dicke von 2 bis 8 mm aufweisen muss. Dies ergibt sich direkt aus der Formulierung des Anspruchs und außerdem zeigt Anspruch 7 (Anspruch 9 wie ursprünglich eingereicht), dass das Streitpatent zwischen der Dicke einzelner Lagen und der Gesamtdicke mehrerer Lagen unterscheidet. Die Dickenangabe bezieht sich somit auf die einzelnen Lagen.
Dieses Verständnis von Anspruch 1 entspricht auch den Angaben in der Patentschrift (siehe z.B. Absatz [0010], insbesondere dritter Satz).
2.3 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Gründe sind die Folgenden.
2.3.1 Die Erfindung betrifft Brandschutzscheiben mit durchbruchhemmenden Eigenschaften (Absatz [0009] des Streitpatents).
2.3.2 E2, insbesondere die Verglasung nach Figur 2, stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar.
Das Argument der Beschwerdegegnerin, E2, bzw. die in Figur 2 gezeigte und in den Absätzen [0056] bis [0058] beschriebene Verglasung, sei als nächstliegender Stand der Technik nicht geeignet, weil diese Verglasung nicht durchbruchhemmend im speziellen Sinne der Normen EN 356 bzw. ISO 16936-2P3B sei, überzeugt nicht, denn Anspruch 1 ist nicht auf derartige durchbruchhemmende Verglasungen beschränkt. Der relevante Stand der Technik kann daher nicht auf Brandschutzscheiben beschränkt werden, die eine gemäß EN 356 klassifizierte Durchbruchhemmung von P6B oder höher aufweisen. Er umfasst vielmehr alle Brandschutz-Verbundgläser, bei denen der Durchbruch gegenüber herkömmlichen Brandschutzgläsern zumindest erschwert ist. Dies ist bei der in Figur 2 der E2 gezeigten Verglasung der Fall, denn der Fachmann erkennt, dass die beiden an den Außenseiten angeordneten Verbundsicherheitsgläser aus jeweils zwei durch eine PVB-Schicht verbundenen Glasscheiben zumindest zu einem gewissen Grad durchbruchhemmend wirken. Das Argument, dass Verbundgläser mit PVB-Folien grundsätzlich keinerlei durchbruchhemmende Eigenschaften erreichen können, ist nicht überzeugend und wird zum Beispiel durch E12 widerlegt (Seite 2, dritter vollständiger Absatz).
Die E2 offenbart somit eine Brandschutzverglasung, die zusätzlich, aufgrund der Anwesenheit der beiden Verbundsicherheitsgläser bzw. der beiden PVB-Schichten, über gewisse, wenn auch leichte, durchbruchhemmende Eigenschaften verfügt.
Zwar repräsentiert die in Figur 2 gezeigte Verglasung nicht die Erfindung der E2, sondern den Stand der Technik. Die Kammer ist aber gleichwohl der Ansicht, dass aus dieser Tatsache nicht folgt, dass die Verglasung der Figur 2 nicht den nächstliegenden Stand der Technik darstellen könnte. Dies ist von der Beschwerdegegnerin auch nicht vorgetragen worden.
Weiterhin zeigt die E2 die beanspruchte und auch in allen Abbildungen gezeigte symmetrische Struktur mit zwei an den Außenseiten der zentralen Brandschutzverglasung angeordneten Kunststoffinterlayern und ist somit dem Gegenstand des Anspruchs 1, der jedenfalls auch symmetrische Strukturen umfasst, sehr nahe.
Aus dieser Analyse folgt, dass die Verglasung der Figur 2 der E2 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt.
2.3.3 Die in Figur 2 der E2 gezeigte Verglasung weist Kunststoffinterlayer aus Polyvinylbutyral (PVB) in einer Dicke von 0,38 bzw. 0,76 mm auf. Somit sind die Merkmale 1.6 und 1.7 nicht offenbart. Merkmal 1.3 ist dagegen offenbart, denn E2 offenbart in Absätzen [0056] und [0057], dass die Verglasung nach Figur 2 drei Glasscheiben aufweist, wobei die beiden äußeren aus Verbundglas und die innere aus monolithischem Glas bestehen, wobei zwischen den drei Glasscheiben zwei intumeszierenden Schichten angeordnet sind.
2.3.4 Ausgehend von der Verglasung der Figur 2 nach E2 hat die Beschwerdegegnerin als technische Aufgabe formuliert, eine Verbundscheibe bereitzustellen, die auf einfache Weise mit guten Brandschutzeigenschaften und guten durchbruchhemmenden Eigenschaften im Sinne der EN 356 oder nach ISO 16936-2P3B zuverlässig produziert werden kann.
2.3.5 Die Kammer akzeptiert diese neue Aufgabenformulierung jedoch nicht, denn sie beruht auf Effekten, die entweder nicht über die gesamte Anspruchsbreite nachgewiesen worden sind, oder die bereits bei der Verglasung gemäß Figur 2 von E2 auftreten, und somit nicht auf die unterscheidenden Merkmale zurückzuführen sind.
So ist weder nachgewiesen noch plausibel, dass alle Verglasungen nach Anspruch 1 des Streitpatents eine durchbruchhemmende Wirkung im Sinne der EN 356, d.h. eine Klassifizierung von P6B oder höher, aufweisen. Weder wird eine solche Wirkung im Anspruch genannt, noch liegen irgendwelche Daten oder Versuchsergebnisse vor, die das Vorliegen eines solchen Effekts über die gesamte Anspruchsbreite untermauern würden. Zwar offenbart Absatz [0026] des Streitpatents Verglasungen in den Widerstandsklassifizierungen P6b bzw. von P8B, aber bei diesen Verglasungen ist eine der äußeren Scheiben als Verbundsicherheitsglas ausgebildet (Ref.-Zeichen 16; Spalte 5, Zeile 13 - 14 und Spalte 6, Zeile 11 - 12), so dass sie zumindest aus diesem Grund nicht repräsentativ für Anspruch 1 sind. Gleiches gilt für die in den Absätzen [0028] und [0029] offenbarten Verglasungen, die zwei zusätzliche Kunststoffinterlayer aufweisen. Es ist somit nicht ersichtlich, dass die Verglasungen gemäß Anspruch 1 durchbruchshemmende Eigenschaften im Sinne der EN 356 oder nach ISO 16936-2P3B über den gesamten Umfang des Anspruchs 1 aufweisen, so dass das Erreichen dieses Effektes nicht in die Formulierung der Aufgabe einfließen kann.
Was die Brandschutzeigenschaften der Verglasungen gemäß Anspruch 1 angeht, so gibt es gleichermaßen keinerlei Anhaltspunkte für eine Verbesserung.
Gleiches gilt für die Zuverlässigkeit bzw. Einfachheit ihrer Herstellung. Die Verglasungen nach Figur 2 von E2 weisen ebenfalls eine symmetrische Konstruktion auf, sodass der bei einer Fertigung im Autoklav auftretende Bimetalleffekt und die damit einhergehenden Probleme genauso wenig auftreten sollten wie bei den Verglasungen gemäß Anspruch 1. Ferner werden auch gemäß E2 zwei dünne Kunststofffolien als Interlayer verwendet, so dass die Probleme der Handhabung und der Kosten dickerer Folien oder Platten ebenfalls nicht auftreten.
Auch diese Effekte können somit nicht bei der Formulierung der Aufgabe berücksichtigt werden.
2.3.6 Die Kammer ist der Ansicht, dass sich dem Fachmann ausgehend von E2 die Aufgabe stellt, eine Verbundscheibe zur Verfügung zu stellen, die gute Brandschutzeigenschaften und zudem beidseitig verbesserte durchbruchhemmende Eigenschaften aufweist.
Der Effekt einer beidseitig verbesserten Durchbruchhemmung wird bereits im Streitpatent genannt (Absatz [0019]) und folgt weiterhin direkt aus den unterscheidenden Merkmalen 1.6 und 1.7 vis-à-vis E2. Der Einwand der Beschwerdegegnerin, die so formulierte Aufgabe beruhe auf einer rückschauenden Betrachtung, ist somit unzutreffend.
2.3.7 Als Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent eine Verglasung vor, bei der die beiden Kunststoffinterlayer aus Polycarbonat (PC) oder Polymethylmethacrylat (PMMA) jeweils in einer Dicke von 2 - 8 mm ausgebildet sind (Merkmale 1.6 und 1.7). Die Kammer hält es für plausibel, dass die Verglasung gemäß Anspruch 1 diese Aufgabe tatsächlich löst. Dies ist auch nicht bestritten worden.
2.3.8 Die Kammer ist zu dem Schluss gekommen, dass die in Anspruch 1 vorgeschlagene Lösung für den Fachmann nahelag.
2.3.9 Der Fachmann, der die nur leichten durchbruchhemmenden Eigenschaften der Verglasung nach Figur 2 von E2 verbessern will, wird zur Lösung der Aufgabe veranlasst, die E1 heranzuziehen, denn die E1 betrifft durchbruchhemmende Brandschutzscheiben (Titel, Absätze [0002], [0158], [0159] - [0161] and [0174] - [0175]). Der Fachmann würde insbesondere die Verglasungen der Ausführungsbeispiele 1 und 2 beachten, denn diese enthalten neben einer Brandschutzverglasung eine durchbruchhemmende Verglasung bestehend aus einer 6,35 mm dicken Polycarbonatlage und einer Glaslage bzw. aus einer 3,18 mm dicken Polymethylmethacrylatlage und einer Glaslage und beide weisen dementsprechend sehr gute durchbruchhemmende Eigenschaften auf (Tabelle 1).
2.3.10 Wendet der Fachmann diese Lehre auf die Verglasung der Figur nach E2 an, so kommt er zum Gegenstand des Anspruchs 1, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.
2.3.11 Die Beschwerdegegnerin hat vorgebracht, der Fachmann würde die E1 zur Lösung der Aufgabe nicht heranziehen, weil die E1 keine durchbruch- sondern lediglich durchwurfhemmende Scheiben im Sinne der EN 356 offenbare. Dieses Argument bezieht sich jedoch auf die von der Beschwerdeführern formulierte ehrgeizigere Aufgabe, siehe Ziffer 2.3.4, welche die Kammer nicht akzeptiert, siehe Ziffer 2.3.5. Für die weniger ehrgeizige Aufgabe, die die Kammer ihrer Würdigung zugrunde legt (siehe Ziffer 2.3.6), ist dieses Argument nicht relevant.
2.3.12 Die Kammer ist auch nicht überzeugt von dem Argument der Beschwerdegegnerin, es gebe angesichts der Konstruktion der Ausführungsbeispiele der E1 mit jeweils nur einem Kunststoffinterlayer keinen Grund, warum der Fachmann beide PVB-Interlayer der Verglasung der E2 austauschen sollte. Die Motivation für diesen Schritt ergibt sich nämlich nicht aus der E1, sondern zum einen aus der o.g. Aufgabe, deren Lösung der Fachmann verfolgt, und zum anderen aus der schon vorgegebenen, symmetrischen Struktur der Verglasung der E2. Die Tatsache, dass andere Dokumente, wie E5, E6 und E12, durchbruchhemmende Brandschutzverglasungen offenbaren, die eine andere Struktur mit lediglich einer durchbruchhemmenden Schicht aufweisen, ändert nichts an dieser Aufgabe bzw. an der Lehre der E2.
2.3.13 Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung der Beschwerdegegnerin, der Fachmann würde zur Lösung der Aufgabe die zentrale monolithische Scheibe durch eine PMMA oder PC-Platte ersetzen, denn diese ist in dem in Figur 2 gezeigten Verbund der Brandschutzverglasung zuzuordnen. Der Fachmann, der die Erhöhung der Durchbruchhemmung anstrebt, hätte dazu, angeregt durch E1, die vorhandenen durchbruchhemmenden Elemente der Verglasung verstärkt bzw. ausgetauscht, aber nicht die Brandschutzverglasung verändert.
2.3.14 Auch das Argument, die E1 lehre von der Verwendung intumeszierender Schichten ab, vermag die Kammer nicht zu überzeugen, denn der Fachmann sucht in der E1 eine Lösung für die obengenannte Aufgabe und keine alternativen brandschutzhemmenden Schichten. Außerdem sind gemäß der E1 (Absatz 0005) Verglasungen mit intumeszierenden Schichten deshalb problematisch, weil diese mechanisch versagen können, sobald sie unter Hitzeeinwirkung brechen. Dieses Problem tritt laut E2 (Absatz 0005) bei der Verglasung gemäß Figur 2 jedoch nicht auf, denn eine der beiden Verbundscheiben ist durch die zentrale Brandschutzverglasung geschützt und kann somit auch im Brandfall die mechanische Stabilität der Verglasung gewährleisten.
2.3.15 Da somit der auf den Inhalt der erstmalig in der mündlichen Verhandlung gezeigten Norm EN 356 aufbauende neue Tatsachevortrag in der Sache nicht überzeugt, siehe Ziffer 2.3.2, 2.3.5 und 2.3.11, kann dahinstehen, ob die Norm und der dazugehörige Vortrag in das Beschwerdeverfahren zugelassen werden.
2.3.16 Aus diesen Gründen mangelt es dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags an einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ). Folglich ist der Hauptantrag nicht gewährbar.
3. Hilfsantrag 1
3.1 Auslegung
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 entspricht dem erteilten Anspruch 1, wobei der Anspruch durch die Aufnahme des Merkmals, "wobei die Kunststoffinterlayer (14) als Kunststofffolie ausgebildet sind" eingeschränkt wurde.
Zwischen den Parteien war strittig, ob bzw. inwieweit das neu aufgenommene Merkmal den Gegenstand des Anspruchs vom Stand der Technik abgrenzt. Die Kammer ist der Ansicht, dass der Begriff angesichts einer Dicke der "Folien" von bis zu 8 mm breit ausgelegt werden muss und daher Polycarbonat- bzw. Polymethyl-methacrylatplatten mit umfasst. Weiterhin impliziert der Begriff nach dem Dafürhalten der Kammer nicht eindeutig, dass die entsprechende Lage vorgefertigt ist. Die Kammer geht trotzdem, arguendo, in der nachfolgenden Diskussion zugunsten der Beschwerdegegnerin davon aus, dass es in der fertigen Verbundscheibe erkennbar ist, ob eine Lage in-situ erzeugt wurde, z.B. mithilfe von Gießharz, oder ob sie als vorgefertigte Lage in den Verbund integriert wurde.
3.2 Erfinderische Tätigkeit
3.2.1 Die Kammer sieht keinen Anlass, die technische Aufgabe gegenüber dem Hauptantrag zu ändern, denn das Merkmal, wonach die Interlayer als Folie ausgebildet sind, ist weder ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik in E2 (siehe E2 Absätze [0005], [0057]), noch sind irgendwelche Effekte nachgewiesen, die auf das Merkmal zurückzuführen wären. Insbesondere gibt es keinerlei Beweis für die Behauptung der Beschwerdegegnerin, dass als Folien ausgebildete Kunststoffinterlayer zu einer verbesserten Durchbruchhemmung führen würden.
3.2.2 Aus diesem Grund ist Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags aus den gleichen Gründen nicht erfinderisch wie der Hauptantrag. E1 lehrt nämlich auch die Verwendung von vorgefertigten Lagen, d.h. von "Folien" im Sinne des Streitpatents. So werden gemäß E1 die einzelnen Komponenten zu dem Verbund zusammengefügt (E1: "assembled", Absätze [00168] - [0172] und Figur 3) und anschließend unter Druck- und Temperatureinwirkung (Absätze [00171] - [00172]) über Klebeschichten ("adhesive layers" A, Absätze [00174] - [00175]) miteinander verbunden. Die Kammer ist überzeugt, dass die genannten Passagen dem Fachmann eindeutig und unmittelbar offenbaren, dass vorgefertigte Lagen, d.h. "Folien" zu verwenden sind.
3.2.3 Ausgehend von Figur 2 der E2 würde der Fachmann somit gemäß der Lehre der Ausführungsbeispiele der E1 vorgefertigte Polycarbonat- bzw. Polymethylmethacrylatplatten oder -folien mittels der in den Beispielen verwendeten Haftvermittlerschichten in die in Figur 2 gezeigte Verglasung integrieren und auf diese Weise in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.
3.2.4 Der Gegenstand laut Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, so dass der erste Hilfsantrag nicht gewährbar ist.
4. Hilfsantrag 2
In Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags, verglichen mit Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags, wurden zusätzlich die Merkmale der erteilten Ansprüche 2 und 3 aufgenommen.
4.1 Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand von Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags ist aus den gleichen Gründen nicht erfinderisch, wie der Gegenstand von Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags. Wie unter Ziffer 3.2 bereits ausgeführt, offenbart E1 die neu aufgenommenen Merkmale, weil in Beispiel 1 und 2 der E1 die Polycarbonat- bzw. Polymethylmethacrylatplatte jeweils mittels der Haftvermittlerschichten "A" zwischen zwei Glasscheiben "G" eingeklebt werden. Der Fachmann würde bei der Übertragung der Lehre der E1 auf E2 ebenfalls dies Haftvermittlerschichten vorsehen, damit die Verstärkungsschichten in die Verglasung integriert werden können.
Der Gegenstand laut Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ), so dass der zweite Hilfsantrag nicht gewährbar ist.
5. Hilfsantrag 4
Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags (eingereicht mit der Beschwerdebegründung), beruht auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 - 4, 6 und 12 und dem zusätzlichen Merkmal "die Kunststoffinterlayer (14) sind als Kunststofffolie ausgebildet" aus der Beschreibung.
5.1 Artikel 123 (2) EPÜ
5.1.1 Die Beschwerdeführerinnen haben zu Hilfsantrag 4 keine Einwände unter Artikel 123 (2) EPÜ vorgebracht.
Für Ansprüche, die der Patentinhaber durch die Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung geändert hat, die jedoch im Einspruchsverfahren nicht überprüft wurden, ist im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen, ob sie im Einklang mit Artikel 123 (2) EPÜ stehen (Artikel 114 (1) EPÜ, Regel 100 (1) EPÜ und G 10/91 EPA Abl. 1993, 420, Gründe, 19). Anderenfalls würde unter Umständen ein Gegenstand gewährt, der allein der Disposition der Parteien unterläge, weil er zu keinem Zeitpunkt einer amtlichen Prüfung unterzogen worden wäre.
Im vorliegenden Fall hat die Kammer die Einwände unter Artikel 123 (2) EPÜ erstmalig während der mündlichen Verhandlung vorgebracht. Um den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Artikel 113 (1) EPÜ) und der Waffengleichheit zu wahren, wurde der Beschwerdeführerin Gelegenheit geben, sich zu den Einwänden zu äußern und die Einwände durch das Einreichen eines neuen Hilfsantrags auszuräumen.
5.1.2 Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags umfasst Gegenstände, die über die ursprüngliche Offenbarung hinausgehen und verstößt damit gegen Artikel 123 (2) EPÜ, und zwar aus folgenden Gründen:
Es ist unstrittig, dass in dem Seite 6 und 7 überbrückenden Absatz der ursprünglich eingereichten Beschreibung offenbart wird, dass die Kunststoffinterlayer "als Kunststofffolien, [.....], ausgebildet sind". Die besagte Passage gehört jedoch nicht zum allgemeinen Teil der Beschreibung, in dem lediglich "Layer" oder "Schichten" erwähnt werden (siehe z.B. Seite 4, erster Absatz), sondern bezieht sich auf die in den Abbildungen 1 - 4 gezeigten speziellen Ausführungsformen. In diesen werden jedoch ausschließlich Folien verwendet, die dünner sind als die beanspruchten 2 bis 8 mm, siehe Seite 9, erster Absatz und Seite 10, letzter Absatz. Als Folien ausgebildete Interlayer mit einer Dicke im Bereich von 2 bis 8 mm sind in der ursprünglichen Beschreibung nicht offenbart.
Darüber hinaus sind alle darin beschriebenen und in den Abbildungen gezeigten Ausführungsformen, die als Folie ausgebildete Kunststoffinterlayer enthalten, symmetrisch hinsichtlich der Anzahl Interlayer pro Seite, wohingegen der vorliegende Anspruch 1 auch nicht symmetrische Ausführungsformen umfasst, bei denen zum Beispiel auf einer Seite ein und auf der anderen Seite zwei Interlayer angebracht sind.
Des Weiteren sind die als Folien ausgebildeten Kunststoffinterlayer in den in den Abbildungen gezeigten Verglasungen immer über PUR-Haftfolien mit den angrenzenden Glasscheiben verbunden, wohingegen Anspruch 1 das Material des Haftvermittlers offen lässt - als Folien ausgebildete Interlayer, die nicht über PUR-Haftfolien mit den angrenzenden Glasscheiben verbunden sind, werden in den ursprünglich eingereichten Unterlagen jedoch nicht offenbart.
Zusammenfassend umfasst Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags einen Gegenstand, der ursprünglich nicht offenbart war.
Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags ist somit unzulässig erweitert (Artikel 123 (2) EPÜ). Der vierte Hilfsantrags ist somit nicht gewährbar.
6. Hilfsantrag 4A (eingereicht während der mündlichen Verhandlung)
6.1 Zulassung
Die Kammer hat ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, den erstmals in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 4a in das Verfahren zuzulassen (Artikel 13 (2) VOBK 2020). Das Einreichen des Antrags stellt eine Reaktion auf den Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ gegen den vierten Hilfsantrag dar, der erstmalig während der mündlichen Verhandlung vorgebracht wurde. Die Beschwerdeführerinnen haben keine Einwände gegen die Zulassung des Antrags erhoben.
6.2 Artikel 123 (2) EPÜ
Anspruch 1 entspricht Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags, wobei das Merkmal "Kunststoffinterlayer sind als Folie ausgebildet" aus dem Anspruch entfernt wurde. Anspruch 1 beruht damit auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 - 4, 6 und 12. Die übrigen Ansprüche wurden lediglich umnummeriert.
Einwände unter Artikel 123 (2) EPÜ sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
Das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ ist erfüllt.
6.3 Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
Anspruch 1 entspricht den erteilten Ansprüchen 1-3 und 10, so dass seine Klarheit in diesem Beschwerdeverfahren nicht mehr geprüft werden kann (G 3/14, EPA Abl. 2015, 102, Gründe, 81). Die gegen Anspruch 1 einiger der höherrangigen Anträge erhobenen Klarheitseinwände sind somit für diesen Antrag gegenstandslos.
6.4 Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4A beruht aus folgenden Gründen auf einer erfinderischen Tätigkeit:
6.4.1 E2 als nächstliegender Stand der Technik in Kombination mit E1
Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin 2 nicht zu, die vorgetragen hat, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei naheliegend, weil das Hinzufügen eines weiteren Kunststoffinterlayers zur Lösung der Aufgabe, d.h. zur weiteren Erhöhung der Durchbruchhemmung, von der E1 (Absatz [0161]) ebenfalls nahegelegt werde.
Wie unter Ziffer 2.2.3 dargelegt, bezieht sich die Angabe zur Dicke auf die jeweiligen ("die") Interlayer. Ferner legt der Anspruch fest, dass der Kunststoffinterlayer (14) und der weitere Kunststoffinterlayer (14') zumindest durch eine Glas- oder Glaskeramikscheibe (15, 16) getrennt sein müssen.
Um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen, müsste die E1 also nahelegen, auf zumindest einer Seite der Brandschutzverglasung zwei Kunststoffinterlayer in der beanspruchten Dicke von 2 bis 8 mm anzubringen, und zwar voneinander getrennt durch mindestens eine Glas- oder Glaskeramikscheibe. Eine solche Verglasung wird jedoch in E1 weder offenbart noch nahegelegt.
Die Verglasungen der Beispiele weisen jeweils nur einen Kunststoffinterlayer auf. Absatz [00161] erwähnt zwar die Möglichkeit, mehrere Interlayer zu verwenden, aber eine entsprechende Ausführungsform, in der auch die konkrete Anordnung und die Dicke der einzelnen Lagen offenbart wäre, fehlt in E1.
Selbst wenn man zugunsten der Beschwerdeführerinnen davon ausginge, dass die Beispiele in der Zusammenschau mit der Offenbarung von Absatz [0161] dem Fachmann nahelegen würden, einseitig oder beidseitig eine zweite PC- oder PMMA-Schicht gleicher Dicke vorzusehen, würde dies nicht automatisch zu einem anspruchsgemäßen Aufbau führen, denn die weitere Kunststoffschicht muss nicht notwendigerweise auf der Glasaußenseite aufgebracht werden. Bezugnehmend auf die Lagenfolge von Beispiel 1 in E1 wäre nicht nur eine Lagenfolge "G/AFA/G/ACA/G/AC" möglich (G = Glas, A = Haftvermittler, F = Fluorpolymer, C = Polycarbonat), sondern ebenfalls eine Lagenfolge "G/AFA/G/ACACA/G". Letztere wäre nach dem Dafürhalten der Kammer sogar bevorzugter, also naheliegender, denn laut Absatz [0160] hat die äußere Glasscheibe G lediglich die Funktion, die Kunststofflage vor dem Verkratzen zu schützen, so dass es abwegig wäre, diese Kratzschutzscheibe innerhalb der Verglasung, bzw. hinter einer zusätzlichen PC- oder PMMA-Schicht anzuordnen.
Die Kammer merkt noch an, dass diese Argumentation sowohl für die "symmetrische" Ausführungsform des Anspruchs 1 gilt, als auch für die unsymmetrische, bei der lediglich auf einer Seite ein weiterer Kunststoffinterlayer angebracht ist.
Ausgehend von der E2 in Kombination mit E1 folgt somit, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4A von der E1 nicht nahegelegt wird.
6.4.2 E2 als nächstliegender Stand der Technik mit E1 und E16, E17 oder E7
Die Kammer findet auch die alternative Argumentationslinie einer Kombination von E2 mit E1 und E16, E17 oder E7 nicht überzeugend.
Die Beschwerdeführerin 1 hat vorgebracht, der Gegenstand des Anspruchs 1 löse zwei voneinander unabhängige Teilaufgaben, nämlich zum einen die beidseitige Verbesserung der Durchbruchhemmung (Teilaufgabe 1), und zum anderen die Verbesserung der Scheibe hinsichtlich des Splitterschutzes für sich hinter der Scheibe befindliche Personen (Teilaufgabe 2). Die Lösung der ersten Teilaufgabe, d.h. die Merkmale 1.6 und 1.7 sowie die Merkmale der ursprünglich eingereichten Ansprüche 3 und 4, werde von der E1 nahegelegt, wie oben bereits zum zweiten Hilfsantrag ausgeführt. Die Lösung der zweiten Teilaufgabe, d.h. die Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 12, werde dagegen von der E16 (bzw. E7 und E17) nahegelegt, denn E16 lehre, zum Zwecke des Splitterschutzes an der Innenseite eines Panzerglases eine PC- bzw. PMMA-Schicht vorzusehen.
Dieser Argumentation folgt die Kammer jedoch nicht. Die Kammer teilt nicht die Meinung der Beschwerdeführerin 1, dass die E16 lehre, zum Zwecke des Splitterschutzes eine PC- oder PMMA-Scheibe an der Innenseite einer Sicherheitsverglasung anzubringen. Vielmehr offenbaren Absätze [0042], [0044] und [0056] der E16 ein mehrschichtiges Panzerglas, welches neben Schichten der Typen (a) und (b) eine einzige Schicht (c) aufweist, die aus PC oder PMMA besteht und deren Dicke im beanspruchten Bereich liegen kann (Absätze [0042] und [0046]). Wenn in Absatz [0056] von einem Splitterschutzaufbau gesprochen wird, bezieht sich diese Aussage jedoch nicht auf diese einzige, innenliegende (c)-Schicht aus PC oder PMMA, sondern auf das mehrschichtige Panzerglas in seiner Gesamtheit.
Wenn der Fachmann also, ausgehend von der E2, sowohl die durchbruchhemmende Wirkung der Scheibe als auch ihre Splittersicherheit hätte verbessern wollen, hätte er eine komplette Panzerglasscheibe gemäß Absatz [0056] in die Brandschutzscheibe der E2 integriert, denn diese bietet sowohl durchbruchhemmende als auch splittersichere Eigenschaften. Eine solche Modifikation der Verglasung gemäß E2 führt jedoch nicht zu einem anspruchsgemäßen Gegenstand.
Die Kammer ist der Meinung, dass der Fachmann keine Veranlassung hat, einen Aspekt der Schutzverglasung der E16, nämlich die innenliegende Schicht (c), zu isolieren und auf den Stand der Technik zu übertragen, es sei denn als Ergebnis einer rückschauenden Betrachtung im Kenntnis des Gegenstands laut Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags.
Ähnliches gilt für die E17 und die E7. Beide Dokumente offenbaren komplexe, mehrschichtige Sicherheitsverglasungen (E17: Figur 5, Absatz 0030; E7: Figur 1), bei denen sich durch das Zusammenwirken der einzelnen Schichten die gewünschte Sicherheitswirkung ergibt. Es ist nicht naheliegend, aus diesen Verglasungen eine Komponente herauszulösen, um diese mit der Sicherheitsverglasung aus E1 und der Brandschutzverglasung aus E2 zu kombinieren.
Die Kammer merkt außerdem noch an, dass, wie oben (Ziffer 6.4.1) ausgeführt, die innere Scheibe gemäß der Lehre der E1 die Funktion hat, die darunterliegende PC- oder PMMA-Schicht vor dem Verkratzen zu schützten. Vor diesem Hintergrund würde es keinen Sinn ergeben, auf dieser Glasschicht wiederum eine gleichermaßen kratzempfindliche PC- oder PMMA-Schicht vorzusehen. Stattdessen wäre es naheliegend, die Glasschicht wegzulassen, wie es Absatz 00160 der E1 vorschlägt, denn auch so würde der Fachmann einen in diesem Punkt der E16 vergleichbaren Aufbau mit einer innenliegenden PC- oder PMMA-Schicht erhalten.
Es folgt, dass ausgehend von der E2 als nächstliegendem Stand der Technik, der Gegenstand von Anspruch 1 durch die E1 und die E16, E17 oder E7 nicht nahegelegt wird.
6.4.3 E2 als nächstliegender Stand der Technik mit E19
Auch die Kombination von E2 mit E19 legt den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahe.
Die Argumentation der Beschwerdeführerin 1 beruht auf der Annahme, dass Figur 1B in der Zusammenschau mit der Offenbarung in Spalte 13, Zeile 9 bis 16, eine Sicherheitsverglasung mit zwei Polycarbonatschichten offenbart, und dass der Fachmann diese zur Verbesserung der Durchbruchhemmung in die Verglasung gemäß E2 einbauen würde.
Diese Argumentation ist jedoch nicht überzeugend, denn sie beruht darauf, dass der in Spalte 13, Zeile 13, genannte Verbindungsfilm ("joining film") mit der Zwischenschicht 30 ("intermediate layer") aus Figur 1b gleichzusetzen ist. Dem ist jedoch nicht so, wie zum Beispiel aus Absatz [0037], Zeile 17 bis 19, aus Absatz [0068], aus Absatz [0070] (Zwischenschicht 30 wird aus PVB hergestellt und hat eine Dicke von 0.2 mm) und aus Absatz [0100] hervorgeht. Da somit weder E2 noch E19 eine Struktur mit zwei Kunststoffinterlayern im Sinne des vorliegenden Anspruchs offenbaren, kann auch die Kombination der beiden Dokumente den Gegenstand des Anspruchs nicht nahelegen.
6.4.4 E5 als nächstliegender Stand der Technik
E5 beschäftigt sich wie das Streitpatent mit Brandschutzgläsern (Absatz [0001]) mit durchbruchhemmender Wirkung nach DIN EN 356 (Absätze [0024] und [0025]) und kann somit als möglicher Ausgangspunkt bei der Ermittlung der erfinderischen Tätigkeit herangezogen werden.
Die Argumentation der Beschwerdeführerin 2 ist nicht überzeugend, aus folgenden Gründen:
Die Beschwerdeführerin geht von der in Figur 3 gezeigten Ausführungsform aus.
Von den in E5 gezeigten Ausführungsformen stellt jedoch eindeutig die Verglasung gemäß Figur 4 in Verbindung mit Absätzen [0024] und [0025] den nächstliegenden Stand der Technik dar, denn für diese Ausführungsform sind durchbruchhemmende Eigenschaften explizit genannt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von dieser Ausführungsform zumindest durch die Merkmale 1.6, 1.7 und die Merkmale des ursprünglich eingereichten Anspruchs 12.
Es ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich, wie der Fachmann ausgehend von Figur 4 in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangt wäre.
Geht man zugunsten der Beschwerdeführerin 2 dennoch von der in Figur 3 gezeigten Ausführungsform aus, so offenbart diese weder Merkmal 1.7 noch die Merkmale der erteilten Ansprüche 3, 4 und 12. Geht man weiter zugunsten der Beschwerdeführerin 2 davon aus, dass die Aufgabe darin besteht, die Durchbruchhemmung dieser Ausführungsform zu verbessern, so würde der Fachmann dennoch nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen. Insbesondere würde er zu diesem Zweck nicht die zwei Verbindungsschichten (4) aus PMMA-Gießharz in 2 bis 8 mm Dicke ausführen, weil die E5 den Giessharzschichten keinerlei durchbruchhemmende Wirkung zuschreibt. Somit hätte der Fachmann auch keine Veranlassung gehabt, die Lehre der E1 auf diese Schichten anzuwenden, und selbst wenn er das täte, würde er nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen, der zumindest einseitig einen weiteren Kunststoffinterlayer vorsieht.
Die Kammer hält es dagegen für naheliegend, dass der Fachmann zur Erhöhung der Durchbruchhemmung der Verglasung gemäß Figur 3 die Lehre aus den Absätzen [0024] und [0025] sowie aus der Figur 4 herangezogen hätte. Diesen Passagen entnimmt der Fachmann jedoch lediglich, eine zentral angeordnete Schicht aus einem organischen Polymer vorzusehen, was ihn ebenfalls nicht zum beanspruchten Gegenstand führen würde.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 lag somit auch ausgehend aus E5 als nächstliegendem Stand der Technik nicht nahe.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang auf Grundlage der Ansprüche des "Hilfsantrags 4A", eingereicht in der mündlichen Verhandlung, und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.