T 1248/18 (Sicherheitspapier/G+D) 28-11-2022
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VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG EINES SICHERHEITSPAPIERS UND MIKROLINSENFADEN
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Änderung des Beschwerdevorbringens - rechtfertigende Gründe des Beteiligten (ja)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, in der das europäische Patent Nr. 2 753 754 auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2018 eingereichten Hilfsantrags 3 für gewährbar erachtet wurde.
II. Mit der Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin, die Entscheidung aufzuheben und das Patent vollständig zu widerrufen, da der Gegenstand der Ansprüche 1 und 14 in der aufrechterhaltenen Fassung gegenüber D2 (WO 2011/051905) bzw. des Anspruchs 1 gegenüber D1 (WO 2005/052650) nicht neu sei. Außerdem sei der Gegenstand der Ansprüche 1 und 14 gegenüber der Kombination von D1 oder D2 mit dem allgemeinen Fachwissen nicht erfinderisch.
III. Mit der Beschwerdeerwiderung beantragte die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin, die Beschwerde zurückzuweisen, oder hilfsweise, das Patent auf der Grundlage eines der beigefügten Hilfsanträge 1 bis 3 aufrechtzuerhalten.
IV. Mit Schreiben vom 30. April 2020 reichte die Einsprechende Dokument V1 ein.
V. Mit Schreiben vom 7. Juli 2020 reichte die Patentinhaberin neue Hilfsanträge 1, 1A, 1B, 2, 2A und 2B ein (nachstehend als Hilfsanträge I bis VI bezeichnet), die die bisherigen Hilfsanträge 1 bis 3 ersetzten.
VI. Die Einsprechende beantragte diese neuen Hilfsanträge als verspätet nicht zuzulassen. Weiterhin reichte sie neue Dokumente D5 (EP 0070172 B1), D6 (WO 03/085193 A1) und D7 (US 5783275 A) ein und argumentierte, dass die Hilfsanträge I und II gegenüber der Kombination von D1 oder D2 mit D5 nicht erfinderisch seien.
VII. Mit Schreiben vom 15. April 2021 reichte die Patentinhaberin einen neuen Hilfsantrag I ein, der den bisherigen Hilfsantrag I ersetzte, und ließ die Hilfsanträge IV und V fallen. Sie beantragte, Dokument V1 nicht zuzulassen.
VIII. In ihrer vorläufigen Meinung, hat die Kammer darauf hingewiesen, dass der Gegenstand des Hauptantrags und der Hilfsanträge I bis III die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllen dürfte und dass die Hilfsanträge I und II nicht ins Verfahren zugelassen werden sollten.
IX. Mit Schreiben vom 26. November 2021 beantragte die Patentinhaberin die Hilfsanträge I bis VI nicht zuzulassen.
X. Mit Schreiben vom 10. Januar 2022 reichte die Patentinhaberin einen neuen Hilfsantrag VII ein, ließ Hilfsantrag I und IV fallen und nahm wieder Bezug auf Hilfsantrag V.
XI. Die Einsprechende beantragte, den Hilfsantrag VII und den erneut geltend gemachten Hilfsantrag V nicht ins Verfahren zuzulassen.
XII. In der mündlichen Verhandlung, die am 28. November 2022 stattfand, erklärte die Beschwerdegegnerin, dass Hilfsantrag V nicht weiterverfolgt werden solle und die Parteien bestätigten, dass ihre jeweiligen Anträge wie folgt lauten:
Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Streitpatent vollständig zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), oder hilfsweise, das Patent auf der Grundlage der Hilfsanträge II, III oder VI eingereicht mit Schreiben vom 7. Juli 2020 oder des Hilfsantrags VII eingereicht mit Schreiben vom 10. Januar 2022, aufrechtzuerhalten.
XIII. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß der von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Fassung (Hauptantrag) lautet wie folgt:
"1. Verfahren zur Herstellung eines Sicherheitspapiers, bei dem
M) ein endloser Mikrolinsenfaden bereitgestellt wird, der eine Oberseite und eine gegenüberliegende Unterseite aufweist, wobei die Oberseite zumindest in Teilbereichen mit Mikrolinsen versehen ist,
P) eine Papierbahn mit einem vorbestimmten Stegmuster erzeugt wird, welches Stegbereiche aufweist, in denen der Mikrolinsenfaden im Inneren der Papierbahn eingebettet ist, und das zwischen den Stegbereichen liegende Fensterbereiche aufweist, in denen der Mikrolinsenfaden an der Oberfläche der Papierbahn hervortritt, und
E) der Mikrolinsenfaden in die Papierbahn eingebracht und dabei auf seiner Unterseite und in den Stegbereichen auch auf seiner Oberseite mit der Papierbahn verbunden wird, wobei die Papierbahn mit dem eingebrachten Mikrolinsenfaden das Sicherheitspapier bildet."
Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag II enthält folgende zusätzliche Merkmale:
"... dadurch gekennzeichnet, dass
A1) - der Mikrolinsenfaden vor der Einbringung in die Papierbahn auf seiner Oberseite mit einer Klebstoffschicht in Gestalt des Stegmusters versehen wird, und
- der Mikrolinsenfaden in Schritt E) registriert in die Papierbahn eingebracht wird, so dass die mit Klebstoff beschichteten Bereiche des Mikrolinsenfadens mit den Stegbereichen der Papierbahn zusammenfallen, oder
A2) - der Mikrolinsenfaden unmittelbar vor dem Einlaufen in die Papierbahn gezielt in den Bereichen seiner Oberseite mit Klebstoff beschichtet wird, die bei der Blattbildung unterhalb von Stegbereichen
der Papierbahn zu liegen kommen."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III entspricht Anspruch 1 des Hilfsantrags II, wobei die Alternative "A2" gestrichen wurde.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag VI entspricht Anspruch 1 des Hilfsantrags III mit den zusätzlichen (von der Kammer unterstrichenen) Merkmalen:
"... dass, der Mikrolinsenfaden ein Motiv mit einem Motivsprung enthält, wobei der Mikrolinsenfaden registriert eingebracht wird, so dass der Motivsprung in einem der Stegbereiche der Papierbahn zu liegen kommt, wobei ...".
1. Hilfsantrag III - Erfinderische Tätigkeit
Die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ sind für diesen Antrag aus den folgenden Gründen nicht erfüllt:
1.1 Nächstliegender Stand der Technik
Dokument D2 offenbart (siehe Abbildung 5) ein Sicherheitspapier mit einem Sicherheitselement (siehe Abbildungen 17 bis 20), wobei das Sicherheitselement einen Mikrolinsenfaden umfasst, der mit einer Papierbahn mit Fenstern und Stegbereichen bedeckt ist.
Es ist nicht bestritten, dass Dokument D2 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt, da sowohl seine Merkmale als auch sein Zweck denen der Erfindung sehr ähnlich sind.
1.2 Unterscheidungsmerkmale
1.2.1 Die Patentinhaberin machte geltend, dass D2 nicht offenbare, wie die Verbindung zwischen der Papierbahn und dem Mikrolinsenfaden hergestellt werden solle. Dokument D2 offenbare zudem nicht, dass der Mikrolinsenfaden endlos sei, registriert eingebracht wird und aus der Oberfläche der Papierbahn hervortrete.
1.2.2 Die Kammer stimmt der Patentinhaberin insofern zu, als D2 nicht direkt und eindeutig angibt, dass der Mikrolinsenfaden endlos ist, und registriert in die Papierbahn eingebracht wird, so dass die Klebstoffbereiche mit den Stegbereichen zusammenfallen. Wenngleich die Kammer nicht davon überzeugt ist, dass der Mikrolinsenfaden in D2 an der Oberfläche der Papierbahn nicht hervortritt, wird zu Gunsten der Patentinhaberin angenommen, dass dies ein weiteres Unterscheidungsmerkmal darstellt.
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich somit von D2 dadurch, dass:
(i) der Mikrolinsenfaden endlos ist, und in die Papierbahn registriert eingebracht wird, so dass die mit Klebstoff beschichteten Bereiche des Mikrolinsenfadens mit den Stegbereichen der Papierbahn zusammenfallen, und
(ii) der Mikrolinsenfaden aus der Oberfläche der Papierbahn hervortritt.
1.3 Technische Wirkung der Erfindung und Aufgabe
1.3.1 Die Patentinhaberin argumentierte, dass das Hervortreten des Mikrolinsenfadens impliziere, dass der obere Teil des Mikrolinsenfadens über die Oberseite der angrenzenden Papierbahn hinausrage. Dieses Merkmal rufe daher eine haptische Wirkung hervor.
1.3.2 Die Kammer sieht jedoch keine Grundlage für eine solche restriktive Auslegung des Begriffs "Hervortreten", da das Streitpatent selbst mehrere Konfigurationen zeigt, in denen die Oberfläche des Mikrolinsenfadens deutlich niedriger ist als die angrenzenden Papier- oder Klebeflächen (siehe Figur 1, 2, 7, 8 oder 9). Diesbezüglich ist die Kammer der Ansicht, dass das Hervortreten des Mikrolinsenfadens lediglich erfordert, dass die Fenster in der Papierbahn als Lücken ausgebildet sind, so dass sich der Mikrolinsenfaden auf der Oberseite des Sicherheitspapiers befindet und somit direkt sichtbar und zugänglich ist (d.h. dass die Fenster keine transparente Schicht enthalten, die den Mikrolinsenfaden bedeckt), unabhängig davon, ob der Mikrolinsenfaden höher oder niedriger als die Oberfläche der angrenzenden Papierbahn ist.
Die Kammer sieht im Patent keine Grundlage für die Annahme, dass ein Hervortreten des Mikrolinsenfadens im Sinne dieser Auslegung eine spezifische technische Wirkung hervorrufen würde, und kommt zum Schluss, dass ausschließlich das Unterscheidungsmerkmal (i), d.h. die registrierte Einbringung des endlosen Mikrolinsenfadens die relevante technische Wirkung der geltenden Erfindung bewirkt.
1.3.3 Die Patentinhaberin machte außerdem geltend, dass die gezielte Beschichtung des Mikrolinsenfadens, nämlich so, dass beim Einbringen des Sicherheitselements in die Papierbahn, die Bereiche mit Klebstoff mit den Stegbereichen der Papierbahn zusammenfallen, zu einer effektiveren Nutzung des Klebstoffs führen würde. Die Aufgabe der Erfindung bestand also darin, ein Verfahren mit einem geringeren Klebstoffverbrauch bereitzustellen.
1.3.4 Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass das Unterscheidungsmerkmal (i) zwangsläufig zu einem geringeren Klebstoffverbrauch führen würde. Wie die Patentinhaberin selbst zugab, könnte die mit Klebstoff bedeckte Fläche genau den Stegbereichen entsprechen, aber auch kleiner oder etwas größer als diese Bereiche sein (siehe auch Absätze [0039] und [0040] des Streitpatents). Es ist also offensichtlich, dass die Erfindung sich nicht mit der Reduzierung des Klebstoffverbrauchs befasst bzw. dass sie Ausführungsformen umfasst, bei denen der Klebstoffverbrauch vergleichsweise hoch ist.
1.3.5 Die Kammer stimmt jedoch mit der Patentinhaberin darin überein, dass die Erfindung sicherstellt, dass der Klebstoff mindestens an den Stellen aufgetragen wird, wo die Papierbahn mit dem Sicherheitselement fixiert werden muss. Es ist daher plausibel, dass die Erfindung, wie in Absatz [0038] des Patents angegeben, eine wirksame Einbettung des Sicherheitselements gewährleistet.
Die Kammer ist daher zu dem Schluss gekommen, dass die durch die Erfindung gelöste Aufgabe darin besteht, ein Verfahren bereitzustellen, das eine sichere Einbettung des Sicherheitselements gewährleistet.
1.4 Offensichtlichkeit der Lösung
1.4.1 Die Kammer stellt zunächst fest, dass die Patentinhaberin nicht geltend gemacht hat, dass das Unterscheidungsmerkmal (ii) (das Hervortreten des Mikrolinsenfadens) einen erfinderischen Beitrag leistet. Wie oben ausgeführt, impliziert das Hervortreten des Mikrolinsenfadens lediglich, dass der Faden nicht von einer zusätzlichen Schicht auf der Oberseite bedeckt ist. Da bei D2 der Faden mit den Fenstern der Papierbahn bedeckt ist, setzt dieses Merkmal lediglich voraus, dass die in der Papierbahn vorhandenen Fenster keine abdeckende Schicht enthalten sollten. Obwohl dies in D2 nicht ausdrücklich offenbart ist, ist die Bereitstellung von Fenstern, die durch eine Öffnung ohne Deckschicht gebildet werden, als eine offensichtliche Überlegung für eine Fachperson anzusehen.
1.4.2 Bezüglich des Unterscheidungsmerkmals (i), machte die Patentinhaberin geltend, dass das Sicherheitselement gemäß den Figuren 17 und 18 in D2 nicht mit der Konfiguration des Sicherheitselements in Abbildung 5 kompatibel sei. Außerdem würden die auf Seite 28 angegebenen Abmessungen nicht den Maßen entsprechen, die für eine Banknote, wie in Abbildung 5 dargestellt, zu erwarten wären. Es gebe daher keine Grundlage für die Erwägung von Ausführungsformen, die auf der Einbeziehung des Sicherheitselements in Figuren 17-18 mit einem Sicherheitspapier wie in Figur 5 (d. h. mit mehreren Fenstern und Stegbereichen) beruhen.
Bezüglich der Ausführungsform in den Abbildungen 19 und 20, argumentierte die Pateninhaberin, dass das Abdecken mit Klebstoff der Bereiche zwischen dem Mikrolinsenfaden optional sei. Außerdem gebe es keinen Anreiz, gerade diese Bereiche mit Klebstoff zu bedecken, weil die Fixierung der Papierbahn bereits durch den Kleber auf den Rändern 20a und 20b gewährleistet sei. Dokument D2 lehre sogar von der vorgeschlagenen Lösung weg, weil darauf hingewiesen werde (Seite 27, Zeilen 15-17), dass die Referenzmotive zwischen den optischen Unterstrukturen (d. h. den Bereichen mit Mikrolinsenfaden) vorgesehen seien, was die Fachperson dazu veranlassen würde, das Abdecken dieser Zwischenbereiche mit Klebstoff oder mit den Stegbereichen der Papierbahn zu vermeiden.
Als weiteres Indiz dafür, dass die vorgeschlagene Lösung nicht naheliegend sei, gelte, dass sie ein komplexes Verfahren erfordere. Insbesondere würde eine Fachperson die Lösung nicht in Erwägung ziehen, da der gezielte Auftrag des Klebstoffs an den Stellen, die mit den Stegbereichen der Papierbahn zusammenkommen, technisch komplex und aufwendig zu implementieren sei.
Es gebe daher keine Grundlage für die Schlussfolgerung, dass eine Fachperson in Anbetracht der Lehren in D2 einen gezielten Klebstoffauftrag auf Flächen des Sicherheitselements, die mit den Stegbereichen der Papierbahn zusammenfallen, in Erwägung ziehen würde. Das Vorhandensein von Klebstoff in diesen Bereichen wäre nur das Ergebnis einer nicht zweckmäßigen und zufälligen Verteilung des Klebstoffs auf der Oberfläche des Sicherheitselements.
1.4.3 Die Kammer stellt zunächst fest, dass sich der Begriff "endloser Mikrolinsenfaden" auf eine Sicherheitselement-Folie, die als Rollenmaterial bereitgestellt wird, zu beziehen scheint (siehe Absatz [0010] des Streitpatents). Es wird nicht bestritten, dass D2 Mikrolinsenfaden als Sicherheitselement offenbart. Es wird zwar nicht ausdrücklich offengelegt, dass dieses Element in der Form einer Endlosschicht (d. h. auf einer Rolle) bereitzustellen ist, doch, wie die Einsprechende argumentiert hat, scheint dies die Standardform zu sein, in der Schichten bei der Papierherstellung laminiert werden, so dass dieser Aspekt trivial ist.
1.4.4 Zu den wichtigeren Aspekten des Unterscheidungsmerkmals i) stellt die Kammer fest, dass das Sicherheitspapier in Abbildung 5 der D2, bei dem eine Papierbahn mit mehreren Fenstern und Stegbereichen zur Einbettung eines Sicherheitselements verwendet wird, ausdrücklich (siehe Seite 20, Zeilen 17-18) als eine beispielhafte Anwendung der in diesem Dokument offenbarten Sicherheitselemente dargestellt wird. Es ist daher offensichtlich, dass die dieses Dokument lesende Fachperson, die Einbeziehung der Sicherheitselemente in den Figuren 17 bis 20 in einer Banknote, wie sie in Figur 5 dargestellt ist, in Betracht ziehen würde. Die angeblichen Inkompatibilitäten bei den Abmessungen oder Formen sind, selbst wenn sie anerkannt würden, für die zugrunde liegende Frage irrelevant, da die Anpassung der Form oder der Abmessungen eindeutig eine triviale Überlegung darstellt, die die Fachperson in keiner Weise daran hindern würde, die oben genannte Kombination in Betracht zu ziehen.
Wie von beiden Parteien anerkannt, erfordert die Erfindung keine perfekte Übereinstimmung zwischen den mit Klebstoff bedeckten Bereichen des Sicherheitselements und der Papierbahn. Insbesondere, wie in den Absätzen [0039] und [0040] des Streitpatents angedeutet, kann der Klebstoff nur einen Teil der mit den Stegbereichen zusammenfallenden Bereiche abdecken und/oder auch nur einen Teil der Fensterbereiche (die konkreten Anteile sind nur als bevorzugte Ausführungsformen definiert). Die Erfindung erfordert daher lediglich, dass zumindest ein Teil der Bereiche des Sicherheitselements, die mit den Stegbereichen der Papierbahn zusammenfallen, Klebstoff enthalten.
Die Funktion der Fenster der Papierbahn in D2 besteht darin, die Visualisierung der durch den Mikrolinsenfaden betrachteten Motive bzw. der Referenzmotive zu ermöglichen. Deswegen lehrt D2 (Seite 2, Zeilen 9-11 und 20-22), dass die einen Mikrolinsenfaden enthaltenden Bereiche nicht mit Klebstoff bedeckt werden sollen, um die mit dem Sicherheitselement erzielten optischen Effekte nicht negativ zu beeinflussen. Die Fachperson hat somit einen Anreiz, das Sicherheitselement in die Papierbahn so einzubringen, dass die Fenster der Papierbahn mit den Bereichen mit Motiven (die mit Mikrolinsenfaden bedeckt sind) oder Referenzmotiven zusammenfallen. Daraus folgt, dass die Stegbereiche der Papierbahn mit Bereichen des Sicherheitselements zusammenfallen müssen, die keine Motive enthalten (d.h. auch keinen Mikrolinsenfaden enthalten), um zu verhindern, dass diese Motive überdeckt werden. Die Argumentation der Patentinhaberin scheint in dieser Hinsicht auf der Annahme zu beruhen, dass die gesamten Flächen zwischen den Bereichen mit Mikrolinsenfaden in der Ausführungsform der Figuren 19 und 20 Referenzbilder enthalten, und daher nicht mit Klebstoff oder mit den Stegbereichen der Papierbahn bedeckt werden sollten. Nach Ansicht der Kammer beruht diese Annahme auf keiner tatsächlichen Lehre von D2 und wäre unvereinbar mit der Idee, diesen Bereich mit Klebstoff zu bedecken, wie es auf Seite 27, Zeilen 22-23 gelehrt und in Figur 19 gezeigt wird (d.h. es wäre technisch unlogisch, eine Fläche mit Klebstoff zu bedecken, die nicht dazu bestimmt ist, mindestens teilweise auf einer anderen Fläche befestigt zu werden).
Die Oberflächen des Sicherheitselements gemäß D2, die nicht mit einem Mikrolinsenfaden bedeckt sind, sind entweder teilweise (Seite 15, Zeilen 28-29) oder vollständig (Figur 1 und Seite 21, Zeile 30-Seite 22, Zeile 2) mit einer Klebeschicht bedeckt. Aus der Seitenansicht in Figur 18 (für die Ausführungsform in den Figuren 17-18) und noch deutlicher aus der Draufsicht in Figur 19 (für die Ausführungsform in den Figuren 19-20) ist ersichtlich, dass bei diesen Ausführungsformen die gesamte Fläche des Sicherheitselements, die nicht vom Mikrolinsenfaden bedeckt ist, mit einer Klebeschicht bedeckt ist.
Da, wie oben erwähnt, die den Anweisungen in D2 folgende Fachperson, einen Anreiz hat, die Stegbereiche mit Bereichen zusammenfallen zu lassen, die keinen Mikrolinsenfaden und kein Referenzmotiv enthalten, folgt daraus, dass zumindest bei den relevanten Ausführungsformen in den Figuren 17 bis 20 die Stegbereiche mit Bereichen zusammenfallen würden, die vollständig mit Klebstoff bedeckt sind. Selbst wenn einige der Bereiche, die nicht mit Mikrolinsenfaden bedeckt sind, Referenzmotive enthalten, mit einer Klebeschicht bedeckt sind und mit den Fensterbereichen der Papierbahn zusammenfallen (um die Referenzmotive sichtbar zu machen), würde eine solche Alternative auch unter Anspruch 1 fallen, insbesondere in der im Absatz [0040] des Patents definierten Ausführungsform, bei der ein Teil des Klebstoffs die Fensterfläche bedeckt.
Es ist weiterhin für die Kammer nicht ersichtlich, warum das Vorhandensein von Klebstoff auf Flächen des Sicherheitselements, die mit den Rillen der Papierbahn zusammenfallen, einen Anreiz dafür sein sollte, den entsprechenden Beitrag der Stegbereiche der Papierbahn zu einer verbesserten Fixierung außer acht zu lassen, da es selbstverständlich ist, dass sich die Stabilität des Sicherheitselements mit jeder zusätzlich an der Papierbahn fixierten Fläche verbessert. Außerdem ist aus Abbildung 19 ersichtlich, dass der Klebstoff nicht nur auf den Rillen des Sicherheitselements, sondern auch auf den Bereichen zwischen den Mikrolinsenfäden aufgetragen wird.
Schließlich stellt die Kammer fest, dass die vorstehenden Erwägungen entgegen der Argumentation der Patentinhaberin nicht das Ergebnis zweckloser oder willkürlicher Überlegungen sind, sondern auf der Identifizierung zweier verschiedener Bereiche des Sicherheitselements mit unterschiedlichen Funktionen beruhen: denjenigen, die visuelle Auswirkungen haben (und daher von der Papierbahn nicht abgedeckt werden sollen), und denjenigen, die diese visuellen Auswirkungen nicht haben. Das Abdecken der letzteren (und gegebenenfalls eines Teils der ersteren) mit Klebstoff steht auch in einem sinnvollen Zusammenhang mit der Idee der Einbettung des Sicherheitselements in eine Papierstruktur (wie auf Seite 22, Zeilen 19-20 von D2 gelehrt), weil für die Fachperson bekannt ist, dass die Hauptfunktion des Klebstoffs auf dem Sicherheitselement darin besteht, dieses Element an der Papierbahn zu befestigen. Somit ist selbstverständlich, dass die klebstoffhaltigen Bereiche mit der Papierbahn, d. h. mit den Rillen und den Stegbereichen der Papierbahn, in Kontakt gebracht werden sollen.
Die Kammer ist daher zu dem Schluss gekommen, dass die Fachperson durch einfaches Befolgen der Anweisungen in D2 und ohne erfinderisches Zutun, zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen würde.
1.4.5 Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Kammer nicht bestreitet, dass ein gezieltes Einbringen des Sicherheitselements, um sicherzustellen, dass die Stegbereiche mit klebstoffhaltigen Bereichen zusammenfallen, technisch aufwändig sein könnte, insbesondere im Rahmen eines industriellen Prozesses. Damit ein solches Verfahren funktioniert, müsste das Sicherheitselement mit Hilfe einer Reihe sorgfältig aufeinander abgestimmter Sensoren, Steuerungen und Positionier-/Ausrichtelemente mit der Papierbahn in Kontakt gebracht werden. Die Kammer stellt jedoch fest, dass die Erfindung keine Lösung für dieses Problem vorschlägt (z.B. keine Verfahrensschritte oder Vorrichtungen, die das Verfahren weniger aufwendig oder effizienter machen würden), sondern lediglich die bekannten Kompromisse aufzeigt, die der Fachmann zwischen der Komplexität des erforderlichen Systems und einer effizienten Verwendung des Klebstoffs zur Gewährleistung einer angemessenen Einbettung des Sicherheitselements eingehen muss.
1.4.6 Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist somit in Anbetracht der Lehren in Dokument D2 naheliegend und beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2. Haupt- und Hilfsantrag II - Erfinderische Tätigkeit
Da der jeweilige Gegenstand von Anspruch 1 dieser beiden Anträge breiter ist als der des Hilfsantrags III, erfüllt er aus denselben Gründen nicht die Voraussetzungen des Artikels 56 EPÜ.
3. Hilfsantrag VI - Zulassung
3.1 Die Patentinhaberin reichte diesen Antrag mit Schreiben vom 7. Juli 2020 ein. Im schriftlichen Verfahren beantragte die Einsprechende, den Antrag unter Artikel 13(1) VOBK 2020 nicht zuzulassen.
3.2 In ihrer vorläufigen Stellungnahme hat die Kammer bereits darauf hingewiesen, dass der Antrag als Reaktion auf einen neuen Einwand der Einsprechenden unter Artikel 123(2) EPÜ mit Schreiben vom 30. April 2020 eingereicht wurde. Die Einsprechende ist dem nicht entgegengetreten und hat auch in der mündlichen Verhandlung explizit keine weitere Erörterung im Hinblick auf Hilfsantrags VI begehrt. Wie bereits in der Mitteilung dargelegt, ist Hilfsantrag VI eine konvergente und vereinfachte Weiterentwicklung der Erfindung, da die Ansprüche denen des mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrags 2 entsprechen, in dem mehrere abhängige Ansprüche gestrichen worden waren, um die Einwände nach Artikel 123(2) EPÜ zu überwinden.
3.3 In der mündlichen Verhandlung hat sich die Patentinhaberin nicht weiter zur Zulassung des Hilfsantrags VI geäußert, sondern ausdrücklich erklärt, keine weitere Erörterung zu begehren. Die Kammer hat daher keinen Anlass, von ihrer vorläufigen Auffassung abzuweichen, weshalb sie ihr Ermessen dahingehend ausgeübt hat, Hilfsantrag VI in das Verfahren zuzulassen.
4. Hilfsantrag VI - Erfinderische Tätigkeit
4.1 Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 entspricht dem des Hilfsantrags III mit der zusätzlichen Einschränkung, dass der Mikrolinsenfaden ein Motiv mit einem Motivsprung enthält und der Mikrolinsenfaden registriert eingebracht wird, so dass dieser Motivsprung in einem der Stegbereiche der Papierbahn zu liegen kommt.
4.2 Begriff "Motivsprung"
4.2.1 Wie in der vorläufigen Meinung erläutert, ist die zentrale Frage in dieser Diskussion, wie der Begriff "Motivsprung" auszulegen ist.
4.2.2 Gemäß Absatz [0010] des Patents, bezieht sich der Begriff auf Brüche im Erscheinungsbild des mit einem Prägezylinder geprägten Musters als Folge der Diskontinuitäten der Bilder an den Nahtstellen des Zylinders.
4.2.3 In ihrer vorläufigen Meinung, stellte die Kammer die Frage, ob die normalen Lücken zwischen den Bildern in einem Muster auch als Motivsprung betrachtet werden könnten.
4.2.4 Die Einsprechende verwies auf die Argumente der Kammer in der vorläufigen Meinung, um die Schlussfolgerung zu stützen, dass der Begriff "Motivsprung" unklar sei und daher weit ausgelegt werden müsse.
4.2.5 In Anbetracht der Erklärungen der Patentinhaberin im Schreiben vom 10. Januar 2022 - die von der Einsprechenden nicht weiter kommentiert wurden - ist die Kammer jedoch nunmehr davon überzeugt, dass der Begriff "Motivsprung", obwohl er aufgrund der Darstellung einer sehr spezifischen Situation nicht oft verwendet wird, auf dem zugrunde liegenden technischen Gebiet bekannt ist. Eine Fachperson würde daher die normalen Lücken zwischen den Bildern eines Musters nicht mit einem "Motivsprung" verwechseln, da solche Lücken keine Diskontinuität oder Unterbrechung des Musters implizieren würden. Die Kammer ist daher zu dem Schluss gekommen, dass der Begriff klar ist und seine Bedeutung den Erläuterungen in Absatz [0010] des Patents entspricht.
4.3 Nächstliegender Stand der Technik
Dokument D2 ist nach wie vor als der nächstliegende Stand der Technik anzusehen. Zusätzlich zu den für den Hilfsantrag III dargelegten Unterscheidungsmerkmale, unterscheidet sich der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 insofern von D2, als das Motiv einen Motivsprung aufweist und der Mikrolinsenfaden registriert eingebracht wird, so dass dieser Motivsprung in einem der Stegbereiche der Papierbahn zu liegen kommt.
4.4 Aufgabe der Erfindung
Die Motive in einem Sicherheitselement haben den technischen Effekt, die Authentifizierung des Elements zu erleichtern. Es liegt daher auf der Hand, dass jeder Aspekt, der sich nachteilig auf die Erkennung des Motivs auswirkt, wie z. B. ein Motivsprung, auch nachteilig für die Authentifizierung wäre. Indem die Erfindung die Motivsprünge mit den Stegbereichen verbirgt, verhindert sie diesen nachteiligen Effekt, sodass die gelöste Aufgabe darin besteht, ein Verfahren bereitzustellen, das die Authentifizierbarkeit des Sicherheitselements verbessert.
4.5 Nicht-Offensichtlichkeit der Erfindung
Keines der zitierten Dokumente befasst sich mit der Frage der Vermeidung von Problemen im Zusammenhang mit dem Vorhandensein von einem Motivsprung, geschweige denn mit dem Vorschlag, dieses Problem zu vermeiden, indem diese Motivsprünge hinter den Stegbereichen einer Papierbahn versteckt werden, die zur Befestigung des Sicherheitselements verwendet wird.
Die Kammer ist daher zu dem Schluss gekommen, dass der Gegenstand nach Anspruch 1 angesichts des zitierten Standes der Technik nicht naheliegend ist. Die abhängigen Ansprüche 2 und 3 beziehen sich auf Anspruch 1, so dass sie ebenfalls nicht durch den zitierten Stand der Technik nahegelegt werden. Die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ sind daher erfüllt.
5. Hilfsantrag VI - Weitere Erfordernisse
5.1 Die Einsprechende hat keinen weiteren Einwand nach Artikel 83 und 84 EPÜ erhoben, und die Kammer sieht keinen Grund, von Amts wegen einen diesbezüglichen Einwand zu erheben.
5.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 wird durch den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung gestützt. Insbesondere beruht er auf den Ansprüchen 1, 2 und 3 der ursprünglich eingereichten Fassung, und die abhängigen Ansprüche 2 und 3 basieren jeweils auf den Ansprüchen 4 und 10 der ursprünglich eingereichten Fassung.
Der Gegenstand von Anspruch 1 ist außerdem enger als der der erteilten Ansprüche, so dass der Schutzbereich nicht erweitert wurde, somit sind auch die Erfordernisse des Artikels 123(2) und (3) EPÜ erfüllt.
5.3 Die Patentinhaberin reichte eine angepasste Beschreibung ein. Die Kammer ist zu dem Schluss gekommen, dass diese Fassung, einschließlich der in der mündlichen Verhandlung ausgetauschten Seite, den Erfordernissen des EPÜ genügt.
6. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist die Kammer zu dem Schluss gekommen, dass die Ansprüche des Hilfsantrags VI und die angepasste Beschreibung den Erfordernissen des EPÜ genügen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1 bis 3 gemäß Hilfsantrag VI,
eingereicht am 7. Juli 2020,
- Beschreibung Seiten 2 bis 4 und 6 bis 7 gemäß Hilfsantrag VI, eingereicht mit Schriftsatz vom 25. November 2022,
- Beschreibungsseite 5, eingereicht in der mündlichen
Verhandlung am 28. November 2022, sowie
- Zeichnung mit Figuren 1 bis 9, wie erteilt.