T 1581/20 20-02-2024
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VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUR BEARBEITUNG VON WERTDOKUMENTEN
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - allgemeines Fachwissen
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Lösung
Änderung des Beschwerdevorbringens - Änderung räumt aufgeworfene Fragen aus (nein)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 14 818 874 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) zurückzuweisen.
II. Auf folgende Dokumente wird verwiesen:
D1 = DE 10 2010 045879 A1
D4 = US 2012/185657 A1
III. In einer Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK vom 2. Oktober 2023 wurde der Beschwerdeführerin die vorläufige Meinung der Kammer zu ihrem Hauptantrag und ihren damaligen mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträgen 1 bis 6 mitgeteilt.
IV. Mit Schreiben vom 19. Januar 2024 reichte die Beschwerdeführerin neue Hilfsanträge 1 bis 3 ein, die die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 6 ersetzten, und brachte weitere Argumente vor.
V. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 20. Februar 2024 statt.
Am Ende der mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin (Anmelderin) die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines europäischen Patents auf der Grundlage der Ansprüche des mit Schreiben vom 9. März 2017 eingereichten Hauptantrags, und hilfsweise auf der Grundlage der Ansprüche eines der mit Schreiben vom 19. Januar 2024 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 3.
VI. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt [Merkmalsbezeichnungen (A), (B), ... von der Kammer eingeführt]:
(A) Verfahren zur Bearbeitung von Wertdokumenten (12)
unter Verwendung
(C) einer Speichereinrichtung (54) für Daten, die einen Speicherbereich vorgegebener Speicherbereichsgröße aufweist, bei dem
(D) - Wertdokumente (12) vereinzelt zu einer Sensoreinrichtung transportiert werden,
(E) - für ein jeweiliges Wertdokument (12) mittels der Sensoreinrichtung (38) Messdaten erfasst werden, die wenigstens eine physikalische Eigenschaft des Wertdokuments (12) beschreiben,
(G) für das jeweilige Wertdokument (12) eine Speicherpriorität als vorgegebene Funktion wenigstens eines zur Ermittlung der Speicherpriorität notwendigen Teils der Messdaten ermittelt wird,
(I) in Abhängigkeit von der ermittelten Speicherpriorität Bearbeitungsdaten für das jeweilige Wertdokument (12) in einem Speicherblock in dem Speicherbereich gespeichert werden,
(J) wobei die Bearbeitungsdaten wenigstens einen zur Speicherung vorgesehenen Teil der Messdaten und/oder Eigenschaftsdaten für wenigstens eine Eigenschaft des Wertdokuments (12), die unter Verwendung wenigstens eines zur Ermittlung der Eigenschaft notwendigen Teils der Messdaten ermittelt werden, umfassen, und
(K) wobei die Speicherpriorität die Dauer der Speicherung der jeweiligen Bearbeitungsdaten beeinflusst.
VII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrages dadurch, dass folgende Merkmale hinzugefügt wurden:
(L) , und bei dem in Abhängigkeit von der ermittelten Speicherpriorität für das jeweilige Wertdokument (1") und in Abhängigkeit von der Verwendung der Speicherblöcke zur Speicherung von Bearbeitungsdaten für andere Wertdokumente (12) ein Speicherblock, der zur Speicherung von Bearbeitungsdaten für ein anderes Wertdokument verwendet ist, zur Speicherung der Bearbeitungsdaten des jeweiligen Wertdokuments verwendet wird,
(M) und bei dem Bearbeitungsdaten aus Speicherblöcken, denen eine vorgegebene Speicherpriorität höher als die niedrigste Speicherpriorität zugeordnet ist, ausgelesen und die Speicherblöcke zur Speicherung von Bearbeitungsdaten freigegeben werden,
(N) und vorzugsweise die ausgelesenen Bearbeitungsdaten, gegebenenfalls nach Filterung oder Vorverarbeitung, in einer weiteren Speichereinrichtung dauerhaft gespeichert werden.
VIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 dadurch, dass im Merkmal (J) das optionale Teilmerkmal
"und/oder Eigenschaftsdaten für wenigstens eine Eigenschaft des Wertdokuments (12), die unter Verwendung wenigstens eines zur Ermittlung der Eigenschaft notwendigen Teils der Messdaten ermittelt werden,"
und in Merkmal (N) der Begriff "vorzugsweise" gestrichen wurden.
IX. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 dadurch, dass folgende Merkmale (in alphabetischer Reihenfolge) hinzugefügt wurden:
(B) einer Auswerteeinrichtung mit wenigstens einem Prozessor und
(F)/(H) - mittels der Auswerteeinrichtung
X. Die Argumente der Beschwerdeführerin können folgendermaßen zusammengefasst werden:
a) Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei erfinderisch gegenüber dem Dokument D1 in Verbindung mit dem Fachwissen und insbesondere mit der Lehre von Dokument D4.
b) Da der Gegenstand der Ansprüche der Hilfsanträge 1 bis 3 erfinderisch sei, sollten diese Hilfsanträge in das Verfahren zugelassen werden.
1. Die Erfindung
1.1 Die Erfindung betrifft das Datenmanagement in einer Geldschein-Überprüfungsanlage. Beim Überprüfen von Geldscheinen fallen z.B. durch Abfotografieren der Geldscheine große Mengen von Roh- oder Messdaten an (z.B. zur Ermittlung der Seriennummer oder des Verschmutzungsgrades, vgl. Seite 25, letzter Absatz der Anmeldung), die aber nach Auswertung dieser Daten häufig nicht mehr benötigt werden. Nur wichtige Messdaten sollen dauerhaft gespeichert werden, während unwichtige Daten so früh wie möglich verworfen bzw. überschrieben werden sollen.
1.2 Die Erfindung sieht eine Klassifizierung der Daten nach Priorität vor und ein Löschen bzw. Überschreiben von Daten niedriger Priorität.
2. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
2.1 Stand der Technik
Das Dokument D1 betrifft eine ähnliche Geldschein-Überprüfungsanlage wie die in der vorliegenden Anmeldung, wobei das Dokument D1 keine Details über das Datenmanagement offenbart. Es ist unbestritten, dass das Dokument D1 ein geeigneter nächstliegender Stand der Technik ist.
Die Druckschrift D4 betrifft ein intelligentes Datenmanagementsystem mit Priorisierung und Klassifizierung von Daten sowie dem Überschreiben von Daten niedriger Priorität.
2.2 Offenbarung des Dokuments D1
FORMEL/TABELLE/GRAPHIKD1
2.2.1 Das Dokument D1 offenbart in den Absätzen [0016], [0017], [0023] - [0024], [0027], [0030], [0034] und [0047] eine Untersuchung von Banknoten mit verschiedensten Messverfahren und eine Verarbeitung der Daten in der Steuereinrichtung (Computer) 40 mit einem Arbeitsspeicher und einem nichtflüchtigen Speicher 41.
2.2.2 Aus dem Absatz [0016] geht hervor, dass eine große Menge Daten anfällt. Insbesondere das Erfassen von Abbildern der Banknoten zur Auswertung der Seriennummern und des Verschmutzungsgrads erfordert hohe Speicherkapazitäten ("Des Weiteren erfasst die Sensoreinrichtung 30 ein Abbild oder Teilbereiche des Abbilds der jeweiligen Banknote ..."). Dabei werden implizit Daten in den Speichern 40 und 41 zur Verarbeitung (zumindest zwischen) gespeichert (Absatz [0017]).
2.2.3 Da der vorliegende Anspruch 1 nicht spezifiziert, um welche Art von Speicher es sich handelt (nichtflüchtiger Speicher wie EEPROM, Festplatte, oder volatiler Speicher), ist die Kammer der Ansicht, dass die Kombination des Arbeitsspeichers der Steuereinrichtung 40 und des nichtflüchtigen Speichers 41 des Dokuments D1 dem in Anspruch 1 definierten Speicher entspricht.
2.2.4 Des Weiteren ist die Kammer der Ansicht, dass die Abbildungen der Geldscheine sowie die Messdaten der (optischen, magnetischen, elektrischen, akustischen, etc.) Sensoren und die daraus extrahierten Daten (Verschmutzung, Qualität, Seriennummer, Klassifizierung etc.) des Dokuments D1 den "Bearbeitungsdaten" des vorliegenden Anspruchs 1 entsprechen.
2.3 Unterschied bezüglich des Dokuments D1
2.3.1 Es ist unbestritten, dass das Dokument D1 nicht die folgenden Merkmale des Anspruchs 1 offenbart (Unterstreichungen zur Hervorhebung wurden von der Kammer hinzugefügt):
a) es wird eine Speicherpriorität als vorgegebene Funktion wenigstens eines zur Ermittlung der Speicherpriorität notwendigen Teils der Messdaten ermittelt;
b) Bearbeitungsdaten für das jeweilige Wertdokument werden in Abhängigkeit von der ermittelten Speicherpriorität in einem Speicherblock in dem Speicherbereich gespeichert;
c) die Speicherpriorität beeinflusst die Dauer der Speicherung der jeweiligen Bearbeitungsdaten.
2.4 Effekt - Aufgabe
Der Effekt der festgestellten Unterscheidungsmerkmale ist, dass Daten unterschiedlich lange gespeichert werden. Entsprechend kann die objektive technische Aufgabe ausgehend von D1 so formuliert werden, dass ein intelligentes Datenmanagement geschaffen werden soll, so dass nicht benötigte Daten rechtzeitig gelöscht werden können und dadurch möglichst immer genügend freie Speicherkapazität zur Verfügung steht.
2.5 Naheliegen
2.5.1 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass das Dokument D1 keinerlei Details offenbare, wann, wo und welche (Mess-)Daten wie und wie lange gespeichert werden. Ausgehend von D1 würde die Fachperson sofort alle (Mess-)Daten löschen, da Banknoten nur nach ihrer Qualität (beschädigt, verschmutzt, neuwertig etc.) sortiert werden sollen. Es sei zum Zeitpunkt der Erfindung nicht notwendig und auch nicht fachüblich gewesen, in Vorrichtungen wie dem in D1 beschriebenen System (Mess-)Daten längerfristig zu speichern. Das Dokument D1 lege nur ein First-in/First-out-System nahe, bei dem die ältesten Daten immer zuerst gelöscht würden. Dies führe die Fachperson von einer Priorisierung weg.
2.5.2 Das Dokument D4 lehre im Gegensatz zu dem Dokument D1 ein Datenmanagementsystem für das dauerhafte Speichern von großen Datenmengen. Folglich würde die Fachperson die Lehre von D4 nicht mit der Lehre von D1 kombinieren.
2.5.3 Die Kammer ist der Meinung, dass in Anspruch 1 nicht definiert wird,
i) in welcher Art von Speicher die Daten gespeichert werden,
ii) wie lange die Daten gespeichert werden und
iii) nach welchen Kriterien und Klassen die Priorisierung stattfindet.
Daher ist die Kammer der Ansicht, dass die beanspruchte Priorisierung auch eine reine Auswahl sein kann, welche Daten sofort verworfen werden und welche Daten (zumindest vorläufig) behalten werden, also eine reine Ja-Nein-Entscheidung. Im Rahmen des Anspruchswortlauts können nicht verworfene Daten dabei entweder langfristig in einem externen Speicher gespeichert werden oder nur einen Arbeitsschritt lange zur weiteren Datenauswertung in einem flüchtigen Speicher aufbewahrt werden.
2.5.4 Beim Ausarbeiten des in D1 beschriebenen Systems muss sich die Fachperson unmittelbar damit befassen, wie mit den anfallenden Daten umzugehen ist, da das Dokument D1 keinerlei Details über das Datenmanagement offenbart. Die Kammer stimmt mit der Prüfungsabteilung darin überein, dass eine Klassifizierung von Daten nach ihrer "Löschbarkeit" und damit einhergehend die frühest mögliche Löschung nicht benötigter Daten fachüblich und offensichtlich ist.
2.5.5 In der in dem Dokument D1 beschriebenen Vorrichtung fallen zahlreiche Rohdaten an (die einem Teil der "Bearbeitungsdaten" laut Anspruchswortlaut entsprechen), z.B. die voluminösen Bilddateien beim Erfassen der Abbilder der Banknoten und die Messdaten der Sensoren. Die Bilddateien werden nach Seriennummern und Verschmutzungsgrad bzw. Beschädigungen der Banknote ausgewertet. Sobald die Seriennummer extrahiert ist und der Verschmutzungsgrad bzw. die Beschädigung klassifiziert wurde, werden diese Rohdaten nicht mehr benötigt und belegen nur unnötigerweise Speicherplatz.
2.5.6 Es ist daher für die Fachperson naheliegend, die Rohdaten zu löschen, sobald sie ausgewertet sind, um Speicherplatz für neue Rohdaten zu schaffen. Um die Rohdaten als solche zu erkennen, ist es notwendig, sie (wie den Verschmutzungsgrad oder den Erhaltungszustand einer Banknote) als solche zu klassifizieren und zu kennzeichnen.
2.5.7 Darüber hinaus stellt die Kammer fest, dass im Dokument D1 verschiedene, aufeinanderfolgende Arbeitsschritte beschrieben werden (Erfassen von Daten, Extraktion der Seriennummer, Klassifizierung, Bestimmung des Verschmutzungsgrades etc.). Wie oben ausgeführt, würde eine Speicherung aller Rohdaten zwar dazu führen, dass sehr viel Speicherplatz unnötig belegt ist. Jedoch müssen Messdaten für die verschiedenen Verarbeitungsschritte zumindest zwischengespeichert werden, das heißt, auf alle Fälle für kurze Zeit aufbewahrt werden.
2.5.8 Außerdem ist für die Dokumentation, insbesondere, wenn gefälschte Banknoten detektiert werden, und für die Entwicklung, Wartung oder Reparatur des Systems eine gewisse Dokumentation relevanter Daten nötig. In diesem Rahmen stellt die Kammer fest, dass das in D1 beschriebene System auch zur Erkennung von gefälschten und fälschungsverdächtigen Banknoten verwendet wird (Absätze [0003] und [0017]).
2.5.9 Ausgehend von dem Dokument D1 muss die Fachperson daher einen Prozess implementieren, der bei jedem Verfahrensschritt die Auswahl trifft, welche Daten verworfen werden und welche Daten zumindest für den nächsten Verfahrensschritt oder für eine längerfristige Dokumentation aufbewahrt werden. Bei diesem Prozess findet eine Priorisierung der Daten statt (Auswahl zwischen "Verwerfen" und "Nicht-Verwerfen"). Diese Priorisierung findet in Abhängigkeit von der Datenart statt (Bilddatei, Sensordaten, Art der Banknoten, d.h. echte, gefälschte oder verschmutzte Banknote, Banknote einer bestimmten Serie oder eines bestimmten Wertes etc.) und der weiteren Verwendung der Daten.
2.5.10 Dabei ist es notwendig, dass Speicherblöcke, welche zu verwerfende Daten enthalten, überschrieben werden, um für andere Daten benötigten Speicherplatz frei zu machen. In diesem Rahmen ist es fachüblich, dass Daten, die zur längeren Verwendung bestimmt sind, in einen permanenten (gegebenenfalls externen) Speicher ausgelesen werden. In D1 bietet sich hierfür Speicher 41 an, der extern zur Steuereinrichtung 40 ist.
2.5.11 Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass das Dokument D1 nur eine First-In/First-Out-Datenspeicherung nahelegen würde. Im Gegenteil muss, wie oben dargelegt, in Anbetracht der Lehre von D1 eine gewisse Auswahl stattfinden, welche Daten auf welche Weise gespeichert werden (z.B. bestimmte Messdaten, Rohdaten oder Eigenschaftsdaten wie Verschmutzungsgrad bzw. Daten, die bestimmten Geldscheinen entsprechen). Folglich können nicht einfach systematisch immer die ältesten Daten gelöscht werden.
2.5.12 Entsprechend sind die Merkmale a) bis c) ausgehend von der Lehre von D1 naheliegend. Dabei haben diese Merkmale auch keine erkennbare Synergie beziehungsweise bewirken auch keinen unerwarteten speziellen Effekt in Kombination mit den anderen Merkmalen des Anspruchs 1. Stattdessen betreffen die Merkmale a) bis c) nur ein allgemein bekanntes Datenmanagement, wo eine Auswahl getroffen wird, ob, und wenn ja, welche, Daten für eine spätere Verwendung gespeichert werden oder alle Daten sofort verworfen werden. Eine entsprechende Klassifizierung/Priorisierung von Daten wird beispielsweise im Dokument D4 offenbart (Absatz [0046]). Unabhängig davon findet ein solches Datenmanagement auch in fast jedem digitalen System statt, das einen Datenspeicher enthält.
2.5.13 Folglich kommt die Kammer zum Schluss, dass die Fachperson durch ihr allgemeines Wissen und konfrontiert mit der zu lösenden technischen Aufgabe direkt zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags kommen würde, und dass dieser daher ausgehend von der Druckschrift D1 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen nicht im Sinne von Artikel 56 EPÜ erfinderisch ist.
3. Hilfsantrag 1
3.1 Änderungen
Es wird in Anspruch 1 konkretisiert, dass Daten höherer Priorität ausgelesen sowie die entsprechenden Speicherblöcke freigegeben bzw. überschrieben werden (Merkmale (L) und (M)). Vorzugsweise werden die Daten ferner auf einem externen Speicher dauerhaft gespeichert (optionales Merkmal (N)).
3.2 Unterschied
D1 offenbart auch die zusätzlichen, teilweise optionalen, Merkmale (L) bis (N) des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 nicht.
3.3 Effekt - Aufgabe
Effekt und Aufgabe sind dieselben wie bei Anspruch 1 des Hauptantrags.
3.4 Naheliegen
3.4.1 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 erfinderisch sei, weil D1 insbesondere keinen Hinweis auf Speicherblöcke und das Überschreiben von Daten in Speicherblöcken enthalte.
3.4.2 Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin darin überein, dass das Dokument D1 keine direkten Hinweise auf die zusätzlichen Merkmale des Anspruchs 1 gibt.
3.4.3 Die Kammer ist jedoch der Meinung, dass ein intelligentes Datenmanagement in einem Speichersystem üblich und notwendig ist, insbesondere wenn große Datenmengen anfallen, die nach der Auswertung nicht mehr benötigt werden. Dabei ist es ein allgemein übliches Vorgehen, nicht mehr benötigte Daten zu löschen und die entsprechenden Speicherblöcke zu überschreiben. Dafür ist es notwendig, die Daten entsprechend zu priorisieren/klassifizieren.
3.4.4 Daher ist es naheliegend, dass ein Speicherblock, der zur Speicherung von Bearbeitungsdaten für ein anderes Wertdokument verwendet ist, zur Speicherung der Bearbeitungsdaten des jeweiligen Wertdokuments verwendet wird, wenn die Bearbeitungsdaten des anderen Wertdokuments nicht mehr benötigt werden.
3.4.5 Folglich ist die Kammer auch hier der Meinung, dass die Fachperson ausgehend vom Dokument D1 und konfrontiert mit der Aufgabe einer intelligenten Datenspeicherung in Betracht ziehen würde, die Rohdaten (niedrigste Priorität, Auswahl der Datenverwerfung) nach der Auswertung zu löschen (Merkmal (M)) und Messdaten (Abbildungen der Banknoten, Sensor-Daten) bzw. Eigenschaftsdaten (Verschmutzungsgrad, Banknotenzustand) auf einem nicht volatilen externen Speicher zu speichern (optionales Merkmal (N)), wenn dies für eine weitere oder spätere Bearbeitung notwendig oder wünschenswert ist. Zum permanenten Speichern würde die Fachperson die Auswertungsdaten zum Beispiel aus dem lokalen Arbeitsspeicher 40 auslesen und im Speicher 41 ablegen oder über das Modem 42 auf ein externes Speichermedium transferieren. Es ist ferner fachüblich, regelmäßig ein Back-up von wichtigen Daten auf ein externes Speichermedium zu machen.
3.5 Daher ist die Kammer der Meinung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 ausgehend vom Dokument D1 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen nicht im Sinne von Artikel 56 EPÜ erfinderisch ist.
4. Hilfsantrag 2
4.1 Änderungen
Das oben unter Hilfsantrag 1 bereits diskutierte optionale Merkmal (N) [externe Datenspeicherung] wird als nicht optional in den Anspruchswortlaut aufgenommen. Ferner wird in Merkmal (J) präzisiert, dass die Daten in jedem Fall Messdaten umfassen und nicht nur Eigenschaftsdaten (z.B. Verschmutzungsgrad, Qualität der Banknote) sein können.
4.2 Zulassung - Artikel 13 (2) VOBK (in der seit dem 1. Januar 2024 geltenden Fassung (ABl. EPA 2024, A15)) unter Heranziehung der in Artikel 13 (1) VOBK genannten Kriterien
4.2.1 Der Hilfsantrag 2 wurde in Reaktion auf die Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK eingereicht und ist somit eine Änderung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdeführerin i.S.d. Artikels 13 (2) VOBK. Nach dem Wortlaut des Artikels 13 (2) VOBK werden Änderungen in der sogenannten dritten Stufe des Konvergenzansatzes grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen. Jedoch gilt auch hier, dass die Kammer in Ausübung ihres Ermessens entscheiden kann, eine in diesem Verfahrensstadium vorgenommene Änderung zuzulassen (siehe Dokument CA/3/19, Annex VI, Erläuterungen zu Artikel 13 (2), 3. Absatz, letzter Satz). Darüber hinaus steht es der Kammer frei, die in Artikel 13 (1) VOBK angegebenen Kriterien heranzuziehen, wenn sie in Anwendung des Artikels 13 (2) VOBK und in Ausübung ihres Ermessens darüber entscheidet, ob eine in diesem Verfahrensstadium vorgenommene Änderung zugelassen wird (siehe z.B. T 989/15, Punkt 16.2 der Entscheidungsgründe; T 584/17, Punkt 1.2.7 bis 1.2.11 der Entscheidungsgründe).
4.2.2 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass der Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 auf dem Anspruch 1 des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags 3 basiere. Die Kammer habe in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK zum ersten Mal Einwände gegen den damaligen Hilfsantrag 3 erhoben. Folglich müsse der Beschwerdeführerin Gelegenheit gegeben werden, auf die von der Kammer neu vorgebrachten Einwände zu reagieren. Der neue Hilfsantrag 2 sei deshalb als eine Reaktion auf diese erstmals vorgebrachten Einwände der Kammer zuzulassen. Darüber hinaus sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 prima facie erfinderisch, da das Dokument D1 insbesondere keinen Hinweis auf das Auslesen von Messdaten aus Speicherblöcken und das langfristige Speichern dieser Daten in einem externen Speichermedium enthalte.
4.2.3 Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin zu, dass neue Einwände der Kammer in der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK gegebenenfalls außergewöhnliche Umstände im Sinne des Artikels 13 (2) VOBK darstellen können. Im vorliegenden Fall wäre bei der Beurteilung, ob solche Umstände tatsächlich vorliegen, allerdings auch zu berücksichtigen, dass sich die Stellungnahme der Kammer in ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK auf den damaligen Hilfsantrag 3 bezog, der erstmals mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden war. Ob dies Auswirkungen auf die Frage des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände hat, kann im vorliegenden Fall jedoch dahingestellt bleiben, da die Kammer selbst bei einem Vorliegen außergewöhnlicher Umstände bei der Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (2) VOBK auch das in Artikel 13 (1) VOBK genannte Kriterium berücksichtigt, ob die Beschwerdeführerin aufgezeigt hat, dass die Änderung prima facie die von der Kammer aufgeworfenen Fragen ausräumt und keinen Anlass zu neuen Einwänden gibt.
4.2.4 Die Kammer ist der Meinung, dass in Anbetracht der oben zum Hilfsantrag 1 dargelegten Erwägungen der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 prima facie nicht i.S.v. Artikel 56 EPÜ erfinderisch ist, da das Dokument D1 das Auslesen von Messdaten aus Speicherblöcken und das langfristige Speichern dieser Daten in einem externen Speichermedium nahe legt, alleine schon wenn die Fachperson damit betraut wird, die Offenbarung des Dokuments D1 auszuarbeiten (siehe auch Abschnitte 3.4.4 und 3.4.5).
4.2.5 Da die Kammer bereits in Rahmen ihrer Ausführungen zu der Frage der erfinderischen Tätigkeit hinsichtlich des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 zum Schluss gekommen ist, dass eine Merkmalskombination wie die des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 naheliegend ist, hat die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (2) VOBK und unter Heranziehung der in Artikel 13 (1) VOBK genannten Kriterien den Hilfsantrag 2 nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen.
5. Hilfsantrag 3
5.1 Änderungen
In den Merkmalen (B) sowie (F)/(H) wird präzisiert, dass die Datenpriorisierung mittels einer Auswerteeinrichtung mit wenigstens einem Prozessor durchgeführt wird.
5.2 Zulassung - Artikel 13 (2) VOBK (in der seit dem 1. Januar 2024 geltenden Fassung (ABl. EPA 2024, A15)) unter Berücksichtigung der in Artikel 13 (1) VOBK genannten Kriterien
5.2.1 Der Hilfsantrag 3 wurde in Reaktion auf die Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK eingereicht und ist somit eine Änderung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdeführerin i.S.d. Artikels 13 (2) VOBK.
5.2.2 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass der Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 auf dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 basiere und dass der neue Hilfsantrag 3, der ebenfalls in Reaktion auf die erstmals in der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK vorgebrachten Einwände der Kammer eingereicht worden sei, zuzulassen sei. Darüber hinaus sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 prima facie erfinderisch, denn es würden die zum Hilfsantrag 2 vorgebrachten Argumente gelten und zusätzlich sei nunmehr klargestellt, dass die Ermittlung der Speicherpriorität aus den Messdaten und die Speicherung eines bestimmten Teils der Messdaten von der Auswerteeinrichtung durchgeführt würden. Dokument D4 lasse aber vollkommen offen, wie und durch welche Einrichtung die Priorisierung vorgenommen werde.
5.2.3 Die Kammer ist der Meinung, dass eine Auswerteeinrichtung im Sinne des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 in D1 bereits offenbart ist (Steuereinrichtung 40). Für diesen Hilfsantrag gilt daher die gleiche Argumentation wie für die Hilfsanträge 1 und 2.
5.2.4 Folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 prima facie nicht i.S.v. Artikel 56 EPÜ erfinderisch und deshalb hat die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (2) VOBK und unter Heranziehung der im Artikel 13 (1) VOBK genannten Kriterien den Hilfsantrag 3 nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen.
6. Schlussfolgerung
Da der Hauptantrag und der Hilfsantrag 1 nicht die Voraussetzungen des Artikels 56 EPÜ erfüllen und die Hilfsanträge 2 und 3 nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen wurden, ist keiner der Anträge der Beschwerdeführerin gewährbar. Die Beschwerde ist deshalb zurückzuweisen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.