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T 1242/21 12-01-2024
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Abstützung zur schwenkbaren Lagerung des Achslenkers einer Fahrzeugachse
Neuheit - (ja)
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
Anpassung der Beschreibung
I. Die Beschwerdeführerinnen (Patentinhaberin, Einsprechende) legten Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung ein, wonach das Streitpatent in der Fassung des seinerzeitigen Hilfsantrags II die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.
II. Die Einspruchsabteilung hatte bezüglich dieses Antrags entschieden, dass
- der Gegenstand dieses Antrags neu und erfinderisch sei;
- die Ansprüche dieses Antrags klar seien;
- das Patent gemäß diesem Antrag die Erfindung so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne; und
- der Gegenstand der Ansprüche gemäß diesem Antrag nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe.
III. In Hinblick auf die höherrangigen Anträge entschied die Einspruchsabteilung, dass der Gegenstand des Hauptantrags, genauso wie der Gegenstand des Hilfsantrags I jeweils nicht neu sei gegenüber
D5 DE 10 2006 044 598 A1 und
D6 WO 03/062663 A1.
IV. Zudem bezogen sich die Parteien auf die folgenden weiteren Dokumente:
D3 KR 10 2009 0082823 A1
D4 DE 200 05 500 U1
D9 EP 1 777 085 A2
V. Es fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
a) Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter
Fassung auf der Grundlage des Hauptantrags (Hilfsantrag I aus dem Einspruchsverfahren) aufrechtzuerhalten, hilfsweise die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen und das Patent auf Grundlage des Hilfsantrags A aufrechtzuerhalten (Hilfsantrag II aus dem Einspruchsverfahren), ferner hilfsweise das Patent auf der Grundlage eines der Hilfsanträge B oder C (Hilfsanträge IV und V aus dem Einspruchsverfahren) aufrechtzuerhalten.
b) Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent zu widerrufen.
VI. Der unabhängige Anspruch des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Abstützung zur schwenkbaren Lagerung des Achslenkers (5) einer Fahrzeugachse, mit einem Stützengrundkörper (3) aus zwei über eine in Fahrtrichtung vorne angeordnete Stirnwand (8) miteinander verbundenen Seitenwänden (7a, 7b), die jeweils versehen sind mit
- einer Öffnung (15) für einen die Schwenkachse bildenden, quer durch die Seitenwände (7a, 7b) und den dazwischen einsetzbaren Achslenker (5) hindurchführenden Bolzen (6),
- einem Randabschnitt (29), der von dem unteren Rand (9) bis in den rückwärtigen Rand (10) der Seitenwand (7a, 7b) reicht und als frei auslaufender Wandabschnitt (30) ausgebildet ist,
wobei zumindest im Bereich der Randabschnitte (29) die Wandabschnitte (30) zu einem gegenseitigen Abstand (A2) aufgeweitet sind, der größer als der Abstand (A1) der Seitenwandbereiche (28) um die Öffnungen (15) herum ist und der Stützengrundkörper (3) als Blechformteil ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass ein erster Übergang (24) zwischen den Seitenwandbereichen (28) mit dem Abstand (A1) zu den Wandabschnitten (30) mit dem Abstand (A2) ausschließlich abgerundet und kantenlos gestaltet ist."
VII. Das für die vorliegende Entscheidung relevante Vorbringen der Beschwerdeführerin-Einsprechenden lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Der Gegenstand des Hauptantrags werde durch jedes der Dokumente D3, D4, D5, D6 und D9 neuheitsschädlich vorweggenommen.
b) Der Gegenstand des Hauptantrags sei nicht erfinderisch gegenüber einer Kombination von D5 mit dem Fachwissen des Fachmanns.
c) Dieser erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Einwand fehlender erfinderischer Tätigkeit sei zum Verfahren zuzulassen. Er komme weder überraschend, noch hätte er in Hinblick auf den Neuheitseinwand vorher formuliert werden können.
d) Die in der mündlichen Verhandlung eingereichte Beschreibung spiegele nicht korrekt die im Hauptantrag beanspruchte Erfindung wider.
VIII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Keines der Dokumente D3, D4, D5, D6 oder D9 zeige alle Merkmale des unabhängigen Anspruchs des Hauptantrags.
b) Der Einwand fehlender erfinderischen Tätigkeit sei erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erhoben worden und könne nicht mehr zum Verfahren zugelassen werden.
c) Die Anpassung der Beschreibung an den Anspruchssatz des Hauptantrags sei ausreichend.
1. Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs gemäß Hauptantrag ist neu (Artikel 54 EPÜ).
1.1 Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass das Dokument D5 neuheitsschädlich sei (Entscheidungsgründe 5.2).
1.1.1 Der unabhängige Anspruch des Hauptantrags verlangt unter anderem, dass der Randabschnitt vom unteren Rand bis in den rückwärtigen Rand der Seitenwand reicht.
a) Übereinstimmend mit den Parteien sieht die Kammer die Lasche (40) mit der Querbohrung (39) als Randabschnitt im Sinne des Streitpatents an. Diese Lasche ist unbestritten am hinteren Rand der Seitenwand angeordnet und erstreckt sich im unteren Drittel des hinteren Randes bis zur unteren Ecke der hinteren Kante.
b) Die Lasche erstreckt sich jedoch nicht um die untere Ecke herum bis in den Bereich des unteren Randes, sondern endet an der Ecke zwischen unterem und hinteren Rand. Sie reicht somit nicht "von dem unteren Rand bis in den rückwärtigen Rand der Seitenwand" wie vom Anspruch verlangt.
c) Dabei kann dem Argument der Beschwerdeführerin-Einsprechenden nicht gefolgt werden, dass die Ecke zwischen den beiden Kanten auch Teil der unteren Kante wäre, so dass die Lasche zumindest zu einem kleinen Teil auch an der unteren Kante (und zwar der Ecke) befestigt sei. Wie Figur 3 zu entnehmen ist, steht die Lasche (40) nicht über den unteren Rand der Seitenwand vor, sondern verlängert ausschließlich die Seitenwand am hinteren Ende nach hinten und kann daher auch nur dem rückwärtigen Rand zugeordnet werden.
1.1.2 Der unabhängige Anspruch des Hauptantrags bezieht sich des weiteren auf auf einen gegenseitigen Abstand (A1) der Seitenwandbereiche um die Öffnung herum und auf einen Abstand (A2) der Wandabschnitte im Bereich der Randabschnitte.
a) Damit zwei Wände einen definierten Abstand haben können, müssen die Wände parallel verlaufen. Nur so kann ein (einziges) Längenmaß zwischen den Wänden als Abstand existieren. Mit der Definition der beiden Abstände im unabhängigen Anspruch des Hauptantrags geht daher implizit einher, dass sowohl die beiden im Anspruch genannten Seitenwandbereiche um die Öffnung herum, als auch die beiden Wandabschnitte im Bereich der Randabschnitte parallel verlaufen müssen.
b) In Figur 3 ist jedoch erkennbar, dass die Vorderwand (34) von D5 keine parallelen seitlichen Kanten zu den Seitenwänden aufweist, sondern von oben nach unten leicht keilförmig verläuft. Somit sind jedoch die Seitenwände nicht parallel und entsprechend kann kein Abstand (A1) dieser Seitenwände ermittelt werden. Stattdessen ist der Abstand ortsvariabel.
Die Laschen (40) sind ebenfalls nicht parallel angeordnet, so dass auch zwischen ihnen kein eindeutiger Abstand (A2) bestimmt werden kann. Dies ergibt sich aus Absatz [0032], in dem ausgeführt wird, dass die Ebene der Laschen (40) parallel zur Ebene der Seitenwand verläuft. Wenn also die Seitenwände nicht parallel sind, sind es die Laschen ebenfalls nicht.
c) Die Beschwerdeführerin-Einsprechende argumentiert zwar, unter Verweis auf gerade diesen Absatz [0032] und behauptet, hier sie zu entnehmen, dass sowohl Seitenwände (33), als auch Laschen (40) jeweils "in einer Ebene" lägen.
Diese Ebenen werden jedoch in Absatz [0032] nur erwähnt, um den vorstehend in b) genannten Versatz zwischen der Seitenwand und der jeweiligen, am hinteren Rand der Seitenwand angebrachten Lasche definieren zu können. Hinsichtlich der Lage der beiden Seitenwände zueinander wird aber in Absatz [0032] keine Aussage getroffen, nicht zuletzt da die zwei beabstandeten Seitenwände nicht in einer (einzigen) Ebene liegen können, sondern allenfalls in zwei parallelen Ebenen.
d) In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass sich die im Anspruch verwendeten Ausdrücke "Abstand (A1)" und "Abstand (A2)" auf zwei verschiedene Abstände beziehen. Der Klammerausdruck ist dabei entgegen der Argumentation der Beschwerdeführerin-Einsprechenden nicht als Referenzzeichen anzusehen (das bei der Bestimmung des Schutzumfangs nicht mitgelesen werden dürfte), sondern als Bezeichnung des jeweiligen Abstandes, der dazu dient, die beiden Abstände zu unterscheiden. Da der unabhängige Anspruch ferner von einer Aufweitung spricht und einen Größenunterschied verlangt ("zu einem gegenseitigen Abstand (A2) aufgeweitet sind, der größer als der Abstand (A1) ... ist"), ist nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich klargestellt, dass die beiden Abstände nicht gleich groß sein können.
1.1.3 Schließlich verlangt der unabhängige Anspruch des Hauptantrags noch, dass der Übergang zwischen den Bereichen mit Abstand (A1) und (A2) ausschließlich abgerundet und kantenlos gestaltet ist.
a) In der Beschreibung und den Ansprüchen von D5 wird keine Aussage zum Verlauf des Übergangs zwischen der Seitenwand (33) und der Lasche (40) gemacht.
Aus den Figuren alleine kann aus Sicht der Kammer aber nicht eindeutig und zweifelsfrei auf den Verlauf des Übergangs geschlossen werden.
b) Die Figuren der D5 sind keine normgerechte technischen Zeichnungen, in der eine Linie in der die Seitenwand zeigende Fläche zweifelsfrei einen Knick in der Seitenwand darstellen würde. Die in Figur 3 erkennbaren Linien können daher Knicke im Blechverlauf darstellen, müssen dies aber nicht zwingend. Stattdessen könnte die Linie - wie von der Beschwerdeführerin-Einsprechenden behauptet - eine zeichnerische Darstellung des Beginns und des Endes eines gleichgekrümmten Bereichs des Übergangs darstellen.
c) Daher kann allein aus der zeichnerischen Darstellen nicht eindeutig und zweifelsfrei abgeleitet werden, dass der Übergang ausschließlich abgerundet und kantenlos gestaltet ist.
d) In diesem Zusammenhang mag es zwar zutreffen (wie von der Beschwerdeführerin-Einsprechenden ausgeführt und von der Einspruchsabteilung entschieden), dass jede Blechverformung - sei es durch Biegen oder Tiefziehen - immer einen gewissen Radius haben muss, da ansonsten bei einer zu scharfkantigen Verformung Risse entstehen würden. Dennoch erkennt der Fachmann beim Lesen des Streitpatents, dass der im Anspruch verwendete Begriff "ausschließlich abgerundet und kantenlos" nicht auf solche Mindestradien abzielt, sondern - wie in Absatz [0004] des Streitpatents ausgeführt - dazu dient, ein Verkanten bzw. ein Hängenbleiben des Achslenkers beim Einführen in die Abstützung zu verhindern. Die im Anspruch genannten abgerundeten und kantenfreien Übergänge werden somit nicht bereits mit den materialbedingten Mindestbiegeradien im Bereich von maximal ein bis zwei Millimeter erzielt, sondern verlangen großzügigere Ausrundungen, an denen der Querlenker beim Einführen sich nicht verkannten kann und/oder woran er hängenbleiben kann.
1.1.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher von der aus D5 bekannten Abstützung mit Stützengrund-körper dahingehend, dass
- der Randabschnitt der Seitenwand auch bis in den unteren Rand reicht;
- ein Abstand (A1) zwischen den Seitenwänden um die Öffnungen herum definiert werden kann;
- ein Abstand (A2) zwischen den Wandabschnitten im Bereich der Randabschnitte definiert und mit dem Abstand (A1) verglichen werden kann; und
- der Übergang zwischen den Seitenwandbereichen mit Abstand (A1) und den Wandabschnitten mit dem Abstand (A2) ausschließlich abgerundet und kantenlos gestaltet ist.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu gegenüber D5.
1.2 Die Einspruchsabteilung hatte ferner entschieden, dass auch das Dokument D6 neuheitsschädlich sei (Entscheidungsgründe 5.3).
1.2.1 Analog zur Lasche (40) von D5 (siehe Punkt 1.1.1 dieser Entscheidung) kann die sich über die komplette hintere Kante der jeweiligen Seitenwand erstreckende Aufweitung der Seitenwand in D6 (siehe Figur 2; sowie Antwort der Beschwerdeführerin-Einsprechenden auf die Beschwerdebegründung, Seite 8, grün markierter Bereich) aber nicht als Randabschnitt angesehen werden, der vom unteren Rand bis zum rückwärtigen Rand reicht. Auch wenn dieser Bereich selbe kurzes Stück einer unteren Kante aufweist, reicht er dennoch nur bis zur Ecke zwischen der unteren und hinteren Kante der Seitenwand.
1.2.2 Zudem kann auch in D6 kein Abstand (A2) zwischen den Wandabschnitten im Bereich der Randabschnitte definiert werden.
a) Die Aufweitung der Seitenwand erfolgt durch eine Verformung des hinteren Randes der Seitenwand um etwa 90°. Somit liegen die den Rand bildenden Wandabschnitte der rechten und linken Seite in ein und derselben Ebene, so dass kein Abstand zwischen diesen Wandabschnitten definiert ist.
b) Die Beschwerdeführerin-Einsprechende argumentiert zwar, dass man die Stirnseite der umgebogenen Seitenwand als Referenzebene verwenden könne, so dass zwischen den beiden Stirnseiten ein Abstand ermittelt werden könne.
c) Dieser Abstand ist dann aber kein Abstand der Wandabschnitte, sondern allenfalls ein Abstand der Stirnseiten der Wandabschnitte. Auch hier wäre daher zur Bestimmung eines Abstandes der Wandabschnitte notwendig, dass es parallel verlaufende, beabstandete Wandabschnitte gäbe, die in D6 aber nicht erkennbar sind.
1.2.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher von der aus D6 bekannten Abstützung mit Stützengrund-körper zumindest dahingehend, dass
- der Randabschnitt der Seitenwand auch bis in den unteren Rand reicht; und
- ein Abstand (A2) zwischen den Wandabschnitten im Bereich der Randabschnitte definiert und mit dem Abstand (A1) verglichen werden kann.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher auch neu gegenüber D6.
1.3 Die Beschwerdeführerin-Einsprechende machte ferner geltend, dass auch das Dokument D3 neuheitsschädlich sei. Die Einspruchsabteilung hatte hierzu nicht entschieden.
1.3.1 Der unabhängige Anspruch des Hauptantrags verlangt, dass die Seitenwände jeweils mit einem Randabschnitt versehen sind, der die im Anspruch definierte Ausgestaltung aufweist.
a) Im rechten Teil der Figur 3 von D3 wird ein Stützengrundkörper gezeigt, dessen rechte Seitenwand (53) im Bereich der Öffnung (54) gegenüber dem Rand der Seitenwand nach innen versetzt angeordnet ist.
b) Die linke Seitenwand weist jedoch keinen analog geformten Bereich um die Öffnung herum auf, so dass nicht die Seitenwände jeweils mit einem Randabschnitt versehen sind, sondern nur die rechte der beiden Seitenwände.
1.3.2 Zudem kann der Figur analog zu D5 nicht eindeutig und zweifelsfrei entnommen werden, wie der Übergang zwischen den beiden Bereichen ausgestaltet ist, d.h. ob der Übergang ausschließlich abgerundet und kantenlos gestaltet ist.
1.3.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher von der aus D3 bekannten Abstützung mit Stützengrundkörper zumindest dahingehend, dass
- beide Seitenwände mit Randabschnitten versehen sind; und
- der Übergang zwischen den Seitenwandbereichen mit Abstand (A1) und den Wandabschnitten mit dem Abstand (A2) ausschließlich abgerundet und kantenlos gestaltet ist.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher bereits aufgrund dieser beiden unterscheidenden Merkmale neu gegenüber D3.
1.4 Zudem sah die Beschwerdeführerin-Einsprechende auch das Dokument D4 als neuheitsschädlich an. Auch hierzu hatte die Einspruchsabteilung nichts entschieden.
1.4.1 Aus Figur 2 ist in der Aufsicht klar erkennbar, dass der Stützengrundkörper zwei Seitenwände aufweist, die in der vorderen Hälfte um ca. 30° nach außen gebogen verlaufen und so eine Einführhilfe bilden. Entsprechend weisen diese Seitenwände aber analog der in Absatz 1.1.2 ausgeführten Gründen keine Wandabschnitte mit einem Abstand (A2) auf.
1.4.2 Zudem ist in D4 auch kein Randabschnitt zu erkennen, der von der unteren zur hinteren Kante reicht. Analog zu D5 ist auch hier aufgrund der in Absatz 1.1.1 aufgezeigten Gründe der Randabschnitt nur an der hinteren Kante der Seitenwand angeordnet.
1.4.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher von der aus D4 bekannten Abstützung mit Stützengrund-körper zumindest dahingehend, dass
- der Randabschnitt der Seitenwand auch bis in den unteren Rand reicht; und
- ein Abstand (A2) zwischen den Wandabschnitten im Bereich der Randabschnitte definiert und mit dem Abstand (A1) verglichen werden kann.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher auch neu gegenüber D4.
1.5 Schließlich machte die Beschwerdeführerin-Einsprechende auch geltend, dass das Dokument D9 ebenfalls neuheitsschädlich sei. Auch hierzu hatte die Einspruchsabteilung nicht entschieden.
1.5.1 Aus den Figuren von D9 ist zu erkennen, dass die Stützkörper mit zwei keilförmig zulaufenden Seitenwänden ausgebildet sind. Aus den in Absatz 1.1.2 dargelegten Gründen kann daher kein Abstand (A1) für die beiden Seitenwände definiert werden.
1.5.2 Zudem ist kein Randabschnitt erkennbar, der einen zweiten Abstand (A2) hätte, sowie kein Übergang zwischen den Wandbereichen im Randabschnitt und den Seitenwandbereichen im Bereich der Öffnung.
1.5.3 Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs des Hauptantrags ist daher auch gegenüber D9 neu.
2. In der Verhandlung vor der Kammer erhob die Beschwerdeführerin-Einsprechende erstmals einen Einwand fehlender erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D5 in Kombination mit dem Fachwissen.
2.1 Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin beantragte, diesen Einwand nicht mehr zum Verfahren zuzulassen.
2.2 Die Beschwerdeführerin-Einsprechende argumentierte, dass der Einwand die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin weder überraschen könne, noch unangemessen benachteiligen würde. Zudem sei der Rechtsprechung in T131/01 folgend dieser Einwand erstmals nach der Entscheidung der Kammer zur Neuheit möglich gewesen und daher zuzulassen.
2.3 Die Kammer ließ den Einwand der fehlenden erfinderischen Tätigkeit unter Verweis auf Artikel 13(2) VOBK 2020 nicht zum Verfahren zu.
2.3.1 Artikel 13(2) VOBK 2020 stipuliert, dass Änderungen des Beschwerdevorbringens nach Zustellung der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
2.3.2 Es ist daher nicht maßgebend, ob die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin durch den neuen Einwand überrascht wurde, sondern es obliegt der vorbringenden Partei (hier der Beschwerdeführerin-Einsprechenden) stichhaltige Gründe vorzubringen, die außergewöhnlicher Umstände begründen könnten.
Derartige außergewöhnlichen Umstände sind aber für die Kammer nicht erkennbar.
2.3.3 Die Beschwerdeführerin-Einsprechende behauptet zwar, sie hätte keine Einwände der fehlenden erfinderischen Tätigkeit formulieren können, da nach ihrer Auffassung ja bereits alle Merkmale des Anspruchs aus dem Stand der Technik bekannt gewesen seien. Unterscheidende Merkmale seien daher für sie nicht erkennbar gewesen.
Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin hatte aber in ihrer Beschwerdebegründung und in ihrer Antwort auf die Beschwerdebegründung der Einsprechenden Merkmale im Anspruch identifiziert, die aus ihrer Sicht nicht aus dem Stand der Technik bekannt waren. Entsprechend hätte die Beschwerdeführerin-Einsprechende zumindest zu diesen Merkmalen Stellung nehmen können (unter der Annahme, dass die Kammer der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin folgt und diese Merkmale als nicht offenbart ansieht) und Dokumente identifizieren können, die diese Merkmale im vorliegenden technischen Kontext nahelegen.
2.3.4 In diesem Zusammenhang ist auch die Entscheidung T131/01 nicht relevant für die vorliegende Sache.
a) Diese isolierte Einzelfallentscheidung betraf die Frage, ob der erstmalig im Beschwerdeverfahren vorgebrachte Einspruchsgrund der fehlenden erfinderischen Tätigkeit ohne Zustimmung der Patentinhaberin ins Verfahren zugelassen werden darf.
b) Im vorliegenden Fall wendet die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin sich nicht gegen den neu vorgebrachten Einspruchsgrund, sondern gegen die erstmals vorgetragene Argumentationslinie.
c) Zudem ist vorliegend die Verfahrensordnung der Beschwerdekammer in der Fassung von 2020 anzuwenden, die im Jahr 2001 noch nicht bestand.
3. Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin reichte im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eine an den Anspruchssatz des Hauptantrags angepasste Beschreibung ein.
3.1 Die Beschwerdeführerin-Einsprechende bemängelte, dass im Absatz [0019] nicht explizit angegeben werde, dass sowohl die beiden Seitenwände, als auch die Wandabschnitte im Bereich der Randabschnitte parallel verlaufen müssen, sowie dass im Absatz [0011] die dort genannte Parallelität erfindungswesentlich sei.
Zudem bemängelte die Beschwerdeführerin-Einsprechende, dass das Dokument D5 nicht zitiert und diskutiert werde.
3.2 Nachdem beide Absätze [0011] und [0019] ein Ausführungsbeispiel betreffen, muss nicht explizit betont werden, dass das im Ausführungsbeispiel verwirklichte Merkmal der parallelen Seitenwände erfindungswesentlich ist.
Zudem ist es auch nicht notwendig, das im Absatz [0011] bereits beschriebene Merkmal in Absatz [0019] erneut zu nennen.
3.3 Angesichts der zahlreichen Unterschiede zwischen dem Gegenstand des unabhängigen Anspruchs gemäß Hauptantrag und D5 (siehe Absatz 1.1.4), stellt D5 nicht zweifelsfrei den nächstkommenden Stand der Technik dar.
Zudem nennt die Beschreibung in den Absätzen [0002] und [0003] andere Dokumente, die den Stand der Technik ausreichend repräsentieren, so dass kein weiteres Dokument genannt werden muss.
Schließlich wird D5 in der vorliegenden Entscheidung detailliert analysiert, so dass die Unterschiede zwischen D5 und der Erfindung ausreichend dokumentiert und auch für Dritte ersichtlich aufgeworfen wurden.
3.4 Aus diesen Gründen ist die Anpassung der Beschreibung wie von der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin vorgenommen ausreichend.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geändertem Umfang in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
Beschreibung:
Spalten: 1 bis 6 eingereicht per E-mail während der mündlichen Verhandlung.
Ansprüche:
Nr.1 bis 8 des Hauptantrags (Hilfsantrag I eingereicht mit Schreiben vom 18. Februar 2021).
Zeichnungen:
Figuren 1 bis 3 der Patentschrift.